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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §63 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1961 geborenen DL, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. November 1997, Zl. 308.270/2-III/11/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Aufenthaltsrechts, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer brachte nach der Aktenlage durch eine dritte Person am 23. September 1996 bei der österreichischen Botschaft in Budapest einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, der am 7. Oktober 1996 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte.
Mit Schreiben vom 7. Mai 1997 (vgl. OZ 17 des Verwaltungsaktes) teilte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers dem Landeshauptmann von Wien mit, er sei von seinem Mandanten informiert worden, daß diesem über die österreichische Botschaft in Belgrad ein amtliches Schriftstück zugestellt werden sollte, dieses Schriftstück sei jedoch "tatsächlich nicht ausgefolgt worden", dies offenbar deshalb, weil bei der Vorsprache das Schriftstück bereits an den Absender zurückgesendet gewesen wäre. Es werde daher ersucht, "dieses amtliche Schriftstück" an den Rechtsvertreter zuzustellen.
Mit Schriftsatz vom 16. Mai 1997 (vgl. OZ 21 des Verwaltungsaktes) teilte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers dem Landeshauptmann von Wien mit, die österreichische Botschaft in Belgrad habe dem Beschwerdeführer ein Schreiben vom 25. März 1997 "zugestellt", dies mit der Aufforderung, auf der österreichischen Botschaft in Belgrad vorzusprechen. Nach der bisher erteilten Information sei das laut Schreiben vom 25. März 1997 dem Beschwerdeführer zuzustellende Schriftstück jedoch bei der Vorsprache nicht ausgefolgt worden. Der Beschwerdeführer gehe daher davon aus, "daß ihm ein Bescheid ausgefolgt werden sollte, mit welchem sein Antrag vom 23.09.1996 abgelehnt wird". Unter diesen Voraussetzungen erhebe der Beschwerdeführer "aus Gründen prozessualer Vorsicht gegen den Bescheid des LH von Wien, MA 62, innerhalb offener Frist" Berufung.
Das Bundesministerium für Inneres hielt dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 14. Oktober 1997 (vgl. OZ 32 des Verwaltungsaktes) vor, daß im "Berufungsantrag" vom 16. Mai 1997 weder ein begründeter Berufungsantrag enthalten sei noch der bekämpfte Bescheid bezeichnet werde. Es liege sohin ein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG vor, weshalb ein Verbesserungsauftrag erteilt werde, indem die Gelegenheit eingeräumt werde, einen "rechtskonformen Berufungsantrag einzubringen". Bei fruchtlosem Verstreichen der gesetzten zweiwöchigen Frist bzw. mangelhafter Mitwirkung am Verfahren werde das gegenständliche Verfahren aufgrund der derzeitigen Aktenlage fortgeführt werden und müsse mit einer Zurückweisung des Antrages gerechnet werden.
Nach der Aktenlage erfolgte keine Reaktion des Beschwerdeführer-Vertreters auf diese Aufforderung.
Mit Bescheid vom 21. November 1997 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid "MA 62 vom 12.03.1997 Zl. MA 62-9/2008001-01-E" gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 13 Abs. 3 AVG und § 63 Abs. 3 AVG zurück. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe durch seinen Rechtsvertreter beim Magistrat der Stadt Wien "eine Berufung des Bescheides MA 62-9/2008001-01-E" eingebracht. In dieser sei unter anderem angegeben worden, daß der Berufungswerber davon ausgehe, daß ihm ein Bescheid ausgefolgt werden solle. Weiters sei angegeben worden, daß eine Ausfolgung des Bescheides nicht erfolgt sei, weshalb aus Gründen der prozessualen Vorsicht Berufung erhoben werde.
Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigten Formgebrechen schriftliche Anbringen die Behörden nicht zur Zurückweisung. Die Behörde habe vielmehr dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen mit der Wirkung aufzutragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Werde das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gelte das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht. Gemäß § 63 Abs. 3 AVG habe die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.
Da der Beschwerdeführer offensichtlich nach seinen Angaben bzw. auch nach der Aktenlage keinen Bescheid erhalten habe bzw. gegen diesen "Bescheid" keinen begründeten Berufungsantrag eingebracht habe, sohin ein Formgebrechen vorliege, sei er mit Schreiben des Bundesministers für Inneres vom 14. Oktober 1997 aufgefordert worden, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diese Formgebrechen zu beheben. Überdies sei innerhalb der selben Frist Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Da der Beschwerdeführer bis dato auf das Schreiben vom 14. Oktober 1997 nicht reagiert habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erlassung eines die Sache erledigenden Berufungsbescheides nach den Bestimmungen des AVG verletzt. Die belangte Behörde habe in ihrem Schreiben an den Beschwerdeführervertreter vom 14. Oktober 1997 behauptet, ein Bescheid des Landeshauptmannes von Wien sei gar nicht erlassen worden, andererseits im angefochtenen Bescheid schon im Spruch ausgeführt, daß die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, MA 62, vom 12. März 1997 zurückgewiesen werde. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid zu erkennen gegeben, daß dem Beschwerdeführer auf der österreichischen Botschaft in Belgrad ein Schriftstück zugestellt werden sollte, mit welchem sein Antrag vom 23. September 1996 mit Bescheid erledigt wurde. Gegen diesen Bescheid, dessen Ausfolgung den Beschwerdeführer bei der geforderten Vorsprache verwehrt worden sei, habe der Beschwerdeführer "sohin rechtlich und tatsächlich richtig" Berufung erhoben. In seiner Berufung sei auch ein dem AVG entsprechender Berufungsantrag enthalten gewesen. Die belangte Behörde hätte demnach in der Sache selbst zu erkennen gehabt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht mit konkretem Vorbringen die Feststellung der belangten Behörde, er habe nach seinen Angaben bzw. nach der Aktenlage keinen Bescheid erhalten. Er räumt vielmehr ausdrücklich ein, daß ihm die Ausfolgung eines Bescheides "bei der geforderten Vorsprache verwehrt wurde", wie dies auch sein Rechtsvertreter in dem als "Berufung" bezeichneten Schriftsatz vom 16. Mai 1997 getan hatte. Darin wurde ausdrücklich ausgeführt, daß das dem Beschwerdeführer "zuzustellende Schriftstück ... nicht ausgefolgt" worden sei, daß der Beschwerdeführer aber davon ausgehe, daß ihm ein Bescheid ausgefolgt werden sollte, mit welchem sein Antrag vom 23. September 1996 abgelehnt wird. Da auch die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten diesbezüglich keinen Anlaß zu zweifeln geben, legt der Verwaltungsgerichtshof die nicht bestrittene Annahme der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei ein Bescheid der Behörde erster Instanz gar nicht zugestellt worden, zugrunde.
Fehlt es aber an einem gegenüber der Partei rechtswirksam erlassenen Bescheid, so liegt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein der Entscheidung in der Sache selbst entgegenstehendes formalrechtliches Hindernis vor (vgl. die bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I (1998), 1255 (E 62) wiedergegebene hg. Judikatur). Die belangte Behörde hätte den als "Berufung" bezeichneten Schriftsatz des Beschwerdeführers daher als unzulässig gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückweisen müssen.
Wohl hat die belangte Behörde verfehlterweise spruchgemäß die Berufung unter Heranziehung des § 13 Abs. 3 und des § 63 Abs. 3 AVG zurückgewiesen. Da sie jedoch in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch auf das Fehlen eines anfechtbaren erstinstanzlichen Bescheides Bezug nahm, wurde der Beschwerdeführer im Ergebnis in keinem Recht verletzt, zumal aus der Vorgangsweise der belangten Behörde nicht der Schluß gezogen werden muß, daß damit die rechtswirksame Aussage getroffen wurde, es liege - mangels wirksamer Berufung - ein (nunmehr rechtskräftiger) erstinstanzlicher Bescheid vor.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997191784.X00Im RIS seit
20.11.2000