TE Bvwg Beschluss 2019/11/12 I419 2219916-1

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Veröffentlicht am 12.11.2019
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Entscheidungsdatum

12.11.2019

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

I419 2219916-1/5E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Florian Burger und Stefan Frieß als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch RAin Mag.a Annamaria Lechtaler, gegen den Bescheid des AMS Innsbruck vom 06.03.2019, Zl. XXXX, beschlossen:

A) Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit

zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem bekämpften Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Arbeitslosengeld von 28.02.2019 bis 10.04.2019 verloren habe. Diese habe durch ihr "Verhalten" eine zugewiesene Beschäftigung als Kellnerin mit möglichem Dienstbeginn am erstgenannten Tag vereitelt. Gründe für eine Nachsicht wären nicht zu berücksichtigen.

Beschwerdehalber wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe die Arbeitsaufnahme nicht verweigert, sondern lediglich nicht unmittelbar anschließend an das Vorstellungsgespräch im Betrieb die - unstrittig zumutbare - Arbeit aufnehmen können, und zwar als "Schnuppern" sowie ab nächstem Tag regulär beschäftigt. Hätte sie gewusst, dass das verlangt würde, dann hätte sie schon im Vorfeld für die Betreuung ihrer Tochter gesorgt.

Zur Beschwerde erstattete das AMS eine Stellungnahme, wonach es ihm nicht möglich gewesen sei, innert der 10-wöchigen Frist für die Beschwerdevorentscheidung eine Vernehmung der Gesprächspartnerin des Vorstellungsgesprächs als Zeugin vorzunehmen.

Es sei entscheidend, ob die Beschwerdeführerin zu erkennen geben habe, dass sie lediglich ein paar Tage benötigt hätte, um die Kinderbetreuung endgültig zu regeln, aber sehr gerne zu arbeiten anfangen möchte, oder aber zu erkennen gegeben habe, dass sie wegen fehlender Kinderbetreuung kein Interesse an der Stelle habe. Weiteres entscheidend sei, ob die potenzielle Dienstgeberin bereit gewesen wäre, der Beschwerdeführerin ein paar Tage für die Organisation der Kinderbetreuung einzuräumen, und einem späteren Arbeitsbeginn zugestimmt und das zu erkennen gegeben hätte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird festgestellt, wie oben in I. wiedergegeben.

Weiters wird festgestellt:

1. Die Beschwerdeführerin bezog aufgrund eines Antrags vom 09.10.2018 Notstandshilfe. Sie wohnt mit ihrer 2011 geborenen Tochter und laut Melderegister auch ihrem Mann im gemeinsamen Haushalt. Letzteren hat sie im Antrag nicht angeführt.

In der Betreuungsvereinbarung vom 21.02.2019 ist festgehalten, dass ihre Vermittlung durch Betreuungspflichten erschwert sei. Sie wünsche eine Beschäftigung von 20 bis 25 Wochenstunden im Zeitbereich 8 bis 16 Uhr, in welchem die Betreuung ihres Kindes durch Schule und Hort geregelt sei. Es sei geplant, für sie eine Stelle als Kellnerin oder - auf Basis der Notstandshilfe-Regelung - sonstige Beschäftigte in der Zeit von 8 bis 15 Uhr zu finden.

2. Am selben Tag wies das AMS ihr eine Stelle als Kellnerin im Hotel

N. der N. GmbH als Dauerstelle "ab sofort oder zum ehestmöglichen Zeitpunkt" zu. Als Arbeitszeit bei fünf Arbeitstagen pro Woche wurde angegeben: "Entweder Früh[-] oder Abenddienst; Teilzeitbeschäftigung ab 20 Stunden".

3. Die Beschwerdeführerin vereinbarte spätestens am 24.02. einen Vorstellungstermin für den Morgen des 28.02.2019, einem Donnerstag, bei dem mehrere Arbeitszeitmodelle besprochen wurden und Frau G. von der N.-GmbH ihr mitteilte, dass sie sofort an Ort und Stelle zu arbeiten beginnen könne. Die Beschwerdeführerin tat dies nicht, wobei sie erwähnte, dass sie eine 8-jährige Tochter habe.

4. Der sonstige Inhalt des Bewerbungsgesprächs kann nicht festgestellt werden. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, ob die Beschwerdeführerin zu erkennen gegeben hat, dass sie lediglich die Kinderbetreuung zu regeln hat, aber sehr gerne zu arbeiten anfangen möchte, oder aber zu erkennen gab, dass sie wegen fehlender Kinderbetreuung kein Interesse an der Stelle habe.

5. Bereits um 09:27 Uhr desselben Morgens teilte Frau G. dem AMS mit, sie habe der Beschwerdeführerin "die Möglichkeit gegeben, sofort mit der Arbeitsaufnahme beginnen zu können". Diese habe jedoch wegen eines anschließenden Arzttermins wenig Zeit gehabt und auch keinem der vorgeschlagenen Dienstpläne zugestimmt und "bei jedem Vorschlag eine Ausrede erzählt". Die Beschwerdeführerin habe erwähnt, ca. 15 bis 20 Stunden arbeiten zu wollen, aber Probleme mit der Tochter zu haben, die von 8 bis 12 Uhr die Schule besuche.

6. Spätestens am nächsten Tag meldete die Beschwerdeführerin dem AMS über den Vorstellungsverlauf, weil Frau G. sehr unfreundlich gewesen sei, habe sie den Wunsch, dies mit dem Sachbearbeiter des AMS abzuklären.

7. Eine Beschäftigung der Beschwerdeführerin im Hotel N. kam nicht zustande. Es kann nicht festgestellt werden, aus welchem Grund nicht.

8. Am 05.03.2019 einvernommen gab die Beschwerdeführerin an, dass sie betreffend berufliche Verwendung, Arbeitszeit und Betreuungspflichten keine Einwendungen habe. Beim Vorstellungsgespräch habe sie noch keines der Arbeitszeitmodelle konkret annehmen können. Für die dafür nötigen Abklärungen betreffend die Kindesbetreuung habe Frau G. kein Verständnis gezeigt und ihr mit dem Vorhalt, eine "Sozialschmarozerin" zu sein, zu verstehen gegeben, dass sie der Beschwerdeführerin nicht glaube, arbeiten zu wollen.

9. Zwei Monate nach Einlangen der Beschwerde ersuchte das AMS am 05.06.2019 Frau G. per E-Mail, diese möge die von ihr am 28.02.2019 als familiengerecht beschriebenen Beispiele von Dienstzeiten mit Angabe von Uhrzeiten konkretisieren, den Gesprächsablauf betreffend den sofortigen Arbeitsbeginn "noch genauer schildern" und vier weitere Fragen zum Gesprächsinhalt und zum möglichen Arbeitsbeginn zu beantworten, allenfalls auch telefonisch.

Dieses E-Mail blieb bis 11.06.2019 ohne Reaktion seitens Frau G., worauf das AMS die Beschwerde vorlegte.

10. Die Beschwerdeführerin ist seit 22.05.2019 vollversichert als Arbeiterin in einem anderen Hotel beschäftigt.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden AMS-Akt, den eingeholten Versicherungs- und Meldedaten sowie einer auf firmen.wko.at vorgenommenen Firmenabfrage.

2.2 Die Negativfeststellungen ergeben sich aus den widersprüchlichen Angaben, zu denen das AMS weder Frau G. als Zeugin vernommen, noch die Beschwerdeführerin eingehend befragt hat.

Insbesondere hat das AMS in der Niederschrift am 05.03.2019 als Aussage der Beschwerdeführerin zu den Angaben von Frau G., wonach ein sofortiger Arbeitsbeginn angeboten worden sei, lediglich protokolliert: "Es wurden diverse Arbeitszeitmodelle besprochen, ich konnte aber noch nicht konkret sagen[,] wann es geht, da dies erst abgeklärt werden muss (Mann, Tagesheim)".

Die im Beschwerdeverfahren dann schriftlich an Frau G. gerichteten Fragen wurden der Beschwerdeführerin dagegen nie gestellt, nämlich (unter anderem und sinngemäß), ob (a) sie den Ablauf betreffend das Gesprächsthema sofortiger Arbeitsbeginn genauer schildern könne, ob die Beschwerdeführerin (b) um mehr Zeit gebeten habe, um die Kinderbetreuung zu regeln, ob sie (c) erkennen lassen habe, dass sie an einer späteren Arbeitsaufnahme interessiert sei und (d) konkret danach gefragt habe, ob eine Arbeitsaufnahme z. B. in einer Woche möglich wäre.

2.3 Es wurde auch auf eine Gegenüberstellung verzichtet, was speziell auf die Angabe von Frau G. hin, ihr sei die Zeit zu schade, konstruktiv in einer Viertelstunde einen Plan zu erstellen, und die Aussage der Beschwerdeführerin ratsam gewesen wäre, dass sie etwa 20 min auf Frau G. gewartet habe, wenn man bedenkt, dass diese ihre Rückmeldung bereits um 9:27 h geschrieben hatte. Frau G. lässt das AMS dabei noch wissen, dass die Beschwerdeführerin wegen eines Arzttermins wenig Zeit hatte, "den Betrieb zu sehen", und dass sie dieser erklärt habe, dass sie Frau G.s wertvolle Zeit verbraucht habe. Wäre es demgegenüber am verspäteten Erscheinen von Frau G. gelegen, dass es an Zeit mangelte, hätte dazu die Beschwerdeführerin Auskunft geben können.

Aus all dem lässt sich vermuten, dass die Atmosphäre in dem Hotel - in der Frühstückszeit mit einer fehlenden Kellnerin - wenig half, Missverständnisse zu vermeiden. Dem hat das AMS nicht mit den erforderlichen Beweisaufnahmen Rechnung getragen.

Das Gericht geht unter diesen Umständen nicht davon aus, es wäre feststellbar, dass die Beschwerdeführerin die Annahme einer angebotenen zumutbaren Stelle erwiesener Maßen vereitelt und die Folgen in Kauf genommen hätte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Aufhebung und Zurückverweisung

3.1 § 10 Abs. 1 AlVG legt fest, dass eine Person, die sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle des AMS zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die auf diese Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld verliert. Das gilt nach § 38 AlVG auch für die Notstandshilfe.

Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit dieser im angefochtenen Bescheid verhängten Sanktion ist, dass die zugewiesene Beschäftigung als zumutbar und auch sonst geeignet in Betracht kommt, der Arbeitslose ein Verhalten gesetzt hat, das geeignet war, das Zustandekommen der Beschäftigung zu vereiteln, und dass dieses Verhalten kausal für das Nichtzustandekommen sowie vorsätzlich darauf gerichtet war.

3.2 Die Beschwerdeführerin bringt sinngemäß vor, sie habe lediglich am Tag der Vorstellung und dem nächsten (also dem Freitag) nicht zu arbeiten beginnen können, weil sie noch die Tagesunterbringung der Tochter zu regeln und wegen der Wochenenddienste die Betreuung mit ihrem Gatten zu besprechen gehabt hätte, was sie Frau G. als Anliegen mit dem Bemerken mitgeteilt habe, dass sie danach umgehend die Arbeit aufnehmen könne. Diese habe das Anliegen aber missinterpretiert und dem AMS entsprechend berichtet.

3.3 Bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz konnte kein Sachverhalt festgestellt werden, aus dem sich ergäbe, dass die Beschwerdeführerin den Arbeitsantritt vereitelt hätte, was aber von Amts wegen ebenso zu prüfen ist wie - gegebenenfalls - die Vorwerfbarkeit eines kausalen Verhaltens.

3.4 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass dem AMS bereits vor der Erlassung des Bescheids der Beschwerdeführerin aus dem Akt bekannt war, dass diese einen Ehemann und eine Tochter im Volksschulalter aufwies, sodass die einzige Information von Neuigkeitswert aus der Nachricht von Frau G. jene war, dass die Beschwerdeführerin bei jedem Vorschlag "eine Ausrede erzählt" habe, was aber in deren Einvernahme nicht konkret angesprochen oder gar eingestanden wurde. Dennoch hält das AMS (konkret der Leiter der Einvernahme) anschließend betreffend die Dienstzeitvorschläge fest, dass die Beschwerdeführerin Einwände bei jedem von diesen gehabt und "mit ihrem Verhalten eine mögliche Beendigung der Arbeitslosigkeit vereitelt" habe.

Zur Zurückverweisung zur - allfälligen - Erlassung eines neuen Bescheids:

3.5 Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z. 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z. 2).

Nach § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Beschwerdevorlage unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

3.6 Im vorliegenden Fall hat das AMS verkannt, dass einer Entscheidung über den Anspruchsverlust angesichts der bekannten Widersprüche ein Ermittlungsverfahren voranzugehen gehabt hätte, in welchem geklärt wird, welcher Sachverhalt vorliegt.

Die Feststellung wäre anhand der oben angeführten Beweise - Zeugenvernehmungen, Vernehmung der Beschwerdeführerin - zu treffen gewesen, allerdings nicht erst für eine Beschwerdevorentscheidung, sondern als Basis für die Entscheidung, ob überhaupt ein Vereitelungstatbestand erfüllt und damit die Erlassung eines Bescheids geboten ist. Zur beabsichtigten Feststellung wäre der Beschwerdeführerin sodann Parteiengehör zu gewähren gewesen, und zwar unter Verweis auf die Ergebnisse der Beweisaufnahmen.

3.9 Das AMS hat demgegenüber lediglich eine Niederschrift aufgenommen, in der die Frage, ob die Beschwerdeführerin "Ausreden" vorgebracht habe oder missinterpretiert worden sei, weil sie lediglich Aufschub für die Auswahl des Zeitschemas bis zur Absprache mit dem Gatten erbat, nicht thematisiert wurde.

Anschließend erging der angefochtene Bescheid der keinerlei Feststellung enthält, wie die Beschwerdeführerin durch ihr "Verhalten" ihre Anstellung vereitelt haben soll. Der Sachverhalt war bis dahin bloß ansatzweise ermittelt. Das AMS hat somit im Bescheid keine hinreichende Sachverhaltsfeststellung und deswegen keine auf eine solche aufbauende rechtliche Würdigung vorgenommen.

Wenn das AMS in der Stellungnahme zur Beschwerde vorbringt, "im Rahmen des Ermittlungsverfahrens" habe es versucht, Frau G. telefonisch zu erreichen, und - da diese sich in Besprechungen befunden habe - per E-Mail die Fragen "an den Betrieb" gerichtet, bezieht sich dieses Vorbringen offenbar auf - misslungene - ergänzende Ermittlungen im Beschwerdeverfahren. Angesichts des zeitlichen Ablaufs, bei dem von der Beschwerde bis zur E-Mail-Nachricht zwei Monate vergingen, kann ein solches Vorgehen auch nicht als geeignet angesehen werden, rechtzeitig den bekämpften Bescheid mittels Beschwerdevorentscheidung nachträglich tauglich zu begründen.

3.10 Das Modell der Aufhebung des Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde folgt konzeptionell dem des § 66 Abs. 2 AVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2018] § 28 VwGVG Anm. 11). Bei der Ausübung des Ermessens nach § 66 Abs. 2 f AVG sind auch die Bedeutung und die Funktion der Rechtmittelbehörde ins Kalkül zu ziehen. Die Einräumung eines Instanzenzugs darf nicht mangels sachgerechten Eingehens und brauchbarer Ermittlungsergebnisse [in erster Instanz] "zur bloßen Formsache degradiert" werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. Als Sachverhalt hat sie daher alle Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 28.07.1994, 90/07/0029 mwH).

Dennoch kommt eine Aufhebung des Bescheids nach § 28 Abs. 2 Z. 1 f VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen, besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (§ 37 AVG) "lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden" (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Wie erwähnt, hat das AMS nur ansatzweise ermittelt. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind auch deshalb nicht gegeben, weil die verwaltungsgerichtliche Entscheidung weder im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, zumal sich Wohnung und Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin, der Arbeitsplatz der Zeugin G. und die AMS-Dienststelle in derselben Stadt befinden.

Da somit die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorliegen, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Zurückverweisung aus verwaltungsökonomischen und Gründen des Rechtsschutzes nach § 28 Abs. 3 VwGVG im Fall der mangelhaften Sachverhaltsermittlung.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Notstandshilfe, Vereitelung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I419.2219916.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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