TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/19 W169 2194396-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.12.2019
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Entscheidungsdatum

19.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W169 2194396-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2019, Zl. 1185527101-191135259, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und §§ 52, 53 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 23.03.2018 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.03.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er aus dem Punjab stamme, die Sprache Punjabi spreche und der Religionsgemeinschaft der Sikh angehöre. Er habe im Herkunftsstaat zwölf Jahre die Grundschule besucht und als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft gearbeitet. Im Heimatland würden seine Eltern und seine Schwester leben. Zum Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass er in Indien Schwierigkeiten mit den Mitgliedern der XXXX Partei und einer Person namens XXXX gehabt habe. Von diesen sei er geschlagen und mit dem Umbringen bedroht worden. Von der Polizei habe er keine Hilfe erhalten. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

2. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.04.2018 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, dass er Angst um sein Leben habe; er habe Angst vor einer Person namens XXXX , er sei ein Politiker; außerdem habe er Angst vor XXXX . XXXX gehöre zur BJP. Er habe, wie alle Sikhs, Probleme mit der BJP gehabt. Bei einer Demonstration im Jahre 2015 hätten er und zwei anderen Personen in der ersten Reihe Parolen gegen die Regierung geschrieen. Sie hätten verlangt, dass die Täter, der ihren Guru erniedrigt hätten, festgenommen werden. Daraufhin habe XXXX eine Person namens XXXX geschickt, welcher den Beschwerdeführer eine Ohrfeige gegeben und gesagt habe, er solle mit den Parolen aufhören. Nach der Demonstration sei er nach Hause gegangen und hätten seine Eltern ihm mitgeteilt, dass Mitglieder der BJP bei ihm zu Hause gewesen seien und nach ihm gefragt hätten. Seine Eltern hätten gesagt, dass es besser wäre, wenn er untertauchen würde, weshalb er nach Delhi gereist sei. Auch in Delhi hätten ihn die Angreifer gefunden und ihn am Kopf verletzt. Er sei in Indien niemals politisch aktiv gewesen. Woher die Angreifer gewusst hätten, wo er wohnen würde, könne er nicht angeben. Mit den Behörden in Indien habe er keine Probleme gehabt.

3. Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 09.04.2018 wiederholte der Beschwerdeführer seine bereits in der vorherigen Einvernahme getätigten Angaben und führte auf die Frage, warum genau der Beschwerdeführer verfolgt werden sollte, zumal er politisch nicht aktiv gewesen sei, aus, dass er Probleme mit den Mitgliedern von

XXXX habe, da er an "der Kalistan Demonstration" teilgenommen habe.

4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Weiters wurde die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

5. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.08.2018, Zl. W163 2194396-1/6E, als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen unglaubwürdig sei. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine inländische Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Aus der allgemeinen Situation allein würden sich auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im Sinne des § 8 AsylG bedroht wäre. Der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären und privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich sei aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt habe, nur im geringen Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht habe und die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet als sehr kurz zu bezeichnen sei, sei davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort seine Eltern und seine Schwester leben würden, der Beschwerdeführer auch eine Sprache des Herkunftsstaates beherrsche und dort die Schule besucht habe. Somit stelle die Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in eine gemäß der EMRK geschützte Rechtsposition dar.

6. Am 07.11.2019 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten, den gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag führte der Beschwerdeführer an, dass er aus Indien stamme, die Sprache Punjabi beherrsche sowie Englisch spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Zum Grund für die Stellung des Folgeantrages gab er an, dass seine im ersten Asylantrag angegebenen Gründe nicht mehr aufrecht seien, er aber andere Fluchtgründe habe. Ein Freund von ihm aus Indien habe ihn vor ca. zwei Monaten angerufen und gesagt, dass ein Anschlag auf das Haus der Familie stattgefunden habe. Auch sein Cousin habe diesen Vorfall bestätigt und gesagt, dass seine Familie das Haus verlassen hätte. Die Angreifer würden ihn und seine Familie verfolgen; diese seien Anhänger der BJP-Partei.

7. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu schriftlich bis zum Einvernahmetermin bzw. bei der Einvernahme mündlich Stellung zu beziehen.

8. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 25.11.2019 führte der Beschwerdeführer aus, dass er in Amritsar geboren worden sei, ledig sei und keine Kinder habe. Er habe im Herkunftsstaat zwölf Jahre die Grundschule besucht und als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft gearbeitet. In Österreich oder in der EU habe er keine Verwandten oder Familienangehörige. Er habe einen Freund im Bundesgebiet. Er sei seit seiner Einreise in Österreich im Jahr 2018 durchgehend in Österreich aufhältig und sei in Österreich keiner Beschäftigung nachgegangen; manchmal habe er Unterstützung von seinen Eltern aus Indien bzw. von seinem Freund in Österreich bekommen. Er sei nicht Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation und spreche kein Deutsch. In Indien würden seine Eltern und seine Schwester sowie weitere Verwandte, wie Onkeln und Tanten, leben. Seit zwei Monaten habe er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie in Indien. Er wolle gerne Kontakt zu seiner Familie in Indien herstellen, wisse jedoch nicht, wo diese nach dem Angriff aufhältig sei. Nach Vorhalt, dass er bereits am 23.03.2018 einen Asylantrag in Österreich gestellt habe, welcher letztlich rechtskräftig abgewiesen worden sei, und auf die Frage, warum er einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stelle, gab der Beschwerdeführer an, dass er und seine Familie Probleme in Indien hätten. Seine Fluchtgründe aus dem ersten Asylverfahren seien noch aufrecht, er habe aber auch neue Gründe.

Auf die Frage, was seine neuen Gründe seien, führte der Beschwerdeführer Folgendes aus: (A: nunmehriger Beschwerdeführer; L:

Leiter der Amtshandlung):

"(...)

A: Ich hatte in meinem ersten Verfahren Probleme wegen der BJP Partei und jetzt will mein Onkel uns unser Grundstück wegnehmen. Das Grundstück gehört meinem Vater, wenn mein Vater nicht mehr am Leben ist, dann bekommt mein Onkel das Grundstück.

L: Sind das alle Fluchtgründe bzw. jene Gründe weshalb Sie nicht mehr in Ihr Heimatland zurückkehren können?

A: Ja.

L: Seit wann will Ihr Onkel Ihr Grundstück haben?

A: Er hat es bereits vor 4 oder 5 Jahren versucht aber hat es nicht geschafft. Damals hatte er Angst vor der Polizei. Jetzt ist die BJP Partei an der Macht. Mein Onkel ist mit der BJP Partei. Sie haben unser Haus angegriffen, sie haben nach mir gefragt. Sie sind hinter mir her, sie fragten wo ich bin, sonst werden sie ihn umbringen.

L: Hat Ihre Familie mehrere Grundstücke?

A: Nein, wir haben 1 großes Grundstück.

L: Sie haben angegeben, dass dieses Grundstück nach dem Tod Ihres Vaters an Ihren Onkel gehen würde. Was hat dieses Problem nun mit Ihnen zu tun?

A: Solange ich am Leben bin kann er das Grundstück nicht haben, erst nach dem Tod von meinem Vater und mir würde er das Grundstück bekommen.

L: Das haben Sie so aber nicht angegeben!

A: Nach dem Tod meiner ganzen Familie bekommt mein Onkel das Grundstück.

L: Wie haben diese Probleme mit Ihrem Onkel angefangen?

A: Das Problem gibt es schon lange. Mein Großvater hat das Grundstück verteilt und mein Onkel sagte er würde mehr haben wollen. Er konnte damals nichts tun weil er keine Unterstützung hatte. Jetzt unterstützt die BJP Partei meinen Onkel. Mein Haus in Indien wurde angegriffen.

L: Wann war dieser Vorfall?

A: vor ca. 1 bis 1 1/2 Monaten.

L: Was ist passiert?

A: Mein Onkel und die Leute von der BJP Partei kamen zu uns nach Hause und haben gefragt "Wo ist dein Sohn". Sie sagten zu meinem Vater, "Wenn du uns sagst dann werden wir dir nichts tun", mein Vater hat ihnen aber gar nichts gesagt. Danach sind sie weggegangen. Nach 1 oder 2 Tagen haben sie mein ganzes Haus verbrannt, aber zu diesem Zeitpunkt war niemand zu Hause. Mein Vater wurde auch geschlagen.

L: Woher wissen Sie das alles?

A: Ein Freund von mir hat mich angerufen und es mir erzählt.

L: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit Ihrer Familie selbst?

A: Vor ca. 2 oder 3 Monaten, es war vor diesen Vorfällen.

L: Wer war bei Ihnen zu Hause als diese Leute das erste Mal gekommen sind?

A: Mein Freund hat mir nicht erzählt.

L: War Ihr Freund bei Ihnen zu Hause?

A: Nein, sein Haus ist gegenüber von unserem Haus.

L: Woher wissen Sie dann was bei diesem Besuch genau gesprochen wurde?

A: Danach ist mein Freund zu unserem Haus gegangen und hat ihn gefragt und mein Vater hat es ihm erzählt.

L: Woher wissen Sie, dass der Anschlag auf Ihr Haus von diesen Leuten der BJP Partei verübt worden ist?

A: Weil die an der Macht sind, sie tun was sie wollen, die Polizei unterstützt sie auch.

L: Das bedeutet es ist eine reine Vermutung, dass es diese Leute waren?

A: Nein ich bin mir sicher, sie haben meine Familie bedroht.

L: Ist es danach nochmals zu einem Zwischenfall gekommen?

A: Danach wurde mein Vater geschlagen, er war irgendwo anders.

L: Wann war das?

A: 1 oder 2 Tage nach dem Anschlag auf mein Haus.

L: Woher wissen Sie das?

A: Mein Freund hat es mir erzählt.

L: Sie haben vorhin angegeben nicht zu wissen wohin Ihre Familie nach diesem Anschlag hingegangen ist!

A: Das stimmt so, danach hatte ich keine Ahnung.

L: Sind Sie jemals persönlich bedroht worden?

A: Ja, als ich in Indien war.

L: Seit Sie Indien verlassen haben?

A: Ja.

L: Wann und von wem?

A: Ich hatte Probleme mit der BJP Partei.

L: Sind Sie seit Ihrer Einreise in Österreich jemals persönlich bedroht worden?

A: Nicht persönlich aber ich wurde über social media bedroht. Nachgefragt hatte ich eine falsche facebook ID und darüber werde ich bedroht.

L: Wer bedroht Sie?

A: Ich bin mir nicht sicher.

L: Seit wann werden Sie bedroht?

A: Als ich Indien verlassen habe, seit ich hier ein Handy habe.

L: Das heißt Sie wurden die ganze Zeit hier in Österreich bedroht?

A: Ja, manchmal wenn ich meinen facebook Account aufmache habe ich Bedrohungen.

L: Wieso haben Sie das in Ihrem Vorverfahren nicht erwähnt?

A: Das war nach dem Asylantrag.

L: Warum haben Sie das in Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt nicht erwähnt?

A: Diese Einvernahme habe ich hier gemacht, damals hatte ich kein Handy.

L: Warum haben Sie das in Ihrer Beschwerde nicht erwähnt?

A: Ich war mir nicht mehr sicher wer das ist, wer mich bedroht.

L: Wie werden Sie bedroht? Was schreibt diese Person?

A: Sie schreiben, dass sie mich irgendwann finden werden.

L: Sonst noch etwas?

A: Ich glaube es sind die gleichen Leute die in Indien hinter mir her waren.

L: Wer schriebt Ihnen diese Nachrichten? Welcher Account?

A: Die Nachrichten bekomme ich von einem falschen Account.

L: Woher wissen Sie, dass es ein falscher Account ist?

A: Sie haben kein Profil und ihre Namen sind unterschiedlich.

L: Wie heißt dieser falsche Account?

A: XXXX.

L: Wie häufig bekommen Sie solche Nachrichten?

A: 2-3 Mal habe ich eine solche Nachricht bekommen.

L: Wann haben Sie die letzte Nachricht bekommen?

A: Vor 3-4 Monaten. Ich habe meine ID schon lange nicht mehr angeschaut.

L: Haben Sie Ihr Handy hier?

A: Ja ich habe 2 Handys aber ich habe heute das andere Handy mit. Das Handy auf dem ich die Drohungen bekommen habe, habe ich nicht mit. Nachgefragt ist es zu Hause.

L: Existieren diese Nachrichten noch?

A: Nein, die habe ich gelöscht.

L: Warum haben Sie das getan?

A: Wenn ich das jedes Mal gelesen habe, konnte ich nicht mehr lesen und habe diese Nachrichten gelöscht.

L: Haben Sie irgendeinen Beweis für Ihre Behauptungen?

A: Nein, ich habe nichts, aber ich werde es versuchen.

L: Ist es in Ihrer Heimat in der Zeit zwischen Ihrer Ausreise und dem besagten Besuch zu weiteren Zwischenfällen gekommen?

A: Nein.

L: Wie kommen Sie nun darauf, dass Ihr Onkel Interesse an Ihrem Grundstück hat?

A: Er versucht seit 4 oder 5 Jahren das Grundstück zu haben, aber er hatte keine Unterstützung.

L: Aus Ihren Erzählungen geht nicht hervor, dass von Ihrem Onkel eine Bedrohung ausgeht, wie kommen Sie also darauf?

A: Er will auf jeden Fall dieses Grundstück haben und die Leute der BJP sind auch hinter mir her.

L: Sind Sie durch Ihren Onkel bedroht?

A: Nein, ich werde von der BJP Partei bedroht.

L: Das bedeutet Sie haben in Ihrem Heimatland lediglich Probleme mit dieser Partei?

A: Ja.

L: Und diese Probleme haben auch bereits in Ihrem Erstverfahren hier in Österreich bestanden?

A: Ja.

L: Hat sich im Hinblick auf diese Probleme etwas geändert seit Rechtskraft Ihres Vorverfahrens?

A: Ich weiß nicht wo meine Familie ist und meine Freunde haben mir gesagt, dass die mich finden werden wenn ich zurückkehre.

L: Was hat Sie letztlich zu Ihrer Ausreise veranlasst? Hat es ein fluchtauslösendes Ereignis gegeben?

A: Ja ich wurde damals angegriffen. Ich wurde an meinem Kopf angegriffen.

L: Wann war dieser Vorfall?

A: Als ich in Indien war, im Jahr 2016 oder 2017.

L: Sind Sie politisch aktiv?

A: Früher als ich ein Schüler war, war ich politisch. Nachgefragt bin ich nicht politisch aktiv.

L: Wieso sollte die indische Regierung so großes Interesse an Ihnen haben, sodass diese Sie 2 bzw. 3 Jahre nach diesem Vorfall immer noch verfolgen?

A: Damals war ich jung und ich habe immer die Jugendlichen unterstützt. Ich habe die Jugendlichen zusammengesammelt und wir haben teilgenommen an Kundgebungen.

L: Sie sind seit Jahren nicht mehr in Indien, weshalb sollten Sie immer noch verfolgt werden?

A: Ich erzähle aus der Vergangenheit. Die Regierung hat jetzt kein Interesse mehr an mir.

L: Sie geben doch selbst an nicht mehr in Ihr Heimatland zurückkehren zu können weil Sie von der Regierung bedroht werden!

A: Ja.

L: Wenn die Regierung kein Interesse mehr an Ihnen hat warum können Sie dann nicht in Ihr Heimatland zurück?

A: Ich habe gesagt ich bin nicht mehr politisch aktiv, die sind hinter mir her.

L: Wer?

A: Die Leute von BJP:

L: Warum sollten diese Leute so großes Interesse an Ihnen haben?

A: Ich war politisch aktiv in Indien.

L: Sie sind seit Jahren aber nicht mehr in Indien. Weshalb sollten diese Leute immer noch Interesse an Ihnen haben?

A: Wegen mir hatten sie viele Probleme, ich habe die Wähler und Wählerinnen auf unsere Seite zu ziehen.

L: Das bedeutet Sie waren in Ihrem Heimatland politisch aktiv?

A: Ja.

L: In Ihrer Einvernahme zu Ihrem Erstverfahren haben Sie jedoch angegeben nicht politisch aktiv gewesen zu sein. Was sagen Sie dazu?

A: Ich war politisch aktiv aber ich hatte keine Beweise deshalb habe ich es nicht angegeben.

L: Sie haben also falsche Angaben gemacht, weil Sie keine Beweise hatten?

A: Ich hatte keine Beweise aber ich war politisch aktiv. Man hat mir gesagt, dass man in Österreich beweise braucht wenn man sagt, dass man politisch aktiv war. Nachgefragt haben mir das meine Freunde in Indien erzählt.

L: Was befürchten Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland?

A: Ich habe Angst vor meinem Onkel und der BJP Partei.

L: Sie haben am 19.11.2019 eine Verfahrensanordnung des Bundesamtes gem. §29/3/4 AsylG 2005 übernommen, in welcher Ihnen mitgeteilt wurde, dass, seitens des Bundesamtes die Absicht besteht, Ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, nachdem sich im Vergleich zu Ihrem Erstverfahren kein neuer und wesentlich geänderter Sachverhalt ergibt. Sie haben nunmehr Gelegenheit, zur geplanten Vorgehensweise des Bundesamtes Stellung zu beziehen. Möchten Sie eine Stellungnahme abgeben?

A: Ich habe Angst vor meinem Onkel, ich kann nicht zurückkehren. Das ist mein neues Problem.

Anmerkung: Dem Bundesamt liegen schriftliche Feststellungen (Allgemeine Lage, Rückkehrfragen, Rechtsschutz) zur Lage in Indien vor. Ihnen wurden die Länderfeststellungen bereits vorab zur Kenntnis gebracht. Haben Sie diesbezüglich eine schriftliche Stellungnahme vorbereitet?

A: Nein.

L: Möchten Sie zur Lage in Indien eine Stellungnahme abgeben?

A: Die Lage in Indien ist schlecht, die BJP Partei machen nur Probleme.

Anmerkung: Die schriftlichen Feststellungen zu Indien werden zum Akt genommen.

L: Inwieweit würden aufenthaltsbeendende Maßnahmen in Ihr Familien- und Privatleben eingreifen?

Anmerkung: Dem AW wird die Fragestellung näher erläutert, insbesondere dass im Rahmen einer Ausweisungsprüfung verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich, Aufenthaltsberechtigungen in Österreich, gewichtige private Interessen an einem Verbleib in Österreich, udgl. berücksichtigt werden.

A: Ich habe keine Anknüpfungspunkte, ich habe niemanden.

(...)"

9. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.) und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde von der Erteilung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG abgesehen. Unter Spruchpunkt VII. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Begründend wurde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. ausgeführt, dass seit dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten sei. Ein neuer Sachverhalt, welcher im gegenständlichen Fall eine anderslautende Entscheidung in der Sache rechtfertigen würde, liege somit nicht vor. Da weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amtswegen aufzugreifen sei - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, sei der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis V. wurde festgehalten, dass eine der Rückkehr entgegenstehende Integration des Beschwerdeführers ebenso wenig erkannt werden könne, wie eine der Rückkehr entgegenstehende Situation nach Indien. Schließlich wurde die Verhängung des Einreiseverbotes damit begründet, dass der Beschwerdeführer den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht habe.

Zum Herkunftsstaat stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Folgendes fest:

"(...)

KI vom 27.5.2019, Wahlergebnis Lok Sabha, Wahl zum Unterhaus vom 11.4.2019 bis 19.5.2019 (Relevant für Abschnitt 2.Politische Lage).

Indiens Regierungspartei BJP (Bharatiya Janata Party) von Premierminister Narendra Modi hat die Parlamentswahl in der bevölkerungsreichsten Demokratie der Welt deutlich gewonnen. Die Hindu-Nationalisten erreichten eine absolute Mehrheit der 545 Sitze im Unterhaus (SZ 23.5.2019), wie in der Nacht zum Freitag, aus der Auszählung der abgegebenen Stimmen, durch die Wahlkommission, hervorging. Staatspräsident Ram Nath Kovind wird somit aller Voraussicht nach Premierminister Modi erneut für eine zweite fünfjährige Amtszeit zum Regierungschef ernennen (ZO 24.5.2019), in welcher dieser Indien mit einer neuen, größeren parlamentarischen Mehrheit regieren wird (IT 24.5.2019), Dieses Ergebnis stellt die deutlichste Wiederwahl einer indischen Regierungspartei seit 1971 dar (SZ 23.5.2019).

Mehr als 8.000 Kandidaten traten zur Wahl an, die in sieben Phasen über knapp sechs Wochen, in der Zeit vom 11. April bis zum 19. Mai, durchgeführt wurde (SZ 23.5.2019). Rund zwei Drittel der rund 900 Millionen wahlberechtigten Einwohner Indiens gaben ihre Stimmen ab (IT 24.5.2019), was einer Wahlbeteiligung von 67 Prozent entspricht (SZ 23.5.2019). Dabei siegte die BJP in insgesamt 303 Wahlkreisen (ECI 24.5.2019; vgl. BBC 24.5.2019).

Oppositionsführer Rahul Gandhi, Chef der zuvor jahrzehntelang regierenden Kongresspartei hat die Niederlage akzeptiert und gratulierte Modi zu dessen Sieg (ZO 24.5.2019; vgl. BBC 23.5.2019). Die Kongresspartei bleibt zweitstärkste Kraft im Parlament (ZO 24.5.2019). Sie verbessert sich voraussichtlich geringfügig im Vergleich zu ihrem bislang schlechtesten Wahlergebnis vor fünf Jahren (AJ 24.5.2019).

Modis populistische Politik spaltet das Land. In seiner Amtszeit kam es häufig zu Gewalt von Hindus gegen Muslime und andere Minderheiten. Außerdem wird Modis Wirtschaftspolitik kritisiert (ZO 24.5.2019). Er betonte im Wahlkampf die nationale Sicherheit und stellte sich als Beschützer des südasiatischen Landes - vor allem gegen den Erzfeind Pakistan - dar. Kurz vor der Wahl war es beinahe zu einem Krieg der nuklear bewaffneten Nachbarn gekommen (SZ 23.5.2019).

Nach Angaben des indischen Außenministeriums gratulierten bereits einige Staats- und Regierungschefs Modi zu seinem Wahlsieg, darunter der russische Präsident Wladimir Putin, Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und der pakistanische Premier Imran Khan - noch bevor das Wahlergebnis offiziell war (ZO 24.5.2019).

Premierminister Narendra Modi führt seit dem 25.9.2019 Gespräche zur Bildung eines neuen Kabinetts (REUTERS 24.5.2019).

Quellen:

-

AJ - Al Jazeera (24.5.2019): India elections 2019: All the latest updates,

https://www.aljazeera.com/news/2019/05/indian-general-elections-2019-latest-updates-190521080547337.html, Zugriff 24.5.2019

-

BBC - British Broadcasting Corporation (24.5.2019): India general election 2019: What happened?

https://www.bbc.com/news/world-asia-india-48366944, Zugriff 24.5.2019

-

BBC - British Broadcasting Corporation (23.5.2019): India election 2019: Narendra Modi thanks voters for 'historic mandate', https://www.bbc.com/news/world-asia-india-48389130, Zugriff 24.5.2019

-

ECI - Election Commission of India (24.5.2019): Result Status, Status Known For 542 out of 542 Constituencies, Last Updated at 08:10:02 pm On 05/24/2019,

http://results.eci.gov.in/pc/en/partywise/index.htm, Zugriff 24.5.2019 (20:00 Uhr)

-

IT - India Today (24.5.2019): Election results 2019: Ab ki baar, 300 paar: Modi makes it mumkin for BJP, https://www.indiatoday.in/elections/lok-sabha-2019/story/election-results-2019-narendra-modi-wins-big-bjp-300-seats-1533550-2019-05-24, Zugriff 24.5.2019

-

REUTERS (24.5.2019): Modi begins talks for new cabinet after big election win, Zugriff 24.5.2019

-

SZ - Süddeutsche Zeitung (23.5.2019): Regierung von Premier Modi siegt bei Marathon-Wahl deutlich, https://www.sueddeutsche.de/politik/indien-modi-wahl-hindu-1.4459235, Zugriff 23.5.2019

-

ZO - Zeit Online (24.5.2019): Regierungspartei gewinnt absolute Mehrheit bei Parlamentswahl,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-05/indien-parlamentswahl-narendra-modi-bharatiya-janata-absolute-mehrheit, Zugriff 24.5.2019

(...)

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2018).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne des pakistanischen Geheimdienstes, Inter-Services-Intelligence (ISI) bekannt, welcher gemeinsam mit der in Indien verbotenen Sikh-Gruppierung Babbar Khalasa International (BKI) und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2018). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 20.4.2018; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2018).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2018).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar (USDOS 20.4.2018).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 10.2017).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 10.2017).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394309.html, Zugriff 6.11.2018

-

BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 18.10.2018

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MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 18.10.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2015 Report on International Religious Freedom - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436757.html, Zugriff 23.10.2018

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Religionsfreiheit

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 29.5.2018; vgl. AA 18.9.2018), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht gewähren die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 29.5.2018). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 18.9.2018). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2018) und kaum eingeschränkt (AA 18.9.2018). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2018). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 18.9.2018). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalismus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 29.5.2018).

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2011, sind Hindus (79,8 Prozent), Muslime (14,2 Prozent), Christen (2,3 Prozent) und Sikhs (1,7 Prozent) (CIA Factbook 15.1.2019). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 29.5.2018; vgl. AA 18.9.2018), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 18.9.2018). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 29.5.2018).

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt, was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2018). In acht der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Chhattisgarh, Gujarat, Himachal Pradesh, Jharkhand, Madhya Pradesh, Odisha und Rajasthan) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missions-Visa" ("missionary visa") (USDOS 29.5.2018).

Die Nationale Kommission für Minderheiten, welcher Vertreter der sechs ausgewiesenen religiösen Minderheiten und der Nationale Menschenrechtskommission angehören, untersucht Vorwürfe von religiöser Diskriminierung. Das Ministerium für Minderheitenangelegenheiten ist auch befugt, Untersuchungen anzustellen. Diese Stellen verfügen über jedoch über keine Durchsetzungsbefugnisse, sondern legen ihre gewonnenen Erkenntnisse zu Untersuchungen auf Grundlage schriftlicher Klagen durch Beschwerdeführer bei, welche strafrechtliche oder zivilrechtliche Verstöße geltend machen, und legen ihre Ergebnisse den Strafverfolgungsbehörden zur Stellungnahme vor. Achtzehn der 29 Staaten des Landes und das National Capital Territory of Delhi verfügen über staatliche Minderheitenkommissionen, die auch Vorwürfe religiöser Diskriminierung untersuchen (USDOS 29.5.2018).

Gewalt gegen religiöse Minderheiten, wurde 2017 in Indien zu einer zunehmenden Bedrohung (HRW 18.1.2018). 2018 versäumte es die Regierung, wachsende Gewaltausübung gegen religiöse Minderheiten - oft von Gruppen, welche behaupten, die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) zu unterstützen - zu verhindern oder glaubwürdig zu untersuchen. Gleichzeitig unterstützten einige hochrangige Persönlichkeiten der BJP öffentlich die Täter solcher Verbrechen, halten Hetzreden gegen Minderheitengruppen und unterstützen die hinduistische Vorherrschaft und den Ultranationalismus, was zu weiterer Gewalt führt (HRW 17.1.2019).

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamische Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 29.5.2018). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 18.9.2018).

Der Wahlsieg der Hindu-nationalistischen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 18.9.2018). Die Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen hat im Jahr 2017 nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr (2017: 706 Fälle) auf 822 erfasste Fälle mit insgesamt 111 Toten (2017: 86 Tote) (AA 18.9.2018).

Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 18.9.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (25.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2019): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 23.1.2019

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FH - Freedom House (27.1.2018): Freedom in the World 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1142635.html, Zugriff 22.10.2018

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HRW - Human Rights Watch(17.1.2019): World Report 2019 - India, ttps://www.ecoi.net/de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019

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HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422455.html, Zugriff 23.10.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

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USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2018 Report on International Religious Freedom - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436757.html, Zugriff 29.10.2018

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.4.2018). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 18.9.2018).

Die Regierung lockerte Einschränkungen für ausländische Reisende in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen (USDOS 20.4.2018).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 18.9.2018).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2018).

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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