TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/15 W250 2225098-1

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Veröffentlicht am 15.11.2019
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Entscheidungsdatum

15.11.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W250 2225098-1/18E

Schriftliche Ausfertigung des am 11.11.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 29.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 17.02.2017 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, es wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig ist. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde.

2. Mit Strafbescheid vom 13.09.2018 wurde der BF wegen der Übertretung des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft.

3. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte im Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17.02.2017 eine mündliche Verhandlung für den 27.03.2019 an. Mit Schreiben vom 25.03.2019 teilte der Rechtsvertreter des BF mit, dass es nicht gelungen sei, direkten Kontakt mit dem BF aufzunehmen um ihn von der Ladung zu verständigen. Das Vollmachtsverhältnis wurde aufgelöst. Zur mündlichen Verhandlung am 27.03.2019 erschien der BF nicht.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2019 wurde die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17.02.2017 abgewiesen. Die Zustellung dieses Erkenntnisses erfolgte durch Hinterlegung ohne Zustellversuch, da der konkrete Aufenthaltsort bzw. die Abgabestelle des BF nicht bekannt waren und auch nicht ohne Schwierigkeiten ermittelt werden konnten. Der BF verfügte seit 22.02.2019 über keine Meldeadresse im Bundesgebiet.

4. Am 30.09.2019 erließ das Bundesamt gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG einen Festnahmeauftrag den BF betreffend.

5. Am 22.10.2019 wurde der BF im Zuge einer Fahrzeuganhaltung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes als Beifahrer aufgegriffen, auf Grund des Festnahmeauftrages vom 30.09.2019 festgenommen und dem Bundesamt zur Einvernahme vorgeführt. Bei seiner unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi durchgeführten Einvernahme gab der BF im Wesentlichen an, dass er an seiner letzten Meldeadresse wohne und für den Meldezettel zahle. Der BF nannten jedoch nicht die im Zentralen Melderegister aufscheinende Türnummer XXXX sondern Türnummer XXXX . Er arbeite als Zeitungsausträger und verdiene ca. EUR 500,-- pro Monat, derzeit verfüge er über etwa EUR 7,-- an Bargeld. Seinen Reisepass habe ihm der Schlepper abgenommen, bei der Botschaft habe er sich keinen besorgt, da er das nicht für erforderlich erachtet habe. Er verdiene in Österreich EUR 500,--, warum solle er ausreisen. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Angehörige habe er in Österreich keine, lediglich drei Cousins, zu denen er keinen Kontakt habe. Gesundheitliche Einschränkungen habe er nicht.

Nach seiner Einvernahme füllte der BF Formulare zur Erlangung eines Heimreisezertifikates aus, machte dabei jedoch Angaben zu seinem letzten Wohnort in Indien, den Vornamen seiner Eltern und der passausstellenden Behörde, die von seinen im Asylverfahren gemachten Angaben abwichen.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.10.2019 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm § 57 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG über den BF Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der BF im Bundesgebiet nicht behördlich gemeldet sei und nicht Willens gewesen sei im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme seinen tatsächlichen Aufenthaltsort preiszugeben. Er habe zwar angegeben an seiner ehemaligen Meldeadresse zu wohnen, könne diese jedoch nicht einmal richtig benennen. Der Behörde sei daher nicht bekannt, wo der BF Unterkunft bezogen habe. Der BF besitze keine ausreichenden Barmittel und keine Dokumente um seinen illegalen Aufenthalt aus eigenem zu beenden. Die Behörde gehe daher davon aus, dass er auf freiem Fuß untertauchen und seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen werde. Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels könne nicht das Auslangen gefunden werde, da der BF nicht einmal bereit sei, sich aus eigenem ein Heimreisedokument zu besorgen.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 22.10.2019 zugestellt.

7. Am 05.11.2019 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 22.10.2019 und brachte im Wesentlichen vor, dass keine Fluchtgefahr bestehe, da der BF eine Wohnmöglichkeit an einer bestimmten in der Beschwerde angeführten Adresse habe. Darüber hinaus sei die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft unverhältnismäßig, da der BF bereits vor ca. drei Wochen die für die Erlangung eines Heimreisezertifikates notwendigen Formulare unterschrieben habe. Bisher sei es aber offensichtlich nicht gelungen, ein Heimreisezertifikat zu erlangen.

Der BF beantragte die angeordnete Schubhaft und die weitere Anhaltung für rechtswidrig zu erklären und der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen aufzutragen.

8. Das Bundesamt legte am 06.11.2019 den Verwaltungsakt vor, gab dazu eine Stellungnahme ab und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, auszusprechen, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung in Schubhaft vorliegen sowie den BF zum Ersatz für den Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der belangten Behörde zu verpflichten.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 12.04.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi und im Beisein des Rechtsvertreters des BF sowie eines Vertreters des Bundesamtes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer sowie der in der Beschwerde genannte potentielle Unterkunftgeber als Zeuge befragt wurden. Der BF gab im Wesentlichen an, dass er an keinen Krankheiten leide und keine Medikamente einnehme. In Österreich habe er bis auf drei Cousins, zu denen er keinen Kontakt habe, keine Familienangehörigen. Er habe Freunde unter denen sich auch Österreicher befänden. Über Vermögen verfüge er nicht, er arbeite aber seit ca. drei Jahren als Zeitungszusteller und verdiene zwischen EUR 500,-- und EUR 550,-- pro Monat.

Er wohne an seiner letzten Meldeadresse, dass er laut Zentralem Melderegister am 22.02.2019 von diesem Wohnsitz abgemeldet wurde, wisse er nicht. Die genaue Adresse laute XXXX , XXXX . An dieser Adresse habe er auch im Zeitraum Februar bis April 2019 gewohnt. Im Februar 2019 sei er allerdings von einem Verwandten geschlagen worden, weshalb er seine Telefonnummer gewechselt habe und sich auch an einem seiner früheren Wohnadressen aufgehalten habe. Seinem Rechtsvertreter habe er den Wechsel seiner Telefonnummer nicht bekannt gegeben, da sein Rechtsvertreter auch eine andere Person, die ihn geschlagen habe, vertrete, sodass er aus Angst, diese Person könne über den Rechtsvertreter die aktuelle Telefonnummer des BF ausfindig machen, seinem Rechtsvertreter die neue Telefonnummer nicht bekannt gegeben habe. Eine schriftliche Verständigung seines Rechtsvertreters über den Verhandlungstermin beim Bundesverwaltungsgericht habe er nicht erhalten. Die Post werde vom Hauptmieter der Wohnung aus dem Postkasten entnommen und in die Wohnung gebracht. Dort habe sich jeder Mitbewohner seine Post genommen, in der Wohnung hätten insgesamt vier Personen gewohnt.

Genauer nach seinem Wohnsitz befragt gab der BF die Adresse seiner ehemaligen Meldeadresse an, wobei er jedoch abweichend von den Angaben im Zentralen Melderegister die Türnummer mit " XXXX bis XXXX " angab. Diesen Umstand erklärte er damit, dass diese Nummer so auf der Wohnungstüre stehe. Wohnungen mit den Nummern XXXX und XXXX gebe es in dem Wohnhaus nicht, insgesamt befänden sich in dem Wohnhaus 25 oder 26 Wohnungen, einige seien zusammengelegt worden. Bei der von ihm bewohnten Wohnung handle es sich um eine Ein-Zimmer-Wohnung mit einer Größe von ca. 45 - 50 m². Normalerweise werde diese Wohnung von vier Personen bewohnt, manchmal komme Besuch. Der BF kenne nur den Hauptmieter, zu den anderen beiden Personen habe er keinen Kontakt. Der BF konnte in der mündlichen Verhandlung lediglich den Namen des Hauptmieters angeben. Auf den Vorhalt, dass laut Zentralem Melderegister fünf Personen an dieser Adresse gemeldet seien und mit dem BF dort sechs Personen wohnen, gab der BF an, dass sie dort zu viert gewohnt hätten, ab und zu seien andere Männer zu Besuch gekommen. Behördlich habe er sich dort nicht anmelden können, da ihm vom Meldeamt gesagt worden sei, dass an dieser Adresse bereits viele Personen wohnen. Die Meldebehörde habe die Wohnung überprüft, woraufhin der BF vor ca. 6 oder 7 Monaten vom Meldeamt einen Meldezettel erhalten habe. Auf den Vorhalt, dass laut Zentralem Melderegister an der Tür Nummer XXXX vier Personen und an der Tür Nummer XXXX eine Person aufrecht gemeldet sei, gab der BF wiederum an, dass die Türnummer der von ihm bewohnten Wohnung " XXXX bis XXXX " laute.

Auf den Vorhalt, dass er bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 22.10.2019 lediglich die Türnummer XXXX nannte und die Nummer XXXX nicht angab, führte der BF aus, dass er dem Dolmetscher die Türnummer " XXXX bis XXXX " genannt habe.

Nach Österreich sei er im Jahr 2015 ohne Reisepass eingereist. Er habe Indien zwar mit einem Reisepass verlassen, dieser sei ihm jedoch vom Schlepper abgenommen worden. Einen neuen Reisepass habe er in Österreich nicht beantragt, da er hier auch ohne Reisepass habe leben und arbeiten können.

Nach Indien wolle er nicht ausreisen, werde aber einem Abflugtermin freiwillig Folge leisten. Auch einem gelinderen Mittel würde er nachkommen.

Auf den Vorhalt, dass er im Asylverfahren und im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates unterschiedliche Angaben zu den Vornamen seiner Eltern, zu seinem letzten Wohnort in Indien und zu jener Behörde, die seinen Reisepass ausgestellt hat, gemacht hat, gab der BF an, dass er auf die falsche Protokollierung der Namen seiner Eltern hingewiesen habe, dass dies jedoch nicht berücksichtigt worden sei. Hinsichtlich seines Wohnortes habe er einmal die Postadresse genannt, bei der anderen von ihm gemachten Angabe handle es sich um einen Ortsteil der von ihm früher genannten Gemeinde. Das Formular für die Erlangung eines Heimreisezertifikates sei vom Dolmetscher ausgefüllt worden, dass dort angegeben sei, dass er sich an die passausstellende Behörde in Indien nicht erinnern könne, könne er sich nicht erklären, da er die richtige Behörde genannt habe.

Im Falle seiner Entlassung aus der Schubhaft könne er bei dem in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen wohnen.

Der in der mündlichen Verhandlung einvernommene Zeuge gab im Wesentlichen an, dass der BF nicht bei ihm wohnen könne und sich auch nicht nach den Bestimmungen des Meldegesetzes bei ihm anmelden könne. Der Zeuge könne jedoch binnen einer Woche eine Wohnmöglichkeit bei Freunden besorgen, an der sich der BF auch anmelden könne. Die genaue Adresse dieser Freunde kenne er nicht. Eine Woche könne der BF auch beim Zeugen wohnen.

Der Vertreter des Bundesamtes gab in der mündlichen Verhandlung an, dass es mittlerweile gelungen sei, die Nummer des Reisepasses des BF zu ermitteln. Für die Erlangung eines Heimreisezertifikates durch die indische Vertretungsbehörde sei zwingend ein Interview erforderlich, welches im Fall des BF am XXXX stattfinden werde. Da die Reisepassnummer bekannt sei, sei mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates innerhalb von zwei bis drei Wochen zu rechnen.

10. Am 12.11.2019 beantragte der BF die schriftliche Ausfertigung des am 11.11.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.10. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF hat keine Unterlagen vorgelegt, die seine Identität bescheinigen, er gibt an ein Staatsangehöriger Indiens zu sein. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist in Österreich unbescholten.

2.2. Der BF leidet an keinen Krankheiten und nimmt keine Medikamente ein. Er ist gesund und haftfähig.

2.3. Der BF wird seit 22.10.2019 in Schubhaft angehalten.

2.4. Bei der indischen Vertretungsbehörde wurde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF angesucht. Die Reisepassnummer des BF konnte mittlerweile herausgefunden werden. Am XXXX findet ein Interviewtermin mit Vertretern der indischen Vertretungsbehörde statt. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF scheint möglich.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Der BF hat sich seinem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen. Er erschien unentschuldigt nicht zu der vom Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren gegen den Asylbescheid anberaumten mündlichen Verhandlung. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2019 konnte dem BF nur durch Hinterlegung ohne Zustellversuch zugestellt werden, da der Aufenthaltsort des BF unbekannt war.

3.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.02.2017 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2019 abgewiesen. Es liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.3. Der BF hat durch Untertauchen seine Abschiebung erschwert.

3.4. Der BF reiste unrechtmäßig nach Österreich ein. Obwohl er seinen Herkunftsstaat mit einem Reisedokument verlassen hat, legte er dieses Dokument bisher den österreichischen Behörden nicht vor.

3.5. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 22.10.2019 verhielt sich der BF insofern unkooperativ, als er als Aufenthaltsort lediglich seine letzte Meldeadresse - von der er am 22.02.2019 abgemeldet worden war - nannte. Seinen letzten Aufenthaltsort gab er auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.11.2019 nicht an.

3.6. Der BF füllte zwar am 22.10.2019 ein Formular zur Erlangung eines Heimreisezertifikates aus, doch unterscheiden sich seine Angaben betreffend der Behörde, die sein Reisedokument ausgestellt hat, die Vornamen seiner Eltern sowie seinen Wohnort in Indien betreffend von den im erstinstanzlichen Asylverfahren gemachten Angaben.

4. Familiäre und soziale Komponente

4.1. In Österreich befinden sich keine engen Familienangehörigen des BF. In Österreich leben drei Cousins des BF, zu denen er jedoch keinen Kontakt hat.

4.2. Der BF verfügt in Österreich über soziale Kontakte. Trotz dieser Kontakte ist er untergetaucht und hat sich dadurch sowohl seinem Asylverfahren als auch seiner Abschiebung entzogen.

4.3. Der BF verfügt seit 22.02.2019 über keine Meldeadresse im Bundesgebiet. Er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er hat die Möglichkeit, vorübergehend und kurzfristig in der Wohnung eines Bekannten Unterkunft zu nehmen.

4.4. Der BF übt seit ca. drei Jahren die Tätigkeit eines Zeitungszustellers aus und verdient ca. EUR 500,-- bis EUR 550,-- pro Monat. Über Vermögen verfügt der BF nicht.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akt des Bundesamtes und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend, aus dem vom BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck sowie der Aussage des in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen. Einsicht genommen wurde in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in das Zentrale Melderegister.

1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend. Diesen Feststellungen wurde vom BF weder in seiner Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der BF bisher keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Angaben zu seiner Identität bestätigen. Gegenteiliges hat er auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.11.2019 nicht vorgebracht. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, finden sich im Verwaltungsakt ebensowenig wie dafür, dass er Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig abgewiesen. Die Unbescholtenheit des BF konnte nach einer Einsichtnahme in das Strafregister festgestellt werden.

2.2. Hinweise auf eine Erkrankung des BF sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Insbesondere gab der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 11.11.2019 nach seinem Gesundheitszustand befragt an, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme.

2.3. Der Zeitpunkt, seit dem der BF in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.4. Die Feststellungen zum anhängigen Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der indischen Vertretungsbehörde gründen auf dem Verwaltungsakt und der Aussage des Vertreters des Bundesamtes bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.11.2019. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF erscheint insofern möglich, als mittlerweile die Reispassnummer des BF bekannt ist und ein Interviewtermin bei der indischen Vertretungsbehörde organisiert wurde.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Dass der BF untergetaucht ist ergibt sich insbesondere aus folgenden Erwägungen:

Hätte der BF tatsächlich an seiner ehemaligen Meldeadresse gewohnt, so wäre er in der Lage, die Namen der dort aufhältigen Personen zu nennen. Auch seine Angaben, dass es im Wohnhaus keine Wohnungen mit der Nr. XXXX und XXXX gibt, entspricht laut Zentralem Melderegister nicht den Tatsachen. Auch seine Angabe, er habe vor ca. 6 bis 7 Monaten einen Meldezettel erhalten, lässt sich nicht mit dem Zentralen Melderegister in Einklang bringen, da sich daraus ergibt, dass der BF am 22.02.2019 von seiner Meldeadresse abgemeldet wurde. Laut den Angaben des BF hätte er jedoch erst im April bzw. Mai 2019 eine Meldebestätigung bei der zuständigen Meldebehörde erhalten. Die Behauptung einer Unterkunftnahme an seiner ehemaligen Meldeadresse bis zum Zeitpunkt der Festnahme am 22.10.2019 und insbesondere im zeitlichen Zusammenhang mit der mündlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes am 27.03.2019 und der Zustellung des Erkenntnisses vom 15.05.2019 wird daher als Schutzbehauptung gewertet. Der BF konnte in der Einvernahme durch das Bundesamt am 22.10.2019 die Türnummer seiner letzten Meldeadresse nicht richtig angeben und nannte Türnummer XXXX . Seine diesbezüglichen Erklärungsversuche gingen jedoch unter Berücksichtigung der Angaben im Zentralen Melderegister ins Leere.

Insbesondere gab der BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.11.2019 selbst an, dass er im Vorfeld der mündlichen Bechwerdeverhandlung vom 27.03.2019 seine Telefonnummer gewechselt habe, diese seinem Rechtsvertreter nicht bekannt gegeben habe und sich auch an einer seiner ehemaligen Meldeadressen aufgehalten habe.

Insgesamt konnten daher die Feststellungen getroffen werden, dass sich der BF durch Untertauchen einerseits seinem Asylverfahren und andererseits nach Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung seiner Abschiebung entzogen hat.

Da der BF sowohl vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.11.2019 darauf beharrte durchgehend bis zu seiner Festnahme an seiner letzten Meldeadresse gewohnt zu haben, diese Angaben jedoch unglaubhaft sind und der BF seinen tatsächlichen Aufenthaltsort nicht nannte, konnte die Feststellung getroffen werden, dass sich der BF unkooperativ zeigt.

3.2. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.02.2017 erlassenen Rückkehrentscheidung beruhen auf der Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend.

3.3. Dass der BF beim Verlassen seines Herkunftsstaates im Besitz eines Reisedokumentes war gab er glaubhaft im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 11.11.2019 an. Diese Aussage stimmt auch mit seinen im Asylverfahren gemachten Angaben überein. Dass er dieses Dokument den österreichischen Behörden bisher nicht vorgelegt hat gab der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 11.11.2019 an. Diese Aussage stimmt auch mit dem Inhalt des Verwaltungsaktes überein.

3.4. Dass der BF Formulare zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ausgefüllt hat, ergibt sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden, vom BF unterschriebenen, Kopien dieser Formulare. Dass sich seine darin gemachten Angaben zu seinem letzten Wohnort in Indien, den Vornamen seiner Eltern und der passausstellenden Behörde von seinen im Asylverfahren gemachten Angaben unterscheiden, ergibt ein Vergleich dieser Angaben im Rahmen seiner Erstbefragung vom 29.04.2015 und seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 18.08.2016 einerseits und den Angaben in den Formularen im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates andererseits.

So gab der BF im Asylverfahren an, sein letzter Wohnort in Indien liege im Dorf XXXX im Bezirk XXXX . Diese Angaben machte er auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.11.2019. Im Formular im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates gab er jedoch als Wohnadresse XXXX an. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung erklärte er diesen Umstand damit, dass der zuletzt genannte Ort die Postadresse sei, das im Asylverfahren genannte Dorf liege in der Gemeinde, die er im Verfahren zur Erlangung seines Heimreisezertifikates genannt habe. Warum er unterschiedliche Angaben dazu gemacht hat, erklärte der BF in der mündlichen Verhandlung nicht.

Im Asylverfahren gab der BF an, dass der Vorname seines Vaters XXXX bzw. XXXX und jener seiner Mutter XXXX laute. In der mündlichen Verhandlung gab er die Namen XXXX und XXXX als Vornamen seiner Eltern an. Im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates werden diese Namen mit XXXX bzw. XXXX angegeben. In der mündlichen Verhandlung nach diesen unterschiedlichen Namen befragt gab der BF an, dass er die Namen immer so wie in der mündlichen Verhandlung angegeben habe und er auch darauf hingewiesen habe, dass der Name seines Vaters falsch geschrieben worden sei, was jedoch nicht korrigiert worden sei. Zum Namen seiner Mutter gab der BF keine Erklärung zu den vorliegenden Unterschieden ab.

In der Erstbefragung gab der BF an, sein Reisepass sei vom Passamt in XXXX ausgestellt worden, während er im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates angab, dass er sich nicht erinnern könne, wo der Reisepass ausgestellt worden sei. In der mündlichen Verhandlung war der BF in der Lage, die passausstellende Behörde zu nennen. Danach befragt, warum er diese Angabe nicht auch im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates gemacht habe, gab der BF an, dass er dem Dolmetscher gesagt habe, wo sein Reisepass ausgestellt worden sei. Warum der Dolmetscher das nicht in das Formular geschrieben habe, wisse er nicht.

4. Familiäre und soziale Komponente

Die Feststellungen zu den mangelnden Familienangehörigen des BF in Österreich, seinen sozialen Kontakten, seiner kurzfristigen Wohnmöglichkeit, seiner Berufsausübung und seinen Vermögensverhältnissen beruhen auf den Angaben des BF sowie des einvernommenen Zeugen im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Abschiebung des BF ist insofern zu rechnen, als bereits eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt, ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der Vertretungsbehörde Indiens eingeleitet wurde, die Passnummer des BF herausgefunden werden konnte und ein Termin für ein Interview vor Vertretern der indischen Vertretungsbehörde feststeht.

3.1.5. Das Bundesamt geht erkennbar auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.02.2017 und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2019 wurde gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidung erlassen. Seinem Asylverfahren hat sich der BF durch Untertauchen entzogen, er erschien unentschuldigt zur mündlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht, war davor für seinen Rechtsvertreter nicht erreichbar und es konnte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur durch Hinterlegung ohne Zustellversuch zugestellt werden. Durch dieses Verhalten ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Durch sein Untertauchen hat der BF auch seine Abschiebung behindert, weshalb auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt ist.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG sind bei Beurteilung der Fluchtgefahr der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF verfügt in Österreich über keine engen Familienangehörige und hat keinen Kontakt zu seinen drei in Österreich lebenden Cousins. Er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er übt zwar eine legale Erwerbstätigkeit aus und verfügt über soziale Kontakte, doch konnten ihn weder seine Berufstätigkeit noch seine sozialen Kontakte davon abhalten, sich seinem Asylverfahren und seiner Abschiebung zu entziehen. Ganz im Gegenteil war es dem BF erst durch sein Einkommen und seinen Freundeskreis möglich, ohne aufrechte Meldung im Bundesgebiet zu leben und sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es ist daher von keinen Umständen auszugehen, die gegen das Vorliegen einer Fluchtgefahr sprechen oder diese auch nur geringfügig vermindern könnten.

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich daher, dass die Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG erfüllt sind. Das Bundesamt ist daher zu Recht von Fluchtgefahr ausgegangen. Die Umstände, die zur Erfüllung dieser Tatbestände geführt haben, wurden im angefochtenen Bescheid sowohl bei den getroffenen Feststellungen als auch der ausgeführten rechtlichen Beurteilung ausreichend konkret genannt.

3.1.6. Auch was den Sicherungsbedarf betrifft, ist dem Bundesamt zuzustimmen, dass ein solcher gegeben ist.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Der BF reiste unrechtmäßig nach Österreich ein, legte sein Reisedokument bewusst nicht vor und versuchte dadurch seine Identifizierung zu erschweren. Noch während des anhängigen Beschwerdeverfahrens entzog sich der BF dem Verfahren auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz, erschwerte dadurch in weiterer Folge seine Abschiebung und nannte nicht einmal dem Bundesamt in der Einvernahme zur Abklärung des Sicherungsbedarfes am 22.10.2019 seinen tatsächlichen Aufenthaltsort. Im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates machte der BF Angaben, die von seinen im Asylverfahren gemachten Angaben abwichen. Über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt der BF in Österreich nicht. Er hat zwar soziale Kontakte und übt eine berufliche Tätigkeit aus, doch konnte er sich insbesondere durch das Ausüben des Berufes und dem damit verbundenen Einkommen erst seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich finanzieren. Insgesamt ist aus dem Verhalten des BF daher Sicherungsbedarf abzuleiten, da er seinen fremdenrechtlichen Verpflichtungen wiederholt massiv zuwidergehandelt und alles darangesetzt hat, um sich unrechtmäßig in Österreich aufzuhalten und ohne Meldeadresse zu leben.

Das Bundesamt ist daher zu Recht vom Bestehen sowohl eines Sicherungsbedarfes als auch von Fluchtgefahr ausgegangen.

Dem Vorbringen des BF in seiner Beschwerde, wonach keine Fluchtgefahr vorliege, ist entgegenzuhalten, dass im durchgeführten Beschwerdeverfahren ein Verhalten des BF festgestellt wurde, das eine Reihe von Kriterien des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt, weshalb das Vorbringen, beim BF bestehe keine Fluchtgefahr, ins Leere geht.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der BF hält sich seit Mai 2019 unrechtmäßig in Österreich auf. Er ist untergetaucht und hat sich dadurch seinem Asylverfahren sowie seiner Abschiebung entzogen. Er hat seinen Reisepass bewusst nicht vorgelegt und im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates andere Angaben zu seinem Reisepass, seinem Wohnort in Indien und die Vornamen seiner Eltern betreffend gemacht. Noch bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 22.10.2019 weigerte sich der BF seinen Aufenthaltsort in Österreich zu nennen. Der BF verfügt in Österreich über keine Angehörigen und keinen Wohnsitz. Er übt zwar eine berufliche Tätigkeit aus und erzielt dadurch ein Einkommen, doch nützte er dieses Einkommen zu seinem unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Der BF hat bereits mehrfach in der Vergangenheit gezeigt, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält. Es überwiegt daher das öffentliche Interesse den BF in seinen Herkunftsstaat abzuschieben.

Auch der Gesundheitszustand des BF lässt die Anordnung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig erscheinen und ergeben sich aus dem Verwaltungsakt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesamt seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nicht nachgekommen wäre.

Die angeordnete Schubhaft erfüllt daher auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

Dem Vorbringen des BF in seiner Beschwerde, die Schubhaft sei unverhältnismäßig, da ein Heimreisezertifikat nicht erlangt werden könne, war insofern nicht zu folgen, als die Passnummer des BF mittlerweile bekannt ist und ein Termin für ein persönliches Gespräch zwischen dem BF und der indischen Vertretungsbehörde feststeht. Es ist daher mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates zu rechnen, sodass auch diesbezüglich keine Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft vorliegt.

3.1.8. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam. Auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens des massiven Zuwiderhandelns gegen fremdenrechtliche Bestimmungen kann ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen.

Insbesondere ist es dem BF in der mündlichen Verhandlung nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass er hinkünftig mit der Behörde kooperieren werde und sich im Falle seiner Freilassung - allenfalls unter Anordnung eines gelinderen Mittels - seiner Abschiebung stellen werde. Er gab in der mündlichen Verhandlung zwar an, dass er einem gelinderen Mittel nachkommen würde, doch erscheint dies unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF als nicht glaubhaft. Der BF tauchte in seinem Asylverfahren noch während des anhängigen Beschwerdeverfahrens unter und war nicht einmal für seinen Rechtsvertreter erreichbar. Dass er kein Interesse am Ausgang dieses Verfahrens hatte zeigt sich auch deutlich daran, dass der BF entsprechend seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 11.11.2019 nicht einmal den Versuch unternahm, sich über den Verfahrensstand bei seinem Rechtsvertreter zu informieren. Daraus ergibt sich, dass er sich bewusst dem Verfahren und damit aber auch seiner Abschiebung entzogen hat. Dass der BF keine Kooperationsbereitschaft zeigt ergibt sich auch aus dem Umstand, dass er seinen Herkunftsstaat zwar mit einem Reisepass verlassen hat, dieses Dokument jedoch bisher den österreichischen Behörden nicht vorgelegt hat. Auch aus dem Umstand, dass der BF im Formular für die Erlangung eines Heimreisezertifikates andere Angaben als im erstinstanzlichen Asylverfahren machte zeigt, dass er an seiner eindeutigen Identifikation kein Interesse hat. Das Gericht geht daher nicht davon aus, dass alleine durch die Möglichkeit, bei dem in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen kurzfristig zu wohnen, ein erneutes Untertauchen des BF verhindert wird. Dass mit einem gelinderen Mittel das Auslangen gefunden werden könne hat der BF damit im durchgeführten Verfahren nicht glaubhaft gemacht.

Ein gelinderes Mittel kam daher zu Recht nicht zur Anwendung.

3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt eine "ultima ratio" dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG abzuweisen.

3.2. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der BF befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat. Diese Prüfung hat unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen und "ermächtigt" das Bundesverwaltungsgericht, auf Basis der aktuellen Sach- und Rechtslage "in der Sache" zu entscheiden und damit gegebenenfalls einen neuen Schubhafttitel zu schaffen (vgl. VwGH vom 14.11.2017, Ra 2017/21/0143).

3.2.2. Unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Schubhaft besteht aus Sicht des erkennenden Gerichtes kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG weiterhin Fluchtgefahr vorl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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