Entscheidungsdatum
04.11.2019Norm
AsylG 2005 §55Spruch
W222 1413746-3/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 09.08.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. In den niederschriftlichen Befragungen hiezu führte der Beschwerdeführer aus, Punjabi und Hindi zu sprechen, der Volksgruppe der XXXX und der Religion der XXXX anzugehören. Er sei verheiratet und habe zwei minderjährige Söhne, die in Indien leben würden. Sein Fluchtvorbringen stützte der Beschwerdeführer auf Grundstücksstreitigkeiten.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.05.2010, Zl. XXXX , wurde sein Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen. Ferner wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.
Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12.09.2011, Zl. XXXX , gemäß §§ 3, 8 und 10 Asylgesetz 2005 (AsylG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF abgewiesen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung unter anderem aus, dass den Angaben des Beschwerdeführers aufgrund grober Widersprüche in wesentlichen Teilen seines Fluchtvorbringens die Glaubhaftigkeit abzusprechen gewesen sei. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer seine freie Erzählung sehr kurz gehalten und keinerlei weiterführende Details genannt, die geeignet gewesen wären, das Vorbringen zu untermauern, womit nicht davon ausgegangen werden könne, dass ihm asylrelevante Verfolgung in Indien drohe. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Indien in eine ausweglose Notlage geraten würde. Eine Ausweisung sei zudem gerechtfertigt, weil der Beschwerdeführer keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet habe, keine Deutschkenntnisse vorweisen könne und der kurze Aufenthalt ausschließlich aufgrund des laufenden Asylverfahrens legalisiert wurde. Folglich sei dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung des Beschwerdeführers, im Verhältnis zu seinem privaten Interesse am Verbleib in Österreich, der Vorzug zu geben.
Mit Ladungsbescheid vom 23.09.2011 wurde der Beschwerdeführer durch die Bundespolizeidirektion XXXX , Fremdenpolizeiliches Büro, für den 18.10.2011 zur Regelung der Ausreise geladen. Dem Ladungstermin kam der Beschwerdeführer nach und das niederschriftlich festgehaltene Protokoll liegt dem Akt bei.
Am 24.10.2011 wurde die Botschaft der Republik Indien durch die Bundespolizeidirektion XXXX , Fremdenpolizeiliches Büro, um Ausstellung eines Heimreisezertifikates in Bezug auf den Beschwerdeführer ersucht.
Im Zuge einer polizeilichen Fahrzeug- und Lenkerkontrolle wurde der Beschwerdeführer am 29.04.2012 angehalten und dessen unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet festgestellt. Der Beschwerdeführer wurde gemäß § 120 Abs. 1a FPG auf freiem Fuß angezeigt. Weitere Anzeigen aufgrund desselben Sachverhaltes erfolgten am 28.07.2012, 20.03.2013 und 08.04.2013.
Am 29.05.2012 und 08.11.2012 ergingen jeweils behördliche Urgenzen zum Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer an die Botschaft der Republik Indien.
Laut polizeilichem Aktenvermerk vom 01.08.2012 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachts auf Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung, der illegalen Ausübung einer Erwerbstätigkeit, des Nichtbeachtens der Bestimmungen für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, der Abgabenhinterziehung, des Fehlens der arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen angezeigt.
Mit Schreiben vom 11.03.2016, einlangend am 15.03.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, stellte der Beschwerdeführer über seinen rechtsfreundlichen Vertreter den Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. Vorgelegt wurden Passfotos sowie folgende Dokumente in Kopie: Geburtsurkunde in englischer und deutscher Sprache, A2 Deutschprüfungszertifikat vom 15.12.2015, Honorarnoten vom 12/2015 und 01/2016, Mietvertrag vom 16.09.2015, ZMR-Auszug vom 13.10.2015, E-Card und Datenblätter von Identitätsdokumenten Dritter.
Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2016, zugestellt an den rechtsfreundlichen Vertreter am 29.03.2016, wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme zu seinem Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels verständigt. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer eine 14-tägige Frist zur Nachreichung von noch ausständigen - im Schreiben aufgelisteten - Dokumenten jeweils im Original und in Kopie gewährt. Der Beschwerdeführer wurde darüber belehrt, dass Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels persönlich beim Bundesamt zu stellen sind und bei ungenütztem Verstreichen der Frist gemäß § 58 Abs. 11 AsylG der Antrag zurückzuweisen sei. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass im Falle der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden und Nachweise ein begründeter Antrag auf Heilung des Mangels nach §§ 4 Abs. 1 iVm 8 Abs. 1 AsylG-DV und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG eingebracht werden könne.
Am 11.04.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Fristerstreckungsantrag durch den rechtsfreundlichen Vertreter ein.
In einer am 25.04.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangten Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters vor, er sei bereits seit Oktober 2009 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig. Er sei sowohl sprachlich, als auch kulturell im Bundesgebiet hervorragend integriert und verfüge über einen Freundes- und Bekanntenkreis. Er habe die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 erfolgreich bestanden und einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag abgeschlossen, sodass der Aufenthalt des Beschwerdeführers keine Belastung für die Gebietskörperschaft darstelle. Aktuell arbeite er als Zeitungskolporteur. Er habe keine Schulden, keine Unterhaltsverpflichtungen und sei gerichtlich unbescholten. Hinsichtlich eines Reispasses wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer über keinen Reisepass verfüge und der Beschwerdeführer kaum Bindungen ins Heimatland habe. Er sei seit sieben Jahren in Österreich, er habe sich dem Verfahren nie entzogen, sodass ihm die Dauer des bisherigen Verfahrens nicht zuzurechnen sei. In einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände überwiege das Interesse an der Fortführung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers, dem öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung.
Mittels Fax wurde am 25.04.2016 durch den rechtsfreundlichen Vertreter eine Auflistung der Meldedaten des Beschwerdeführers seit 08.09.2009 übermittelt und am 28.04.2016 langte eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 27.04.2016 der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ein.
Am 09.05.2016 sprach der Beschwerdeführer persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor.
Mit finanzpolizeilichem Schreiben vom 19.08.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Strafantrag wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungs-gesetzes hinsichtlich der Arbeitgeberin des Beschwerdeführers ein. Das Straferkenntnis hiezu erging am 14.12.2016 durch den Magistrat der Stadt Wien.
Am 28.11.2016 langte von Seiten des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers eine Säumnisbeschwerde in Bezug auf den Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2017, zugestellt am 31.01.2017, wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG aus Gründen des Art. 8 EMRK, gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 idgF zurückgewiesen. Begründend wurde festgehalten, dass die Originalidentität aufgrund des Fehlens eines gültigen Reisedokumentes, insbesondere eines gültigen Reisepasses, nicht feststehe und auch kein Antrag gemäß § 4 AsylG-DV gestellt wurde. In Ermangelung der erforderlichen Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers sei der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht Beschwerde, worin der Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten wird. Im Wesentlichen wurde in der Beschwerdeschrift geltend gemacht, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Stellungnahme vom 22.04.2016 bekanntgegeben habe, keinen Reisepass zu besitzen und dies als Heilungsantrag gewertet werden könne. Vielmehr halte sich der Beschwerdeführer seit beinahe acht Jahren durchgehend im Bundesgebiet auf. Seit der Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 12.09.2011 sei die belangte Behörde untätig geblieben. Weiters wurde in der Beschwerdeschrift die bereits in der Stellungnahme aufgezeigten Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers wiederholt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.
Gemäß § 9 Abs. 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 (in Folge: VwGVG), hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über die zugrundeliegenden Anträge würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).
Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens ist daher auf Grund der zurückweisenden Entscheidung in dem im Spruch bezeichneten Bescheid nur, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgte.
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsberechtigung plus zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
Dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels anzuschließen sind gemäß § 8 Abs. 1 AsylG-DV folgende Urkunden und Nachweise:
1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);
2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;
3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;
4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschafts-urkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.
Nach § 4 Abs. 1 AsylG-DV kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG zulassen:
1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,
2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder
3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels ohne weiteres einzustellen (Z 1) oder der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen (Z 2). Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0039, ausführlich mit der Auslegung des § 58 Abs. 11 AsylG 2005 auseinandergesetzt und ist dabei zum Ergebnis gekommen, mit den (mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2014) vom NAG in das AsylG 2005 transferierten Regelungen für "Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen" sei es insoweit der Sache nach lediglich zu einer Zusammenfassung der Abs. 4, 6 und 10 des § 19 NAG gekommen. Von Bedeutung sei allerdings, dass die unterbliebene Vorlage von Identitätsurkunden, wie etwa des Reisepasses, nunmehr einheitlich von § 58 Abs. 11 AsylG 2005 geregelt werde, sodass diesbezüglich im Antragsverfahren nicht auf § 13 Abs. 3 AVG zurückgegriffen werden müsse. Im Übrigen beziehe sich aber auch § 58 Abs. 11 AsylG 2005 (sonst nur) auf Mitwirkungsverpflichtungen im Zusammenhang mit erkennungsdienstlichen Daten und mit der Zustelladresse des Fremden, nicht aber auf solche, die mit der Erhebung von inhaltlichen Erteilungsvoraussetzungen im Zusammenhang stehen (vgl. VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0168).
Die Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments rechtfertigt bei Unterbleiben einer Antragstellung nach § 4 Abs. 1 Z 3 und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV 2005 grundsätzlich eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte zurückweisende Entscheidung (vgl. VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0206). Das zur Nichtvorlage eines Reisepasses erstattete Beschwerdevorbringen, der Fremde sei in Anbetracht des in Österreich gestellten Asylantrages sowie aus - nicht näher definierten - "psychologischen Gründen" derzeit nicht in der Lage, einen Reisepass ausstellen zu lassen, reicht von vornherein nicht aus, die Beschaffung des Reisepasses als nicht möglich oder nicht zumutbar (§ 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005) erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0116).
Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer nachweislich mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2016, zugestellt am 29.03.2016, aufgefordert, ein gültiges Reisedokument und eine Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument im Original und in Kopie vorzulegen, widrigenfalls der Antrag zurückzuweisen sei. Zwar legte der Beschwerdeführer eine Geburtsurkunde vor, allerdings mangelte es dabei an der einwandfreien Zuordenbarkeit zur Person des Beschwerdeführers, da diese Geburtsurkunde kein Lichtbild aufweist und auch sonst keine persönlichen biometrischen Merkmale enthält, welche eine eindeutige Zuordenbarkeit ermöglichen würde. Ein gültiges Reisedokument brachte der Beschwerdeführer nicht in Vorlage. Im selben behördlichen Schreiben wurde der Beschwerdeführer über die Möglichkeit des Stellens eines Heilungsantrages belehrt, wobei es sich um einen begründeten Antrag handeln muss und die schlichte Behauptung in der Stellungnahme, nie einen Reisepass besessen zu haben, dafür nicht ausreicht. Der Beschwerdeführer konnte nicht nachweislich darlegen, dass für ihn die Erlangung von Reisedokumenten unmöglich oder unzumutbar wäre.
Indem der Beschwerdeführer, gemäß §§ 4 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV, weder ein gültiges Reisedokument vorgelegt, noch einen Antrag auf Heilung des Mangels gestellt hat, ist er seinen gesetzlich normierten Mitwirkungspflichten im Sinne des § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten trotz diesbezüglich nachweislicher Aufforderung nicht ausreichend nachgekommen, sodass die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zutreffend zurückgewiesen hat.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung reicht aber bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht aus, um eine Verhandlungspflicht zu begründen (vgl. VwGH 22.11.2006, Zl. 2005/20/0406 und viele andere).
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, Mitwirkungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W222.1413746.3.00Zuletzt aktualisiert am
05.03.2020