TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/28 W186 2224565-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.2019
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Entscheidungsdatum

28.10.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W186 2224565-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.10.2019, Zahl:

1122049000-190934565, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 16.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. zulässig.

Hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. ist die Revision nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan (in weiterer Folge: BF) reiste illegal in das Bundesgebiet ein und hat am 11.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Mit Bescheid der Behörde vom 09.06.2017 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen. Ebenso wurde der Antrag auf subsidiären Schutz abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt und seine Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt. Mit Schreiben vom 22.06.2017 brachte der BF fristgerecht Beschwerde gegen den o.a. Bescheid ein. Das Beschwerdeverfahren ist seit 22.06.2017 beim BVwG anhängig.

2. Der Beschwerdeführer hat sich sich seit 05.08.2019 in Haft befunden.

3. Mit rechtskräftigen Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 24.09.2018, GZ 045 Hv 129/18w wurden Sie nach § 27 Abs 2a, zweiter Falls Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten bedingt verurteilt.

Am 16.07.2019 wurde der BF wegen des gleichen Deliktes in Untersuchungshaft genommen.

Mit Bescheid des BFA-Außenstelle Regionaldirektion Wien, vom 25.07.2019, wurde dem BF gemäß § 13 Abs 2 Z 1 und 3 Asylgesetz sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet abgesprochen.

Der BF wurde am 05.08.2019 vom LG für Strafsachen Wien unter Zahl:

163 Hv 129/19k rechtskräftig wegen § 27 Abs 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt, verurteilt.

4. Der BF wurde am 13.09.2019 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen. Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt:

"F: Nennen Sie Ihre Personaldaten richtig und vollständig!

A: XXXX in Afganistan/ XXXX

F: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstige Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

A: Nein, wir können die Einvernahme machen.

F: Werden Sie im gegenständlichen Verfahren rechtsfreundlich vertreten?

A: Nein.

F: Verstehen Sie den Dolmetscher gut?

A: Ja.

F: Sie werden aufgefordert, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Unrichtige oder unwahre Angaben können Nachteile für Sie im Verfahren bedeuten und Ihre Glaubwürdigkeit massiv belasten. Sie können sich dadurch gerichtlich strafbar machen. Haben Sie das verstanden und werden Sie meiner Aufforderung Folge leisten?

A: Das habe ich verstanden.

F: Ihre Muttersprache ist Dari?

A: Ja.

F: Welche Sprachen beherrschen Sie noch?

A: Arabisch, Indisch und etwas Englisch.

F: Sprechen Sie Deutsch?

A: Nein, ich habe nur Grundkenntnisse..

F: Haben Sie einen Deutschkurs besucht?

A: Doch am XXXX bescuhte ich einen Kurs, ich hatte aber epileptische Anfälle und konnte den Kurs nicht fortsetzen, ich war nur für 3 Wochen in dem Kurs.

F: Gingen Sie in Österreich einer Beschäftigung nach?

A: Ich habe versucht Arbeit zu finden, aber mit meinem Status habe ich keine Arbeit bekommen.

F: Wie lautet Ihr Familienstand? Haben Sie Kinder bzw. sind Sie mit Sorgepflichten belastet?

A: Ich bin ledig, habe keine Kinder.

...]

A: Meine Schwester in Schweden. In Dubai leben eine Tante und deren Kinder.

F: Haben Sie noch Familienangehörigen oder Bekannte im Heimatland?

A: Es gibt Angehörige über meinen Großvater, aber mit denen lebe ich in Streit, sie würden mich töten.

F: Haben Sie eine Adresse in Österreich? Wo könnten Sie nach Iher Haftentlassung wohnen?

A: Ich gehe zur Caritas und diese unterstützt mich bei der Suche nach einer Wohnung, derzeit bin ich nicht gemeldet..

F: Besitzen Sie finanzielle Mittel oder sonstige Vermögenswerte?

A: Ich bin mittellos, ich kann mir nicht einmal Zigaretten kaufen.

F: Falls Ihr Asylantrag auch in II. Instanz rechtkräftig negativ wird, werden Sie Österreich dann freiwillig verlassen?

A: Ich würde lieber hier getötet werden, als freiwillig zurück zu gehen.

LA: Es wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass, im Anschluss an Ihre Strafhaft, über Sie die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens verhängt wird. Zu Ihrer Person scheinen zwei rechtskräftige Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz auf, Sie verfügen weder über eine Meldeadresse noch verfügen Sie über finanzielle Mittel oder sind im Besitz von Personaldokumenten. Sie sind nicht vertrauenswürdig und Ihr weiterer Aufenthalt stellt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Die Behörde geht davon aus, dass Sie sich dem Verfahren entziehen wollen. Die. Sie können dazu nun eine Stellungnahme abgeben!

A: Wie lange wird das dauern?

Anmerkung: Dem Befragten wird der Verfahrensgang erklärt.

F: Ich beende jetzt die Einvernahme. Wollen Sie noch etwas Vorbringen? Haben Sie Fragen?

A: Ich bitte um ihre Hilfe, damit ich wieder frei kommen kann. Ich bin von den Drogen weggekommen.

F: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?

A: Gut.

F: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

A: Mir geht es gut, ich bin gesund und arbeitsfähig.

F: Nehmen Sie derzeit Medikamente? Falls ja, welche?

A: Medikamente gegen die Epilepsie und ein Drogenersatzmittel.

F: Verfügen Sie über identitätsbezeugende Personaldokumente (Reisepass, Tazkira, etc.)?

A: Nein, die Dokumente sind bei der Flucht ins Wasser gefallen.

F: Wo befinden sich Ihre Personaldokumente jetzt?

A: Im Meer.

F: Bitte nennen Sie Ihre konkrete Fleimatadresse.

A: Provinz XXXX , Distrikt XXXX , das Dorf ist mir nicht bekannt.

F: Wer lebt noch an Ihrer Fleimatadresse?

A: Meine Mutter war im Iran und ist vor eineinhalb verstorben, von meinem Vater und meinem Bruder ist mir der Aufenthaltsort nicht bekannt, ich befürchte, dass diese nicht mehr am Leben sind.

F: Was haben Sie beruflich bis zur Ausreise gemacht?

A: Ich lernte Autospengler und übte diesen Beruf 16 Jahre im Iran aus. Afghanistan habe ich als Kleinkind verlassen.

F: Waren Sie in Europa auch in anderen Ländern außer Österreich aufhältig?

A: Nach meinem Asylantrag war ich einmal in Deutschland, wurde jedoch in Passau aufgegriffen und nach Österreich zurückgeschickt. Ich wollte meine Schwester in Schweden besuchen, diese lebt dort schon 20 Jahre und ist Staatsbürgerin von Schweden.

F: Flaben Sie Kontakt mit der Schwester?

A: Telefonischer Kontakt bestand, jedoch seit dem Tod meiner Mutter bin ich Heroinabhängig und meine Schwester ist seither sauer auf mich.

F: Haben Sie Verwandte oder sonstige Angehörige im Bundesgebiet?

A: Nein."

5. Die Behörde stützte den angefochtenen Mandatsbescheid auf die folgenden Feststellungen:

"? Zu Ihrer Person, Ihrem Privat- und Familienleben:

Die Feststellungen zu Ihrer Person, zu Ihrem Privat- und Familienleben ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und beruhen auf Ihren diesbezüglichen Angaben bei Ihrer niederschriftlichen Befragung am 13.09.2019.

Herangezogen wurden auch die Daten aus dem Melde- und Strafregister der Republik Österreich, sämtliche erfolgte Befragungen und Einvernahmen sowie alle bisher erlassenen rechtskräftigen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen.

? Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Sie brachten am 11.07.2016 beim Bundesamt einen Antrag auf internationalen Schutz ein, wobei Sie angaben, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger von Afghanistan und am XXXX geboren zu sein. Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 09.06.2017, Zl.:1122049000/160966304, abgewiesen, der Status des Asylberechtigten und der Status des Subsidiär Schutzberechtigten wurden nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, gegen Sie wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und Ihre Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan für zulässig erklärt. Sie brachten fristgerecht Beschwerde ein, das Beschwerdeverfahren ist seit 22.06.2017 beim BVwG anhängig.

Es ist ein Asylverfahren in II. Instanz anhängig, der BVwG hat Ihnen keine aufschiebende Wirkung der Beschwerde zuerkannt.

Mit Bescheid des BFA-Außenstelle Regionaldirektion Wien, vom 25.07.2019, wurde Ihnen gemäß § 13 Abs 2 Z 1 und 3 Asylgesetz Ihr recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet abgesprochen.

Laut Erkenntnis des VwGH vom 13.12.2018, Ro 2018/17/0008, ist ein Asylbescheid nicht durchführbar, solange das BVwG nicht über die Beschwerde entschieden hat. Auch bei Ablauf der 7-Tages-Frist tritt keine "Durchführbarkeit" ein. Trotz Ablaufs der 7-Tagesfrist sind Abschiebung und Schubhaft nach § 76 Abs 2 Z 2 FPG nicht zulässig. Die Möglichkeit von Schubhaft nach § 76 Abs 2 Z 1 oder Abs 6 FPG und der Dublin II-VO bleiben jedoch unberührt.

-

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

Bereits im Dezember 2016, also 5 Monate nach Ihrem Asylantrag, wurden Sie von der PI Stiftsgasse, LPD Wien, wegen Ladendiebstahls zur Anzeige gebracht. Dieser Anzeige folgten weitere Anzeigen verschiedener Polizeiinspektionen in Wien wegen Ladendiebstahls im Jänner und Juli 2017, im Jänner, April und Mai 2018 und Jänner 2019, sowie wegen Körperverletzung im Jänner 2018.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.09.2018, Zahl: 045 Hv 129/18w wurden Sie erstmals wegen Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, wobei Ihnen jedoch die verhängte Freiheitsstrafe zur Gänze bedingt nachgesehen wurde.

Dieses Urteil hielt Sie jedoch nicht davon ab, spätestens im Jahr 2019 wieder gewerbsmäßig Suchtmittel zu verkaufen.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 05.08.2019 Zahl: 163 Hv 54/19k, wurden Sie wiederrum wegen Suchtgiftverkaufes zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, wobei Ihnen ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedingt nachgesehen wurde. Die Probezeit der in der Erstverurteilung bedingt nachgesehenen Strafe wurde auf 5 Jahre verlängert.

Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheinen folgende Verurteilungen auf:

01) LG F.STRAFS.WIEN 045 HV 129/2018w vom 24.09.2018 RK 24.09.2018

§ 27 (2a) 2. Fall (3) SMG § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 03.09.2018

Freiheitsstrafe 10 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

02) LG F.STRAFS.WIEN 163 HV 54/2019k vom 05.08.2019 RK 05.08.2019

§ 27 (2a) SMG

Datum der (letzten) Tat 16.07.2019

Freiheitsstrafe 9 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Das Urteil vom 24.09.2018 lautet (auszugsweise):

‚ XXXX ist schuldig, er hat in Wien vorschriftswidrig Suchtgift, nämlichCannabiskraut, beinhaltend die Wirkstoffe Delta-9-THC und THCA in Straßenqualität, an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich, wobei die Tat von zumindest 10 Personen hätte wahrgenommen werden können, nämlich in der Umgebung der U6 Station Josefstädterstraße , anderen gewerbsmäßig (§ 70 StGB) gegen Entgelt

A./ überlassen, und zwar

1. zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 3.9.2018 zumindest zwei

namentlich unbekannten Abnehmern weitere 2,4 Gramm Cannabiskraut um EUR 40,--;

2. am 3.9.2018 an Insp. XXXX 1,2 Gramm loses Marihuana um EUR 20,--;

B./ zu überlassen versucht, und zwar weitere 7 Gramm Cannabiskraut, indem er es zum unmittelbaren Verkauf bereithielt.

Bei den Strafbemessungsgründen wertete das Gericht als

mildernd: das überschießende Geständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel, die Sicherstellung des Suchtgiftes, das es teilweise beim Versuch geblieben ist.

erschwerend: die mehrfachen Angriffe.'

Als erwiesen stellte das Gericht weiters fest:

‚Der Angeklagte beging die Taten nicht vorwiegend zur Finanzierung seines persönlichen Suchtmittelbedarfs, der Erlös sollte zumindest im gleichen Ausmaß in die Finanzierung seines sonstigen Lebensunterhaltes fließen. Die Voraussetzungen einer diversionellen Erledigung nach § 35 Abs 2 SMG bzw des § 37 StGB liegen nicht vor, weil das Verschulden des Angeklagten als schwer anzusehen ist und eine Verfahrenseinstellung nicht gleich gut wie eine Verurteilung geeignet ist, den Angeklagten von der Begehung weiterer Straftaten nach dem SMG abzuhalten.'

Das Urteil vom 05.08.2019 lautet (auszugsweise):

XXXX ist schuldig, er hat am 22.7.2019 in Wien im bewussten und gewolltenZusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, beinhaltend die Wirkstoffe THCA und Delta-9-THC in Straßenqualität, im Bereich Lerchenfelder Gürtel 57 (vor dem "Josi"), sohin auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, wobei die Tat von zumindest 30 Personen hätte wahrgenommen werden können, sohin öffentlich, durch gewinnbringenden Verkauf überlassen und zwar

a) ein Baggy an XXXX um EUR 10,--;

b) ein Baggy an XXXX um EUR 10,--.'

Bei den Strafbemessungsgründen wertete das Gericht als

mildernd: das Geständnis, als erschwerend: die Tatwiederholung und einschlägige Vorstrafen.

Sie waren, mit einigen Unterbrechungen, seit Ihrer Einreise nach Österreich fast durchgehend gemeldet. Bei den Meldeadressen handelt es sich jedoch auch um Therapieanstalten, Polizeianhaltezentren, sowie Haftanstalten.

Seit 02.05.2019 bis zu Ihrer Inhaftierung am 16.07.2019 verfügten Sie jedoch über keinen Wohnsitz und sind derzeit nur in der Justizanstalt St. Pölten gemeldet.

Im Melderegister der Republik Österreich scheinen zu Ihrer Person folgende Einträge auf:

Hauptwohnsitz: 3100 St. Pölten, XXXX / Von: 05.09.2019 Bis:

Hauptwohnsitz: 1080 Wien,Josefstadt, XXXX / Von: 16.07.2019 Bis:

05.09.2019

Hauptwohnsitz: 1110 Wien,Simmering, XXXX / Von: 26.09.2018 Bis:

02.05.2019

Hauptwohnsitz: 1140 Wien,Penzing, XXXX / Von: 25.06.2018 Bis:

26.09.2018

Nebenwohnsitz: 1080 Wien,Josefstadt, XXXX / Von: 03.09.2018 Bis:

24.09.2018

Hauptwohnsitz: 1060 Wien,Mariahilf, XXXX Von: 22.05.2018 Bis:

25.06.2018

Hauptwohnsitz: 1060 Wien,Mariahilf, XXXX Von: 04.04.2018 Bis:

22.05.2018

Hauptwohnsitz: 1100 Wien,Favoriten, XXXX / Von: 12.10.2017 Bis:

04.04.2018

Nebenwohnsitz: 1090 Wien,Alsergrund, XXXX / Von: 08.02.2018 Bis:

22.02.2018

Hauptwohnsitz: 1140 Wien,Penzing, XXXX / Von: 31.07.2017 Bis:

08.08.2017

Hauptwohnsitz: 1130 Wien,Hietzing, XXXX Von: 20.01.2017 Bis:

10.07.2017

Hauptwohnsitz: 1070 Wien,Neubau, XXXX / Von: 18.08.2016 Bis:

16.01.2017

Hauptwohnsitz: XXXX / Von: 15.07.2016 Bis: 25.07.2016."

In rechtlicher Hinsicht befand die Behörde:

"Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende

Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

Sie besitzen keine Personaldokumente (zumindest keine, die Sie der Behörde freiwillig zur Verfügung stellen). Sie wollten sich Ihren Aufenthalt in Österreich offensichtlich mit der Begehung strafbarer Handlungen (Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz) finanzieren. Sie kümmern sich nicht ansatzweise um einschlägige Rechtsvorschriften und wurden im österreichischen Bundesgebiet mehrfach straffällig, zweimalig gerichtlich verurteilt und insgesamt 8 Mal wegen anderer Delikte zur Anzeige gebracht.

Nach Ihren eigenen niederschriftlichen Angaben versuchten Sie bereits einmal zu Ihrer in Schweden wohnhaften Schwester zu gelangen, wurden jedoch an der Grenze zu Deutschland aufgegriffen und nach Österreich zurückgestellt.

Seit 02.05.2019 bis zu Ihrer Inhaftierung am 16.07.2019 verfügten Sie über keinen Wohnsitz und sind derzeit nur in der Justizanstalt St. Pölten gemeldet. Sie haben auch keine finanziellen Mittel um einen Wohnsitz zu begründen.

Sie haben im Bundesgebiet keine aufenthaltsberechtigten Angehörigen und keine sonstigen aktenkundigen sozialen Bindungen. Sie bezogen im Bundesgebiet im nicht geringfügigen Ausmaß Grundversorgungsleistungen und begingen trotzdem vermehrt gerichtlich strafbare Handlungen. Sie kündigten ausdrücklich an, keinesfalls in Ihr Heimatland zurückkehren zu wollen. Konkret beantworteten Sie eine diesbezügliche Frage mit ‚Ich würde lieber hier getötet werden, als freiwillig zurück zu gehen'.

Schon bei Ihrer Flucht nach Österreich bewiesen Sie hohe Mobilitätsbereitschaft. Ihr Weg nach Österreich führte Sie u.a. über Griechenland und Ungarn. Auch versuchten Sie während Ihres in Österreich laufenden Asylverfahrens zu Ihrer Schwester nach Schweden zu gelangen. Es ist daher die Annahme begründet, dass Sie innerhalb der EU weiterreisen werden und eventuell versuchen werden, weitere Asylanträge zu stellen, bzw. auch im Bundesgebiet untertauchen und Ihren Lebensunterhalt weiter mit dem Verkauf von Suchtgift und anderen gerichtlich strafbaren Handlungen zu finanzieren versuchen werden.

Die Bestimmungen des § 76 Abs 3 Z 9 sind damit als erfüllt anzusehen.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig, da einerseits die Gefahr des sogenannten Asyltourismus zu verhindern ist, andererseits die Gefahr eines weiteren Verkaufs von Suchtgift innerhalb des Bundesgebietes verhindert werden kann.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Seit 02.05.2019 bis zu Ihrer Inhaftierung am 16.07.2019 verfügten Sie über keinen Wohnsitz und sind derzeit nur in der Justizanstalt St. Pölten gemeldet. Sie haben auch keine finanziellen Mittel um einen Wohnsitz zu begründen. Sie unternahmen keine Schritte um sich in Österreich zu integrieren, den Besuch eines Deutschkurses brachen Sie bereits nach einigen Tagen ab.

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist Voraussetzung, dass das persönliche Verhalten die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Für die Behörde besteht kein Zweifel daran, dass Ihr den genannten Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten nicht nur geeignet ist, die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit in einem hohen Maße zu gefährden, sondern auch die Volksgesundheit nachhaltig zu beeinträchtigen. Dies deshalb, da durch die Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften die Gefahr der Abhängigkeit potentieller Konsumenten (Abnehmer) besonders groß ist und - resultierend aus einer einmal gegebenen Abhängigkeit - schwere Schäden für die Gesundheit der betroffenen Konsumenten eintreten können. Gerade die Suchtgiftkriminalität nimmt in letzter Zeit enorme Ausmaße an und führt zu unmittelbaren Auswirkungen auf das auch immer jünger werdende Suchtgiftpublikum, sowie zu einer Reihe von nicht gewünschten, nachhaltigen Nebeneffekten. Hand in Hand mit der Steigerung der Suchtgiftkriminalität ist auch ein vehementes Ansteigen der verschiedensten Formen der Eigentumskriminalität zu verzeichnen. Dies äußert sich dadurch, dass vermehrt suchtgiftabhängige Personen Delikte gegen das fremde Vermögen - und hier vor allem Diebstähle, Einbruchsdiebstähle und Raubüberfälle - begehen, um sich die Befriedigung Ihrer Sucht finanziell leisten zu können. Gerade aus diesen Gründen muss es ein vorrangiges Interesse der Sicherheitsbehörden sein, jenen Tätern, die für diese absolut negativen Tendenzen verantwortlich sind, das Handwerk zu legen. Das kann sich naturgemäß nicht darauf beschränken, im Justizbereich entsprechende Urteile zu fällen, sondern ist es selbstverständlich auch insofern von Relevanz, als ausländischen kriminellen Straftätern der Aufenthalt im Bundesgebiet zu verwehren ist, bzw. noch aufhältigen Straftätern die Möglichkeit zur Begehung weiterer Straftaten genommen wird.

In Ihrem Fall ist die begründete Gefahr gegeben, dass Sie weiterhin versuchen werden, Ihren Lebensunterhalt durch den gewerbsmäßigen Verkauf von Suchtmitteln bzw. anderer gerichtlich strafbarer Handlungen zu bestreiten, zumal Ihnen eine legale Arbeitsaufnahme im Bundesgebiet nicht möglich ist

Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Delinquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Sie wurden bereits zweimal wegen des gleichen Deliktes verurteilt. Selbst eine im ersten Urteil bedingt ausgesprochene Haftstrafe konnte Sie nicht davon abhalten innerhalb offener Probezeit wieder Suchtgift zu verkaufen.

Ferner wurden Sie bereits acht Mal wegen anderer Delikte (7 Diebstähle und eine Körperverletzung) zur Anzeige gebracht.

Daher liegt in Ihrem Fall eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit iSd §§ 67 FPG und 76 Abs. 2 Z 1 FPG vor.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Sie haben bereits bei Ihrem Fluchtweg bewiesen, dass sie höchst mobil sind. Da eine periodische Meldeverpflichtung, bzw. eine Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten Sie vom weiteren gewerbsmäßigen Verkauf von Suchtmitteln nicht abhalten wird können, kommen diese gelinderen Mitteln für Ihren Fall daher nicht in Betracht.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Sie befinden sich derzeit in Strafhaft und sind gesundheitlich auch zur Verbüßung derselben in der Lage.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist."

6. Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 12.10.2019, durch seinen Rechtsberater als gewillkürten Vertreter, Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.10.2019 sowie die Anhaltung in Schubhaft.

Im Einzelnen werden folgende Punkte und Gründe releviert:

"...] Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Sein Antrag auf internationalen Schutz vom 11.07.2016 war zuvor mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erstinstanzlich gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung betreffend den Herkunftsstaat Afghanistan verbunden worden. Die aufschiebende Wirkung einer etwaigen Beschwerde wurde vom BFA nicht aberkannt. Diesbezüglich ist beim Bundesverwaltungsgericht ein Beschwerdeverfahren seit 22,06.2017 anhängig. Eine mündliche Verhandlung wurde bis dato nicht anberaumt.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen in Wien von 24.09.2018, ZI: 045 Hv 129/18w wurde der BF wegen Suchgifthandel zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, verurteilt, wobei die verhängte Freiheitsstrafe zur Gänze bedingt nachgesehen wurde. Im Hinblick auf die Strafbemessung wertete das Gericht das überschießend Geständnis, den bisherigen Lebenswandel, die Sicherstellung des Suchtgiftes, sowie das es teilweise beim Versuch geblieben ist als mildernd und die mehrfachen Angriffe als erschwerend.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen in Wien von 05.08.2019, ZI: 163 Hv 54/19k wurde der BF wegen Suchgifthandel zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs bedingt, verurteilt. Im Hinblick auf die Strafbemessung wertete das Gericht das Geständnis als mildernd und die Tatwiederholung und die einschlägige Vorstrafe als erschwerend.

Mit gegenständlichem Bescheid vom 01,10.2019 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß §76 Abs. 2 Z 2 FPG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme ungeordnet.

Am 16.10.2019 wurde der Beschwerdeführer aus der Strafhaft entlassen und in das Polizeianhaltezentrum Wien, Hemalsergürtel überstellt.

Zum weiteren Verfahrensgang wird auf den Akteninhalt des gegenständlichen Bescheides verwiesen.

Der belangten Behörde ist vorzuwerfen, dass sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides überhaupt nicht dargelegt hat, inwiefern auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Auch jene Umstände, die einer Beurteilung des Gesamtverhaltens seinerseits zugrunde gelegen wären, wurden nicht hinreichend dargelegt. Insgesamt reduzierte die belangte Behörde ihre Begründung für die Verhängung der Schubhaft einzig auf die Feststellung, dass die BF straffällig geworden war, ohne jedoch einzelfallbezogen darzulegen, wie sie zu der Schlussfolgerung gelangte, dass gegen ihn die Schubhaft zu verhängen sei.

In Hinblick auf die Tatsache, dass über den Beschwerdeführer mit Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen der Begehung von Drogendelikten unbedingte Freiheitsstrafen im Ausmaß von insgesamt drei Monaten verhängt wurden und ein Teil der verhängten Freiheitsstrafen in der Dauer von 16 Monaten dem Beschwerdeführer für eine Probezeit von drei Jahren aufgrund des bis dahin ordentlichen Lebenswandels und seines überwiegenden Geständnisses bedingt nachgesehen wurden, und sich der BF seit damals bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts mehr hat zuschulden kommen lassen, kann davon ausgegangen werden, dass durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, besteht.

Das Unrecht der Taten hat der BF eingesehen und ist fest entschlossen sich in Zukunft nichts mehr zu Schulden kommen zu lassen und ein geordnetes rechtskonformes Leben zu fuhren. Im konkreten Fall liegen hinsichtlich des BF zwei rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen vor, deren überwiegende Ursache in einer langjährigen Drogensucht des BF liegen. Diese hat er während des Haftübels überwunden. Weiters möchte er eine Drogentherapie in Anspruch nehmen. Der BF möchte ein Leben frei von Drogen führen. Dem BF ist bewusst, dass ihm der bedingte 'Feil der Freiheitstrafe unter einer Setzung einer Probezeit nachgesehen wurde und dass diese im Falle einer neuerlichen Verurteilung widerrufen werden kann.

Bzgl. Drogendelikten führte der VwGH (VwGH 24.01.2019, 2018/21/0248) in seiner jüngsten Rechtsprechung aus:

‚Hat der Fremde *mehrfach Probezeiten bestanden*, ist er nunmehr erstmals wegen Suchtgifthandeis und dem Überlassen und Anbieten von Suchtgift an Dritte verurteilt worden, wobei *kein professionell strukturierter Suchtgifthandel* vor liegt und ist er erstmals für längere Zeit in Haft gewesen, konnte bedingt entlassen werden und hat er vor, seine Drogensucht behandeln zu lassen, kann nicht von außergewöhnlichen Umständen mit *besonders hohem Schweregrad* bzw. von *besonders schwerwiegenden Merkmalen* der vom Fremden begangenen Straftaten gesprochen werden. "

Darüber hinaus ist im gegenständlichen Fall weder Fluchtgefahr noch Verhältnismäßigkeit gegeben. Der BF befindet sich im offenen Asylverfahren und wartet auf dessen Ausgang. Er hat großes Interesse für die Behörden stets erreichbar und greifbar zu sein. Er möchte mit den Behörden kooperieren.

Das BFA kann aus den oben dargelegten Gründen nicht davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nach Afghanistan in zumutbarer Frist möglich ist. Es wurde keine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem BVwG in naher Zukunft anberaumt. Die Dauer der Schubhaft ist dahingehend nicht absehbar. Somit ist aus dieser Perspektive auch die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nicht gegeben.

Soweit im angefochtenen Bescheid also Tatbestände zur Begründung der Schubhaft herangezogen werden, die für ein solches Verfahren geradezu typisch sind (illegale Einreise, geringe Barmittel, fehlende soziale Bindung in Österreich) sind diese nicht geeignet, eine *erhebliche Fluchtgefahr* zu begründen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Verhängung der Schubhaft nicht zu einer Standardmaßnahme gegen Asylwerber werden.

Es kann im gegenständlichen Verfahren jedenfalls mit der Anordnung des gelinderen Mittels iSd §77 FPG für den BF das Auslangen gefunden werden, da es keine schlüssigen Hinweise für die Gefahr des Entziehens gibt. Der BF wollte kurz nach Antragstellung des internationalen Schutzes zwar seine Schwester in Schweden besuchen, ihm ist allerdings nunmehr bewusst, dass eine Einreise in andere Mitgliedsstaaten, ohne gültige Reisedokumente, nicht erlaubt ist. Ein dringender Sicherungsbedarf oder eine Sicherungsnotwendigkeit ist aufgrund der Umstände des gegenständlichen Falles somit nicht gegeben.

Dem BF wäre es, laut seinen Angaben, möglich im Diakonie Haus Neu Albern unterzukommen. Sollte dies nicht möglich sein, so wird ihm die Caritas bei einer Unterkunftssuche behilflich sein. Wie die Behörde auf BS 11 richtigerweise festgestellt hat war der BF seit seiner Einreise, nahezu durchgehend gemeldet.

Falls von einer Verhängung der Schubhaft dennoch nicht Abstand genommen werden kann, bittet der BF das Gericht um eine: Entlassung in das gelindere Mittel gern. § 77 FPG.

Aus oben genannten Gründen bittet der BF die Rechtsmittelbehörde der Beschwerde stattzugeben und stellt die Anträge wie oben."

6. Mit Beschwerdevorlage vom 21.10.09.2019 legte das Bundesamt die Akten vor und erstattete dazu Stellungnahme. Aus der Stellungnahme ergibt sich insbesondere:

"...] Die bevollmächtigte Rechtsvertretung des Beschwerdeführers (BF) behauptet in der vorliegenden Beschwerdeschrift, dass die Behörde nicht dargelegt hätte, inwiefern aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Auch jene Umstände, die einer Beurteilung des ‚Gesamtfehlverhaltens' seinerseits zugrunde gelegen wären, seien nicht hinreichend dargelegt worden.

Dem wird entgegnet, dass der Bf nach erstinstanzlicher Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz im laufenden Asyl-Beschwerdeverfahren (seit 22.06.2017 beim BVwG anhängig) wegen Begehung von Suchtgiftdelikten zweimal rechtskräftig verurteilt worden ist.

Mit rechtskräftigen Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 24.09.2018, GZ 045 Hv 129/18w wurde der Bf nach § 27 Abs 2a, zweiter Falls Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten bedingt verurteilt. Laut Gerichtsurteil erfolgte die Tatbegehung am 03.09.2018, zu einem Zeitpunkt, wo dem Bf die Grundversorgung wieder einmal wegen vorübergehend unbekannten Aufenthalts entzogen worden war.

Am 16.07.2019 wurde der Bf wegen des gleichen Deliktes in Untersuchungshaft genommen.

Mit Bescheid des BFA-Außenstelle Regionaldirektion Wien, vom 25.07.2019, wurde dem Bf gemäß § 13 Abs 2 Z 1 und 3 Asylgesetz sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet abgesprochen.

Der Bf wurde am 05.08.2019 vom LG für Strafsachen Wien unter Zahl:

163 Hv 129/19k rechtskräftig wegen § 27 Abs 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt, verurteilt.

Diese, den Verurteilungen zugrunde liegende strafbare Verhalten des Bf zeigt eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

So hat der Fremde auf öffentlichen Verkehrsfläche in Wien vorschriftswidrig gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 2 StGB) Suchtgift, nämlich Cannabiskraut durch gewinnbringenden Verkauf öffentlich anderen überlassen.

Diese Straftaten werden von der belangten Behörde deshalb als sehr schwerwiegend erachtet, da sich in der Suchtgiftkriminalität eine besondere Gefährlichkeit manifestiert. Die Suchtgiftkriminalität ist in höchstem Maße sozialschädlich, da durch sie eine Gesundheitsgefährdung in großem Ausmaß entstehen kann, wobei zu bemerken ist, dass sie vor allem auch besonders schutzwürdige jugendliche Personen gefährdet. Durch seine Mitwirkung am Suchtgifthandel hat der Fremde dazu beigetragen, diese Gefahren zu verwirklichen. Das Fehlverhalten ist daher außerordentlich gravierend und gefährdet massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

In Hinblick auf die ‚verheerende Wirkung von Drogen auf das Leben von Menschen' gab auch der EGMR wiederholt sein Verständnis für die Bestimmtheit der Mitgliedstaaten im Vorgehen gegenüber Personen, die an der Verbreitung von Drogen aktiv mitwirken, zum Ausdruck (vgl. EGMR, 19.02.1998, Dalia gegen Frankreich, Nr. 154/1996/773/974; EGMR vom 30.11.1999, Baghli gegen Frankreich, Nr. 34374/97).

Auf Grund der dargelegten Umstände stellt der Fremde für die Behörde unweigerlich eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich dar und ist diesem somit jegliche Vertrauenswürdigkeit abzusprechen.

Somit geht die belangte Behörde davon aus, dass der BF auch in Hinkunft nicht gewillt ist, sich an die geltende Rechtsordnung zu halten.

Aus dem vorliegenden Speicherauszug des Betreuungsinformationssystem (Grundversorgung) ergibt sich, dass dem Bf im Zeitraum von 14.10.2016 bis 08.04.2019 insgesamt siebenmal die Grundversorgungsleistungen wegen seines unbekannten Aufenthalts eingestellt werden mussten. Zusätzlich erfolgte der Entzug der Grundversorgung zweimal wegen disziplinärer Vergehen.

Auch aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass der Bf vor seiner letzten Festnahme wegen des Suchtgiftdeliktes (erfolgte am 16.07.2019) bereits über einen Zeitraum von zweieinhalb Monaten über keine aufrechte Meldung im ZMR verfügte und damit für die Behörde auch nicht greifbar war.

Entsprechend des bisherigen Verhaltens des Bf begründen folgende Kriterien eine Fluchtgefahr:

-

illegale Einreise nach Österreich

-

wegen Suchtgiftdelikten bereits zweimal rechtskräftig verurteilt

-

verfügt nicht über ausreichend Barmittel um den Unterhalt zu finanzieren

-

gewerbsmäßiger Verkauf von Suchtgift, dies auch um den Lebensunterhalt zu finanzieren

-

kein gültiges Reisedokument vorhanden

-

Der Bf war im Bundesgebiet zwar fast durchgehend gemeldet, bei den Meldeadressen handelt es sich jedoch auch um Therapieanstalten, Polizeianhaltezentren und Justizanstalten

-

Ab 02.05.2019 bis zur Inhaftierung am 16.07.2019 verfügte der Bf jedoch über keinen Wohnsitz

-

Der Bf ist in keinster Weise integriert, er gab selbst an, im Bundesgebiet keine Verwandten, Freunde oder Bekannte zu haben. er besuchte auch keinen Deutschkurs odgl. bzw. brach einen Kurs angeblich aus gesundheitlichen Gründen ab.

Die Ziffer 9 ist im gegenständlichen Fall erfüllt.

Die Anhaltung in Schubhaft ist jedenfalls nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die Behörde gelangt zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich sowie geboten ist.

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

1. die Beschwerde als unbegründet abweisen,

2. den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten.

Ersatz für den Vorlageaufwand der belangten Behörde ...]"

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person: Der BF ist ein volljähriger afghanischer Staatsbürger und nicht österreichischer Staatsbürger.

Rechtlicher Status in Österreich: Der BF brachte am 11.07.2016 beim Bundesamt einen Antrag auf internationalen Schutz ein, Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 09.06.2017, Zl.:1122049000/160966304, abgewiesen, der Status des Asylberechtigten und der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurden nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan für zulässig erklärt. Dagegen brachte der BF fristgerecht Beschwerde ein, das Beschwerdeverfahren ist seit 22.06.2017 beim BVwG anhängig. Der BVwG hat der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Bescheid des BFA-Außenstelle Regionaldirektion Wien, vom 25.07.2019, wurde dem BF gemäß § 13 Abs 2 Z 1 und 3 Asylgesetz das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet abgesprochen.

Der BF hat kein gültiges Reisedokument.

Bisheriges Verhalten des BF: Der BF wurde wegen Suchtgiftdelikten bereits zweimal rechtskräftig verurteilt; er verfügt nicht über ausreichend Barmittel um den Unterhalt zu finanzieren. Der BF hat gewerbsmäßigen Verkauf von Suchtgift betrieben, dies um den Lebensunterhalt zu finanzieren.

Der BF war im Bundesgebiet zwar fast durchgehend gemeldet, bei den Meldeadressen handelt es sich jedoch auch um Therapieanstalten, Polizeianhaltezentren und Justizanstalten.

Ab 02.05.2019 bis zu seiner Inhaftierung am 16.07.2019 verfügte der BF jedoch über keinen Wohnsitz

Soziale Verankerung: Der BF ist in Österreich nicht integriert, er gab selbst an, im Bundesgebiet keine Verwandten, Freunde oder Bekannte zu haben. er besuchte auch keinen Deutschkurs bzw. brach einen Kurs ab.

Er ist in Österreich nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Der BF ist haftfähig.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Akteninhalt. Unbestritten steht fest, dass der BF vorbestraft ist und dass sein Antrag auf internationalen Schutz nicht rechtskräftig entscheiden ist, er in Österreich nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, und teilweise Aufenthalt im Verborgenen geführt hat; hinsichtlich dieser Feststellungen wurde auch in der Beschwerde nichts Gegenteiliges behauptet. Dass der BF Suchtgifthandel gewerbsmäßig (zu Finanzierung seines Lebensunterhaltes und nicht vorwiegend um den eigenen Bedarf zu finanzieren) betrieben hat, wurde in der Beschwerde nicht substanziell bestritten. Das zuständige LG für Strafsachen hat in seinem Urteil vom 24.09.2018 das Verschulden des BF für schwer angesehen. Der BF ist zudem nicht erstmals wegen Suchtgiftkriminalität verurteil worden. Damit ist auch der Verweis auf das in der Beschwerde zitierte Erk des VwGH vom 24.01.209, 2019/21/0248, das offenkundig einmalige und ungeplante Verfehlungen im Auge hat, hier nicht zielführend.

Die Feststellungen zum bisherigen Verhalten des BF in Österreich wurden in der Beschwerde nicht substanziell entkräftet, ebenso wenig wie das Fehlen einer maßgeblichen sozialen Verankerung in Österreich.

Die Haftfähigkeit des BF steht unstrittig fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen. Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist. Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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