TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/8 W183 2212218-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.2019
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Entscheidungsdatum

08.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W183 2212218-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch RA Mag. Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.10.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) verließ im Jahr 2018 Iran, stellte am 28.07.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 29.07.2018 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 12.10.2018 wurde BF von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab BF als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er in Iran aufgrund seines Interesses für das Christentum und seines Besuchs von Hauskirchen Verfolgung fürchte. Kurz vor seiner Ausreise sei sein Zimmer durchsucht und nach ihm gesucht worden. Auch in Österreich besuche er eine Kirche.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 27.11.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gegen BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Das BFA stellte BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3. Mit Schriftsatz vom 19.12.2018 erhob BF durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde. Vorgebracht wurde im Wesentlichen, der BF würde im Falle seiner Rückkehr nach Iran wegen seiner Konversion und als Apostat verfolgt werden.

4. Mit Schriftsatz vom 03.01.2019 (eingelangt am 07.01.2019) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).

5. Am 07.01.2019 gab der BF der Bezirkshauptmannschaft XXXX seinen Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft bekannt.

6. Mit Schreiben vom 25.07.2019 wurden der BF sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 08.10.2019 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 03.07.2018" sowie dem "Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran - Situation der Christen, Stand 3/2019" als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben.

Mit Schreiben vom 16.08.2019 gab der Rechtsvertreter des BF bekannt, dass dieser Ende August getauft werde, beantragte die Einvernahme eines Zeugen und legte mehrere Unterlagen vor (u.a. Integrationsprüfung A1 vom 31.05.2019, Bestätigung der Teilnahme am "Lehrgang zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses" seit 25.02.2019, Mathematikprüfung, Empfehlungsschreiben, Bestätigung über gemeinnützige Hilfstätigkeiten in der Marktgemeinde XXXX ).

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.10.2019 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF sowie dessen Rechtsvertretung und ein Zeuge teilnahmen. BF wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen.

Der BF legte eine Bestätigung über den Besuch des zweiten Semesters des "Lehrgangs zum Nachholen eines Pflichtschulabschlusses" seit 23.09.2019 vor sowie ein Schreiben von zwei näher bezeichneten Personen, die Bestätigung seiner Teilnahme am Aufbaukurs "Komm, folge mir nach!" innerhalb der Kirchengemeinde "Evangelikale Gemeinde XXXX ", ein Empfehlungsschreiben des Pastors der Evangelikalen Gemeinde XXXX und einen Taufschein vom 22.09.2019.

Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 25.10.2019 eine Strafregisterabfrage durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

BF ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest.

BF stammt aus Teheran und lebte dort bis zu seiner Ausreise, gehört der Volksgruppe der Luren an, spricht Farsi (Muttersprache), hat in Iran die Schule abgeschlossen, studierte dort und arbeitete in Iran in einer Buchhandlung und als Tankwart.

BF ist ledig und hat keine Kinder. In Iran leben seine Eltern und seine ältere Schwester. Zu seiner Mutter und Schwester in Iran hat BF regelmäßig Kontakt, das Verhältnis ist gut.

BF reiste legal aus Iran aus, illegal nach Österreich ein und stellte am 28.07.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.

BF leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.

Eine Schwester des BF lebt in Österreich, es besteht kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Vor und nach seiner Einreise nach Österreich hatte der BF wenig Kontakt zu ihr. Der BF verfügt darüber hinaus über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. BF lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. BF ist in Österreich nicht Mitglied in Vereinen oder anderen Organisationen. BF besucht einen Lehrgang zur Nachholung des Pflichtschulabschlusses. Die sozialen Kontakte beschränken sich auf seine Nachbarn und Bekannte, die er vorwiegend von der Kirche oder dem Lehrgang kennt. Die sozialen Kontakte entstanden zu einem Zeitpunkt, als BF bereits seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

BF bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

BF spricht sehr wenig Deutsch; er hat bislang eine Prüfung über Deutsch auf A1-Niveau absolviert.

BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen

BF wuchs in Iran als Moslem auf und entstammt einer mäßig religiösen Familie.

Es wird festgestellt, dass sich BF in Iran nicht dem Christentum zuwandte oder christlich missionierte. Es wird festgestellt, dass dies dem BF von iranischen Behörden oder Privatpersonen auch nicht unterstellt wird.

In Österreich besucht BF seit etwa einem Jahr regelmäßig die Gottesdienste und Kurse der evangelikalen Gemeinde XXXX . BF meldete am 07.01.2019 seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich und wurde am 22.09.2019 getauft. BF verfügt über christliche Grundkenntnisse.

Es wird festgestellt, dass BF in Österreich nicht aus einem innerem Entschluss zum Christentum konvertiert ist und die christliche Glaubensüberzeugung aktuell nicht derart ernsthaft ist, sodass sie Bestandteil der Identität des BF wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich BF im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird.

BF ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht ernsthaft, dies in Zukunft zu tun. Die iranischen Behörden wissen von den oben festgestellten christlichen Aktivitäten des BF in Österreich nicht Bescheid.

BF brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 03.07.2018 (LIB 2018) ergibt sich wie folgt:

Zur Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage insgesamt als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land. Sie haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 20.6.2018).

In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht. Am 7. Juni 2017 ist es nichtsdestotrotz in Teheran zu Anschlägen auf das Parlamentsgebäude und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini gekommen, die Todesopfer und Verletzte forderten (AA 20.6.2018b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b, vgl. BMEIA 20.6.2018).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am

6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben (AA 20.6.2018b).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (20.6.2018b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 20.6.2018

* BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff 20.6.2018

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (20.6.2018): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 20.6.2018

Zu Apostasie und Konversion

Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist in Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurden im Jahr 2016 25 Sunniten (davon 22 Kurden) u.a. wegen "moharebeh" exekutiert (ÖB Teheran 9.2017). Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern Fälle von Konversion werden als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und diese werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Die Todesstrafe wird hauptsächlich bei Drogendelikten und Morden angewandt und seltener bei politischen "high-profile" Fällen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation:

Verurteilungsgrund unklar] (AA 2.3.2018, vgl. AI 22.2.2018).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Oftmals lautet die Anklage jedoch auf "Gefährdung der nationalen Sicherheit", "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Trotz des Verbots nimmt die Konversion zum sunnitischen Islam und zum Christentum weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 2.3.2018). Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 15.8.2018).

In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 9.2017).

Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab (ÖB Teheran 9.2017). Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben). In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion eines Familienmitgliedes jedoch als heikler eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der oder die Konvertierte aus der Familie verbannt oder sogar den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen (ÖB Teheran 9.2017, vgl. DIS/DRC 23.2.2018).

Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 9.2017).

Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Es gibt viele Hauskirchen in Iran und ihre Anzahl steigt. Dieser Anstieg an Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer was in der Gemeinschaft macht. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 1.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagte eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab, dann erst auf Mitglieder. Es gibt aber auch Quellen, die besagen, dass auch auf Mitglieder abgezielt wird. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird aber normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Es gibt auch für normale Mitglieder das Risiko verhaftet zu werden, allerdings werden diese wieder freigelassen mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung, wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran unsicher, ob eine Taufe Auswirkungen hat; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Zu Grundversorgung und Rückkehr:

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 9,3 Mio. IRR im Monat (ca. 200 Euro). Das durchschnittliche Monatseinkommen pro Kopf liegt bei ca. 400 Euro (AA 2.3.2018).

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 2.3.2018)

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 5.6.2018

* DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 5.6.2018

* ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

* US DOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1406998.html, Zugriff 28.5.2018

Zu ethnischen Minderheiten:

Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Balutschen. (GIZ 3.2018c)

Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt. Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch betreffend u.a. Angehöriger der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzten, wurden bedroht, festgenommen und bestraft (ÖB Teheran 9.2017).

Quellen:

* - GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018c):

Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 6.6.2018

* - ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

Zu den Sicherheitsbehörden:

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums und die Revolutionsgarden welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert (US DOS 20.4.2018). Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer. Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela'at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität. Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem "Hohen Rat für den Cyberspace" beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 2.3.2018).

Der Oberste Rechtsgelehrte hat höchste Autorität unter allen Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit bleibt weiterhin ein Problem innerhalb des Sicherheitsapparates. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert. Eine nennenswerte Ausnahme stellt der Fall des früheren Teheraner Staatsanwaltes dar, der im November 2017 für seine mutmaßliche Verantwortung für Folter und Todesfälle unter Demonstranten im Jahr 2009 zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde (US DOS 20.4.2018).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und im Falle von Protesten oder Aufständen. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, sind aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2018).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da vor allem die Basijis nicht nach iranisch-rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander. Viele Schätzungen nehmen an, dass heute mehrere Millionen Basijis in Iran tätig sind. Bereits auffälliges Hören von (insb. westlicher) Musik, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen kann den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügeln durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Zu Verhaftungen kommt es immer wieder auch, wenn (junge) Menschen gemischtgeschlechtliche Partys feiern oder sie sich nicht an die Bekleidungsvorschriften halten. Manchmal kann bei Frauen schon ein zu kurzer/enger Mantel oder das Hervortreten von Haarsträhnen unter dem Kopftuch, bei Männern zu eng anliegende Jeans, das Tragen von Goldschmuck oder ein außergewöhnlicher Haarschnitt für eine Verhaftung reichen (ÖB Teheran 9.2017).

Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 1.2018). Die Elitetruppe der Islamischen Republik betreibt den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügt damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der 'Sepah Pasdaran' Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Heute gehören Khamenei und den Revolutionsgarden rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die gesammelten Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018).

Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden - gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der wiedergewählte Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Es gelingt ihm nur kaum. Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor je nach Belieben. Nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen - überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017, vgl. BTI 2018).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung ist zu sagen, dass nicht bekannt ist, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist, jeden zu überwachen. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

* Islamischen Republik Iran

* BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 22.3.2018

* DW - Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft,

http://www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802, Zugriff 22.3.2018

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1426304.html, Zugriff 22.3.2018

* DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,

*

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 24.4.2018

* Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden,

https://www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolutionsgarden/, Zugriff 22.3.2018

* ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

* Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben, https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-revolutionsgarden-so-viel-macht-haben/19907934.html, Zugriff 22.3.2018

* US DOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices 2016 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430093.html, Zugriff 23.4.2018

Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:

Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S. 8f.)

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. (S. 11)

Die zu Apostasie festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch das BFA sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran vom 03.07.2018 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019), die vom BF selbst beim BFA und vor dem BVwG vorgelegten Dokumente sowie die Strafregisterabfrage vom 25.10.2019.

2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des BF steht aufgrund der Vorlage seiner unbedenklichen Personendokumente (iranischer Personalausweis und Führerschein) fest; dies hat auch das BFA seiner Entscheidung unterstellt.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet BF - betreffend seine Person (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie seine Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war BF diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig. Der Kontakt zu und das Verhältnis mit seiner Mutter und Schwester in Iran ergibt sich insbesondere aus der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, aber auch aus der Einvernahme vor dem BFA.

Die Feststellungen zur Situation des BF in Österreich ergeben sich aus den vorgelegten unstrittigen Dokumenten und der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung. Betreffend die Deutschkenntnisse konnte sich das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung ein aktuelles Bild von den erst in Ansätzen vorhandenen Deutschkenntnissen machen und legte der BF ein Zeugnis über eine Prüfung über Deutsch auf A1-Niveau vor.

2.2.2. Zum Fluchtvorbringen

2.2.2.1. Zu den von BF vorgebrachten Vorfällen in Iran

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht glaubhaft ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist dazu näher auszuführen wie folgt:

Der BF hat im Wesentlichen vorgebracht, in Iran Christ geworden und deshalb verfolgt worden zu sein, sowie sich auch in Österreich religiös zu betätigen. Im Laufe des Verfahrens haben sich allerdings massive Zweifel am Fluchtvorbringen des BF ergeben, weil er es grundsätzlich vage schilderte und wesentliche Details in der Erstbefragung (EB), der Einvernahme vor dem BFA (EV) und der Verhandlung (VH) unterschiedlich erzählte sowie das Vorbringen auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht objektivierbar ist.

So gab der BF in der EV an, nur seine Schwester und der Freund, der ihm zur Flucht verholfen habe, wüssten in Iran von seiner Konversion. Sein Vater wisse nichts davon, seine Mutter habe gesehen, wie er etwas gelesen oder recherchiert habe, er wisse jedoch nicht, ob sie tatsächlich von seiner Konversion Kenntnis habe. Wenn sie telefonieren, frage die Mutter nur, wie es ihm gehe und wie das Essen sei (AS 71). Im Widerspruch dazu gab er in der VH an, er habe nach seiner Ankunft in Österreich seiner Mutter von der Konversion erzählt, daraufhin habe sein Vater den Kontakt zu ihm abgebrochen, ebenso seine Freunde (S. 6).

Der BF hat im Verfahren gleichbleibend angegeben, legal über den Flughafen und mit seinem Reisepass ausgereist zu sein. In der EV gab er an, es habe keine Probleme bei den Personenkontrollen gegeben (AS 72). Es ist jedoch nicht glaubhaft, dass der BF legal hätte ausreisen können, wenn der iranische Geheimdienst tatsächlich auf der Suche nach ihm gewesen wäre, zumal sich aus den Länderfeststellungen ergibt, dass die Revolutionsgarden den Flughafen betreiben. Nachdem der BF in der EV ausführlich die Ausreise beschrieben hatte, gab er in der VH erstmals auf Vorhalt dieses Umstands an, dass er auch sehr viel gezahlt habe, um durchzukommen (S. 13). Diese Begründung führte er aber nicht näher aus. Auch seine Behauptung, es dauere in Iran 72 Stunden, bis man ein Ausreiseverbot bekomme, und habe er deswegen unbehelligt ausreisen können, steht einerseits im Widerspruch zu seiner Angabe, er habe (deshalb) Bestechungsgelder am Flughafen zahlen müssen, und ist andererseits vor dem Hintergrund der gut organisierten iranischen Geheimdienste nicht glaubwürdig. Darüber hinaus ist unklar, ab welchem Zeitpunkt der iranische Geheimdienst vom Interesse des BF am Christentum, das nach seinen Angaben für die Hausdurchsuchung maßgeblich gewesen sei, gewusst haben soll. Laut BF habe die Hausdurchsuchung am 22.07.2018 stattgefunden, am 24.07.2018 sei er ausgereist. Allerdings habe er ab 16.07.2018 seinen Nachbarn, mit dem er die Hauskirchen besucht habe (und den er der Informationsweitergabe verdächtige), nicht mehr telefonisch erreichen können (VH, S. 9f.), auch hätten die Leute vom Geheimdienst einen Hausdurchsuchungsbescheid gehabt (EV, AS 64). Demnach ist davon auszugehen, dass, selbst wenn es drei Tage dauern würde, um ein Ausreiseverbot zu erwirken, dies bei Wahrunterstellung der Angaben des BF sehr wohl möglich gewesen wäre. Auch gab BF an, seine Probleme in Iran hätten sich insgesamt während zwei Wochen abgespielt (EV, AS 58).

Unglaubwürdig ist der BF wenn er angibt, er hätte seine Mutter nicht nach dem Grund für den Hausdurchsuchungsbescheid gefragt (AS 64). Wenn dies der tatsächliche Grund für seine Ausreise gewesen sein soll, so wäre anzunehmen, dass er bei seiner Mutter näher nachgefragt hätte. Hätten die Behörden auch wirklich ein Interesse an seiner Person gehabt, wäre davon auszugehen, dass sie nochmals bei seinen Eltern nachgefragt hätten oder auch nach der erfolgten Ausreise Nachforschungen betrieben hätten. Der BF gab aber stets an, Beamte seien nur einmal zuhause gewesen (AS 64). Eine nähere Nachfrage in der VH wurde ausweichend beantwortet, indem der BF ausführte, nur ab und zu mit seiner Mutter Kontakt zu haben und sie habe ihm nichts erzählt (VH S. 13); in der EV gab der BF jedoch an, alle drei bis vier Tage mit der Familie Kontakt zu haben (AS 61).

In der EB gab der BF an, er sei vom Geheimdienst nach seiner Konversion zum Christentum verfolgt worden (AS 5), in der VH hingegen, der Geheimdienst sei zu ihm nach Hause gekommen, als dieser erfahren habe, dass sich der BF für das Christentum bloß interessiere (S. 8). In der EV gab der BF abwechselnd an, er sei seit Mai 2018 (AS 59) bzw. seit März/April 2018 (AS 67) Christ. In der VH gab er an, er habe bei seinem zweiten Hauskirchenbesuch Jesus Christus gespürt (S. 9). Er fühle sich seit dieser zweiten Veranstaltung als Christ, ausschlaggebend sei gewesen, dass gesagt worden sei, dass alle, die an Jesus Christus glauben würden, an dieser Veranstaltung teilnehmen könnten (S. 14). Warum die Erlaubnis zur Teilnahme an der Veranstaltung den christlichen Glauben erweckte, ist nicht nachvollziehbar.

Hinsichtlich der Hauskirchen in Iran gab der BF an, er habe alle zwei Wochen, etwa acht Mal, daran teilgenommen (EV, AS 71), habe aber keine besondere Funktion gehabt. Die Organisation habe Vater Johanna übernommen. Niemand habe gewusst, dass er diese Hauskirchen besuche, auch die anderen Teilnehmer hätten nicht seinen Namen gekannt (VH, S. 11). In diesem Zusammenhang erscheint es lebensfremd, dass der BF die Namen der anderen Teilnehmer, mit denen er auch eigenen Angaben zufolge regelmäßig Fußball gespielt habe, nicht kennt.

Während die Antworten auf Nachfragen im Wesentlichen stets sehr kurz und allgemein gehalten waren, war im Vergleich dazu die Fluchtgeschichte ausführlich, was auf eine Vorbereitung und nicht eine spontane Erzählung eines tatsächlichen Erlebnisses schließen lässt. Die Schilderungen betreffend die Veranstaltungen von Hauskirchen in Iran blieben oberflächlich und waren gerade in der VH äußerst knapp (VH, S. 12). Dies lässt jeglichen individuellen Bezug zur Person des BF vermissen, auch eine Motivation für das Christentum lässt sich daraus nicht erschließen. Der BF konnte auch nicht sagen, wann und wo die anfängliche Sitzung stattfand, das habe er vergessen (AS 62). Auf Nachfrage gab der BF in der EV an, dass die Sitzungen immer an anderen Orten gewesen seien, er wisse aber nicht wo - bloß an die letzte Adresse könne er sich erinnern. Es habe ihm sein Freund mitgeteilt, wo die Sitzungen stattfinden (AS 63). Diese Ausführungen erwecken den Eindruck, der BF möchte verschleiern, dass es sich bei dem Vorbringen nicht um ein tatsächliches Erleben handelt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein erwachsener Mann keinerlei Ortsangaben zu den Treffen machen kann, zumal diese auch zeitlich nicht sehr lange zurückliegen (Anfang 2018; VH, S. 9) und die EV vor dem BFA im Oktober 2018 war.

In Iran sei ausschlaggebend für sein Interesse am Christentum gewesen, als sein Nachbar ihn einmal zu einem Fußballspiel eines christlichen Teams mitgenommen habe, wie nett diese miteinander umgegangen seien und vor dem Spiel gebetet hätten (EV, AS 69). Der persönliche Eindruck des BF in der mündlichen Verhandlung (knappe Antworten, emotionsloser Ausdruck) lässt aber nicht auf ein tatsächliches Erleben der geschilderten Ereignisse schließen. Angesichts der in Iran üblichen behördlichen Überwachungsmethode, Informanten einzuschleusen, widerspricht es auch jeglicher Vernunft und allgemeinen Erfahrung, dass eine Person muslimischen Glaubens bereits nach kurzer Zeit zu einer Hauskirche oder zu einem geheimen Treffen eines christlichen Fußballteams mitgenommen wird. Widersprüchlich gab der BF auch betreffend das erste gemeinsame Fußballspiel an, dass er erst nach der Veranstaltung erfahren habe, dass sie Christen sind, später sagte er jedoch, dass sie vor dem Fußballspiel gebetet haben und aus der Bibel vorgelesen worden sei (VH S. 10). Lebensfremd ist auch, dass die Spieler vor dem Spiel zu beten beginnen, den neuen Spieler (also den BF) aber nicht vorher darüber einweihten, dass sie ein christlicher Zusammenschluss sind. Gleichfalls unplausibel erscheint die Ausführung des BF, er wisse nicht, ob sein Freund, der ihm schließlich zur Ausreise verholfen habe, Christ sei und er habe ihn auch nicht danach gefragt (VH, S. 12).

Zu den angeblich vorgefunden belastenden Sachen wie einen Laptop mit christlichen Inhalten und einer Bibel ist anzumerken, dass es grundsätzlich unwahrscheinlich erscheint, derartiges Material bei Kenntnis der Gefahrenlage zuhause aufzubewahren. Die auf Nachfrage gegebene Erklärung "es ist gefährlich, aber, wenn man Christ ist muss man die haben" ist sehr allgemein gehalten. Diese Überzeugung des BF, wonach ein Christ das haben muss, deckt sich auch nicht mit den Angaben des BF in der EV, wo er sagte, er habe das am Laptop als Datei befindliche Buch gar nicht gelesen (AS 65). Auch die Angabe "Schriften über die Wunder von Jesus" (AS 65) haben sich am Laptop befunden, ist sehr oberflächlich. Für das Gericht erscheint es somit naheliegender, dass der BF keine christlichen Bücher und dgl. zuhause aufbewahrte.

Zu den angeblich von BF bereits in Iran in sozialen Netzwerken gesetzten Aktivitäten mit christlichem Bezug ist festzuhalten, dass der BF diese Angaben nicht von sich aus initiativ machte, was aber seine Pflicht gewesen wäre. Der BF bejahte lediglich die von seinem Rechtsvertreter in der VH gestellte Frage nach Aktivitäten in sozialen Netzwerken (VH, S. 13). Was er konkret in Iran machte und warum daraus Verfolgung drohte oder drohen soll, führte er aber nicht aus.

Alle geschilderten Umstände zusammen lassen für das Gericht keine Zweifel übrig, dass es sich beim Fluchtvorbringen des BF hinsichtlich der in Iran vorgefallenen Umstände um eine Konstruktion handelt.

Aufbauend darauf, dass nicht glaubwürdig dargelegt wurde, dass BF in Iran Hauskirchen besuchte, kann auch der Behauptung, die Behörden hätten nach ihm gesucht und bei ihm zu Hause eine Hausdurchsuchung durchgeführt, kein Glauben geschenkt werden.

Nicht objektivierbar ist das Vorbringen des BF, der Geheimdienst sei zu ihm nach Hause gekommen, da er sich für das Christentum interessiere (VH, S. 8). Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass Ziel der Sicherheitskräfte nicht Privatpersonen, sondern die Hauskirche als Organisation und aktiv missionierende Führungspersonen sind. Im gegenständlichen Fall ist - selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens des BF - jedoch noch nicht einmal davon auszugehen, dass dieser ein einfaches Mitglied war.

Es ist schließlich auch nicht anzunehmen, dass BF aus anderen Gründen ein Bezug zum Christentum oder missionarische Tätigkeit in Iran unterstellt wird, weil er derartige Tätigkeiten nicht vorgebracht hat. Vor dem Hintergrund der Länderberichte ist das Vorbringen des BF zu seiner Verfolgung in Iran nicht plausibel.

Im Rahmen einer ganzheitlichen Würdigung des Vorbringens des BF zu den angeblichen Vorfällen in Iran ist im Ergebnis nicht davon auszugehen, dass der BF vor seiner Ausreise im Visier der iranischen Behörden stand bzw. im Falle einer Rückkehr stehen würde - insbesondere, da er auch legal aus Iran ausreisen konnte.

2.2.2.2. Zu den von BF in Österreich gesetzten Aktivitäten

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).

Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten des BF in Österreich aus den von ihm vorgelegten Dokumenten (Schreiben der zuständigen BH über den Austritt des BF aus der islamischen Glaubensgemeinschaft, Kursteilnahmebestätigung, Taufschein, Empfehlungsschreiben des Pastors) sowie der Einvernahme des BF und eines Zeugen in der mündlichen Verhandlung.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung prüfte das erkennende Gericht die von BF vorgebrachte Konversion entsprechend den in der Folge unter Punkt 3.1.1. zitierten Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes und befragte BF zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel, seinem Wissen in Bezug auf das Christentum, seinen Gottesdienstbesuchen und sonstigen religiösen Aktivitäten. Die Befragung widmete sich der Glaubensüberzeugung des BF sowohl im Hinblick auf eine öffentliche Ausübung des Glaubens als auch auf die persönliche, innere Beziehung zum Christentum.

Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht diente insbesondere dazu, einen Eindruck vom persönlichen Empfinden des BF zu seiner neuen Religion zu gewinnen. Gerade darin konnte der BF aber keinen emotionalen Bezug glaubwürdig darlegen. Die Erzählweise war knapp, wenig lebendig in der Ausdrucksweise und erschöpfte sich vielfach in Stehsätzen, welche dem erkennenden Gericht aus vergleichbaren Verfahren bekannt sind. Eine individuelle Motivation und Bezugsebene zum Christentum konnte bei BF demnach nicht festgestellt werden.

Weder vermochte der BF nachvollziehbar seine Motivation für die Hinwendung zum Christentum darzulegen, noch für die Auswahl der konkreten Glaubensgemeinschaft. Zu seiner Motivation für die Hinwendung zum Christentum näher befragt, gab BF lediglich an, er wolle gerettet werden und ein ewiges Leben bekommen, das gebe es weder im Islam noch in anderen Religionen (VH, S. 14, 15). Ausschlaggebend für sein Interesse am Christentum seien die Gnade Gottes und das ewige Leben (VH, S. 13). Beim BFA gab der BF aber zusätzlich zum Versprechen eines ewigen Lebens (AS 71) an, dass ihn das nette Verhalten der Fußballspieler animiert hätte, Christ zu werden (AS 69). Auch die Aussage, er fühle sich seit der zweiten Veranstaltung in Iran als Christ ist kein nachvollziehbares Argument, insbesondere, weil der BF auch angab, dass ihm gesagt worden sei, dass alle, die an Jesus Christus glauben, an der Veranstaltung teilnehmen können (VH, S. 14).

Näher zu seiner gewählten Glaubensrichtung befragt, gab BF an, er habe in Iran seinen Nachbarn (der ihn zu Hauskirchen gebracht habe) diesbezüglich gefragt, dieser habe gesagt, er gehe in die protestantische Kirche. Dieser sei der BF daher nachgegangen (VH, S. 14). Zu der protestantischen Kirche in Österreich sei er gekommen, weil er einer iranischen Familie gesagt habe, dass er in eine protestantische Kirche gehen wolle, und ihn daraufhin der Pastor abgeholt habe (VH, S. 14). Beim BFA gab der BF wiederum an, dass ihn zwei Iraner in seiner Unterkunft zu der Kirche mitgenommen hätten, wie die Gemeinde genau heiße, wisse er nicht (AS 66). Aus diesen Antworten geht hervor, dass der BF nicht eigeninitiativ den protestantischen Glaubenszweig auswählte. Überdies konnte er nicht näher darlegen, was

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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