TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/30 98/08/0060

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Veröffentlicht am 30.06.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §413 Abs1 Z2;
ASVG §413 Abs4;
AVG §69 Abs1 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 15. Jänner 1998, Zl. IVb-69-33/1997, betreffend Wiederaufnahme eines Leistungsverfahrens betreffend vorzeitige Alterspension (mitbeteiligte Partei: OH, H), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 6. Mai 1997 hat die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt das Verfahren über den Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit betreffend den Mitbeteiligten wiederaufgenommen, ihren Pensionsbescheid vom 16. Mai 1995 aufgehoben und den vom 1. Dezember 1994 bis 30. April 1997 entstandenen Überbezug in der Höhe von S 39.274,30 rückgefordert. Die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt erblickte das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes in der nachträglichen Anrechnung von Versicherungszeiten nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG), wodurch die Leistungszuständigkeit (nunmehr) der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zukomme.

Gegen Spruchpunkt 1 dieses Bescheides (betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens und Aufhebung des Pensionsbescheides vom 16. Mai 1995) erhob der Mitbeteiligte Einspruch.

Mit dem nunmehr von der Pensionsversicherungsanstalt in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 15. Jänner 1998 wurde dem Einspruch des Mitbeteiligten Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt im Spruchpunkt 1 aufgehoben und das von Amts wegen gemäß § 69 Abs. 3 erster Satz AVG wiederaufgenommene Verfahren eingestellt. Die belangte Behörde verneinte das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes im wesentlichen mit der Begründung, daß die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt aus aktenkundigen Hinweisen bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt das Vorliegen solcher Versicherungszeiten bereits vor Erlassung des Leistungsbescheides hätte erkennen können und sie daher an diesem Ermittlungsfehler ein Verschulden treffe, der die Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Vorverfahren mit Berichterverfügung vom 13. März 1998 aufgefordert, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob der angefochtene Bescheid, soweit er die Berechtigung der Beschwerdeführerin, aus dem Grunde ihrer Unzuständigkeit das Leistungsverfahren wiederaufzunehmen, verneint, nicht aus folgenden Gründen im Ergebnis zutreffend sein könnte:

"Gemäß § 413 Abs. 1 Z. 2 ASVG entscheidet der Landeshauptmann unter Ausschluß eines Bescheidrechtes der beteiligten Versicherungsträger u.a. in der Pensionsversicherung auch über die Leistungszugehörigkeit und Leistungszuständigkeit auf Antrag eines beteiligten Versicherungsträgers, einer anderen Partei oder eines Gerichtes, wenn Zweifel oder Streit darüber bestehen, (u.a.) welcher Versicherungsträger für eine Person leistungszuständig ist.

In Verfahren über Leistungssachen darf gemäß § 413 Abs. 4 ASVG über die in Abs. 1 Z. 2 bezeichneten Fragen als Vorfrage nicht entschieden werden.

Es scheint nun so zu sein, daß die Wiederaufnahme des Verfahrens aus dem Grunde der Unzuständigkeit für die bereits zuerkannte Leistung notwendigerweise (und unabhängig von der Frage, ob einer der Wiederaufnahmsgründe im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 oder 2 AVG vorliegt) eine Vorfragenentscheidung im Sinne des § 413 Abs. 4 ASVG beinhaltet. Bejaht man dies, dann ergäbe sich daraus die Unzulässigkeit einer solchen Wiederaufnahme; in einem solchen Fall hätte der Pensionsversicherungsträger offenbar zuerst eine Entscheidung des Landeshauptmannes über die Leistungszuständigkeit einzuholen und für den Fall, daß die Leistungszuständigkeit dieses Versicherungsträgers verneint würde, den Leistungsbescheid in Bindung an diese Entscheidung gemäß § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG wiederaufzunehmen."

Die Beschwerdeführerin vertritt in einer Stellungnahme dazu die Auffassung, daß "kein Zweifel oder Streit über die Leistungszuständigkeit zur Gewährung der Pensionsleistung" der mitbeteiligten Partei bestünde. Es stehe für die beiden betreffenden Sozialversicherungsträger außer Zweifel, daß bei Beachtung des nunmehr feststehenden Sachverhaltes die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zuständig sei. Dies ergebe sich schon daraus, daß sie für die mitbeteiligte Partei eine vorläufige Leistung gewähre. In diesem Fall sei der Landeshauptmann zur Klärung der Zuständigkeit nicht anzurufen, weil die Voraussetzungen des § 413 Abs. 1 Z. 2 ASVG nicht vorlägen.

Die belangte Behörde hat sich zu der aufgeworfenen Frage nur insoweit geäußert, daß ein allfälliger Begründungsmangel des erstinstanzlichen Bescheides insoweit zum gleichen Ergebnis (nämlich zu dessen Rechtswidrigkeit) führen müsse.

Der Verwaltungsgerichtshof hält an der in der Berichterverfügung vom 13. März 1998 vorläufig vertretenen Rechtsauffassung fest:

Selbst wenn zwischen den beteiligten Sozialversicherungsträgern kein Streit über die Frage bestünde, welcher von ihnen für die Gewährung der Pensionsleistung des Mitbeteiligten zuständig sei (worauf die Aktenlage hindeuet), so besteht Streit über die Zuständigkeit auch dann, wenn diese vom Leistungswerber in Zweifel gezogen wird: Zweck und Wortlaut des § 413 Abs. 4 ASVG lassen es als unzulässig erscheinen, daß die beschwerdeführende Versicherungsanstalt in einer Leistungssache gegenüber dem Leistungswerber in einem solchen Fall vorfrageweise die Frage beurteilt, wer von zwei Versicherungsträgern zur Erbringung einer Leistung zuständig sei. Gerade eine solche Vorfragenbeurteilung findet aber statt, wenn ein Pensionsbescheid aus dem Grunde der Unzuständigkeit des die Leistung ursprünglich zuerkennenden Versicherungsträgers im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigt werden soll.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Verfügung der Wiederaufnahme schon deshalb unzulässig ist, weil ein Eingriff in einen Bescheid, mit dessen Erlassung der bescheiderlassende Sozialversicherungsträger implizit seine Zuständigkeit bejaht hat, bei gleichzeitiger Bejahung der Zuständigkeit eines anderen Versicherungsträgers aufgrund des damit verbundenen Eingriffes in die Rechte des Leistungsbeziehers bereits eine unzulässige Vorfragenbeurteilung im Sinne des § 413 Abs. 4 ASVG darstellt, oder ob ein Streit über die Zuständigkeit erst dadurch zustande kommt, daß der Leistungswerber gegen den vorfrageweise die Leistungszuständigkeit beurteilenden Bescheid - wie hier - ein Rechtsmittel ergreift. Spätestens ab der Erhebung eines zulässigen Rechtsmittels, welches (wie hier) auf die Aufrechterhaltung der bisherigen Zuständigkeit zur Leistungsgewährung abzielt, liegt (auch) ein Streit über die Leistungszuständigkeit im Sinne des § 413 Abs. 1 Z. 2 ASVG vor, zu dessen Entscheidung ausschließlich der Landeshauptmann (in erster Instanz) berufen ist und hinsichtlich dessen § 413 Abs. 4 ASVG für das Leistungsverfahren ausdrücklich die Beurteilung auch als Vorfrage untersagt.

Soweit daher ein Sozialversicherungsträger nach Erlassung eines Pensionsbescheides seine Zuständigkeit bezweifelt und diese Auffassung entweder vom Leistungswerber oder vom anderen Versicherungsträger nicht geteilt wird, darf der Pensionsversicherungsträger - zur Vermeidung der verpönten Vorfragenbeurteilung - erst nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung des Landeshauptmannes über die Leistungszuständigkeit im Sinne des § 413 Abs. 1 Z. 2 ASVG das Leistungsverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG wiederaufnehmen und den Pensionsantrag an den dann zuständigen Versicherungsträger abtreten.

Die belangte Behörde hat daher den die Wiederaufnahme des Pensionsverfahrens verfügenden erstinstanzlichen Bescheid der Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht ersatzlos behoben, sodaß sich die Beschwerde als unbegründet erweist.

Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998080060.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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