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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
AlVG 1977 §16 Abs1 litlBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des S D in W, vertreten durch Dr. Michael Celar, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilferstraße 88a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27. April 2017, Zl. W209 2132455- 2/3E, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien, Laxenburger Straße), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht den Bezug des Arbeitslosengeldes durch den Revisionswerber für die Zeit vom 18. Dezember bis 31. Dezember 2015 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und ihn gemäß § 25 Abs. 2 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes von EUR 461,72 verpflichtet. Der Revisionswerber habe im genannten Zeitraum Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 32,98 täglich bezogen und "für denselben Zeitraum eine Urlaubsabfertigung oder Urlaubsentschädigung der Bauarbeiter- , Urlaubs- und Abfertigungskasse ausbezahlt" erhalten. 2 Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) dem Revisionswerber am 14. Jänner 2016 eine "Detailaufstellung Sozialversicherungsdaten-Urlaubsersatzleistung" übermittelt hat, der zu entnehmen ist, dass er für den Zeitraum vom 18. bis 31. Dezember 2015 für zehn Urlaubstage EUR 2.152,10 brutto erhalte. In dem Schreiben findet sich der Vermerk "verrechnet am 08.01.2016". Der Revisionswerber hat am 24. Juni 2016 vor dem AMS angegeben, das Geld von der BUAK im Jänner 2016 erhalten zu haben. 3 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 16 Abs. 1 lit. l AlVG während des Zeitraums ruhe, für den eine Urlaubsersatzleistung nach dem BUAG gewährt werde. Dem Revisionswerber sei im gegenständlichen Zeitraum eine derartige Leistung gewährt worden. Die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes sei für den genannten Zeitraum gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu widerrufen.
4 Der Revisionswerber habe nicht das erste Mal nach Beendigung eines Dienstverhältnisses eine Urlaubsersatzleistung nach dem BUAG erhalten und im Anschluss daran Arbeitslosengeld bezogen. Ihm müsse klar gewesen sein, dass ihm nicht zugleich eine Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz gebühren könne. Ihm sei nach seinen "Lebens- und Rechtsverhältnissen" vorwerfbar, dass er den Überbezug nicht erkannt habe. Die Rückforderung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes sei gemäß § 25 Abs. 1 dritter Fall AlVG berechtigt.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision. Das AMS hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, aus seinen Angaben vor der belangten Behörde sowie aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass er erst im Laufe des Jänner 2016 eine Urlaubsabfertigungszahlung der BUAK erhalten habe. Somit habe er bei Antragstellung nicht wissen können, ob und in welcher Höhe eine Zahlung der BUAK gewährt werde. Ihm könne auf Grund der beinahe zeitgleichen Antragstellung betreffend die Zuerkennung von Arbeitslosengeld einerseits und auf Urlaubsersatzleistung andererseits nicht zugemutet werden, die konkreten rechtlichen Voraussetzungen und Grundlagen der jeweiligen Ansprüche zu überprüfen. Insbesondere sei er erst auf Grund der Empfehlung des Mitarbeiters des AMS auf einen Anspruch auf Urlaubsersatzleistung durch die BUAK aufmerksam gemacht worden. Er habe davon ausgehen dürfen, dass dies bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes durch die belangte Behörde berücksichtigt werde. Es sei für einen juristischen Laien nicht erkennbar, dass auf Grund des Bezugs einer Urlaubsersatzleistung Ansprüche auf Arbeitslosengeld geschmälert werden, zumal der Bezug von dritter Stelle (der BUAK) stamme und für Personen, die keine juristische Ausbildung vorweisen könnten, eine gewöhnliche Zahlung im Rahmen eines Dienstverhältnisses darstelle. Es sei nicht erkennbar, dass dadurch rechtliche Konsequenzen (für Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung) über die Dauer des Dienstverhältnisses hinaus begründet würden. Der Revisionswerber habe davon ausgehen dürfen, dass ihm sämtliche Bezüge zu Recht ausgezahlt worden seien. Das Erkenntnis widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
8 Die Revision ist im Sinne der Ausführungen des Revisionswerbers zulässig. Sie ist im Ergebnis auch berechtigt. 9 Gemäß § 16 Abs. 1 lit. l AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Zeitraums, für den eine Urlaubsersatzleistung nach dem BUAG gewährt wird. Gemäß § 16 Abs. 4 letzter Satz AlVG beginnt der Ruhenszeitraum mit dem achten Tag, der auf die Zahlbarstellung durch die BUAK folgt. Mit Zahlbarstellung im Sinn des § 11 Abs. 2 ASVG bzw. § 16 Abs. 4 AlVG ist der Zeitpunkt der (automationsunterstützten) Beauftragung eines Kreditinstituts gemeint und nicht etwa zB der Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer über den Überweisungsbetrag verfügen kann (VwGH 15.11.2017, Ra 2017/08/0113).
10 Das Bundesverwaltungsgericht hat über den Zeitpunkt der Beauftragung des Kreditinstituts keine Feststellungen getroffen. Aus dem Verrechnungsschreiben der BUAK vom 14. Jänner 2016 findet sich der Vermerk "verrechnet am 08.01.2016". Sollte dies der Tag der Beauftragung des Kreditinstituts gewesen sein, so würde im vorliegenden Fall der Ruhenszeitraum am darauf folgenden achten Tag begonnen haben. Ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 18. bis zum 31. Dezember 2015 lässt sich aus den getroffenen Feststellungen nicht ableiten, weshalb auf Basis dieser Feststellungen der Widerruf und die Rückforderung des für diesen Zeitraum geleisteten Arbeitslosengelds rechtswidrig sind.
11 Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
12 Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20 03.
Wien, am 12. Februar 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019080174.L00Im RIS seit
12.05.2020Zuletzt aktualisiert am
12.05.2020