TE Bvwg Beschluss 2019/11/8 W163 1433354-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.2019
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Entscheidungsdatum

08.11.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W163 1433354-3/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Daniel Leitner als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.10.2019, Zahl 830054701-191064823, erfolgte Aufhebung des Abschiebeschutzes betreffend Herrn XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß §§ 12a Abs. 2, 22 Abs. 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

1. Verfahrensgang:

1.1. Erstes Verfahren:

1.1.1. Der Asylwerber (in der Folge AW), ein Staatsangehöriger von Indien, stellte nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 13.01.2013 unter der Identität XXXX , geboren am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.1.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung am 15.1.2013 nannte der AW als Fluchtgrund seine (seit 2002 bestehende) Drogensucht. Auf Betreiben seiner Familie habe er acht Monate lang in einem "Hilfszentrum für Drogensüchtige" verbracht, danach seinen Drogenkonsum jedoch wieder fortgesetzt. Deshalb hätte er so der AW "wieder in dieses Drogenzentrum müssen". Seine Familie habe stattdessen seine Ausreise aus Indien beschlossen. Er habe Angst, dass ihn seine Familie bei einer eventuellen Rückkehr in seine Heimat wieder in das erwähnte Drogenentzugszentrum einweisen lasse. Über andere Fluchtgründe verfüge er nicht.

1.1.3. In seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 12.2.2013 erklärte der AW, dass er in Indien Handys repariert habe. Er sei drogensüchtig gewesen, nehme seit seiner Ausreise jedoch keine Drogen mehr ein und rauche nunmehr nur noch Zigaretten, nachdem er auf seiner Reise nach Österreich keine Drogen beschaffen habe können und es ihm in diesem Zeitraum auch sehr schlecht gegangen sei. Auf die Frage nach dem Grund seines Antrages auf internationalen Schutz führte der AW aus, dass er in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehen wolle, um seine Familie in Indien unterstützen zu können, da sein Vater krank geworden sei; dies sei "alles". Auf die Frage nach seinen Rückkehrbefürchtungen meinte der AW, bei einer Rückkehr nach Indien wieder in das Drogenentzugszentrum gebracht zu werden, da seine Eltern einen fünfjährigen Vertrag abgeschlossen hätten. Er könne dort auch geschlagen werden und sei in der Vergangenheit mehrmals weggelaufen. Die Drogenentzugsanstalt befinde sich am Stadtrand von Amritsar, die genaue Adresse des Zentrums könne er nicht angeben.

1.1.4. Mit Bescheid vom 12.2.2013, Zl. XXXX , wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100 (im Folgenden: AsylG 2005), ab und erkannte dem AW gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu; gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde der AW aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. In seiner Begründung traf das Bundesasylamt aktuelle (und u.a. auf Länderberichten aus dem Jahr 2012 basierende) Länderfeststellungen zur allgemeinen Situation in Indien und zur Situation von Drogenabhängigen; es stellte ferner die Staatsangehörigkeit des AW, nicht jedoch seine Identität fest. Der AW sei gesund und erwerbsfähig. Dass der AW in seiner Heimat asylrelevant verfolgt werde, konnte das Bundesasylamt nicht feststellen. Im Rahmen seiner Beweiswürdigung vertrat es die Ansicht, dass der AW einen Sachverhalt, welcher zur Gewährung von Asyl führen würde, nicht vorgebracht habe. Im Falle einer neuerlichen Drogenabhängigkeit sei eine medizinische Behandelbarkeit gegeben bzw. die Inanspruchnahme einer Drogentherapie möglich. Mangels Hinweis auf eine Gefährdung iSd § 8 AsylG 2005 sei auch der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen. Die Ausweisung begründete das Bundesasylamt mit einer zulasten des AW ausgehenden Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK.

1.1.5. Die erhobene Beschwerde wie der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 25.04.2013, Zl. XXXX , als unbegründet ab. Begründend führte der Asylgerichthof zusammengefasst aus, dass dem Vorbringen des AW, bei seiner Rückkehr in seine Heimat zwangsweise in eine Drogenentzugsanstalt eingewiesen oder aus sonstigen, wie immer gearteten Gründen verfolgt zu werden, die Glaubhaftigkeit abzusprechen war und die von der belangten Behörde verfügte Ausweisung nach Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen aus dem Blickwinkel des Art 8 EMRK zulässig sei.

1.2. Zweites Verfahren:

1.2.1. Am 07.07.2014 stellte der AW unter der Identität XXXX , geboren am XXXX , einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

1.2.2. Am 09.07.2014 fand die Erstbefragung vor Organen der Bundespolizei statt. Dabei brachte der AW im Wesentlichen vor, dass er nach Indien zurückgekehrt und über Italien neuerlich im Juli 2014 ins Bundesgebiet gereist sei. Zu den Fluchtgründen befragt gab der AW an, dass die "alten" Fluchtgründe nicht mehr aufrecht seien. Er habe in Indien nichts zu befürchten und sei gekommen um zu arbeiten, weil sein Vater krank sei und es der Familie finanziell nicht gut gehe.

1.2.3. Im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA am 16.07.2014 gab der AW zusammengefasst an, dass er bei seinem ersten Asylantrag falsche Daten angegeben habe. Sein richtiger Name laute XXXX . Er gab an, Österreich im August 2013 verlassen zu haben und nach Indien zurückgekehrt zu sein. Im Mai 2014 habe er Indien wieder verlassen, weil seine Familie hoch verschuldet sei und er sei gekommen um zu arbeiten und Schulden zurückzuzahlen. Die konkrete Frage, ob er Probleme in seinem Heimatland hätte, verneinte der AW und gab an, dass er in Österreich ein bis eineinhalb Jahr arbeiten möchte, weil es seiner Familie schlecht gehe.

Im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA am 06.02.2017 gab der AW zusammengefasst an, dass wegen eines Grundstücksstreits einer seiner Cousins getötet worden sei und die Verwandten den AW beschuldigen würden. Es hätte immer wieder Streitigkeiten gegeben. Der AW und sein Cousin seien beim Brunnen gestanden und hätten die Pumpe betreiben wollen, um die Felder zu bewässern. Die Söhne seiner älteren Onkel seien gekommen und hätten mit dem Cousin einen Streit angefangen. Der AW habe dies von weitem gesehen und sei zu ihm gelaufen, um ihm zu helfen. Vor seinen Augen wäre sein Cousin in den Brunnen gestoßen worden, dies sei Ende 2011 passiert. Die konkreten Fragen, ob er in seinem Herkunftsstaat jemals festgenommen wurde oder in Haft war und ob er je Probleme mit den staatlichen Behörden, Gerichten etc. gehabt hätte, verneinte der AW.

1.2.4. Das BFA hat mit Bescheid vom 10.02.2017 den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstatt Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem AW gemäß § 57 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, wurde gegen den AW eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des AW gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt V.).

Begründend führte das Bundesamt zusammengefasst aus, dass die vom AW angegebenen Gründe für eine Verfolgung in Hinblick auf seine abweichenden Angaben im Rahmen seiner Antragstellungen und Befragungen nicht glaubhaft machen konnte. Es sei auch nicht hervorgekommen, dass der AW im Falle der Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnte. Dies lasse sie weder aus der allgemeinen Situation noch aus der Rückkehrsituation des AW ableiten, zumal es sich beim AW um einen jungen Mann handelt, bei dem erwartet werden kann, dass er sich eine Existenz aufbauen könne. Der AW habe keine Familienangehörige oder Verwandte im Bundesgebiet und besondere private Bindungen seien nicht hervorgekommen. In eine Gesamtabwägung der Interessen sei eine Rückkehrentscheidung gerechtfertigt.

Der Bescheid wurde durch Hinterlegung im Akt und Beurkundung mit 01.03.2017 rechtswirksam.

1.3. Drittes (gegenständliches) Verfahren:

1.3.1. Am 10.10.2019 stellte der AW im Anhaltevollzug unter der Identität XXXX , geboren am XXXX , einen dritten Antrag auf internationalen Schutz.

1.3.2. Am gleichen Tag fand die Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei brachte der AW im Wesentlichen vor, dass seine alten Fluchtgründe aufrecht bleiben würden. Er lebe seit acht Jahren im Bundesgebiet und sei noch nie straffällig geworden. Er komme aus einer wohlhabenden und gebildeten Familie und hätte keine wirtschaftlichen Gründe. Sein Leben sei in Gefahr sobald er am Flughafen lande, da er polizeilich gesucht und vermutlich inhaftiert werde.

1.3.3. Mit Verfahrensanordnung des BFA, dem AW ausgefolgt am 22.10.2019, teilte das BFA dem AW gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Zudem sei beabsichtigt, den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben (§ 12a Abs. 2 AsylG).

1.3.4. Am 29.10.2019 wurde der AW von einem Organwalter des BFA niederschriftlich im Beisein eines Rechtsberaters einvernommen.

Als Grund für die neuerliche Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz brachte der AW zusammengefasst vor, dass er im Jahr 2013 erstmals ins Bundesgebiet eingereist sei und durchgehend in Österreich verblieben wäre. Die Fluchtgründe aus den Vorverfahren seien noch aufrecht. Er hätte keinen Kontakt zu seiner Familie und wisse nicht, wo seine Familie nun lebe. Zwischen seinem Onkel väterlicherseits und dem Vater des AW hätte es einen Streit wegen eines Grundstücks gegeben und ein Cousin sei bei einem Zwischenfall ums Leben gekommen. Der Cousin sei bei einem Streit zwischen dem Vater, dem Onkel und dem Bruder des AW in einen großen Brunnen gefallen und als Nichtschwimmer ertrunken. Der AW gab auf konkrete Fragen an, dass sich der Zwischenfall im Februar oder März 2012 ereignet hätte und er diesen Sachverhalt schon bei seinem ersten Antrag angegeben hätte.

Zu seiner Situation im Bundesgebiet befragt gab der AW auf konkrete Fragen zusammengefasst an, dass er keine Familienangehörige oder Verwandte im Bundesgebiet hätte und er nicht in einer Lebensgemeinschaft lebe. Er spreche gut Deutsch und hätte einen Deutschkurs besucht, eine Bestätigung darüber hätte er zu Hause. Er dürfe nicht legal arbeiten, aber er hätte bei Landsleuten "schwarz" als Tischler und Fliesenleger gearbeitet. Mitglied in einem Verein oder einer Organisation sei er nicht.

1.3.5. Mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 23.05.2019 wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG in Anwendung des § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.

Begründend wurde nach einer Zusammenfassung des Verfahrensganges im Wesentlichen festgestellt, dass der AW keinen glaubhaften, asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht habe, der nach rechtskräftigem Abschluss der Vorverfahren entstanden sei. Es bestünden keine Umstände, die einer Rückkehrentscheidung nach Indien entgegenstehen und der neue Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Zum Privat- und Familienleben des AW wurde im Wesentlichen festgestellt, dass er über keine familiären Anknüpfungspunkte verfüge, er gesund und arbeitsfähig sei und der "Schwarzarbeit" nachgehe. Die allgemeine Lage und die persönlichen Verhältnisse des AW sowie sein körperlicher Zustand hätten sich sei der Entscheidung des Bundesamtes nicht entscheidungswesentlich geändert.

1.3.6. Die Verwaltungsakten langten am 06.11.2019 beim BVwG ein.

2. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

2.1. Der AW ist Staatsangehöriger von Indien und führt den Namen XXXX alias XXXX , geboren am XXXX . Er stellte im Bundesgebiet bereits zwei Anträge auf internationalen Schutz. Über den ersten Antrag wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 25.04.2013 rechtswirksam abweisend entschieden. Über den zweiten Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 10.02.2017 rechtwirksam abweisend entschieden und eine Rückkehrentscheidung getroffen.

2.2. Der AW hat am 10.10.2019 den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im gegenständlichen Verfahren bezieht sich der AW auf Gründe, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der beiden vorangegangenen vom AW initiierten Asylverfahrens bestanden. Außerdem bezieht er sich im Dritten auf die gleichen wie im zweiten Verfahren vorgebrachten Gründe. Im ersten Verfahren hat der AW gänzlich andere Gründe vorgebracht.

2.3. In Bezug auf den AW besteht kein hinreichend schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im Bundesgebiet. Es bestehen keine Hinweise, dass beim AW etwaige (schwerwiegende) physische bzw. psychische Erkrankungen vorlägen, die einer Rückkehr nach Indien entgegenstehen würden.

2.4. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des AW nach Indien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es liegen keine Umstände vor, welche seiner Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der AW verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.

2.5. Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation im Herkunftsstaat ist seit der Entscheidung über den vorhergehenden Antrag des AW auf internationalen Schutz nicht eingetreten.

2.6. Der Folgeantrag wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

3. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des Bundesamtes und des BVwG.

3.1. Zur Person des AW:

Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Name und Geburtsdatum des AW ergeben sich aus den Angaben des AW in den Verfahren. Der AW hat in den Verfahren unterschiedliche Identitäten angegeben und steht die Identität des AW mangels Vorlage von Dokumenten nicht fest.

Das Vorliegen eines erheblichen schützenswerten Privat- oder Familienlebens in Österreich wurde im Verfahren nicht behauptet bzw. hinreichend dargelegt. Die Aufenthaltsdauer des AW resultiert aus insgesamt drei ungerechtfertigten Anträgen auf internationalen Schutz. Vor dem Hintergrund, dass er seit Jahren unrechtmäßig in Österreich aufhältig ist, dies jedoch nicht durchgängig (so war er mitunter nach seinen Angaben in Italien und auch in seinem Herkunftsstaat), er zwar Sprachkenntnisse in Deutsch erwarb und er aktuell keine legale Erwerbstätigkeit in Österreich belegte, und der AW keine Familienangehörige oder Verwandte oder enge sozialen Bindungen geltend machte, sowie auch sonst keine besondere Integrationsverfestigung auszumachen war, war festzustellten, dass ein erhebliches schützenswerten Privat- oder Familienlebens in Österreich beim AW nicht vorliegt.

3.2. Zu den Fluchtgründen des AW:

Im gegenständlichen (dritten) Asylverfahren behauptet der AW weiterhin eine Verfolgung in Zusammenhang mit einem Grundstückstreit und dem Tod eines Cousins, der in einen Brunnen gestoßen worden wäre und ums Leben gekommen sei. Sein Fluchtvorbringen wurde in diesem Umfang bereits im zweiten Verfahren als unglaubhaft beurteilt. Andererseits bezog sich der AW damit Fluchtgründe, die bereits vor seiner ersten Antragstellung im Jänner 2013 bestanden hätten, zumal er im zweiten Verfahren angab, sein Cousin wäre Ende 2011 getötet worden und im gegenständlichen dritten Verfahren angab, der Zwischenfall hätte sich im Februar oder März 2012 ereignet. Zudem hat der AW diese Fluchtgründe, die zwar schon vor seiner Ausreise aus Indien bestanden hätten, im Verfahren über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz nicht erwähnt, zumal er damals angab, es drohe ihm die Einweisung in eine Drogenentzugsklinik, obwohl er nicht (mehr) drogenabhängig sei.

Im vorliegenden Fall ist somit der Behörde nicht entgegenzutreten, dass von einer entschiedenen Sache auszugehen sein wird.

Dass sich seit der Erlassung der rechtskräftigen Entscheidung in den Vorverfahren in Indien allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann in diesem Fall verneint werden. Ein Abgleich zwischen den Länderfeststellungen des letzten Asylverfahrens und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien vom 04.02.2019, Stand 09.08.2019, im gegenständlichen Verfahren ergibt - auch unter Beachtung der in den Medien kolportierten aktuellen Spannungen zwischen Indien und Pakistan und Aufhebung des Sonderstatus für Jammu und Kaschmir - keine relevante Veränderung bzw. Verschlechterung der allgemeinen Situation in Indien.

5. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

5.2.1. Anzuwendendes Recht:

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG in der geltenden Fassung lautet:

"§ 12a.

(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1) der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2) sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht."

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG in der geltenden Fassung ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" betitelte § 22 BFA-VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

5.2.2. Zu den Voraussetzungen des § 12a AsylG im Detail:

5.2.2.1. Aufrechte Rückkehrentscheidung:

Gegen den AW liegt eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung vor.

5.2.2.2. Res iudicata (entschiedene Sache):

Der AW hat im gegenständlichen dritten Asylverfahren ein Vorbringen erstattet, dass einerseits auf dem bereits im Zweitverfahren als nicht glaubhaft befundenen Vorbringen beruht und andererseits ein Vorbringen erstattet, dass sich auf Sachverhalte bezog, die bereits vor seiner Ausreise bestanden hätten, die er jedoch im Erstverfahren nicht vorgebracht hat. Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich daher, wie auch in der Sachverhaltsdarstellung und der Beweiswürdigung aufgezeigt, kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt.

Auch die für den AW maßgebliche Ländersituation ist seit der rechtskräftigen Entscheidung im Erstverfahren im Wesentlichen gleichgeblieben, und wurde Gegenteiliges auch nicht behauptet.

5.2.2.3. Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK:

Im vorangegangen Verfahren hat das BFA ausgesprochen, dass der AW bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehe (§ 50 FPG).

Auch im gegenständlichen zweiten Asylverfahren sind - im Lichte der eben getroffenen Erwägungen - keine Risiken für den AW im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine erheblichen in der Person des AW liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des AW wurde kein entsprechendes konkretes und substantiiertes Vorbringen hiezu getätigt.

Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des AW in seinen Herkunftsstaat stellt für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

5.2.2.4. Rechtmäßiges Verfahren:

Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durch das BFA ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.

Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt, dem AW wurde Parteiengehör eingeräumt, und er wurde am 29.10.2019 einvernommen.

5.2.3. Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH zum Themenbereich res iudicata (entschiedene Sache) auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag, non
refoulement, res iudicata, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W163.1433354.3.00

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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