TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/28 G304 2175022-1

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Veröffentlicht am 28.11.2019
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Entscheidungsdatum

28.11.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G304 2175022-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Mag. Ferenc ULLMANN als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 30.06.2017, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.03.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 40, 41 Abs. 1, 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, sowie § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 14.03.2017 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) samt Beilagen ein, der gemäß Hinweis auf dem Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt.

2. Der BF brachte am 31.03.2017 bei der belangten Behörde einen weiteren Antrag auf Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Verlustes, Diebstahls oder der Ungültigkeit" samt Befunde ein.

3. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurden medizinische Sachverständigengutachten eingeholt.

3.1. Im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Psychiatrie, vom 28.05.2017 wurde bezüglich Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Folgendes ausgeführt:

"Aus nervenärztlicher Sicht besteht nach wie vor eine rezidivierend depressive Störung. Es zeigen sich derzeit weiterhin keine Hinweise auf das Vorliegen einer isolierten sozialen Phobie oder einer isolierten Klaustrophobie. Es zeigen sich wiederholt auftretende Ängste im Rahmen der depressiven Grunderkrankung. Eine psychotherapeutische Behandlung wird nicht absolviert, ein psychiatrisch-stationärer Aufenthalt ist ebenso nicht erfolgt, damit sind auch nicht alle Therapiemodalitäten ausgeschöpft worden. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist somit vor diesem Hintergrund aus nervenfachärztlicher Sicht zumutbar. Bezüglich der somatischen Einschränkung bei der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel sei auf das orthopädische Fachgutachten verwiesen."

3.2. Im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Chirurgie, vom 13.06.2017 wurde bezüglich Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Folgendes ausgeführt:

"(...). Das sichere Ein- und Aussteigen ist möglich. Aus objektiver Sicht verfügt (der BF) über die erforderliche Kraft bzw. über die erforderliche Beweglichkeit (aktive- und passive Gelenksfunktionen, zielgerichtete Durchführung wiederkehrender Bewegungen, ausreichend koordinative Fähigkeiten), um öffentliche Verkehrsmittel (Hingehen zur Haltestelle, sicheres Einsteigen, Anhalten an Einsteigegriffen und Haltestangen und sicheres Aussteigen) zu benützen. Hinsichtlich der angegebenen Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung ist noch keine neurochirurgische fachärztliche Begutachtung erfolgt."

3.3. In der sachverständigen "Gesamtbeurteilung" von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 29.06.2017 wurde in Zusammenfassung der zuvor eingeholten Sachverständigengutachten aus den Bereichen der Psychiatrie und der Chirurgie bezüglich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Folgendes ausgeführt:

"(..). Es besteht weder von Orthopädisch-Chirurgischer Seite noch von Psychiatrischer Seite eine derartig schwere Mobilitätsminderung, als dass öffentliche Verkehrsmittel dauerhaft nicht benützt werden könnten."

4. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 30.06.2017 wurde dem BF aufgrund seines Antrages auf "Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Verlustes, Diebstahls oder der Ungültigkeit" mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens sein Grad der Behinderung 70 v.H. betrage, ihm daher ein unbefristeter Behindertenpass ausgestellt werde, und die Voraussetzungen für die zwei Zusatzeintragungen "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist Epileptiker/Epileptikerin" gegeben seien.

5. Gegen diesen Behindertenpass wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Dabei gab der BF unter Verweis auf ärztliche Gutachten und Befunde an, dass ihm aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowohl in psychiatrischer als auch in orthopädisch-chirurgischer Hinsicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich sei, weshalb er um die Vornahme der Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund einer dauerhaften Mobilitätseinschränkung in den Behindertenpass ersuche.

6. Am 31.10.2017 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

7. Mit Verfügung des BVwG vom 14.12.2017, Zl. G304 2175022-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Verfügung" dem BVwG zu übermitteln.

Mit weiterer Verfügung des BVwG vom 14.12.2017, Zl. G304 2175022-1/2Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 31.01.2018 um 13:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

8. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 20.10.2018 wurde nach durchgeführter Begutachtung des BF am 31.01.2018 keine die Mobilität oder die körperliche Belastbarkeit des BF erheblich einschränkende Funktionseinschränkung festgestellt und ausgeführt:

"Weder von psychiatrischer noch von orthopädischer Seite besteht eine derartige Mobilitätsbehinderung, dass öffentliche Verkehrsmittel dauerhaft nicht benutzt werden können. (...) Eine Harninkontinenz liegt vor. Das Tragen von handelsüblichen Inkontinenzvorlagen ist jedoch zumutbar. (..) Es besteht eine wiederkehrende depressive Erkrankung mit soziophoben und klaustrophoben Anteilen auf dem Hintergrund von negativen Kindheitserlebnissen. Eine spezifische isolierte Phobie liegt nicht vor. Auch wurden vom BF die Therapieoptionen nicht ausgeschöpft. Er hat bisher keine Psychotherapie in Anspruch genommen, auch wurde in den letzten 5 Jahren keine stationäre Therapie bzw. Reha-Behandlung in Anspruch genommen. Die beschriebene Verschlechterung findet in den Therapieoptionen keinen Widerhall."

9. Mit Verfügung des BVwG vom 13.11.2018, Zl. G304 2175022-1/4Z, dem BF zugestellt am 20.11.2018, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 20.10.2018 übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.

10. Am 27.11.2018 langte beim BVwG eine schriftliche Stellungnahme des BF samt Bestätigungen über zwei Kuraufenthalte in den Jahren 2011 und 2017 und einen Rehabilitationsaufenthalt im Jahr 2014 ein.

11. Am 20.03.2019 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Nach ausführlicher Erörterung der Rechtslage, Einvernahme des BF, Zwischenfragen durch den beisitzenden Richter und Stellungnahme der zur Verhandlung beigezogenen Sachverständigen vertagte die verhandelnde Richterin die Verhandlung auf unbestimmte Zeit zur zwischenzeitigen Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.

12. Mit Verfügung des BVwG vom 28.03.2019, Zl. G304 2175022-1/12Z, wurde Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Verfügung" dem BVwG zu übermitteln.

Mit weiterer Verfügung des BVwG vom 28.03.2019, Zl. G304 2175022-1/12Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 29.04.2019 um 15:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

13. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 29.04.2019 wurde nach durchgeführter Untersuchung des BF am 29.04.2019 keine erhebliche Funktionseinschränkung festgestellt und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für nicht zumutbar gehalten wurde.

Festgehalten wird, dass die vom Sachverständigen abgegebene Einschätzung ab Untersuchung gilt.

14. Mit Verfügung des BVwG vom 11.06.2019, Zl. G304 2175022-1/14Z, dem BF zugestellt am 19.06.2019, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 29.04.2019 im Rahmen des Parteiengehörs zur Abgabe einer Stellungnahme vorgehalten.

15. Eine Stellungnahme dazu ist bis dato beim BVwG nicht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Die gegenständliche Beschwerde richtet sich gegen den dem BF ausgestellten Behindertenpass vom 30.06.2017, mit der Begründung im Wesentlichen damit, es sei aufgrund der gesundheitlichen physischen und psychischen Beschwerden nicht gerechtfertigt, dass im Behindertenpass die Vornahme der vom BF beantragten Zusatzeintragung unterblieben sei.

Anfechtungsgegenstand des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist demnach die Frage, ob die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.

2.3. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

2.3.1. Nachdem ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin eingeholt und am 20.03.2019 unter Teilnahme des BF und der Sachverständigen, die das Gutachten vom 20.10.2018 erstellt hat, eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden war, wurde von Amts wegen ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt.

In diesem Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 29.04.2019, in welchem auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen und auch die vom BF in der Untersuchung am 29.04.2019 angeführten Beschwerden und die aktenmäßigen Befunde berücksichtigt wurden, wurde keine beim BF vorliegende erhebliche Funktionseinschränkung festgestellt und zur beantragten Zusatzeintragung folgende "Stellungnahme" abgegeben:

"Aufgrund der heutigen Untersuchung zeigt sich eine deutliche Gangfunktionsstörung aufgrund eines nachvollziehbaren akuten Lendenwirbelsäulensyndroms mit radikalerer Reizsymptomatik im Sinne einer Lumboischialgie, welche sich offenbar verschlechtert hat. Diesbezüglich ist eine Schmerzmedikation der WHO Stufe 3 lt. Befunden laufend. Zusätzlich ist objektivierbar, dass eine eingeschränkte Belastbarkeit aufgrund einer restriktiven Lungenfunktion nach Serienrippbruch beidseits gegeben ist. Des Weiteren ist fachärztlich (Neurologe und Psychiater sowie Psychologin) eine Klaustrophobie und Soziophobie dokumentiert. Diesbezüglich wird eine multimodale medikamentöse Therapie objektiviert. In der Zusammenschau sämtlicher Leiden, wobei dachspezifisch das orthopädische Leiden meines Erachtens führend ist, sind öffentliche Verkehrsmittel nicht zumutbar, da eine relevante Wegstrecke nur unter langem Abrasten, stückweise überwindbar ist, jedoch der sichere Transport und vor allem das sichere Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel nicht möglich sind."

Demnach ist dem BF unter Berücksichtigung aller seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen, seiner aufgrund einer Lungenfunktionseinschränkung nur eingeschränkten Belastbarkeit, seiner mit Klaustrophobie und Soziophobie vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen, die eine Therapie mit mehreren verschiedenen Medikamenten erfordert, und vor allem aufgrund des orthopädischen Leidens des BF, die Zurücklegung einer relevanten Wegstrecke nur stückweise unter langem Abrasten, somit nicht ununterbrochen, und der sichere Transport und vor allem das sichere Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel nicht möglich.

Da der BF gegen das ihm im Rahmen des Parteiengehörs vorgehaltene Sachverständigengutachten vom 29.04.2019 keine Einwendung erhoben hat, konnte dieses Gutachten gegenständlicher Entscheidung in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass beim BF die Voraussetzungen für die Feststellung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist, vorliegen.

Im gegenständlichen Fall beschwerte sich der BF dagegen, dass in dem ihm am 30.06.2017 ausgestellten Behindertenpass die Vornahme der von ihm im März 2017 beantragten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass unterblieben ist.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Behindertenpass des BF nach § 45 Abs. 2 S. 2 BBG Bescheidcharakter besitzt.

Da dem zuletzt von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten vom 29.04.2019 folgend beim BF keine erhebliche Funktionseinschränkung vorliegt und der BF eine relevante Wegstrecke nicht durchgehend, sondern nur stückweise mit Unterbrechung, zurücklegen und aufgrund seiner physischen und psychischen und dabei vor allem aufgrund seiner orthopädischen Leiden in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht sicher transportiert werden und vor allem nicht sicher ein- und aussteigen kann, ist dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2175022.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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