Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.-Doz. Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. I*****, 2. D*****, beide vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Exszindierung, hier wegen Beitritts der Nebenintervenientin M*****, vertreten durch Rechtsanwälte Waltl & Partner in Zell am See, auf Seiten der klagenden Partei, über den Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 13. August 2019, GZ 53 R 170/19k-31, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 18. März 2019, GZ 39 C 16/18d-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Nebenintervenientin ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.221,80 EUR (darin 203,63 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 3.111,24 EUR (darin 224,26 EUR USt und 1.645,70 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte, die gegen die Verpflichtete geführte Exekution zur Erwirkung der fachgerechten Entfernung einer (näher bezeichneten) Stromleitung für unzulässig zu erklären (§ 37 EO). Sie brachte zusammenfasst vor, sie sei Eigentümerin der Leitungen und eine Exekution auf Stromleitungen sei überhaupt unzulässig. Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, die Verpflichtete (Grundeigentümerin) sei ihnen gegenüber aufgrund des Titels zur Entfernung verpflichtet, weil das Stromkabel eigenmächtig und ohne Zustimmung der Liegenschaftseigentümer auf deren Grund verlegt worden sei; es handle sich um ein im Eigentum des Stromkunden befindliches Privatkabel.
Die Klägerin verkündete der Verpflichteten den Streit.
Die Verpflichtete erklärte ihren Beitritt als Nebeninterventin auf Seiten der Klägerin und brachte dazu vor, sie habe ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Klägerin, weil diese (mit ihr) einen Strombezugsvertrag abgeschlossen habe und „über diesen Vertrag“ das Haus der Nebenintervenientin mit Strom versorgt werde. Sollte die Stromleitung entfernt werden müssen, sei „die Stromversorgung des Hauses nicht mehr gewährleistet“.
Die Beklagten sprachen sich gegen die Zulassung der Nebenintervention aus. Die Verpflichtete habe bereits im Titelverfahren die Möglichkeit gehabt, auf das Eigentumsrecht der nunmehrigen Klägerin an den Leitungen hinzuweisen; dies sei im Wiederaufnahmeverfahren geklärt worden, in dem die Verpflichtete ebenso wie im Titelverfahren unterlegen sei. Es könne nicht sein, dass die Verpflichtete über den „Umweg“ der exekutionsrechtlichen Klage und eines Beitritts auf Seiten der Klägerin die gegen sie ergangenen Urteile „aushebelt“. Ein rechtliches Interesse an der Nebenintervention liege nicht vor.
Das Erstgericht wies den Beitritt der Verpflichteten als Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin zurück.
Die Verpflichtete habe kein Interventionsinteresse im Sinn des § 17 ZPO aufgezeigt; der Strombezugsvertrag zwischen ihr und der Klägerin, auf den sie hingewiesen habe, werde durch die Exszindierungsklage nicht berührt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs dagegen Folge, wies den Antrag der Beklagten, die Nebenintervention der Verpflichteten auf Seiten der Klägerin zurückzuweisen, ab und ließ den Beitritt der Nebeninterventin auf Seiten der Klägerin zu.
Das rechtliche Interesse an der Nebenintervention sei hier deshalb zu bejahen, weil sich die Entscheidung im Exszindierungsverfahren auf die rechtlichen Verhältnisse auswirke; beim Obsiegen der Klägerin verbessere sich die Rechtslage der Nebenintervenientin, weil der gegen sie erwirkte Titel nicht mehr umgesetzt werden könne; das Belassen der Leitung stelle „nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein rechtliches Interesse“ der Nebenintervenientin dar.
Der Revisionsrekurs sei zur Frage zulässig, inwiefern es ein in der Rechtsordnung gegründetes und gebilligtes Interesse darstelle, wenn die Verpflichtete den gegen sie erwirkten Titel auf Seiten des Exszindierungsklägers bekämpfe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
1. Ein rechtliches Interesse im Sinn des § 17 Abs 1 ZPO hat der Nebenintervenient nach der Rechtsprechung dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Das rechtliche Interesse muss ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht (RS0035724). Dabei ist auf die vorgebrachten Tatsachen abzustellen. Wenn bereits aus diesen kein rechtliches Interesse abzuleiten ist, ist die Nebenintervention zurückzuweisen (RS0035638 [T6]). Die Schlüssigkeit des behaupteten Interventionsinteresses gehört zu den formellen Beitrittsvoraussetzungen; eine insofern unschlüssige Nebenintervention führt zu deren Zurückweisung im Rahmen der gerichtlichen Vorprüfung (RS0111787).
Die Zulässigkeit der Nebenintervention darf nicht aus anderen als den von der Nebenintervenientin zum Beitritt vorgebrachten Tatsachen abgeleitet werden (RS0035678 [T1]). Soweit über die Erklärung des Beitritts hinausgehende Tatsachen und Rechtsüberlegungen der Entscheidung zugrundelegt werden, ist dies nicht zulässig (RS0035678 [T3]; jüngst 3 Ob 7/19d).
2. Entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts lässt sich dem Vorbringen der Verpflichteten zu ihrem Beitritt als Nebeninterventin kein rechtliches Interesse im Sinn des § 17 Abs 1 ZPO entnehmen: Die Verpflichtete stellte die drohende Unterbrechung der aufgrund eines Vertrags mit der Klägerin bestehenden Stromversorgung ihres Hauses in den Vordergrund und sprach damit offensichtlich die sie allenfalls treffenden Kosten für eine Wiederherstellung an. Damit werden aber nur ihre wirtschaftlichen Interessen berührt. Welche rechtlichen Auswirkungen eine Unterbrechung der Stromversorgung auf den Strombezugsvertrag mit der Klägerin haben sollte, wurde hingegen nicht dargestellt.
Die Begründung der Verpflichteten für ihr Interventionsinteresse erweist sich damit als nicht ausreichend. Schon daraus ergibt sich die Berechtigung des Zurückweisungsantrags der Beklagten, ohne dass es einer näheren Auseinandersetzung mit der vom Rekursgericht aufgeworfenen (allgemeinen) Frage bedurfte, ob ein in der Rechtsordnung gegründetes und gebilligtes Interesse an der Nebenintervention des/der Verpflichteten auf Seiten des Klägers im Verfahren über eine Exszindierungsklage besteht.
3.1 Die Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulassung der Nebenintervention (vgl RS0035436; Fucik in Rechberger, ZPO5 § 18 Rz 3 mwN; Schneider in Fasching/Konecny3 § 18 ZPO Rz 34 mwN) gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Den Beklagten steht allerdings im Revisionsrekursverfahren (wie im Rekursverfahren richtig angeführt) gemäß § 15 RATG nur ein Streitgenossenzuschlag von 10 % (anstatt der verzeichneten 15 %) zu, weil den beiden nur die Nebenintervenientin als Gegnerin gegenübersteht.
3.2 Ein Recht einer Prozesspartei, durch einen Nebenintervenienten unterstützt zu werden, ist aus der Prozessordnung nicht abzuleiten (Schneider in Fasching/Konecny3 § 18 ZPO Rz 29 mwN). Im Zwischenverfahren nach § 18 Abs 2 ZPO ist (daher) nur der Intervenient und diejenige Prozesspartei beteiligt, welche die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt hat (RS0035743). Die Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin zum Revisionsrekurs der Beklagten betreffend die Zulassung der Nebenintervention war daher zurückzuweisen.
Textnummer
E127490European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00197.19W.0122.000Im RIS seit
06.03.2020Zuletzt aktualisiert am
06.03.2020