TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/29 97/10/0012

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Veröffentlicht am 29.06.1998
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §19 Abs11;
ROG Tir 1994 §43 Abs1 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 26. November 1996, Zl. 4-4878/8, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung und Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft Nauders, vertreten durch Dr. Franz Purtscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 42), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der erteilten Rodungsbewilligung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 26. November 1996 wurde der mitbeteiligten Partei neben der naturschutzrechtlichen Bewilligung zur Errichtung eines Zufahrtsweges gemäß den §§ 17 f ForstG die Bewilligung zur dauernden Rodung einer Teilfläche im Ausmaß von 390 m2 eines näher bezeichneten Grundstückes zum Zwecke der Errichtung eines Jagdhauses, eines Abstellplatzes sowie eines Zufahrtsweges sowie zur befristeten Rodung einer Teilfläche im Ausmaß von 980 m2 eines näher bezeichneten Grundstückes zur Errichtung einer Wasserleitung und Verlegung eines Stromkabels unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrensablaufes und der angewendeten Gesetzesbestimmungen - im wesentlichen ausgeführt, der forsttechnische Sachverständige habe gegen die Erteilung der beantragten Rodungsbewilligung keine Bedenken geäußert. Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. Oktober 1996 sei der Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Nauders auf Änderung des Flächenwidmungsplanes (Umwidmung von Freiland in "Sonderfläche Jagdhaus") aufsichtsbehördlich genehmigt worden. Daraus sei zu schließen, daß ein öffentliches Interesse an der ordnungsgemäßen Jagdbewirtschaftung gegeben sei. Demgegenüber bestehe kein allzu großes Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald. Da das Interesse an der Errichtung des Jagdhauses samt Autoabstellplatz sowie eines Zufahrtsweges das Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiege, habe die Rodungsbewilligung erteilt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gemäß § 170 Abs. 8 ForstG unter Anschluß der Verwaltungsakten erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, es könne weder der Begründung des angefochtenen Bescheides noch den gesamten Aktenunterlagen entnommen werden, worin konkret das öffentliche Interesse an der Errichtung des Jagdhauses bestehe. Weder der Umstand, daß insbesondere von forstfachlicher Seite dagegen kein Einwand erhoben worden sei, noch die Änderung des Flächenwidmungsplanes nach konsensloser Errichtung des Jagdhauses bringe ein öffentliches Interesse hinreichend zum Ausdruck. Die mitbeteiligte Partei habe in ihrem Ansuchen um Rodungsbewilligung nicht begründet, wofür das Jagdhaus benötigt werde. Aufgrund des Nahbereiches zu Nauders - das Jagdhaus liege nur ca. fünf bis zehn Fahrminuten mit dem Pkw von Nauders entfernt - könne es aber nicht für eine ordnungsgemäße Jagdbewirtschaftung benötigt werden. Vielmehr solle es offenbar der Einquartierung von ausländischen Jagdgästen dienen, welche sich eine Quartiersuche in Nauders ersparen würden; dadurch könnte die mitbeteiligte Partei einen höheren Pachtpreis verlangen. Die belangte Behörde habe zwar auf die Flächenwimdung hingewiesen, es jedoch unterlassen, von der sachlich zuständigen Stelle (gegebenenfalls von der Jagdbehörde) eine Stellungnahme einzuholen, ob die Errichtung des Jagdhauses für eine ordnungsgemäße Jagdbewirtschaftung erforderlich und eine Rodung aus diesem Grund im öffentlichen Interesse gelegen sei. Die Beurteilung der jagdwirtschaftlichen Notwendigkeit falle nicht in die Zuständigkeit der Gemeinde. Die für ein Rodungsverfahren wesentliche Erhebung und Bescheinigung des geltend gemachten öffentlichen Interesses sei ebenso unterblieben wie in weiterer Folge eine nachvollziehbare Interessenabwägung. Die belangte Behörde habe sich mit der grundlegenden Frage der "ordnungsgemäßen Jagdbewirtschaftung" nicht auseinandergesetzt; sie habe auch nicht begründet, wieso ein derart großes Jagdhaus benötigt werde.

Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die gemäß § 19 Abs. 1 ForstG zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung gemäß § 17 Abs. 2 ForstG erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 sind gemäß § 17 Abs. 3 ForstG insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet.

Gemäß § 19 Abs. 11 ForstG sind Bescheide, mit denen eine Rodungsbewilligung erteilt wird, auch dann zu begründen, wenn dem Antrag vollinhaltlich Rechnung getragen wird.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Ausgehend von diesen Bestimmungen obliegt es der Forstbehörde im Rodungsverfahren, gestützt auf entsprechende Ermittlungsergebnisse, in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, ob und in welchem Ausmaß ein öffentliches Interesse am geltend gemachten Rodungszweck besteht und gegebenenfalls, ob und aus welchen Gründen dieses öffentliche Interesse jenes an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Flächen überwiegt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1997, Zl. 96/10/0123, und die hier zitierte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf das Vorliegen der Widmung gemäß § 43 Abs. 1 lit. a Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 "Sonderfläche Jagdhaus" nach dem Flächenwidmungsplan ein in der ordnungsgemäßen Jagdbewirtschaftung begründetes öffentliches Interesse an der Verwirklichung des Rodungszweckes angenommen.

Nun trifft es zu, daß eine Widmung im Flächenwidmungsplan ein Interesse der örtlichen Raumplanung gemäß Art. 118 Abs. 3 Z. 9 B-VG und somit - auch wenn dieses Interesse in der demonstrativen Aufzählung des § 17 Abs. 3 ForstG nicht (ausdrücklich) genannt ist - ein öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 2 ForstG dokumentiert. Es vermag dieser Umstand für sich aber ein Überwiegen dieses öffentlichen Interesses gegenüber jenem an der Walderhaltung (noch) nicht zu begründen. Vielmehr bedarf die Feststellung, es bestehe an der Verwirklichung der von der Gemeinde vorgesehenen anderen Verwendung der Waldfläche ein das Walderhaltungsinteresse überwiegendes Interesse einer dem Gesetz entsprechenden Interessenabwägung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1996, Zl. 95/10/0272, und die hier zitierte Vorjudikatur), in deren Rahmen insbesondere auch eine Auseinandersetzung mit den Gründen geboten ist, die zu dieser Widmung geführt haben.

Eine solche der nachprüfenden Kontrolle zugängliche Interessenabwägung fehlt im vorliegenden Fall. Vielmehr hat sich die belangte Behörde damit begnügt, auf die Flächenwidmung zu verweisen, statt auf fachkundiger Grundlage darzulegen, aus welchen Gründen an der Verwirklichung des Rodungszwecks ein das Walderhaltungsinteresse überwiegendes öffentliches Interesse bestehe.

Soweit in der Gegenschrift der belangten Behörde wie auch in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei darauf hingewiesen wird, die von der belangten Behörde als öffentliche Interessen gewerteten Umstände seien amtsbekannt und es handle sich daher um offenkundige Tatsachen im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG, so übersieht dieses Vorbringen, daß auch offenkundige Tatsachen in der Begründung des Bescheides so eingehend dargelegt werden müssen, daß der beschwerdeführende Bundesminister und der Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt werden, zu beurteilen, ob im konkreten Fall ein das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes öffentliches Interesse an der beantragten Rodung besteht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1996, Zl. 95/10/0188, und die hier zitierte Vorjudikatur).

Der angefochtene Bescheid erweist sich aus den dargelegten Gründen als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997100012.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

12.07.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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