Entscheidungsdatum
24.10.2019Norm
BFA-VG §22aSpruch
W197 2224558-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2019, Zahl 780373707-191014397 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Antrag, den Beschwerdeführer von der Eingabegebühr zu befreien, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang (Feststellungen):
1.1. Der Beschwerdeführer (BF) ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste unbekannten Datums illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 28.04.2008 unter falscher Identität einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Mit Bescheid der Behörde vom 26.06.2008 wurde der Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen und eine Ausweisung nach Deutschland für zulässig erklärt. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.07.2008 als unbegründet abgewiesen. Der BF wurde am 13.08.2008 nach Deutschland überstellt.
1.3. Der BF reisten in der Folge erneut illegal in das Bundesgebiet ein und stellten am 09.06.2016 mit einer zweiten Identität einen Folgeantrag. Mit Bescheid der Behörde vom 28.09.2017 wurde der Folgeantrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Abschiebung in den Heimatland Nigeria wurde für zulässig erklärt. Weiters wurde dem BF eine Frist für die freiwillige Ausreise nach Rechtskraft der Entscheidung gewährt. Der Bescheid erwuchs am 19.10.2017 in Rechtskraft.
1.4. Der BF stellte in der Folge ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ein. Mit Bescheid des BFA vom 17.05.2018 wurde der Antrag abgewiesen. Die Beschwerde dagegen wurde vom BVwG am 17.08.2018als unbegründet abgewiesen, der VwGH wies die dagegen erhobene Revision am 05.12.2018 zurück.
1.5. In der Folge reiste der BF trotz Verpflichtung nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.
1.6. Der BF wurden am 02.02.2018 und am 11.01.2019 an seiner Meldeadresse zwecks Identitätsfeststellung geladen. Der BF leistete beiden Ladungen nicht Folge und wirkte damit am Verfahren zu seiner Außerlandesbringung nicht mit.
1.7. Der BF ist seit 01.04.2019 im Bundesgebiet nicht mehr polizeilich gemeldet. Er hielt sich seither im Verborgenen auf und war für die Behörde nicht mehr greifbar.
1.8. Am 24.07.2019 wurden der BF auf Grund einer Zufallskontrolle angehalten und festgenommen. Dabei wies sich der BF mit fremden Dokumenten aus. Deshalb wurden in der Folge strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.
1.9. Mit Mandatsbescheid vom 24.07.2019 verhängte die Behörde über den BF Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung. In der vorangehenden Einvernahme gab der BF an. dass er lieber nach Italien als nach Nigeria gehen wolle. Der BF wurden am 08.08.2019 aus der Schubhaft entlassen und ins LKH XXXX verbracht, wo er operiert wurden. Der BF entwichen in der Folge aus dem LKH tauchten unter und war für die Behörden im Verfahren zur Außerlandebringung nicht mehr greifbar. Die Behörde erließ daher einen Festnahmeauftrag hinsichtlich des BF.
1.10. Der BF wurde am 06.10.2019 wieder im Zuge einer Zufallskontrolle angehalten. Dieser versuchte der BF sich durch Flucht zu entziehen. Nach Verfolgung konnte er, nachdem er über einen Zaun gesprungen war, festgenommen und der Behörde vorgeführt werden.
1.11. Anlässlich seiner Einvernahme gab der BF an, dass er gesund sei, nach einer Operation jedoch Medikamente einnehmen würde, deren Namen er allerdings nicht wisse. Er wohne unangemeldet bei einer Freundin, deren Namen und Adresse er jedoch nicht angeben wolle. Er besitze nur € 63,00 Bargeld.
1.12. Mit Mandatsbescheid vom 06.10.2019 wurde über den BF nach Einvernahme durch die Behörde zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z, 2 FPG Schubhaft verhängt. Die Behörde erkannt Fluchtgefahr im Sinne von § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 6c und 9 FPG sowie Sicherungsbedarf. Im Hinblick auf das bisherige Verhalten des BF sah die Behörde die Voraussetzungen für die Anordnung eines gelinderen Mittels als nicht gegeben an. Der BF verweigerte die Zustellung des Mandatsbescheides zu bestätigen.
1.13. Der Fremde wurde im Stande der Schubhaft am 18.10.2019 den nigerianischen Behörden vorgeführt und seine nigerianische StA bestätigt. Die Botschaft regte an, vor Ausstellung eines HRZ ein Verfahren zur freiwilligen Rückkehr zu versuchen. Sollte der BF diesem nicht nähertreten, würde ein HRZ ausgestellt werden.
1.14. Gegen den Mandatsbescheid, die Anordnung der Schubhaft und die fortdauernde Anhaltung erhob der Rechtsvertreter des BF Beschwerde mit der Begründung, dass die Behörde mit der Anordnung eines gelinderen Mittels das Auslangen finden hätte können. Zudem würde den BF die Haft unverhältnismäßig hart treffen, wobei eingeräumt wurde, dass der BF in Haft in medizinischer Betreuung steht und auch medikamentös versorgt werde. Konkrete psychischer und physischer Beeinträchtigungen wurden in der Beschwerde nicht einmal angedeutet und sind im Verfahren auch nicht hervorgekommen. Beantragt wurde den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der und die Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig sei und die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung nicht vorlägen sowie Kosten- und Aufwandersatz.
1.15. Die Behörde legte die Akten vor, erstattete eine Stellungnahme im Sinne des Akteninhalts und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde sowie den Ausspruch, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Die Behörde legte ein Gutachten des Amtsarztes vor, wonach der BF haftfähig sei und teilte weiters mit, dass sie für den Fall, dass sich der BF nicht binnen 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise entschließe, bei der nigerianische Botschaft die Ausstellung eines HRZ beantragen werde.
1.16. Das amtsärztliche Gutachten zur Haftfähigkeit des BF wurde dem Rechtsvertreter zur Stellungnahme übermittelt, dieser äußerte sich am letzten Tag der Entscheidungsfrist wie folgt: Wie bereits in der Beschwerde ausgeführt, liegt im Fall des BF eine gesundheitliche Beeinträchtigung vor. Neben den angeführten Blutungen im Stuhl nach einer Hämorrhoiden-OP ergeben sich aus der Krankenkartei auch Hinweise auf eine relevante psychiatrische Beeinträchtigung. Dem BF wurde das Medikament Seroquel verschrieben, welches zu den Antipsychotika zählt
(https://www.patienteninfo-service.de/a-z-liste/s/seroquelR-25-mg-100-mg-200-mg-300-mg-filmtabletten/, Zugriff am 24.10.2019). Da der BF laut Krankenkartei am 23.10.2019 einem Psychiater vorgeführt wurde, wird beantragt, ein entsprechendes psychiatrisches Gutachten einzuholen und dieses der Entscheidung zugrunde zu legen. Aufgrund des Fehlens eines gültigen Reisedokumentes ist im Fall des BF mit einer längeren Schubhaftdauer zu rechnen. Wie in der Beschwerde dargelegt, ist die Tatsache der gesundheitlichen Beeinträchtigung - auch bei Bestehen der Haftfähigkeit - im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen (vgl VwGH 08.07.2009, 2008/21/0404). Diese Prüfung erfordert auch einen persönlichen Eindruck durch den erkennenden Richter (vgl VwGH 03.09.2015, 2015/21/0012), weshalb auf den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verwiesen wird.
1.17. Von der Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte wegen geklärten Sachverhalts aus dem vorliegenden Akteninhalt und der Beschwerde abgesehen werden.
II. Feststellungen
2.1. Die im Verfahrensgang als Feststellung gefassten Punkte werden der Entscheidung ebenfalls zu Grunde gelegt.
2.2. Festgestellt wird, dass der BF gänzlich vertrauenswürdig. Er hat bislang alles versucht, um seine Abschiebung in den Herkunftsstaat zu verhindern. Er will nicht nach Nigeria zurückkehren, sondern beabsichtigt auch nach Italien auszureisen, wobei er trotz Verpflichtung nicht freiwillig aus, stellte mehrere negativ beschiedene Asylanträge, befolgte mehrfach Ladungen zu seiner Identitätsfeststellung nicht, verschleierte seine Identität, trat er im Verfahren unter Aliasidentitäten auftrat, ist seit Monaten nicht gemeldet und weigert sich, seine Aufenthaltsadresse bekanntzugeben, ist untergetaucht und war für die Behörden nur auf Grund von Zufallskontrollen greifbar, wobei er sich der Festnahme durch Vorweisung fremder Identitätsdokumente und zuletzt durch Flucht zu entziehen suchte.
2.3. Der BF ist im Bundesgebiet nicht integriert, im steht keine gesicherte Unterkunft zur Verfügung an der er sich der Behörde zu seiner Außerlandesbringung bereithalten wird, ist mittellos hat bereits illegal im Bundesgebiet gearbeitet da er seinen Unterhalt im Bundesgebiet nicht auf legale Art sicherstellen kann.
2.4. Hinsichtlich des BF besteht akute Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Mit der Vorschreibung eines gelinderen Mittels kann im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten das Auslangen nicht gefunden werden.
2.5. Der BF ist haftfähig, die Haft ist verhältnismäßig.
2.6. Die Identität des BF wurde von der nigerianischen Vertretungsbehörde bestätigt und die Ausstellung eines HRZ in Aussicht gestellt, so der BF nicht freiwillig das Bundesgebiet verlässt. Die Behörde hat die Erlangung eines HRZ für diesen Fall zeitgerecht und zielführend organisiert, der BF kann nach Nigeria abgeschoben werden.
2.7. Es besteht ein hohes öffentliches Interesse, rechtsgrundlos im Bundesgebiet aufhältige Fremde in den Herkunftsstaat zurückzuführen. Die Schubhaft ist verhältnismäßig, da das öffentliche Interesse dem privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit hintansteht und der BF haftfähig ist.
III. Beweiswürdigung
3.1. Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde, dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts und der erhobenen Beschwerde.
3.2. Aus seinem bisherigen, in Punkt 2.2. festgestellten unkooperativen Verhalten ist unzweifelhaft abzulesen, dass der BF gänzlich vertrauensunwürdig ist und er alles versucht, seine Außerlandesbringung zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten hat die Behörde zutreffend Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf angenommen und von der Anordnung eines gelinderen Mittels abgesehen.
3.3. Der BF ist im Bundesgebiet nicht integriert und nicht selbsterhaltungsfähig. Er ist nicht gemeldet, im steht auch keine gesicherte Unterkunft zur Verfügung, an der er sich zur Abholung zu seiner Außerlandesbringung bereithalten wird. Vielmehr ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten davon auszugehen, dass er im Falle seiner Freilassung sofort untertauchen und seinen illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet so lange wie möglich fortsetzen wird. Der BF will illegal in einen benachbarten Schengenstaat weiterreisen.
3.4. Der BF ist haftfähig, konkrete Beeinträchtigungen, welche die Haft unverhältnismäßig machen könnten, wurden in der Beschwerde nicht einmal behauptet. Mit dem unkonkreten Hinweis auf den gesundheitlichen Zustand des BF sucht der Rechtvertreter offenbar eine mündliche Verhandlung im Sinne eines Erkundungsbeweises zu erzwingen. Der BF hat selbst angegeben, gesund zu sein und nur ein namentlich unbekanntes Medikament nach einer Operation einzunehmen. Seinen guten Allgemeinzustand setzte der BF auch dahingehend unter Beweis, dass er sich seiner Festnahme durch Flucht zu entziehen suchte und dabei auch noch über einen Zaun sprang. Im Hinblick auf die kurze Entscheidungsfrist und die Tatsache, dass der erkennende Richter weder eine medizinische noch psychologische Befähigung besitzt, um die Verhältnismäßigkeit der Haft in der Verhandlung beurteilen zu können, wäre der Rechtsvertreter verhalten gewesen, ein konkretes Vorbringen schon in der Beschwerde vorzubringen, damit sachverständige Befundungen noch rechtzeitig in einer Verhandlung aufgenommen werden können. Dabei wird die kurzfristige Beiziehung eines Facharztes zur Verhandlung regelmäßig aus terminlichen Gründen gar nicht möglich sein.
In seinem aktuellen Haftgutachten vom 7.10.2019 kreuzte der Amtsarzt auf Grund der Angaben des BF und seiner Begutachtung folgendes an:
Bewußtsein: wach, Orientierung: ja, Gedankenlauf: geordnet,
Verhalten: situativ angepasst, psychomotorischer Erregung: nein,
Halluzinationen: keine, Wahnideen: keine, Selbstverletzendes
Verhalten: nein, Selbstgefährdung: keine, Fremdgefährdung: keine. Der Amtsarzt hielt eine geringfügige Verletzung an der Hand und eine Anus-OP vor ca. einem Monat fest, wobei der BF das Medikament, das er angeblich verschrieben bekam, nicht nennen konnte. Da auch sonst keine medizinischen Auffälligkeiten festgestellt wurden, begutachtete der Amtsarzt die Haftfähigkeit des BF. Da im Verfahren keine Zweifel an der amtsärztlichen Haftfähigkeitsgutachten aufkamen und auch nicht behauptet wurden, darin keine Hinweise enthalten sind, dass die Haft im konkreten Fall unverhältnismäßig sein könnte und der Rechtsvertreter in seiner Stellungnahme dem ärztlichen Gutachten auch fachlich nicht gleichgewichtig entgegengetreten ist und nicht dargetan hat, aus welchen Gründen die Haft für den BF unverhältnismäßig erscheinen könnte, war von der Verhältnismäßigkeit auszugehen. Dazu kommt noch, dass der BF wird in Schubhaft ärztlich betreut wird.
Dem am 22.10.2019 vorgelegten Haftgutachten ist eine Krankenkartei beigefügt, wonach der BF am 21.10.2019 plötzlich angab nicht schlafen zu können, Löwenstimmen in der Nacht höre und beobachtende Spiegel an der Wand sähen. Der BF erhielt vom Amtsarzt darauf das Medikament Seroquel und ging weiter von der Haftfähigkeit des BF aus. Laut Krankenkarte sollte der BF am 23.09.2019 dem Psychologen vorgeführt werden. Im Hinblick auf die vom BF nunmehr behaupteten psychischen Probleme wäre der erkennende Richter auch in einer allfälligen Verhandlung mangels medizinisch-psychologischer Ausbildung nicht in der Lage zu entscheiden, ob das Verhalten des BF tatsächlich medizinisch bedingt oder angesichts der erhobenen Schubhaftbeschwerde und der drohenden Abschiebung nur vorgespielt sind. Im Hinblick darauf wäre auch jede Entscheidung über die Verhältnismäßigkeit der Haft obsolet.
Unmittelbar vor Fällung des Erkenntnisses legte die Behörde eine aktualisierte Krankenkartei vor und teilte mit, dass der BF psychiatrisch beurteilt und die Haftfähigkeit nach wie vor bestehe. Laut Eintrag in der Krankenkartei brachte der BF vor wie bisher und steigerte sein Vorbringen dahingehend, dass er überzeugt sei, in Nigeria verhext worden zu sein und dass sein Onkel ihn töten wolle, damit er das Land, das der BF erben würde, er bekomme. Der BF hat bislang mit dieser Begründung keinen weiteren Folgeantrag gestellt. Dem BF steht im Falle künftiger Änderung seines Gesundheitszustandes auch frei, eine weitere Schubhaftbeschwerde einzubringen.
Da für den BF offenbar ist, dass seine Abschiebung in Kürze bevorsteht, werden seine nunmehr gesteigerten gesundheitlichen Probleme, auch im Hinblick auf die vom Amtsarzt festgestellte nach wie vor bestehende Haftfähigkeit als bloßer Versuch gewertet, seine Abschiebung nach Nigeria zumindest zu verzögern. Eine Beeinträchtigung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft kann daher auch ohne Verhandlung ausgeschlossen werden. Für die Verzögerungstaktik des BF spricht auch, dass der BF bislang trotz Belehrung durch die Behörde keinen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt hat.
3.5. Die Behörde hat die Abschiebung des BF zügig organisiert, es sind keine Umstände bekannt geworden, wonach der BF nicht in vertretbarer Zeit nach Nigeria abgeschoben werden kann. Das ergänzende Vorbringen des Rechtsvertreters, wonach mangels Personaldokumenten mit einer längeren Schubhaft zu rechnen sein wird, trifft nicht zu, da die nigerianische Vertretungsbehörde der Ausstellung eines HRZ bereits zugestimmt habt.
IV. Rechtliche Beurteilung
4.1. Zu Spruchpunkt A. I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft
4.1.1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.
4.1.2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).
4.1.3. Gemäß §76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendeten Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gem. § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist oder 2. diese zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder die Abschiebung notwendig ist, sofern Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 und 2. Dublin-Verordnung vorliegen. Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.
4.1.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.
4.1.5. Die Behörde hat im Hinblick auf das bisherige Verhalten des BF zu Recht eine erhebliche und präsente Fluchtgefahr und akuten Sicherungsbedarf angenommen. Das Verhalten der BF in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus. Die Behörde hat sichergestellt, dass das Verfahren zur Außerlandesbringung der BF zeitnah und zweckmäßig geführt wird. Wie ausgeführt ist die Schubhaft auch verhältnismäßig.
4.2. Zu Spruchpunkt A. II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft
Auf Grund der getroffenen Feststellung und ihrer rechtlichen Würdigung ergibt sich, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
4.3. Zu Spruchpunkt A. III. und IV. - Kostenbegehren
Da die Behörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen allein der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Mangels gesetzlicher Bestimmungen war der Antrag des BF auf Befreiung der Entrichtung von Eingabegebühr bzw. dessen Refundierung zurückzuweisen. Dass die Eingabegebühr das Recht des Beschwerdeführers auf Zugang zu Gericht beschneidet, trifft im Hinblick auf die geringe Höher nicht zu. Dieser Gebührensatz kann keineswegs als prohibitiv hoch angesehen werden. Der BF hat die Eingabegebühr entrichtet und diesbezüglich keine Verfahrenshilfe beantragt.
4.4. Zu Spruchpunkt B - Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen. Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in allen Spruchpunkten nicht zuzulassen.
Schlagworte
Fluchtgefahr, Identität, Mittellosigkeit, öffentliche Interessen,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W197.2224558.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.03.2020