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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §33 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des D H in W, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 14. November 2019, Zl. LVwG-S-1207/002-2019, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit nach dem KFG 1967 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde, durch Bestätigung des Bescheides der belangten Behörde vom 29. April 2019, der Antrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erteilung der Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 gemäß § 71 Abs. 2 AVG als verspätet zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
2 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht, soweit hier wesentlich, fest, der Revisionswerber sei als Zulassungsbesitzer eines näher genannten Kraftfahrzeuges mit Schreiben der belangten Behörde vom 27. November 2018 gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 zur Bekanntgabe des Lenkers binnen zwei Wochen aufgefordert worden. Mit Straferkenntnis vom 20. März 2019, das dem Revisionswerber - nach Durchführung eines Zustellversuchs am 22. März 2019 unter Verständigung über die Hinterlegungsanzeige durch Einlegen in der Abgabeeinrichtung - durch Hinterlegung (mit Beginn der Abholfrist am 23. März 2019) zugestellt worden sei, sei er wegen Nichterteilung der Lenkerauskunft schuldig erkannt worden.
3 Mit Schriftsatz vom 18. April 2019 habe der Revisionswerber
die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der
Frist zur Erteilung der Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967
beantragt und, was die Rechtzeitigkeit dieses Antrages betreffe,
ausgeführt, er habe "in Folge des Straferkenntnisses ... im Zuge
der Akteneinsicht vom 12.04.2019 ... erstmals Kenntnis von der
Lenkeranfrage" erhalten.
4 In der rechtlichen Beurteilung erachtete das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als verfristet, weil dieser nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist nach dem Wegfall des Hindernisses (§ 71 Abs. 2 AVG) gestellt worden sei, die gegenständlich mit der Zustellung des Straferkenntnisses am 23. März 2019 zu laufen begonnen habe.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).
9 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Entscheidungen nicht ausreicht. Ebenso reicht auch die bloße Nennung von hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht aus (vgl. zum Ganzen den Beschluss VwGH 23.4.2018, Ra 2018/11/0066, mwN).
10 Den zuvor genannten Anforderungen entspricht das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision in weiten Teilen nicht. Soweit die Revision dabei näher umschriebene Rechtsfragen (wiederholt) deshalb als wesentlich erachtet, weil von diesen "eine Vielzahl von Rechtsunterworfenen" betroffen sei, wird die grundsätzliche Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG noch nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 26.7.2018, Ra 2017/11/0294, Rn 21).
11 Die Revision führt weiters aus, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob die Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer versäumten Lenkerbekanntgabe (Wegfall des Hindernisses iSd § 71 Abs. 2 AVG) bereits mit dem Tag, ab dem das hinterlegte Straferkenntnis wegen unterlassener Lenkerbekanntgabe bei der Post abgeholt werden kann (Zustellfiktion; fallbezogen:
23. März 2019), oder mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntniserlangung dieses Straferkenntnisses (dazu wird in der Revision einerseits die Akteneinsicht am 12. April 2019, andererseits verschiedentlich auch der 4. April 2019 genannt) zu laufen beginne.
12 Auch damit wird jedoch nicht aufgezeigt, dass die Behandlung der Revision von der Beantwortung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt:
13 Voranzustellen ist, dass die Lenkerauskunftsfrist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auch eine verfahrensrechtliche Frist darstellt und die Versäumung derselben grundsätzlich einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich ist (VwGH 27.1.2005, 2004/11/0212).
14 Im Revisionsfall geht es ausschließlich um die Frage, ob der Antrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 18. April 2019 "binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses" gestellt wurde.
15 Die zweiwöchige Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages beginnt gemäß § 71 Abs. 2 AVG mit dem "Wegfall des Hindernisses". Als Hindernis ist dabei jenes Ereignis zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Beruht die Versäumung der Frist auf einem Versehen, hört das Hindernis im Sinne des § 71 Abs. 2 VwGG in jenem Zeitpunkt auf, zu welchem dieses Versehen als solches erkannt werden konnte und musste (vgl. bspw. VwGH 22.2.2012, 2012/06/0001, zum insoweit vergleichbaren § 46 Abs. 3 VwGG, sowie allgemein VwGH 21.2.2019, Ra 2019/08/0030).
16 Wann eine Kenntnis in diesem Sinn anzunehmen ist, obliegt, wie bereits im zitierten Beschluss Ra 2019/08/0030, ausgeführt wurde, der einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre. Von einer Unvertretbarkeit der Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass der Revisionswerber bei gehöriger Aufmerksamkeit spätestens mit der - ihm auch angekündigten - Hinterlegung des (die Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG 1967 betreffenden) Straferkenntnisses hätte Kenntnis davon erlangen können, dass er die Beantwortung der Lenkeranfrage iSd § 103 Abs. 2 KFG 1967 verabsäumt hat, kann keine Rede sein (vgl. auch die hg. Judikatur zitiert bei Hengstschläger-Leeb, AVG (2009), § 71, Rn 101).
17 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 12. Februar 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020110005.L00Im RIS seit
10.03.2020Zuletzt aktualisiert am
15.04.2020