TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/20 W164 2200572-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.12.2019

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W164 2200572-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Andreas JAKL (aus dem Kreis der ArbeitgeberInnen) und Dr. Peter SCHNÖLLER (aus dem Kreis der ArbeitnehmerInnen) als Beisitzer über die Beschwerde von Mag. XXXX , VSNR. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 16.04.2018, AMS 966-Wien Hietzinger Kai, nach Beschwerdevorentscheidung vom 14.06.2018, GZ 2018-0566-9-000964, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 16.12.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und es wird der angefochtene Bescheid gemäß §§ 28 Abs 1, Abs 2 du Abs 5 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 16.04.2018, AMS 966-Wien Hietzinger Kai, sprach das Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) aus, dass der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 38 iVm § 10 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum 30.03.2018 bis 10.05.2018 verloren habe. Eine Nachsicht sei nicht erteilt worden. Der angeführte Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen worden sei. Begründend wurde ausgeführt, der BF habe durch sein Verhalten den Erfolg einer ihm zugewiesenen Wiedereingliederungsmaßnahme vereitelt. Nachsichtsgründe seien nicht gegeben

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte aus, er habe vor der verfahrensgegenständlichen Eingliederungsmaßnahme bereits mehrere Wiedereingliederungsmaßnahmen besucht. Er habe durch aktives Nachfragen und Diskutieren der Lehrinhalte mit dem Trainer Herrn Mag. XXXX , (im Folgenden: Z1) versucht die ihm schon bekannten Inhalte zu vertiefen und sich aktiv anzueignen. Der Z1 habe mit den Fragen und Anmerkungen des BF jedoch nicht umgehen können und habe ihn aus dem Kurs ausgeschlossen. Das Verhalten des BF sei in keiner Weise auf das Vereiteln der Wiedereingliederungsmaßnahme gerichtet gewesen. Als Beilage übermittelte der BF ein Schreiben, mit dem er die Sachverhalte, welche zu seinem Ausschluss geführt hätten, aus seiner Sicht schilderte.

Im Zuge des Beschwerdevorverfahrens befragte das AMS den ehemaligen Trainer, Z1, niederschriftlich zum Sachverhalt. Der BF erhielt diese Niederschrift im Sinne eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis und nahm schriftlich Stellung.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.06.2018, GZ 2018-0566-9-000964, wurde die Beschwerde des BF abgewiesen. Zur Begründung führte das AMS unter Zugrundelegung der im Beschwerdevorverfahren getätigten ergänzenden Befragungen aus, die dem BF zugewiesene Kursmaßnahme habe darauf abgezielt, eingefahrene Denkmuster und Verhaltensweisen zu verändern. Der BF habe den Kurs besucht. Er sei jedoch vom ersten Tag an, durch seine negative und kritische Unwilligkeit aufgefallen und habe ein gemeinsames Arbeiten in der Gruppe massiv behindert. Es werde den Aussagen des Z1 gefolgt, da dieser habe deutlich machen können, dass er sich eingehend darum bemüht habe, eine Verhaltensänderung des BF zu bewirken. Der BF habe im Kurs einen vorbereiteten Austrittszettel bei sich gehabt. Dies sei dahingehend zu verstehen, dass der BF einen Kursaustritt beabsichtigt habe. Der BF habe daher die ihm zu Recht zugewiesene Maßnahme vereitelt. Die Verhängung der Sanktion sei zu Recht erfolgt.

Dagegen erhob der BF fristgerecht einen Vorlageantrag, beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und erklärte erneut, dass er sich nicht bewusst provokant verhalten habe. Vielmehr habe der Z1 keinen angemessenen Umgang mit den anwesenden Kursteilnehmern gepflegt, sondern habe Erwachsene wie Kleinkinder behandelt. Nach Meinung des BF habe der Z1 noch weitere Personen vom Kurs ausgeschlossen. Der BF beantragte die Einvernahme namentlich genannter Personen.

Am 16.12.2019 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, an der der BF im Beisein seiner Rechtsvertretung und ein Vertreter des AMS als Parteien teilnahmen. Als Zeugen wurden der seinerzeitige Kursleiter des BF, Z1, dessen Co-Trainerin, Z2, zwei vom BF als Zeugen beantragte Teilnehmerinnen des Kurses und ein von Amtswegen als Zeuge geladener Teilnehmer des Kurses (Z3-5) befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der über 50 jährige BF ist Akademiker und ausgebildeter Deutsch- und Geschichtelehrer. Er hat Berufserfahrung als Vertragslehrer, in der Bibliotheksbetreuung, als Schulungsreferent und Aussendienstmitarbeiter einer Versicherung. Seit 2002 bezieht er Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Er hat bereits mehrere Wiedereingliederungsmaßnahmen absolviert.

Im Februar 2018 wurde ihm erneut eine Wiedereingliederungsmaßnahme bei der XXXX GmbH mit der geplanten Dauer von 14 Wochen zugewiesen, die das Kursziel hatte, eingefahrene Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und zu ändern. Diese bestand aus Vorträgen und Übungsangeboten. Auch der Lebenslauf jedes Teilnehmers wurde im Einzelgespräch erörtert. Der Kurs wurde von einem Trainer (Z1) und einer Trainerin (Z2) abgehalten. Es handelte sich um ein Pilotprojekt, bei dem die beiden Vortragenden gegenüber jenen Teilnehmenden, die vorgeschlagene Übungen nicht mitmachen wollen, anstelle der bis dahin üblichen rein motivierenden Haltung eine strengere Haltung einzunehmen hatten und auch das Verhalten der Teilnehmer hinsichtlich deren Bereitschaft, sich zu bemühen, zu überwachen hatten.

Der BF - er bezeichnet sich selbst als einen Menschen, der im Allgemeinen nur anspricht, was ihn stört, hingegen über das, was er gut findet, schweigt; er bezeichnet sich weiters als nicht stressresistent und als jemanden, den häufiger berufliche Kontakt mit anderen Menschen belastet - beteiligte sich an den dort gebotenen Vorträgen sehr aktiv mit kritischen Fragen und kritischen Anmerkungen. Als ihm vorgeschlagen wurde, seinen Lebenslauf neu zu modifizieren, stellte er mit dem Argument, dass der von ihm vorgelegte Lebenslauf bereits von anderen Coaches (in vorangegangenen Wiedereingliederungsmaßnahmen) begutachtet und für gut befunden wurde, die Sinnhaftigkeit einer neuerlichen Modifizierung in Frage. Als ihm vorgeschlagen wurde, ein unbezahltes Praktikum als Lektor im Lebenslauf in einem positiven Licht zu präsentieren, weigerte er sich mit dem Argument, er sei nicht bereit zu lügen. Als er aufgefordert wurde, sich an einem Rollenspiel zu beteiligen, lehnte er mit ausführlichen Begründungen ab. Der Z1 bemühte sich hartnäckig, den BF umzustimmen, was letztendlich nicht gelang. Als der Z1 zu einem Vortrag ein Buch über Körpersprache heranzog, welches der BF als überkommen und frauenfeindlich betrachtet, sprach der BF dies unverblümt aus. Als ein anderer Kursteilnehmer erfreut berichtete, dass ihm erstmals eine Firma, bei der er sich beworben habe, - mit einer Absage, aber immerhin - schriftlich geantwortet habe, merkte der BF an, diesen Erfolg dürfe sich nicht der Z1 auf seine Fahnen schreiben. Als in der letzten Kurseinheit vor Ostern seitens der Vortragenden vorgeschlagen wurde, dass die Teilnehmer etwas Passendes mitbringen - diese Aufforderung lag dem BF gut - trug er ein Ostergedicht aus der Weltliteratur vor, was allgemein - auch beim Z1 - gut ankam.

Die Z2 - sie ist ausgebildete Pädagogin - erlebte das Verhalten des BF insgesamt als eine im Grunde willkommene Herausforderung. Der Z1 nahm den BF als negativ denkend wahr und hatte das Ziel, diesen aus seiner Denkweise "herauszuholen". Er erlebte den BF jedoch als unwillig und provokant. Der Z1 befürchtete eine Zuspitzung der Kurssituation, da ein weiterer junger Teilnehmer immer öfter Kritik äußerte und gemäß der Wahrnehmung des Z1 vom BF dabei unterstützt wurde. Die übrigen Kursteilnehmer erlebten den BF als einen, der stets auf Seiten der Kursteilnehmer stand. Als provokant oder andere Kursteilnehmer aufhetzend nahmen sie ihn nicht wahr. Der BF selbst bemerkte, dass sich sein Verhältnis zum Z1 zunehmend verschlechterte. Er hatte den Eindruck, der Z1 würde von allen Teilnehmern erwarten, sich ihm bedingungslos unterzuordnen; der BF würde die von ihm als penetrant wahrgenommene Erwartungshaltung des Z1 nicht mehr lange aushalten können. Aufgrund seiner langjährigen Arbeitslosigkeit war dem BF bewusst, dass er den Kurs nicht im Zorn verlassen dürfe. Der BF stattete sich mit einer "Austrittserklärung" aus, einem selbst verfassten Schreiben, das ihm aus seiner Sicht einen vom Trainer durch dessen Unterschrift genehmigten Austritt sichern sollte. Dieses Schreiben hatte der BF im Kurs stets bei sich. Als sich Ende März 2018 in einer Kurseinheit erneut eine Kommunikation zwischen dem Z1 und dem BF entwickelte, die den BF zornig machte, knallte er die Austrittsvereinbarung auf den Tisch und forderte den Z1 auf, zu unterschreiben, was dieser ablehnte. Am nächsten Kurstag wurde der BF vom Z1 zu einem Einzelgespräch gebeten. Als der Z1 dem BF in diesem Gespräch vorhielt, er benehme sich wie ein kleines Kind entgegnete dieser, dass der Z1 ein schlechter Trainer sei. In der Folge verfügte das AMS in Absprache mit dem Veranstalter des Kurses den Kursabbruch des BF.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Verwaltungsakt und Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2018. Dabei war im Besonderen auf die Aussage der Trainerin, Frau Mag. XXXX , Z2, zurückzugreifen, die den von ihr wahrgenommenen Sachverhalt sehr klar und unvoreingenommen dargelegt hat. Aufgrund ihrer Aussage konnte zunächst festgestellt werden, dass die verfahrensgegenständliche Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ein Pilotprojekt in dem Sinn war, dass Trainer mit Teilnehmern, die nicht mitmachen, streng zu sein hatten und diese zu dahingehend zu beobachten hatten, ob sie sich bemühen. Beim verfahrensgegenständlichen Ausschluss des BF vom Kursbesuche konnte somit nicht etwa auf bisherige Erfahrungen mit vergleichbaren Fällen zurückgegriffen werden.

Die Aussage der Z2, dass sie den BF als sehr präsent, selbstbewusst, nicht immer einfühlsam, jedoch keineswegs als ungut, beleidigend oder grenzüberschreitend erlebt hat, lässt erkennen, dass das Verhalten des BF von den beiden Vortragenden subjektiv höchst unterschiedlich wahrgenommen wurde. Ihre Aussage, dass der Z1 die Teilnehmer nicht gezwungen, jedoch sehr hartnäckig animiert habe, am Rollenspiel teilzunehmen, dass die Z2 später jedoch im Einvernehmen mit dem Z1 keine Rollenspiele mehr vorgeschlagen habe, da sich diese zu schwierig gestalteten, zeigt auch, dass hier ein Lernprozess für alle Beteiligten stattgefunden hat. Aus der Weigerung des BF, am Rollenspiel teilzunehmen, ist in diesem Gesamtzusammenhang nicht auf eine geplant ablehnende Haltung zu schließen.

Dass der BF auch sonst nicht bewusst provozieren wollte, zeigen die von ihm, von der Z2 und vom Z1 vorgebrachten Beispiele (siehe "1. Feststellungen"). Der BF bezeichnete sich selbst als nicht stressresistent, weiters als jemanden, den der berufliche Umgang mit anderen Menschen belastet und der eher geneigt ist, sich negativ zu äußern während er positive Eindrücke schweigend hinnimmt. Diese Selbsteinschätzung steht mit den in der mündlichen Verhandlung dargelegten Beispielen im Einklang, die den BF als einen mitunter über die Maßen kritischen, unvorsichtigen und angespannten aber keineswegs als bewusst sabotierenden Kursteilnehmer erscheinen lassen.

Dass der BF während des Kursbesuchs eine von ihm selbst verfasste "Austrittserklärung" mit sich führte, spricht isoliert betrachtet eindeutig gegen ihn. Allerdings finden sich im festgestellten Sachverhalt keine Hinweise darauf, dass der BF etwa nachdrücklich versucht hätte, den Z1 zur Unterschriftsabgabe auf dieser Austrittserklärung zu bewegen. Der BF selbst hat das Verfassen und Mitführen seiner Austrittserklärung damit erklärt, dass er den Fall vermeiden wollte, eines Tages den laufenden Kurs im Zorn zu verlassen und dann mit einer Sanktion konfrontiert zu werden. Dass der BF auf Vorschläge des Z1 mitunter sehr emotional reagierte, bestätigte der Z1 bereits im Beschwerdevorverfahren und erneut in der mündlichen Verhandlung. Dass der BF den Kontakt zum Z1 subjektiv als sehr belastend erlebte, hat er in der Verhandlung insgesamt nachvollziehbar dargelegt. Unter diesem Blickwinkel ist nicht davon auszugehen, dass der BF seine Austrittserklärung mit dem Ziel bei sich führte, bei nächster Gelegenheit entlassen zu werden und so den Erfolg des Kurses zu sabotieren, sondern dass er für den Fall einer von ihm befürchteten Eskalation seine rechtliche Position stärken wollte. Ob seine Austrittserklärung dazu geeignet gewesen wäre, muss nicht untersucht werden.

Was die Vorlage der Austritterklärung betrifft, so bestätigte der Z1, dass der BF auch in diesem Zeitpunkt sehr emotional war, was erneut gegen die Annahme spricht, dass der BF damit bewusst geplant hätte, den Erfolg des von ihm besuchten Kurses zu hintertreiben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der BF mit der von ihm als belastend erlebten Kommunikation mit dem Z1 nicht angemessen umgehen konnte. Auch die vom Z1 getätigte Aussage, er habe dem BF im darauffolgenden Einzelgespräch vorgehalten, dieser benehme sich wie ein kleines Kind, zeigt, dass der Z1 das Verhalten des BF nicht als bewusst planend wahrgenommen hat. Der exakte Wortlaut des Einzelgesprächs konnte nicht mehr ermittelt werden. Dass der BF in diesem Gespräch bewusst beleidigende Worte gewählt hätte, wie vom Z1 in der mündlichen Verhandlung behauptet wurde, ist nicht als erwiesen anzunehmen. Für den BF spricht schließlich, dass ihm seitens des AMS zum ersten Mal Vereitelung vorgeworfen wurde.

Das festgestellte Verhalten des BF spricht im vorliegenden Gesamtzusammenhang somit nicht für eine geplant sabotierende Haltung des BF.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Im vorliegenden Fall war daher Senatszuständigkeit gegeben.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2. die Anwartschaft erfüllt und

3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

(2) bis (8) [...]

§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

(2) - (6)

Gemäß § 9 Abs 7 AlVG gilt als Beschäftigung, unbeschadet der erforderlichen Beurteilung der Zumutbarkeit im Einzelfall, auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP), soweit dieses den arbeitsrechtlichen Vorschriften und den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards entspricht. Im Rahmen dieser Qualitätsstandards ist jedenfalls die gegebenenfalls erforderliche sozialpädagogische Betreuung, die Zielsetzung der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen theoretischen und praktischen Ausbildung sowie im Falle der Arbeitskräfteüberlassung das zulässige Ausmaß überlassungsfreier Zeiten und die Verwendung überlassungsfreier Zeiten zu Ausbildungs- und Betreuungszwecken festzulegen.

§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt,

2.(...)

3.(...)

4.(...)

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

(2)(...)

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

(4)(...)

Zufolge § 38 AlVG sind die Bestimmungen des Abschnittes 1 (soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist) sinngemäß anzuwenden.

Unter dem Begriff der "Vereitelung" im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei gegebener Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt. Das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses muss nicht nur in der Sphäre des Vermittelten, sondern darüber hinaus in einem auf das Nichtzustandekommen gerichteten oder dies zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben. Die Vereitelung verlangt daher ein vorsätzliches Handeln des Vermittelten, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung dieses Tatbestandes hingegen nicht hin. Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung zu qualifizieren ist, kommt es demnach zunächst darauf an, ob dieses Verhalten überhaupt für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte im Sinne der obigen Ausführungen vorsätzlich gehandelt hat (VwGH 92/08/0042 vom 20.10.1992).

Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine arbeitslose Person, die einer zur Behebung ihrer Vermittlungsdefizite erforderlichen und zumutbaren Schulungs-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme zugeteilt wurde (vgl. zur Erforderlichkeit und Zumutbarkeit einer Maßnahme etwa VwGH 31.7.2014, 2013/08/0279), die Verpflichtung hat, alles zu unterlassen, was den Erfolg der Maßnahme vereiteln könnte, widrigenfalls eine Sperrfrist nach § 10 Abs. 1 AlVG verhängt werden kann. Die Vereitelung des Erfolges der Maßnahme kann durch eine ungerechtfertigte Weigerung bewirkt werden, an der Maßnahme überhaupt teilzunehmen, aber auch durch ein sonstiges vorsätzliches Verhalten, welches objektiv geeignet ist, den Erfolg der Maßnahme zu verhindern (vgl. VwGH 19.9.2007, 2006/08/0241, mwN). In diesem Sinn können etwa Verspätungen beim Kursbesuch und unentschuldigtes Fernbleiben bei Erreichen einer gewissen Häufigkeit und Intensität als Verweigerung der Teilnahme an der Maßnahme und damit als Vereitelung der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gewertet werden (vgl. VwGH 16.3.2011, 2007/08/0042).

Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:

Dem BF wurde eine zumutbare Wiedereingliederungsmaßnahme zugeteilt. Damit traf ihn die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was den Erfolg der Maßnahme vereiteln könnte.

Der BF besuchte den Kurs regelmäßig und pünktlich. Er beteiligte sich aktiv und kritisch an den Inhalten und forderte die Vortragenden, Z1 und Z2, auf diese Weise heraus. Zu den anderen Teilnehmern verhielt sich der BF kollegial. Von Beleidigungen oder Übergriffen nahm er Abstand. Sein Verhalten war insoweit objektiv nicht geeignet, den Erfolg der Maßnahme zu beeinträchtigen.

Seinen in der Folge gefassten Entschluss, eine Austrittserklärung zu verfassen und für den Fall einer Eskalation im Rahmen seiner mit dem Z1 zu führenden Kommunikation mit sich zu führen, traf der BF in einer von ihm als konfliktbeladen erlebten Phase des Kurses, die ihn belastete. Die Vorlage dieser Austrittserklärung an den Z1 erfolgte im Zorn. Das nachfolgende Einzelgespräch ergab keinen Grund, den BF vorzeitig aus dem Kurs zu entlassen.

Das hier zu prüfende Verhalten des BF ist in seiner Gesamtheit nicht als vorsätzlich den Erfolg der Maßnahme vereitelnd- auch nicht im Sinne des dolus eventualis - zu beurteilen. Der Tatbestand der Vereitelung iSd § 10 AlVG ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Notstandshilfe, Verhalten, Wiedereingliederungsmaßnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W164.2200572.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten