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L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde des D in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 2. Februar 1998, Zl. U-13.131/2, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, soweit er die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung zweier Wohneinheiten auf dem Grundstück Nr. 3338/7 GB K, wegen entschiedener Sache betrifft. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 1991 wurde der Antrag der R.W. auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung zur Errichtung eines Wohngebäudes auf dem (damals im Eigentum der R.W. stehenden) Grundstück Nr. 3338/7 der KG K. gemäß §§ 3 Abs. 7, 9 lit. d, 27 Abs. 2, 4 und 5 sowie 40 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991, LGBl. Nr. 29 (TNSchG 1991), abgewiesen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, bei der Fläche, auf der das Wohngebäude errichtet werden solle, handle es sich um ein Feuchtgebiet. Langfristige öffentliche Interessen, die das öffentliche Interesse an der Vermeidung einer Beeinträchtigung der Natur überwiegen, bestünden nicht.
Mit Eingabe vom 17. Juni 1997 legten die R.-AG und der Beschwerdeführer der Bezirkshauptmannschaft K. (BH) ein Projekt vor, welches die Errichtung eines Bauobjektes (Wohnungen) auf dem Grundstück Nr. 3338/7 vorsieht und stellten den Antrag, die BH als Naturschutzbehörde wolle aussprechen, daß für dieses Bauobjekt eine naturschutzrechtliche Genehmigung nicht erforderlich sei, insbesondere daß kein Feuchtgebiet vorliege. In eventu wurde die Erteilung der naturschutzrechtlichen Genehmigung beantragt.
Im Zuge des Verfahrens zog die R.-AG ihren Antrag zurück.
Mit Bescheid vom 11. November 1997 wies die BH den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung, daß für die Errichtung von Wohneinheiten auf dem Grundstück Nr. 3338/7 der KG K. keine naturschutzrechtliche Bewilligung notwendig sei und daß auf diesem Grundstück kein Feuchtgebiet vorliege, als unzulässig zurück (Spruchabschnitt 1).
Unter Spruchabschnitt 2 wies die BH den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung von Wohneinheiten auf dem Grundstück Nr. 3338/7 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.
In der Begründung heißt es, die Frage, ob Teile eines Grundstückes die Voraussetzungen als Feuchtgebiet im Sinne der Begriffsbestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997, LGBl. Nr. 33 (TNSchG 1997), erfüllten, stelle eine rechtserhebliche Tatsache dar. Tatsachen könnten nur dann Gegenstand eines Feststellungsbescheides sein, wenn hiefür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage bestehe. Eine solche fehle aber für die vom Beschwerdeführer begehrte Feststellung. Darüber hinaus erkläre die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Feststellungsbescheide als unzulässig, wenn die strittige Frage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens (z.B. im Rahmen eines naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahrens) entschieden werden könne. Der Feststellungsantrag sei daher zurückzuweisen gewesen. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß sich der Sachverhalt bezüglich der Lage des Bauvorhabens in einem Feuchtgebiet und hinsichtlich des Vorliegens öffentlicher Interessen gegenüber dem Bescheid vom 1. Oktober 1991 nicht geändert habe. Was die im Verfahren aufgeworfene Frage betreffe, ob sich das Grundstück Nr. 3338/7 innerhalb oder außerhalb einer geschlossenen Ortschaft befinde, so werde darauf hingewiesen, daß sich dieses Grundstück innerhalb einer geschlossenen Ortschaft im Sinne der Begriffsbestimmung des TNSchG 1997 befinde, welcher Umstand vom naturkundefachlichen Amtssachverständigen bei der mündlichen Verhandlung am 4. September 1997 festgestellt worden sei.
Der Beschwerdeführer berief. Er machte unter anderem geltend, eine naturschutzbehördliche Bewilligung sei deswegen nicht erforderlich, weil sich das Grundstück Nr. 3338/7, wie im erstinstanzlichen Bescheid festgestellt werde, innerhalb einer geschlossenen Ortschaft befinde.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 2. Februar 1998 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
In der Begründung wird ausgeführt, mit Berufungsbescheid der Tiroler Landesregierung vom 1. Oktober 1991 sei ein Antrag der damaligen Grundeigentümerin R.W. auf Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Wohnobjektes auf dem Grundstück Nr. 3338/7 abgewiesen worden. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Grundbuchsauszüge stehe fest, daß der Beschwerdeführer in die Rechte der vormaligen Grundeigentümerin R.-AG und diese in die Rechte der R.W. eingetreten sei. Somit bewirke der in Rechtskraft erwachsene Bescheid vom 1. Oktober 1991 bei unverändertem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache. Der Versagung der naturschutzrechtlichen Bewilligung gegenüber R.W. durch den Bescheid vom 1. Oktober 1991 komme dingliche Wirkung zu (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1984, Slg. NF 11.610/A). Das Grundstück Nr. 3338/7 liege nicht innerhalb einer geschlossenen Ortschaft. Aufgrund des Auszuges aus der digitalen Katastermappe im Maßstab 1 : 2000 ergebe sich, daß in der nächsten Umgebung des Grundstückes 3338/7 die Bauparzelle .260 und die Parzelle .421/4 bebaut seien. Aufgrund der Ermittlung des Abstandes dieser zur Bauparzelle nächstgelegenen Gebäude ergebe sich, daß die vorgenannten Gebäude einen Abstand von ca. 100 m aufwiesen. Der Beschwerdeführer verkenne die Bedeutung der Begriffsbestimmung der geschlossenen Ortschaft, wenn er ausführe, daß das Grundstück im geschlossenen Ortschaftsbereich liege und aus dem beiliegenden Auszug aus dem Mappenblatt sowie aufgrund einer örtlichen Besichtigung hervorgehe, daß die das Grundstück umgebenden, bereits bestehenden Objekte eine geschlossene Ortschaft im Sinne des Gesetzes bildeten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe die Frage, ob das Grundstück Nr. 3338/7 innerhalb einer geschlossenen Ortschaft liege und ob es sich um ein Feuchtgebiet handle, unrichtig gelöst. Tatsächlich ergebe sich aus dem Mappenplanauszug, daß das Grundstück 3338/7 zu den nächstgelegenen Gebäuden einen Abstand von jeweils höchstens 50 m aufweise und es sei aus diesem Plan ersichtlich, daß das Grundstück inmitten eines zusammenhängend bebauten Gebietes und sohin jedenfalls innerhalb einer geschlossenen Ortschaft im Sinne der Bestimmungen des TNSchG 1997 liege. Um die Frage, ob das Grundstück 3338/7 innerhalb einer geschlossenen Ortschaft liege oder nicht, richtig beurteilen zu können, hätte die belangte Behörde, wie vom Beschwerdeführer beantragt, eine genaue Vermessung der dieses Grundstück umgebenden Bauwerke veranlassen müssen. Der angefochtene Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil die belangte Behörde zu Unrecht angenommen habe, es bestehe kein öffentliches Interesse an der Bebauung des Grundstückes 3338/7. Entschiedene Sache liege nicht vor.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
I. Zur Zurückweisung des Feststellungsantrages:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit zur Erlassung eines Feststellungsbescheides dann verpflichtet, wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei liegt und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen. Unzulässig ist ein Feststellungsbescheid jedenfalls dann, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 401, angeführte Rechtsprechung). Die Rechtsprechung zum Feststellungsbescheid läßt den Grundsatz erkennen, daß diese Bescheidform lediglich ein subsidiärer Rechtsbehelf ist, der nur zur Anwendung kommen kann, wenn andere Möglichkeiten, die Rechtsfrage zu klären, nicht vorhanden oder nicht zumutbar sind. Im Beschwerdefall ist nicht zu erkennen, daß die Frage der Bewilligungspflicht nicht zumutbarerweise im Bewilligungsverfahren beantwortet werden konnte.
Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Feststellungsantrages richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
II. Zur Zurückweisung des Bewilligungsantrages:
Es kann dahingestellt bleiben, ob der gegenüber der damaligen Grundeigentümerin R.W. ergangene Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 1991, mit dem die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung von Wohneinheiten auf dem Grundstück Nr. 3338/7 abgelehnt wurde, dem Beschwerdeführer als nunmehrigem Grundeigentümer gegenüber dingliche Wirkungen entfaltet. Selbst wenn man von einer solchen dinglichen Wirkung ausgeht, kann von einer entschiedenen Sache keine Rede sein.
Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Entschiedene Sache liegt nicht vor, wenn sich der Sachverhalt oder die Rechtslage maßgeblich geändert haben. Eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage, die es der Behörde verwehrt, das Neuansuchen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, liegt dann vor, wenn sich nach Abweisung des ersten Ansuchens die gesetzlichen Vorschriften, die tragend für die frühere Entscheidung gewesen sind, so geändert haben, daß sie, hätten sie bereits früher bestanden, eine anderslautende Entscheidung ermöglicht hätten (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 625, angeführte Rechtsprechung).
Der Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 1991 basierte auf den §§ 3 Abs. 7, 9 lit. d, 27 Abs. 2, 4 und 5 sowie 40 Abs. 1 TNSchG 1991.
Nach § 9 lit. d TNSchG 1991 bedurfte in Feuchtgebieten die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen einer Bewilligung. Darauf, ob das Vorhaben innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaften lag, kam es nicht an. Auch Vorhaben in Feuchtgebieten innerhalb geschlossener Ortschaften bedurften einer Bewilligung. Das Tatbestandsmerkmal der "geschlossenen Ortschaft" spielte lediglich im Rahmen der allgemeinen Bewilligungspflicht nach § 6 TNSchG 1991 eine Rolle. Diese Bestimmung erfaßte aber nur solche Vorhaben, für die nicht nach einer anderen Bestimmung dieses Gesetzes eine Bewilligung erforderlich war.
Der angefochtene Bescheid basiert auf dem TNSchG 1997.
Nach § 9 lit. c TNSchG 1997 bedarf in Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden, einer naturschutzrechtlichen Bewilligung. Die Rechtslage hat sich also gegenüber jener zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 1. Oktober 1991 dahingehend geändert, daß nunmehr Vorhaben in Feuchtgebieten nur dann naturschutzbehördlich bewilligungspflichtig sind, wenn das Feuchtgebiet außerhalb geschlossener Ortschaften gelegen ist.
In dem zur Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 1. Oktober 1991 führenden Verfahren war die Lage des Feuchtgebietes innerhalb oder außerhalb einer geschlossenen Ortschaft nicht zu prüfen, da das TNSchG 1991 darauf nicht abstellte.
Die Rechtslage nach dem TNSchG 1997 erfordert ein Ermittlungsverfahren im Hinblick auf ein Tatbestandselement, nämlich die Lage des Feuchtgebietes, welches im TNSchG 1991 nicht enthalten war und auf das sich daher das Ermittlungsverfahren nach dem zuletzt genannten Gesetz nicht zu beziehen hatte. Im Hinblick auf die Frage der Situierung des Feuchtgebietes innerhalb einer geschlossenen Ortschaft kann der Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 1991 daher keine entschiedene Sache begründen. Dies führt dazu, daß nicht "entschiedene Sache" vorliegt, da der Bescheid vom 1. Oktober 1991 nicht teilbar ist.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung wegen entschiedener Sache als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Der Beschwerdeführer hatte als obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes in Höhe von S 12.500,-- und der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG in Höhe von S 2.500,--, also insgesamt S 15.000,--. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren war abzuweisen.
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter Abspruch Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998100100.X00Im RIS seit
20.11.2000