TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/30 98/05/0095

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Veröffentlicht am 30.06.1998
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Index

L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
GdO OÖ 1990 §102 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Theresia und des Heinrich Mayr in St. Georgen im Attergau, vertreten durch Zamponi, Weixelbaum & Partner, Rechtsanwälte OEG in Linz, Kaisergasse 17, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. März 1998, Zl. BauR - 012035/1 - 1998/GR/Vi, betreffend Einwendungen gegen ein Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde St. Georgen im Attergau, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit der Beschwerde vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Beschwerdegegenständlich ist das Vorhaben der mitbeteiligten Gemeinde, auf dem Grundstück Nr. 548/1, EZ 812, Grundbuch St. Georgen im Attergau, eine Spiel- und Sporthalle zu errichten. Das Vorhaben ist nach der geltenden Flächenwidmung im Grünland-Sonderwidmung Sport- und Spielfläche gelegen, der Abstand zum Grundstück der Beschwerdeführer, welches im Wohngebiet gelegen ist, beträgt laut Einreichunterlagen etwa 8 m. In der Spiel- und Sporthalle sollen verschiedene Sportveranstaltungen abgehalten werden; es soll auch eine Musikanlage installiert werden, welche für den Betrieb einer Eisdisco und anderer Musikveranstaltungen vorgesehen ist. Bei der am 6. Mai 1997 abgehaltenen Bauverhandlung haben die Beschwerdeführer die Verletzung subjektiver Rechte, insbesondere durch Lärm, Abluft sowie Erschütterungen und Vibrationen, gerügt und die grundsätzliche Unzulässigkeit des Projektes aus Gründen der Flächenwidmung und Stellplatzsituation eingewendet.

Mit Bescheid des Vizebürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde wurde die Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Einer Berufung der Beschwerdeführer dagegen wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Dezember 1997 keine Folge gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der Beschwerdeführer Folge und stellte fest, daß sie durch den Bescheid in ihren Rechten verletzt werden. In der Begründung wurde zunächst darauf hingewiesen, daß die Widmungskategorie keinen Immissionsschutz für Nachbarn biete; allerdings hätten die Nachbarn ein subjektives Recht darauf, daß schädliche Umwelteinwirkungen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen herbeizuführen, vermieden werden. Die Gemeindebehörden hätten zur Frage von Art und Ausmaß der zu erwartenden Immissionen (Lärmimmissionen, Erschütterungen und Vibrationen, Abluft usw.) ein überaus umfangreiches Ermittlungsverfahren durchgeführt, es jedoch unterlassen, zur Frage der Auswirkung der vom technischen Sachverständigen prognostizierten Immissionen auf den menschlichen Organismus ein abschließendes Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einzuholen. Deswegen sei das abgeführte Ermittlungsverfahren mangelhaft gewesen und es müsse ein neues medizinisches Sachverständigengutachten, das auf den befundmäßigen Feststellungen des immissionstechnischen Gutachtens aufbaue, eingeholt werden. Dabei müsse bei Beurteilung der Immissionsfrage ein objektiver Maßstab angelegt werden, weil es etwa auf die Lärmempfindlichkeit eines gesunden, normal empfindenden Menschen ankomme. Die Gemeindebehörden hätten mangels Einholung eines entsprechenden medizinischen Sachverständigengutachtens ihr Verfahren mit Mängeln im Sinne des § 37 AVG belastet, weshalb die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens verletzt worden seien.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer aufgrund der im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommenden Rechtsansichten in ihren Rechten verletzt, entgegen den Bestimmungen der Oö Bauordnung und des Oö Bautechnikgesetzes nicht durch übermäßigen Lärm, Erschütterungen, Vibrationen, Abluft und Brandgefahr in ihrer Gesundheit gefährdet bzw. auch sonst belästigt zu sein, weiters in ihrem Recht auf vollständige Ermittlung des Sachverhaltes und ordnungsgemäße Beweiswürdigung sowie auf Aufhebung des Berufungsbescheides unter den Voraussetzungen des § 102 Oö Gemeindeordnung. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Beschwerdeführer erachten sich "zunächst" in ihren im Beschwerdepunkt bezeichneten Rechten durch die Rechtsansicht der belangten Behörde verletzt, daß das geforderte neue bzw. ergänzende medizinische Sachverständigengutachten auf den befundmäßigen Feststellungen des immissionstechnischen Gutachtens vom 12. August 1997 aufzubauen hätte. Durch dieses Gutachten sei aber die Immissionssituation des geplanten Gebäudes in keiner Weise geklärt worden und sei das Gutachten in mehrfacher Weise unschlüssig, zumal es auf unrichtigen Annahmen aufbaue. Die Beschwerdeführer hätten im Bauverfahren die Widersprüchlichkeit des Amtsgutachtens durch ein Gegengutachten dargetan, diese Unrichtigkeit bzw. Unschlüssigkeit und Unvollständigkeit wird sowohl hinsichtlich Lärm, Erschütterungen und Vibrationen, aber auch Abluft und Brandgefahr geltend gemacht. Als Verletzung von Verfahrensvorschriften werfen die Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, daß sie die nötigen Ermittlungstätigkeiten unterlassen habe und bei der gegebenen Unschlüssigkeit bzw. Ergänzungsbedürftigkeit der Entscheidungsgrundlage der Baubehörde keine weiteren Erhebungen und gutachtlichen Feststellungen aufgetragen habe; diese Verletzung von Verfahrensvorschriften sei insofern ergebnisrelevant, als die belangte Behörde bei Einhaltung der gebotenen Ermittlungstätigkeiten zu einem anderen Bescheid, insbesondere zur Aufhebung des Baubescheides zweiter Instanz aus weiteren Gründen, und damit auch zu einer anderen Rechtsansicht hätte kommen können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 102 Abs. 1 Oö Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 91/1990, kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges dagegen Vorstellung erheben. Nach Abs. 5 dieser Bestimmung hat die Aufsichtsbehörde, sofern die Vorstellung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Bei der neuerlichen Entscheidung ist die Gemeinde an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, kommt nur den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zu (siehe beispielsweise zuletzt das hg. Erkenntnis vom 24. März 1998, Zl. 98/05/0008, m.w.N.). Zur Rechtslage in Oberösterreich wurde ausgeführt, daß durch die nicht die Aufhebung tragenden sonstigen Begründungselemente eines Vorstellungsbescheides, welche an sich zu einer Abweisung der Vorstellung hätten führen müssen, eine Rechtsverletzung des Vorstellungswerbers nicht eintritt, weil ja dem Spruch des Bescheides nach die Vorstellung des Beschwerdeführers erfolgreich war und den weiteren Ausführungen in der Begründung auch in einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens neuerlich entgegengetreten werden kann. Die Begründung eines Bescheides als solche vermag nicht in Rechtskraft zu erwachsen, sodaß ihr über den Spruch des Bescheides hinaus rechtliche Erheblichkeit fehlt (hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, Zl. 95/05/0018). Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Aufhebung allein darauf gestützt, daß die Gemeindebehörden kein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt haben. Die Auffassung der belangten Behörde, daß ein solches medizinisches Sachverständigengutachten auf dem immissionstechnischen Gutachten aufzubauen hat, entfaltet für das fortgesetzte Verfahren keine bindende Wirkung, weil das immissionstechnische Gutachten nicht den Grund für die Aufhebung durch die Vorstellungsbehörde gebildet hat.

Der oben zitierte letzte Satz der Beschwerdeschrift macht den Rechtsirrtum der Beschwerdeführer deutlich: Sie haben keinen Rechtsanspruch darauf, daß der von ihnen bekämpfte Bescheid "auch aus weiteren Gründen" aufgehoben wird, sondern sie können sich in diesem Verfahrensstadium nur dadurch beschwert erachten, daß aus einem die Aufhebung tragenden Grund in ihre Rechte eingegriffen wird. Alle anderen Begründungselemente des angefochtenen Bescheides entfalten für das fortgesetzte Verfahren keine Bindungswirkung, sodaß insofern auch keine Rechtsverletzungsmöglichkeit besteht.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Im Hinblick auf die durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Schlagworte

Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998050095.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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