TE Lvwg Erkenntnis 2020/1/31 LVwG-AV-407/001-2019

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Veröffentlicht am 31.01.2020
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Entscheidungsdatum

31.01.2020

Norm

AVG 1991 §10 Abs1
AVG 1991 §10 Abs4
ZustG §24

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Dr. Kühnel als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau A, vertreten durch die B Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 28.02.2019, Zl. ***, mit welchem die Berufung gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** als Baubehörde I. Instanz vom 17.05.2018, Zl. ***, als verspätet zurückgewiesen wurde, zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 28.02.2019, Zl. ***, aufgehoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 28 Abs. 2 Z. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.       Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Auf Grund des Antrages von Herrn C und Frau A vom 23.03.2018 wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, Zl. ***, im Spruchpunkt I. das Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, im Ausmaß von 1092 m² gemäß § 23 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 zum Bauplatz erklärt. In Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde Frau A und Herrn C gemäß § 14 Z. 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 2014 die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf der Liegenschaft ***, ***, Parz.Nr. ***, EZ ***, KG *** erteilt.

Die beiden Bescheidausfertigungen wurden am 18.05.2018 von C anlässlich eines Termins im Stadtamt persönlich übernommen. Die Übernahme wurde von C mit einer Unterschrift auf den Rückscheinen bestätigt.

C unterfertigte am 18.05.2018 einen Rechtsmittelverzicht hinsichtlich des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Mai 2018, Zl. ***.

Mit Schreiben vom 07.11.2018 erhob die Beschwerdeführerin A durch ihre ausgewiesene Vertretung das Rechtsmittel der Berufung gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde ***.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 28.02.2019, ***, wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als verspätet zurückgewiesen.

Begründend wird unter Hinweis, dass sich die Entscheidungsfindung an dem (Anmerkung: zwischenzeitlich mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.03.2019, *** und ***, aufgehobenen) Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederöstererich vom 27.11.2018 orientiere, nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften hinsichtlich der Verspätung des Rechtsmittels dargelegt, dass die Ausfertigungen des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, Zl. ***, für beide Bauwerber am 18.05.2018 vom Gatten der nunmehrigen Beschwerdeführerin, C, anlässlich eines Termins im Stadtamt persönlich übernommen und die Übernahme mit einer Unterschrift auf den jeweiligen Rückscheinen bestätigt worden seien und C am 18.05.2018 auch für beide Bauwerber einen Rechtsmittelverzicht hinsichtlich des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, Zl. ***, unterfertigt habe.

Der Ehegatte der nunmehrigen Beschwerdeführerin sei dem in § 10 Abs. 4 AVG bezeichneten Personenkreis zuzuordnen. Eine allgemeine Vertretungsvollmacht im Sinne des § 10 AVG schließe im Allgemeinen auch eine Zustellbevollmächtigung mit ein. Hinsichtlich der in § 10 Abs. 4 AVG genannten Personen reiche es zunächst aus, wenn eine solche unter Berufung auf die erteilte Vollmacht einschreite, da die Behörde – sofern kein gegenteiliger Anhaltspunkt vorliege – keine Untersuchungen dahingehend anzustellen habe, ob eine solche auch tatsächlich vorliege, diesfalls insbesondere auch nicht Nachprüfungen ob Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis vorzunehmen habe. Eine allgemeine Vertretungsvollmacht schließe, wenn nicht der Empfang von Schriftstücken ausgeschlossen sei, die Zustellungsbevollmächtigung ein. Berufe sich ein Ehegatte darauf, auch im Namen des anderen Ehegatten eine Rechtshandlung zu setzen, so nehme er nicht etwa ein ihm nicht zukommendes gesetzliches Vertretungsrecht in Anspruch, sondern behaupte zumindest schlüssig ein Vollmachtsverhältnis. Das von Herrn C als Ehegatte der nunmehrigen Beschwerdeführerin gesetzte Verhalten, nämlich die Entgegennahme des Bescheides für die Berufungswerberin und der Quittierung des Erhaltes des Schriftstückes auf dem Rückschein (für die Berufungswerberin und nunmehrige Beschwerdeführerin) seien Umstände, die geeignet seien, ein Vertrauen auf den äußeren Tatbestand beim Dritten, nämlich der Behörde, auf das Vorliegen einer Vollmacht zu erwecken. Die Behörde habe daher begründet davon ausgehen können, dass der Ehegatte der nunmehrigen Beschwerdeführerin befugt gewesen sei, den Bescheid für diese entgegen zu nehmen. Ein solcher äußerer Tatbestand sei durch das konkludente Verhalten des im gemeinsamen Haushalt mit der Berufungswerberin lebenden Ehegatten, nämlich insbesondere die Entgegennahme der zwischen Bescheidausfertigung für seine Gattin und die entsprechende Quittierung auf dem Rückschein, gesetzt worden.

Eine Zustellung könne gemäß § 24 Zustellgesetz (ZustG) auch unmittelbar durch Ausfolgung des Schriftstückes bei der Behörde bewirkt werden. Nach § 24 ZustG könne ein bereits versandbereites Schriftstück dem Empfänger unmittelbar bei der Behörde gegen eine schriftliche Übernahmebestätigung ausgefolgt werden. Die Ausfolgung habe die Rechtswirkungen der Zustellung.

Die Zustellung sei gemäß § 24 ZustG durch mittelbare Ausfolgung des Schriftstückes bei der Behörde erfolgt. Dass der zur Vertretung seiner Ehegattin befugte als „Empfänger“ unterschrieben habe, stehe außer Streit. Die Erlassung eines schriftlichen Bescheides habe dessen Zustellung oder Ausfolgung gemäß § 24 Zustellgesetz zur Voraussetzung. Erst wenn eine rechtswirksame Zustellung vorliege, sei der Bescheid erlassen.

Mit der Ausfolgung des an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheides an den Beschwerdeführer gelte dessen Zustellung an die vertretene Ehegattin als bewirkt.

Es sei von einer Bevollmächtigung des Ehegatten der Berufungswerberin im laufenden Baubewilligungsverfahren auszugehen.

Eine Zustellbevollmächtigung iSd § 9 Abs. 1 ZustG sei mitumfasst, der Ehegatte der Berufungswerberin sohin zum Empfang des Schriftstückes für die Berufungswerberin berechtigt und die Zustellung an diese mit Entgegennahme

durch den Ehegatten bewirkt worden.

Der mit Berufung bekämpfte Bescheid sei der Berufungswerberin somit am 18.05.2018 wirksam zugestellt worden. Der bekämpfte Bescheid sei daher mit Verstreichen der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist am 01.06.2018 in Rechtskraft erwachsen. Die gegenständliche Berufung sei daher wegen Verspätung zurückzuweisen.

2.       Zum Beschwerdevorbringen:

Mit Schreiben vom 29.03.2019 brachte die Beschwerdeführerin durch ihren ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** ein und begründete diese im Wesentlichen damit, dass die belangte Behörde verkenne, dass eine wirksame Stellvertretung nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen insbesondere die Offenlegung des Vertretungsverhältnisses nach außen voraussetze. Dies gelte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für eine rechtsgültige Vertretung vor Behörden.

Die Offenlegung des Vollmachtsverhältnisses erfordere, dass der Handelnde behaupten müsse, (auch) in Vertretung eines Beteiligten zu handeln.

Es genüge daher nicht, dass eine Person bloß im Namen des Vertretenen handle. Sie habe vielmehr die Beziehung zum Vertretenen auch klarzustellen. Vom Erfordernis der Offenlegung im Sinne der Behauptung eines Vollmachtsverhältnisses könne gerade dann nicht abgegangen werden, wenn jemand auch im eigenen Namen handle. Es sei in einem solchen Fall allein Sache des Bevollmächtigten offenzulegen, dass er eben nicht nur im eigenen Namen, sondern z.B. auch für seine Gattin auftrete.

Die Ansicht, ein Vollmachtsverhältnis gelte als offengelegt, sobald der Vertretene ein Verhalten setze, welches bei der Behörde das Vertrauen auf das Vorliegen einer Bevollmächtigung erwecke, sei verfehlt. Im Gegenteil gebiete der OffenIegungsgrundsatz, dass der Vertreter ausdrücklich von sich aus gegenüber der Behörde zu erklären habe, im Namen einer anderen Person zu handeln.

Dies gelte insbesondere dann, wenn der Vertreter auch im eigenen Namen handle. Eine Vollmacht könne gerade nicht konkludent offengelegt werden.

Schon aus diesem Grund sei die Zustellung des Bauplatzerklärungsbescheids an Herrn C nicht als Zustellung an die Beschwerdeführerin zu werten.

Doch auch die übrigen Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung seien nicht erfüllt, da im lnnenverhältnis überhaupt kein Vollmachtsverhältnis bestehe. Dies habe die Beschwerdeführerin auch in der Berufung explizit ausgeführt.

Die Bestimmung des § 10 Abs. 4 AVG gelte außerdem nur im Fall von amtsbekannten Familienmitgliedern. Auch dieses Tatbestandselement habe die belangte Behörde nicht geprüft. Sie stelle lediglich auf den gemeinsamen Haushalt ab, worauf es jedoch nicht ankomme.

Der Beschwerdeführerin sei die Ausfolgung des Bauplatzerklärungsbescheides an Herrn C keinesfalls zuzurechnen.

Es treffe auch nicht zu, dass Herr C den Bauplatzerklärungsbescheid vom 17.05.2018 gemäß § 24 ZustG unmittelbar bei der Behörde als \/ertreter der Beschwerdeführerin auch für diese übernommen habe.

Bei § 24 ZustG handle es sich um eine Ausnahme vom Grundsatz des § 13 Abs 1 ZustG, wonach ein Dokument dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen sei. Diese Ausnahme gelte jedoch nur für den Empfänger. Eine Ausfolgung an andere Personen sei nur möglich, wenn dieser Person eine Zustellvollmacht iSd § 9 ZustG erteilt worden sei. Die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten iSd § 9 Abs 1 ZustG könne durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht oder durch mündliche Vollmachtserteilung vor der Zustellbehörde erfolgen.

lm vorliegenden Fall sei der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt an einer Abgabestelle zugestellt worden. Sie habe ihrem Ehegatten auch keine Zustellvollmacht erteilt. Dieser habe auch weder der Erstbehörde noch der belangten Behörde eine schriftliche Zustellvollmacht vorgelegt.

Auch mündlich habe die Beschwerdeführerin vor der Behörde ihrem Ehegatten keine Vollmacht erteilt.

Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 AVG, wonach die Behörde bei amtsbekannten Angehörigen von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen könne, lägen nicht vor.

Die Ausfolgung des Bescheides an Herrn C sei daher nicht als Zustellung an die Beschwerdeführerin zu werten.

Da der Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, Zl. ***, betreffend die Bauplatzerklärung der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin am 24.10.2018 physisch in die Hände gelangt sei, sei frühestens zu diesem Zeitpunkt eine Heilung des Zustellmangels durch tatsächliches Zukommen erfolgt.

Die am 07.11.2018 eingebrachte Berufung sei daher rechtzeitig und die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung somit rechtswidrig.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht sei zu bemängeln, dass die belangte Behörde amtswegige Ermittlungen zu den Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 AVG (Vorliegen einer Vollmacht im Innenverhältnis, Offenlegung der Vollmacht, „amtsbekanntes“ Familienmitglied) unterlassen habe.

Auch über das Vorliegen einer Zustellvollmacht habe die belangte Behörde keine ergänzenden Ermittlungen angestellt.

Schließlich sei die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen. Es wäre ihre Aufgabe, in ihrem Bescheid selbständig die Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels, über das sie zu entscheiden habe, zu beurteilen. Stattdessen habe sich die belangte Behörde damit begnügt, sich der Begründung eines mit Revision angefochtenen Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes NÖ anzuschließen und sich an der dort vorgenommenen rechtlichen Beurteilung zu orientieren. Bei Vermeidung dieses Mangels und eingehender Prüfung des Zustellvorgangs wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Frist zur Einbringung einer Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 17.05.2018 am 07.11.2018 sehr wohl noch offen gewesen sei.

Beantragt wurde, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der belangten Behörde aufzutragen, eine Sachentscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Spruchpunkt l des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, ***, zu treffen, in eventu den zitierten Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

3.       Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren des Landesverwaltungsgerichtes:

Mit Schreiben vom 01.04.2019 legte die Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 16.10.2019 und am 11.11.2019 – jeweils gemeinsam mit dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Zahl LVwG-AV-1199/004-2018 – eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der unter anderem auch durch Einvernahme der Beschwerdeführerin und der Zeugen C, D und E sowie der Vertreterin der belangten Behörde Beweis erhoben wurde.

Weiters wurde Beweis erhoben durch Verlesung des Verwaltungsgerichtsaktes zur Zahl LVwG-AV-407/001-2019 und des Verwaltungsaktes der belangten Behörde zur
Zahl *** samt dem diesem angeschlossenen Akt der Baubehörde I. Instanz zur Zahl ***.

4.       Feststellungen:

Herr C und Frau A sind grundbücherliche Eigentümer des Grundstückes Nr. ***, EZ *** KG ***, welches die topographischen Anschrift ***, ***, aufweist.

Auf Grund des Antrages von Herrn C und Frau A vom 23.03.2018 wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, Zl. ***, in Spruchpunkt I. das Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, im Ausmaß von 1092 m² gemäß § 23 Abs. 3 NÖ BO 2014 zum Bauplatz erklärt. In Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde Frau A und Herrn C gemäß § 14 Z. 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 der NÖ BO 2014 die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf der Liegenschaft ***, ***, Parz.Nr. ***, EZ ***, KG *** erteilt.

Die beiden Bescheidausfertigungen des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, Zl. ***, die jeweils an einen der Bauwerber adressiert waren, wurden am 18.05.2018 im Stadtamt der Stadtgemeinde *** von Herrn C, Ehegatte der Beschwerdeführerin, als versandbereite Schriftstücke persönlich übernommen und wurde die Übernahme jeweils mit dessen Unterschrift auf den Rückscheinen bestätigt:

C unterfertigte weiters einen Rechtsmittelverzicht beider Bauwerber vom 18.05.2018 hinsichtlich des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Mai 2018, Zl. ***. Dieses Schreiben vom 18.05.2018 wurde am 22.05.2018 von der Stadtgemeinde ***, Bauamt, abgestempelt.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Ehegatten weder zur Übernahme der an sie adressierten Ausfertigung des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, Zl. ***, noch zur Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes durch sie bevollmächtigt.

Herr C hat das Vorliegen einer Vollmacht, die an die Beschwerdeführerin adressierte Ausfertigung des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, Zl. ***, entgegen nehmen zu dürfen, gegenüber der Stadtgemeide *** als Baubehörde I. Instanz nicht ausdrücklich behauptet.

Die an die Beschwerdeführerin gerichtete Ausfertigung des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, Zl. ***, gelangte erstmals bei einem Termin mit ihrem nunmehrigen Rechtsvertreter am 24.10.2018 in dessen Hände.

An die Beschwerdeführerin war bis zu diesem Zeitpunkt eine Ausfertigung des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, Zl. ***, nicht ausgehändigt worden.

Die mit Schriftsatz vom 07.11.2018 erhobene Berufung wurde mit E-Mail vom selben Tag bei der Stadtgemeinde *** eingebracht.

5.       Beweiswürdigung:

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlungen. Dass die Beschwerdeführerin ihren Ehegatten C nicht bevollmächtigt hatte, den Bescheid für die Beschwerdeführerin bei der Behörde entgegenzunehmen und die an die Beschwerdeführerin gerichtete Bescheidausfertigung vom Ehegatten nach der Empfangnahme durch diesen nicht an die Beschwerdeführerin ausgehändigt wurde, ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten C.

Auch das Vorbringen, dass bei der Besprechung mit ihrem Rechtsanwalt F frühestens am 24.10.2018 diesem als Rechtsvertreter der Bescheid erstmals physisch in die Hände gelangt ist, ist glaubhaft.

6.       Erwägungen:

Zu Spruchpunkt 1:

Nach § 24 Zustellgesetz (ZustG) können dem Empfänger versandbereite Schriftstücke unmittelbar bei der Behörde; ausgefolgt werden. Die Ausfolgung ist von der Behörde (Dienststelle) zu beurkunden. § 22 Abs. 2 und 3 ZustG gilt sinngemäß.

Nach § 10 Abs. 1 zweiter Satz AVG haben sich Bevollmächtigte durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Gemäß § 10 Abs. 4 AVG kann die Behörde von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige (§ 36a), Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

Die Begünstigung des § 10 AVG befreit von einer Vollmachtsvorlage, aber nicht von der Offenlegung des Vertretungsverhältnisses durch den Handelnden, der somit behaupten muss, (auch) in Vertretung eines Beteiligten zu handeln (VwGH 24.05.2012, 2012/07/0013). Auch in den Fällen des § 10 AVG ist es der Behörde unbenommen, bei Zweifeln am Bestehen der Vollmacht oder deren Umfang nach § 13 Abs. 3 AVG vorzugehen (VwGH 27.01.2009, 2008/22/0879).

Die Begünstigung des § 10 Abs. 4 AVG befreit daher lediglich von der Vorlage einer Vollmacht nach § 10 Abs. 1 AVG, nicht jedoch von der Einräumung von Vollmacht und der Offenlegung des Vertretungsverhältnisses (Hengstschläger/Leeb, AVG i2, Rz 14 zu § 10 AVG, mwN).

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass weder eine Vertretungsbefugnis der Beschwerdeführerin an ihren Ehegatten C erteilt noch von diesem ein Vertretungsverhältnis anlässlich der Entgegennahme der Bescheide vom 17.05.2018 offengelegt wurde.

Nach der weiteren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 4 AVG obliegt es der behauptetermaßen zu Unrecht vertretenen Partei, gewichtige Gründe für ihre Behauptungen darzutun – etwa, dass (und warum) sie selbst nicht an der Verhandlung habe teilnehmen wollen und dem Familienmitglied ihre Vertretung überhaupt oder in einer bestimmten Richtung untersagt habe – dann, wenn die Partei ordnungsgemäß zur Verhandlung geladen und selbst nicht dort erschienen ist. Um eine Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder im Sinn des § 10 Abs. 4 AVG annehmen zu können, ist es aber erforderlich, dass der zu Vertretende nachgewiesenermaßen von der Verhandlung persönlich verständigt worden ist, weil nur damit die Prämisse für das "Absehen von einer ausdrücklichen Vollmacht" im Sinn des § 10 Abs. 4 leg.cit. geschaffen worden wäre (VwGH 26.01.2006, 2004/07/0172).

Die Annahme einer Bevollmächtigung nach § 10 Abs. 4 AVG genügt im hier gegenständlichen Fall nicht, da nicht von einer vorgängigen, nachweislichen Ladung der Beschwerdeführerin zu einer Verhandlung die Rede ist, auf die die Behörde ihr Vertrauen auf die Bevollmächtigung ihres Ehegatten hätte gründen können.

Wenn die Annahme einer Bevollmächtigung auf das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht gegründet wird, muss das Vertrauen des Dritten seine Grundlage in einem zurechenbaren Verhalten des Vollmachtgebers haben, welches den äußeren Tatbestand, auf den der Dritte vertraut, begründet. Die Beschwerdeführerin hat vor der Übernahme der Bescheidausfertigungen durch ihren Ehegatten am 18.05.2018 kein Verhalten gesetzt, auf das die Behörde ein Vertrauen in die Erteilung einer Vollmacht an ihren Ehegatten hätte gründen können und gegründet hätte. Allein in der Übernahme der Bescheidausfertigungen durch den Ehegatten liegt kein der Beschwerdeführerin zurechenbares Verhalten.

Auch eine Heilung des solcherart vorliegenden Zustellmangels (§ 7 ZustG) vor dem Besprechzungstermin mit dem Rechtsanwalt am 24.10.2018 konnte nicht festgestellt werden.

Die Zustellung des von der Beschwerdführerin mit Berufung bekämpften Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, Zl. ***, erfolgte somit frühestens am 24.10.2018 an die Beschwerdeführerin bzw. an ihre ausgewiesene Rechtsvertretung.

C unterfertigte am 18.05.2018 zwar auch einen Rechtsmittelverzicht hinsichtlich des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, Zl. ***. Ein Rechtsmittelverzicht kann nur von einer Partei des Verfahrens abgegeben werden. Dies kann – und zwar durch ausdrückliche Erklärung – erst nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides (bzw. allenfalls nunmehr Erkenntnisses) und während der Rechtsmittelfrist erfolgen (vgl. VwGH Ra 2016/02/0227). Der in Rede stehende Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018 erwuchs mit der Unterfertigung des Rechtsmittelverzichtes am 18.05.2018 nur gegenüber Herrn C in Rechtskraft.

Die nach der am 24. 10.2018 erfolgten Zustellung des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018 mit Schriftsatz vom 07.11.2018 durch die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist erhobene und eingebrachte Berufung erweist sich sohin als rechtzeitig.

Die Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Spruchpunkt l des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, ***, erweist sich somit als rechtswidrig und war daher der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid aufzuheben.

Die belangte Behörde hat im fortzusetzenden Verfahren eine Sachentscheidung über die aufrechte Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Spruchpunkt l des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17.05.2018, ***, zu treffen.

Zu Spruchpunkt 2 – Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die auch dargelegt wird.

Schlagworte

Bau- und Raumordnungsrecht; Baubewilligung; Verfahrensrecht; Empfänger; Vertretung; Vollmacht;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.407.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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