Entscheidungsdatum
18.12.2019Norm
AlVG §12Spruch
W164 2210336-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Andreas JAKL (aus dem Kreis der ArbeitgeberInnen) und Dr. Peter SCHNÖLLER (aus dem Kreis der ArbeitnehmerInnen) als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , VSNR XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 20.06.2018, GZ. 304/SZ/ XXXX /2018, nach Beschwerdevorentscheidung vom 16.10.2018, GZ RAG/05661/2018, nach einer nicht öffentlichen Beratung vom 16.12.2019 zu Recht erkannt:
A)
I.
Die Beschwerdevorentscheidung vom 16.10.2018 wird gemäß § 28 Abs 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben.
II.
Die Beschwerde gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 20.06.2018 wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 20.06.2018 sprach das Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) aus, dass die dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gewährte Notstandshilfe ab dem 01.05.2018 eingestellt werde. Begründend wurde ausgeführt, dass laut Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) ab dem 01.05.2018 ein Anspruch auf Korridorpension bestehe. Das letzte Dienstverhältnis des BF habe durch Entlassung geendet.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte aus, ihm sei aufgrund falscher Auskünfte des AMS ein beträchtlicher Schaden zugefügt worden. Er habe nach Auskunft des AMS, dass er ab 01.05.2018 keinen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung haben würde, für den Monat Mai durch Wiederbetriebsmeldung das Ruhen seiner Gewerbeberechtigung beendet. Am 09.05.2018 habe er erneut mit dem AMS telefonisch Kontakt aufgenommen und die Auskunft erhalten, dass er unverändert als arbeitslos vorgemerkt sei und er weiterhin Bezüge aus der Notstandshilfe erhalten würde. Im Rahmen dieses Gesprächs sei ihm mehrmals von seinem Betreuer bestätigt worden, dass sein Anspruch auf Notstandshilfe erst mit dem 01.08.2018 enden würde. Da er dennoch keine Bezüge erhalten habe, habe er erneut mit dem AMS telefoniert. Am 20.06.2018 sei ihm im Zuge eines Telefonats mitgeteilt worden, dass er keine Bezüge für Mai erhalten könne, da er sich für diesen Monat als selbständig Erwerbstätiger versichert habe. Der BF habe vergessen, diese Versicherung für Mai 2018 zu stornieren. Er sei aber überzeugt, dass er für die Monate Mai bis Juli Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung hätte beziehen können.
3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.10.2018 hat das AMS diese Beschwerde abgewiesen. Begründend verwies das AMS auf ein vom BF vorgelegtes Schreiben der PVA vom 02.02.2018, worin ausgeführt wurde, dass die Voraussetzungen für die Alterspension zum Stichtag 01.08.2019 erfüllt seien. Die Voraussetzungen für die Alterspension nach Vollendung des 62. Lebensjahres ("Korridorpension") seien frühestens zum Stichtag 01.05.2018 erfüllbar, wenn noch weitere zwei Versicherungsmonate erworben werden. Das AMS habe dem BF zudem mitgeteilt, dass er aufgrund seiner fristlosen Entlassung aus seinem letzten Dienstverhältnis nach dem Pensionsstichtag für die Korridorpension keinen Anspruch auf Notstandshilfe habe. Der BF habe dem AMS am 06.03.2018 mitgeteilt, dass er sich nicht für die Korridorpension mit 01.05.2018 entscheiden, sondern mit 01.05.2018 seine vollversicherte Selbständigkeit wiederaufnehmen werde. Am 15.03.2018 habe der BF dem AMS den Nachweis über den Wiederbetrieb seiner Gewerbeberechtigung mit 01.05.2018 übermittelt. Am 11.06.2018 habe der BF dem AMS gemeldet, dass er die Korridorpension ab 01.08.2018 in Anspruch nehmen werde. Mangels Arbeitslosigkeit ab 01.05.2018 bestehe gemäß § 12 Abs. 1 AlVG kein Anspruch auf Notstandshilfe, weil der BF als selbständig Erwerbstätiger der Pensionsversicherungspflicht nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz ab dem 01.05.2018 unterlegen sei.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht einen Vorlageantrag.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF bezog ab 06.07.2010 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Sein letztes Dienstverhältnis endete durch Entlassung. Sein Pensionsstichtag für die Korridorpension war frühestens am 01.05.2018 erfüllbar, wobei der BF noch zwei weitere Versicherungsmonate zu erwerben hatte. Am 15.03.2018 meldete der BF den Wiederbetrieb seiner Gewerbeberechtigung per 01.05.2018. Von 01.05.2018 bis 31.07.2018 unterlag der BF als selbständig Erwerbstätiger der Pensionsversicherungspflicht nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz. Von 01.08.2018 bis 31.07.2019 bezog der BF eine Korridorpension. Ab 01.08.2019 bezog der BF eine Alterspension.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen stützen sich auf den unstrittigen Inhalt des Verwaltungsaktes - insbesondere auf das vom BF selbst vorgelegte Schreiben der PVA vom 02.02.2018 und auf die vom BF aktenkundig selbst vorgebrachte Tatsache, dass sein letztes Dienstverhältnis mit Entlassung endete, weiters auf die im Akt aufliegenden Daten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Im vorliegenden Fall war daher Senatszuständigkeit gegeben.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A I.)
Gemäß § 56 Abs. 2 zweiter Satz AlVG beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle zehn Wochen.
Im vorliegenden Fall langte die Beschwerde des BF am 26.07.2018 beim AMS ein. Die zehnwöchige Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung endete am 04.10.2018.
Die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung, die mit 16.10.2018 datiert ist, wurde dem BF am 18.10.2018 zugestellt. Die Beschwerdevorentscheidung vom 16.10.2018 wurde von einer unzuständigen Behörde erlassen. Die Unzuständigkeit ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (VwGH 21.01.1992, 91/11/0076). Die Beschwerdevorentscheidung war daher von Amts wegen zu beheben.
Folglich lebt der Ausgangsbescheid vom 20.06.2018, wieder auf (VwGH 17.11.2014, 2013/17/0113) und die dagegen erhobene Beschwerde war inhaltlich zu behandeln.
Zu A II.)
3.1. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 38 AlVG sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen. Die bezugsberechtigte Person ist von der amtswegigen Einstellung oder Neubemessung unverzüglich durch Mitteilung an die zuletzt bekannt gegebene Zustelladresse in Kenntnis zu setzen. Die bezugsberechtigte Person hat das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung der Mitteilung einen Bescheid über die Einstellung oder Neubemessung zu begehren. Wird in diesem Fall nicht binnen vier Wochen nach Einlangen des Begehrens ein Bescheid erlassen, so tritt die Einstellung oder Neubemessung rückwirkend außer Kraft und die vorenthaltene Leistung ist nachzuzahlen.
Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist Arbeitslos wer, eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat, nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund eines Einheitswertes, der kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erwarten lässt, unterliegt oder auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.
Gemäß § 22 Abs. 1 AlVG haben Arbeitslose, die eine Leistung aus einem der Versicherungsfälle des Alters aus der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Pensionsgesetz (APG), BGBl. I Nr. 142/2004, dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978, dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) oder dem Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger (FSVG), BGBl. Nr. 624/1978, ein Sonderruhegeld nach dem Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetz (NSchG), BGBl. Nr. 354/1981, oder einen Ruhegenuss aus einem Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft beziehen oder die Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus einem der Versicherungsfälle des Alters erfüllen, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Korridorpension gemäß § 4 Abs. 2 APG steht dem Anspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz für den Zeitraum von einem Jahr, längstens bis zur Erreichung der Anspruchsvoraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer, nicht entgegen, wenn die letzte Beschäftigung durch Kündigung des Arbeitgebers, durch berechtigten vorzeitigen Austritt, durch ungerechtfertigte oder sonstige unverschuldete Entlassung, durch Lösung während der Probezeit, durch Fristablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses, wenn vor dem befristeten Arbeitsverhältnis kein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestand, oder durch einvernehmliche Auflösung, wenn diese zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem darauf vertraut werden konnte, dass damit keine gegenüber anderen Lösungsarten nachteiligen Auswirkungen in der Arbeitslosenversicherung verbunden sein werden, oder nachweislich unter Umständen erfolgte, welche eine Abstandnahme von der einvernehmlichen Auflösung unzumutbar machten, beendet wurde.
Gemäß § 22 Abs. 2 AlVG gebührt für die Zeit eines laufenden Verfahrens auf Zuerkennung einer im Abs. 1 genannten Leistung die Leistung nach diesem Bundesgesetz bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Anspruch auf die im Abs. 1 genannte Leistung nur vorläufig. Bedingung für die Inanspruchnahme der vorläufigen Leistung ist eine Bestätigung des Pensionsversicherungsträgers, dass voraussichtlich eine Leistungspflicht dem Grunde nach binnen zwei Monaten nach dem Stichtag für die Pension nicht festgestellt werden kann. Wird eine im Abs. 1 genannte Leistung zuerkannt, so tritt ein Übergang des Anspruches gemäß § 23 Abs. 6 ein.
3.2. Daraus folgt für die gegenständliche Beschwerde:
Der BF unterlag von 01.05.2018 bis 31.07.2018 als selbständig Erwerbstätiger der Pensionsversicherungspflicht nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz. Mangels Arbeitslosigkeit hatte der BF somit von 01.05.2018 bis 31.07.2018 gemäß § 12 Abs. 1 AlVG keinen Anspruch auf Notstandshilfe.
Ab 01.08.2018 bezog der BF eine Korridorpension und hatte gem. § 22 Abs 1, zweiter Satz AlVG keinen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.
Wann exakt der BF sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Korridorpension erfüllt hat muss für die hier zu treffende Entscheidung nicht mehr ermittelt werden.
Soweit der BF einwendet, ihm seien seitens des AMS falsche Auskünfte erteilt worden, so ist dieser Einwand nicht geeignet, eine anderslautende Entscheidung über seinen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu bewirken. Die Geltendmachung einer Fehlinformation des AMS könnte im Wege der Amtshaftung erfolgen. Die Frage der vom BF behaupteten Fehlinformation durch das AMS muss im hier zu führenden Verfahren daher nicht geklärt werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung erscheint im vorliegenden Fall nicht geboten.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, insbesondere da die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).
Schlagworte
Beschwerdevorentscheidung, Einstellung, Fristablauf,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W164.2210336.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.03.2020