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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über den Antrag des T T in W, vertreten durch Dr. Viktor Wolczik, Dr. Alexander Knotek und Dr. Stefan Wurst, Rechtsanwälte in 2500 Baden, Pergerstraße 12, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur hg. Zl. 97/08/0629 protokollierten Beschwerde, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1998, Zl. 97/08/0629, wurde das Verfahren betreffend die vom Antragsteller erhobene Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 20. Oktober 1997, Zl. VIII/1-N-600/12-1997, betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, eingestellt, weil der Antragsteller der an ihn ergangenen Aufforderung zur Mängelbehebung nur mangelhaft nachgekommen war.
Dem Beschwerdeführer wurde mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1997 aufgetragen,
1. den Tag anzugeben, an dem der angefochtene Bescheid zugestellt worden sei,
2. eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vorzulegen und
3. eine weitere Ausfertigung der Beschwerde für den Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beizubringen.
Innerhalb der dafür vorgesehenen Verbesserungsfrist für zwei Wochen langte beim Verwaltungsgerichtshof zunächst ein Schriftsatz vom 13. Jänner 1998 ein, in dem der Beschwerdeführer erklärte, daß ihm der angefochtene Bescheid am 27. Oktober 1997 zugestellt worden sei. Des weiteren werde sowohl eine Ausfertigung der Beschwerde wie auch eine Kopie derselben beigebracht. Das Schreiben enthielt eine Beschwerdeausfertigung und eine Kopie derselben. Eine Kopie des angefochtenen Bescheides lag diesem Schreiben allerdings nicht bei; ebenso fehlten die drei ursprünglich eingebrachten Beschwerdeausfertigungen.
Mit einem weiteren Schreiben vom 26. Jänner 1998 wurden (innerhalb der Verbesserungsfrist) zwei Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides vorgelegt. Die drei ursprünglich eingebrachten Beschwerdeausfertigungen wurden auch mit diesem Schriftsatz nicht wieder vorgelegt.
Der Antragsteller begehrt nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führt begründend im wesentlichen aus, der Ergänzungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1997 sei dem Beschwerdeführer zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters am 12. Jänner 1998 zugestellt worden. Der Vertreter des Beschwerdeführers habe noch am selben Tag einen Schriftsatz zwecks Wiedervorlage der Beschwerde nach Ergänzung und Verbesserung diktiert und insbesondere in diesem Schriftsatz den Tag, an dem der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt worden sei, angegeben. Nach Unterfertigung dieses Schriftsatzes habe der Vertreter des Beschwerdeführers die seit zehn Jahren in der Kanzlei beschäftigte Kanzleikraft Karin G. angewiesen, die Wiedervorlage samt der gleichzeitig unterfertigten dritten (richtig: vierten) Ausfertigung der Beschwerde unter Anschluß einer Kopie des in Beschwerde gezogenen Bescheides und der vom Verwaltungsgerichtshof zurückgesandten zwei (richtig: drei) Ausfertigungen der Beschwerde als Beilage an den Verwaltungsgerichtshof zu übersenden. Der Kanzleikraft sei infolge der Wichtigkeit der Angelegenheit im Zuge der Unterfertigung der Wiedervorlage und der dritten (richtig: vierten) Ausfertigung der Beschwerde genau bezeichnet und gezeigt worden, welche Beilagen sie der Wiedervorlage hinzuzugeben habe. Der Vertreter des Beschwerdeführers habe die entsprechenden Beilagen im Akt ganz nach vorne gelegt und die Kanzleikraft angewiesen, die Kuvertierung dieser Wiedervorlage unverzüglich vorzunehmen und auf die Beifügung aller notwendigen Beilagen zu achten. Im Zuge der Postabfertigung sei der Kanzleikraft allerdings ein Fehler derart unterlaufen, daß ihr der Akt beim Kopieren zu Boden gefallen sei und sie diesen deshalb habe selbständig neu ordnen müssen. Die für die Beschwerde notwendigen Beilagen seien sodann aufgrund ihrer Erinnerung neu geordnet worden, wobei im Rahmen der Wiedervorlage lediglich eine dritte (richtig: vierte) Ausfertigung der Beschwerde beigelegt worden sei. Ebenso sei die Vorlage des angefochtenen Bescheides nicht erfolgt. Noch innerhalb der offenen 14-tägigen Verbesserungsfrist habe die Kanzleikraft allerdings festgestellt, daß sie versehentlich keine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides mitgesandt habe, da sie diese im Akt vorne aufgefunden habe. Der Vertreter des Beschwerdeführers habe daraufhin innerhalb der offenen Ergänzungsfrist mit einem weiteren Schriftsatz vom 26. Jänner 1998 zwei Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides vorgelegt. Die Kanzleikraft sei seit über zehn Jahren in der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers tätig. Sie habe sich stets als zuverlässig und besonders genau erwiesen, insbesondere habe sie alle Anweisungen stets mit großer Sorgfalt und Genauigkeit ausgeführt. Ein derartiger Fehler sei ihr bisher noch nie unterlaufen. Ihre Arbeit werde von seiten des Vertreters regelmäßig kontrolliert, dies im Hinblick auf die Postabfertigung sowie die Adressierung der Schriftstücke und Beifügung der bezughabenden Beilagen. Der Vertreter des Beschwerdeführers habe vom vorliegenden Mangel erst aufgrund der Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1998 Kenntnis erlangt, mit dem das Verfahren gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG eingestellt worden sei.
Dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war eine eidesstättige Erklärung der Kanzleikraft vom 27. Mai 1998 angeschlossen, die im wesentlichen dem Vorbringen des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers entspricht.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. z.B. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 656 f, zitierte Rechtsprechung). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit im Hinblick auf die Bestimmung des § 46 Abs. 1 zweiter Satz VwGG nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem nur als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem Angestellten, dessen Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan wird, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach Kontrolle desselben durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein unvorhergesehenes Ereignis dar (vgl. z.B. den Beschluß vom 3. Juli 1990, Zl. 90/08/0075, mit weiteren Judikaturhinweisen). Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist dem vorliegenden Antrag allerdings kein Erfolg beschieden:
Nach dem Vorbringen des Beschwerdevertreters wurde noch innerhalb der 14-tägigen Verbesserungsfrist von der Kanzleikraft festgestellt, daß sie versehentlich keine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides mitgesandt habe, da sie diese im Akt vorne aufgefunden habe. Der Vertreter des Beschwerdeführers habe daraufhin innerhalb der offenen Ergänzungsfrist mit einem zweiten Schriftsatz vom 26. Jänner 1998 zwei Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides vorgelegt.
Der Beschwerdevertreter legt allerdings nicht dar, weshalb in diesem Zusammenhang nicht auch festgestellt worden ist, daß die drei zurückgestellten Beschwerdeausfertigungen nicht an den Verwaltungsgerichtshof geschickt worden sind bzw. aus welchem Grund auch diesmal deren Wiedervorlage unterblieb. Im Hinblick auf das festgestellte Fehlverhalten der Kanzleikraft bei der ursprünglichen Mängelbehebung wäre nunmehr auch eine besondere Kontrolle geboten gewesen, die allerdings unterblieb.
Da im vorliegenden Fall somit nicht mehr von einem nur minderen Grad des Versehens gesprochen werden kann, war dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998080157.X00Im RIS seit
20.11.2000