TE Vwgh Beschluss 2020/2/12 Ro 2016/08/0006

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Veröffentlicht am 12.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §18b Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der Pensionsversicherungsanstalt (als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht), vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 12/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Jänner 2016, W229 2010905-1/8E, betreffend Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG (mitbeteiligte Partei: G S in G, vertreten durch Mag. Christoph Stöhr, Rechtsanwalt in 4810 Gmunden, Franz Karl Fellinger-Gasse 7; weitere Partei:

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Revisionswerberin vom 2. Juni 2014, mit dem ausgesprochen worden war, dass die Selbstversicherung der Mitbeteiligten in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG für Zeiten der Pflege ihres Vaters mangels erheblicher Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege mit 31. Mai 2013 ende, Folge und sprach in Abänderung der Entscheidung aus, dass die Selbstversicherung mit 31. Dezember 2014 ende.

Das Verwaltungsgericht führte begründend im Wesentlichen aus, der Vater der Mitbeteiligten, der zuletzt Pflegegeld der Stufe 5 bezogen habe, sei ab dem 29. März 2013 bis zu seinem Tod am 15. Dezember 2014 von 24-Stunden-Kräften gepflegt worden. Auf Grund der (näher erörterten) besonderen Betreuungserfordernisse sei er daneben auch von der Mitbeteiligten, die ab dem 1. Juni 2013 (wieder) eine unselbständige Erwerbstätigkeit im Ausmaß von 24 Stunden wöchentlich ausgeübt habe, durchschnittlich drei Stunden täglich gepflegt worden. Im Hinblick darauf sei die Arbeitskraft der Mitbeteiligten durch die Pflege erheblich beansprucht worden. Da auch alle anderen Voraussetzungen unstrittig erfüllt seien, sei der Anspruch auf Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG bis zum 31. Dezember 2014 berechtigt.

2.2. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, unter welchen Voraussetzungen eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinn des § 18b ASVG vorliege.

3.1. Die Revisionswerberin macht in der Revision geltend, für die Beurteilung des Vorliegens einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft sei der Umfang der Pflege entscheidend. Eine nähere Konkretisierung dieses Kriteriums ergebe sich aus § 18b Abs. 1 ASVG, der einen Anspruch des nahen Angehörigen auf Pflegegeld der Stufe 3 voraussetze, was nach § 4 Abs. 2 Bundespflegegeldgesetz (BP GG) einem Pflegebedarf von mehr als 120 Stunden monatlich bzw. knapp 30 Stunden wöchentlich entspreche. Gegenständlich werde ein solches Ausmaß jedoch im Hinblick auf die festgestellte Pflegeleistung der Mitbeteiligten von durchschnittlich (lediglich) drei Stunden täglich nicht erreicht. Folglich liege keine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft vor.

3.2. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

4. Die Revision ist entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) - Ausspruch des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf das inzwischen ergangene hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2017, Ro 2014/08/0084, nicht zulässig.

5.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem soeben genannten Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann (vgl. auch VwGH 19.1.2017, Ro 2014/08/0082; 19.1.2017, Ro 2015/08/0014), klargestellt, was unter einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege im Sinn des § 18b ASVG zu verstehen ist. Demnach kommt es auf die anhand der Regelungen des BPGG und der dazu ergangenen Einstufungsverordnung zu ermittelnde Anzahl der von der pflegenden Person für den nahen Angehörigen durchschnittlich zu leistenden Pflegestunden an, wobei eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft bei einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 14 Stunden wöchentlich bzw. ab 60 Stunden monatlich anzunehmen ist.

5.2. Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen im Revisionsverfahren nicht strittigen Feststellungen wurde der - zuletzt Pflegegeld der Stufe 5 beziehende - Angehörige ungefähr drei Stunden täglich von der Mitbeteiligten gepflegt. Bei einer solchen täglichen Stundenanzahl ist das für das Vorliegen einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft vorauszusetzende zeitliche Ausmaß von durchschnittlich 14 Stunden wöchentlich bzw. 60 Stunden monatlich jedenfalls erfüllt.

6.1. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist daher durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bereits geklärt (siehe zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung etwa VwGH 26.6.2014, Ra 2014/03/0005) und wurde vom Verwaltungsgericht auch zutreffend gelöst.

6.2. Weitergehende Rechtsfragen - etwa in Bezug auf die Voraussetzungen, unter denen zusätzliche Pflegeleistungen durch nahe Angehörige trotz Beiziehung von 24-Stunden-Pflegekräften bei der Beurteilung nach § 18b ASVG als notwendig anzuerkennen sind (vgl. bereits VwGH 30.11.2018, Ro 2016/08/0021 (betreffend einen Fall mit Pflegegeldstufe 6)) - wurden nicht aufgeworfen und waren daher nicht zu erörtern.

7. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2016080006.J00

Im RIS seit

12.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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