TE Vwgh Erkenntnis 2020/1/30 Ro 2019/16/0001

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Veröffentlicht am 30.01.2020
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Index

E3R E02101000
E3R E02200000
E3R E02202000
E6J
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §212
BAO §212a
BAO §212a Abs5
BAO §212a Abs9 lita
BAO §217
BAO §217 Abs4 litb
BAO §230 Abs6
31992R2913 ZK 1992 Art232
31992R2913 ZK 1992 Art244
31992R2913 ZK 1992 Art244 Abs2
32013R0952 ZK 2013 Art114
32013R0952 ZK 2013 Art45 Abs1
32013R0952 ZK 2013 Art45 Abs2
62013CJ0129 Kamino International Logistics VORAB
62016CJ0276 Prequ' Italia VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Zollamtes Feldkirch Wolfurt gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 14. September 2018, Zl. RV/1200006/2018, betreffend Verzugszinsen nach Art. 114 UZK (mitbeteiligte Partei: H H in L, vertreten durch die Jelenik & Partner AG in 9490 Vaduz, Liechtenstein, Landstraße 60), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit (in den vorgelegten Akten des Verfahrens nicht enthaltenem) Bescheid vom 18. März 2014 teilte das Zollamt Feldkirch Wolfurt dem Mitbeteiligten die buchmäßige Erfassung von gemäß Art. 202 des Zollkodex entstandenen Eingangsabgaben in der Höhe von 9.720 € mit und setzte eine Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG in Höhe von 107,41 € fest.

2        Der Mitbeteiligte erhob mit Schriftsatz vom 9. April 2014 dagegen Beschwerde und beantragte in der Beschwerde die Aussetzung der Vollziehung der „hier beschwerdegegenständlichen Abgaben“ und der „hier rechtsmittelverfangenen Abgaben“ von 9.827,41 €.

3        Mit Berufungsvorentscheidung vom 1. August 2014 änderte das Zollamt Feldkirch Wolfurt den bekämpften Bescheid, teilte dem Mitbeteiligten die zu der erwähnten Mitteilung vom 18. März 2014 in Höhe von 4.860 € an Zoll und 972 € an Einfuhrumsatzsteuer nachträglich buchmäßig erfassten Beträge an Eingangsabgaben mit, woraus sich gesamte Eingangsabgaben von 15.552 € ergaben, und setzte die Abgabenerhöhung neu mit 215,50 € fest.

4        Mit Schriftsatz vom 3. September 2014 brachte der Mitbeteiligte dagegen einen Vorlageantrag ein und verband damit den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der „beschwerdegegenständlichen Abgaben“ und der „hier rechtsmittelverfangenen Abgaben von gesamt EUR 15.767,50“.

5        Mit einem (in den vorgelegten Akten des Verfahrens nicht enthaltenen) Erkenntnis vom 20. Dezember 2017 bestätigte das Bundesfinanzgericht die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes.

6        Über den in der Beschwerde vom 9. April 2014 gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschied das Zollamt Feldkirch Wolfurt mit Bescheid vom 1. August 2014 und wies den Antrag ab.

7        Mit Schriftsatz vom 3. September 2014 erhob der Mitbeteiligte dagegen Beschwerde, verknüpft mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung „der beschwerdegegenständlichen Abgaben“ und der „hier rechtsmittelverfangenen Abgaben von gesamt EUR 15.767,50“.

8        Das Zollamt Feldkirch Wolfurt wies mit Berufungsvorentscheidung vom 16. Jänner 2017 die Beschwerde vom 3. September 2014 als unbegründet ab.

9        Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2017 reichte der Mitbeteiligte einen Vorlageantrag ein, verknüpft mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung „der rechtsmittelverfangenen Abgaben von gesamt EUR 15.767,50“.

10       Das Bundesfinanzgericht wies mit Erkenntnis vom 17. April 2018 die Beschwerde des Mitbeteiligten vom 3. September 2014 betreffend die Aussetzung der Vollziehung als unbegründet ab.

11       Mit Bescheid vom 2. Juni 2017 setzte das Zollamt Feldkirch Wolfurt betreffend die oben erwähnten buchmäßig erfassten Eingangsabgaben samt Abgabenerhöhung Verzugszinsen für Mai 2017 in Höhe von 20,29 € fest, wogegen der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 3. Juli 2017 Beschwerde erhob und damit den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung „der hier gegenständlich nunmehr rechtsmittelverfangenen Abgabe (EUR 20,29 - Zeitraum 01.05.2017 bis 31.05.2017)“ verband.

12       Mit Bescheid vom 3. November 2017 setzte das Zollamt Feldkirch Wolfurt betreffend die oben erwähnten Eingangsabgaben samt Abgabenerhöhung Verzugszinsen für Oktober 2017 in Höhe von 20,29 € fest, wogegen der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 13. November 2017 Beschwerde erhob und damit den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung „der hier gegenständlich nunmehr rechtsmittelverfangenen Abgabe (EUR 20,29 - Zeitraum 01.10.2017 bis 31.10.2017)“ verband.

13       Das Zollamt Feldkirch Wolfurt wies mit Berufungsvorentscheidung vom 9. Jänner 2018 die Beschwerden vom 3. Juli und vom 13. November 2017 als unbegründet ab.

14       Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2018 reichte der Mitbeteiligte einen Vorlageantrag dagegen ein und verknüpfte damit den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung „der rechtsmittelverfangenen Abgaben in Höhe von gesamt EUR 40.58 (Verzugszinsen)“.

15       Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht die bekämpften Bescheide des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom 2. Juni 2017 und vom 3. November 2017 auf und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

16       In Vollziehung des Art. 244 des Zollkodex seien die nationalen Bestimmungen des § 212a BAO anzuwenden, soweit der Zollkodex nicht (wie etwa hinsichtlich der Voraussetzungen des § 212a Abs. 1 BAO für die Aussetzung) anderes bestimme. Art. 244 Zollkodex regle nur die materiellen Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung. Eine spezielle nationale Regelung über das Verfahren bei einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 Zollkodex sei im Zollrechts-Durchführungsgesetz nicht ausdrücklich normiert worden.

17       Sei ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt worden, so dürften nach näherer Anordnung des § 230 Abs. 6 BAO Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon betroffenen Abgaben bis zu seiner Erledigung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.

18       Mit Wirksamwerden des Unionszollkodex UZK) am 1. Mai 2016 habe sich an der Rechtslage nichts geändert. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen betreffend das Rechtsbehelfsverfahren fänden sich nach wie vor in der Bundesabgabenordnung. Die im Zollrechts-Durchführungsgesetz normierten Abweichungen (§ 43 bis 46 UZK) beträfen nicht das Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung. Daher seien nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes näher genannte Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zum Art. 244 Zollkodex auch auf Art. 45 UZK übertragbar. Auf Grund des durch die bisherige Nichterledigung des Aussetzungsantrages bestehenden Zahlungsaufschubes nach § 230 Abs. 6 BAO sei die Vorschreibung von Verzugszinsen unzulässig.

19       Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesfinanzgericht damit, dass noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage bestehe, ob die Bestimmung des § 230 Abs. 6 BAO im Zusammenhang mit Aussetzungsanträgen durch Art. 45 UZK überlagert werde.

20       Die dagegen erhobene Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens (Revisionsbeantwortungen wurden nicht eingereicht) dem Verwaltungsgerichtshof vor.

21       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

22       Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 302 vom 19.10.1992, (Zollkodex - ZK) lautet:

„Art. 7 Abgesehen von den Fällen nach Art. 244 Abs. 2 sind Entscheidungen der Zollbehörden sofort vollziehbar.“

23       Art. 244 ZK lautet:

„Art. 244 Durch die Einlegung des Rechtsbehelfs wird die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung nicht ausgesetzt.

Die Zollbehörden setzen jedoch die Vollziehung der Entscheidung ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte.

Bewirkt die angefochtene Entscheidung die Erhebung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben, so wird die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Diese Sicherheitsleistung braucht jedoch nicht gefordert werden, wenn eine derartige Forderung auf Grund der Lage des Schuldners zu ernsten Schwierigkeiten wirtschaftlicher oder sozialer Art führen könnte.“

24       Gemäß Art. 245 ZK werden die Einzelheiten des Rechtsbehelfsverfahrens von den Mitgliedstaaten erlassen.

25       Gemäß Art. 222 Abs. 1 ZK ist ein nach Art. 221 leg. cit. mitgeteilter Abgabenbetrag vom Zollschuldner innerhalb näher angeführter Fristen zu entrichten.

26       Ist der Abgabenbetrag nicht fristgerecht entrichtet worden, so werden gemäß Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b) ZK zusätzlich zu dem Abgabenbetrag Säumniszinsen erhoben. Der Säumniszinssatz kann höher als der Kreditzinssatz sein, darf jedoch nicht niedriger sein.

27       § 80 des Zollrechts-Durchführungesetzes (ZollR-DG) in der Stammfassung enthielt nähere Bestimmungen über die Säumniszinsen.

28       Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, (Unionszollkodex - UZK) sind gemäß Art. 288 Abs. 2 UZK ab dem 1. Mai 2016 anzuwenden.

29       Art. 22 Abs. 4 UZK lautet:

„(4) Sofern in der Entscheidung oder in den zollrechtlichen Vorschriften nichts anderes bestimmt ist, wird die Entscheidung an dem Tag wirksam, an dem sie dem Antragsteller zugestellt wird bzw. als ihm zugestellt gilt. Außer in den Fällen des Art. 45 Abs. 2 sind Entscheidungen der Zollbehörden ab diesem Tag vollziehbar.“

30       Gemäß Art. 45 Abs. 1 UZK hat die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung keine aufschiebende Wirkung.

31       Art. 45 Abs. 2 UZK lautet:

„(2) Die Zollbehörden setzen jedoch die Vollziehung der Entscheidung ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte.“

32       Art. 45 Abs. 3 UZK regelt die Fragen einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung.

33       Gemäß Art. 108 Abs. 1 UZK ist der einer nach Art. 102 leg. cit. mitgeteilten Zollschuld entsprechende Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag vom Zollschuldner innerhalb der von den Zollbehörden gesetzten Frist zu entrichten, welche unbeschadet des Art. 45 Abs. 2 leg. cit. zehn Tage ab dem Tag der Mitteilung der Zollschuld an den Zollschuldner nicht überschreiten darf.

34       Gemäß Art. 114 Abs. 1 ZK werden ab dem Tag, an dem die Zahlungsfrist abläuft, bis zum Tag der Zahlung Verzugszinsen auf den Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag berechnet.

35       Die Zollbehörden können gemäß Art. 114 Abs. 3 UZK darauf verzichten, Verzugszinsen zu berechnen, sofern auf der Grundlage einer dokumentierten Bewertung der Verhältnisse des Zollschuldners festgestellt wurde, dass dies zu ernsten Schwierigkeiten wirtschaftlicher oder sozialer Art führen würde.

36       Da der Rechtsbehelf gegen eine zollrechtliche Entscheidung keine aufschiebende Wirkung hat, steht er der unmittelbaren Vollziehung dieser Entscheidung nicht entgegen, wobei Art. 244 Abs. 2 ZK (nunmehr Art. 45 Abs. 2 UZK) es den Zollbehörden gestattet, die Vollziehung dieser Entscheidung ganz oder teilweise auszusetzen, wenn diese Behörden begründete Zweifel an der Rechtsmäßigkeit dieser Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte (vgl. auch EuGH 3.7.2014, Kamino International Logistics BV u.a., C-129 und C-130/13, Rn 56). Bei Entscheidungen über die Zollerhebung sieht Art. 244 Abs. 2 ZK (nunmehr Art. 45 Abs. 2 UZK) auf Grund des allgemeinen Interesses der Union, ihre Eigenmittel schnellstmöglich zu erheben, vor, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen einen Steuerbescheid die Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheides nur dann bewirkt, wenn begründete Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte (vgl. EuGH 20.12.2017, Prequ´ Italia Srl, C-276/16, Rn. 58).

37       Gemäß § 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) gelten ihre Bestimmungen in Angelegenheiten der Eingangsabgaben nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist.

38       § 212a BAO regelt die Aussetzung der Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt.

39       Gemäß § 212a Abs. 5 BAO besteht die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung in einem Zahlungsaufschub.

40       Gemäß § 217 Abs. 1 BAO sind nach näherer Anordnung Säumniszuschläge zu entrichten, wenn eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren, nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird.

41       Gemäß § 217 Abs. 4 lit. b BAO sind Säumniszuschläge für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 leg. cit. gehemmt ist.

42       § 230 Abs. 6 BAO lautet:

„(6) Wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt, so dürfen Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon nach Maßgabe des § 212a Abs. 1, 2 lit. b, 2a und 3 letzter Satz betroffenen Abgaben bis zu seiner Erledigung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.“

43       Das Bundesfinanzgericht vertritt zusammengefasst die Ansicht, die Festsetzung von Verzugszinsen nach Art. 114 Abs. 1 UZK für die im Revisionsfall betroffenen Monate Mai und Oktober 2017 (somit bereits im Anwendungsbereich des UZK) sei im Revisionsfall deshalb unzulässig, weil ihr auf Grund der „Nichterledigung“ des Aussetzungsantrages der „Zahlungsaufschub“ nach § 230 Abs. 6 BAO entgegenstünde.

44       In Vollziehung des Art. 244 ZK sind die nationalen Bestimmungen des § 212a BAO anzuwenden, soweit der Zollkodex nicht (wie etwa hinsichtlich der Voraussetzung des § 212a BAO für die Aussetzung der Einhebung) anderes bestimmt (vgl. VwGH 27.9.2012, 2010/16/0196, und - wie vom Bundesfinanzgericht zitiert - VwGH 26.2.2004, 2003/16/0018, sowie VwGH 27.9.1999, 98/17/0227).

45       Die Wirkung eines Zahlungsaufschubes (§ 212a Abs. 5 BAO) tritt erst mit der Gewährung der Aussetzung ein.

46       Die Bestimmung des § 230 Abs. 6 BAO bewirkt noch keinen Zahlungsaufschub, sondern hemmt lediglich die Einbringung.

47       Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK, nunmehr nach Art. 45 Abs. 2 UZK bewirken zwar gemäß § 230 Abs. 6 BAO eine Hemmung der Einbringung (§§ 229 bis 233 BAO), nicht jedoch eine Hemmung jeglicher Einhebung (6. Abschnitt der BAO; §§ 210 bis 242a BAO).

48       Dass im nationalen Recht bereits die Einbringung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) bis zur Erledigung des Antrages die Pflicht zur Entrichtung von Säumniszuschlägen ausschließt, beruht auf der Bestimmung des § 217 Abs. 4 lit. b BAO. Dafür sind bereits ab Antragstellung Aussetzungszinsen zu bezahlen (§ 212a Abs. 9 lit. a BAO).

49       Für das unionsrechtlich geregelte Zollrecht gelten die Bestimmungen der BAO über die Säumniszuschläge nicht, weil solche Säumnisfolgen im Unionsrecht geregelt sind (Säumniszinsen nach Art. 232 ZK, nunmehr Verzugszinsen nach Art. 114 UZK). Daher bewirkt ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK oder nach Art. 45 Abs. 2 UZK allein noch keine Verlängerung der Zahlungsfrist und hindert nicht, dass bei ungenütztem Ablauf der Zahlungsfrist Verzugszinsen nach Art. 114 UZK festzusetzen sind. Bemerkt sei, dass mit der Regelung von Verzugszinsen nach Art. 114 UZK Aussetzungszinsen (§ 212aAbs. 9 lit. a BAO) für denselben Zeitraum ausgeschlossen sind.

50       Das bloße Einbringen des Aussetzungsantrages bewirkt somit de iure noch keine Aussetzung (vgl. auch Reuter/Fuchs, Das neue Zollrecht der Europäischen Union2, Rz 126 Punkt 5).

51       Im Revisionsfall wurde die vom Mitbeteiligten (mit Anträgen vom 9. April und vom 3. September 2014) begehrte Aussetzung der Vollziehung der Bescheide vom 18. März 2014 und vom 1. August 2014 nicht gewährt und blieben dagegen erhobene Rechtsbehelfe bisher (Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 17. April 2018 zum Antrag vom 9. April 2014; der Aktenlage nach offener Antrag vom 3. September 2014) erfolglos.

52       Zu einer Hemmung oder Unterbrechung der seinerzeit von den Bescheiden vom 18. März 2014 und vom 1. August 2014 abhängigen Zahlungsfristen ist es daher im Revisionsfall nicht gekommen.

53       Bei dieser Fallgestaltung erübrigen sich Fragen zur zeitlichen Wirkung einer gewährten Aussetzung der Vollziehung nach Art. 45 Abs. 2 UZK oder nach dem Schicksal festgesetzter Verzugszinsen im Falle eines Erfolges des Rechtsbehelfes gegen die Mitteilung der buchmäßigen Erfassung von Eingangsabgaben (im Revisionsfall war der Rechtsbehelf im Hinblick auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 20. Dezember 2017 erfolglos).

54       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 30. Jänner 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62013CJ0129 Kamino International Logistics VORAB
EuGH 62016CJ0276 Prequ' Italia VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019160001.J00

Im RIS seit

05.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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