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L10011 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Burgenland;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Michael Sommer in Stoob, vertreten durch Dr. Rudolf Schaller, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, Hauptstraße 4, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 15. Jänner 1998, Zl. VI/1-B-244/2-1997, betreffend Nichtigerklärung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hat mit Antrag vom 23. Oktober 1995, eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf am 24. Oktober 1995, um die nachträgliche Erteilung der baubehördlichen Bewilligung und Benützungsbewilligung für eine auf dem Grundstück Nr. 2775/1, EZ 13, KG Neutal, gelegene Fischerhütte angesucht. Über dieses Baugesuch fand am 24. März 1997 eine mündliche Verhandlung statt, in der der bautechnische Sachverständige ausführte, im Jahre 1995 sei die Fischerhütte im Ausmaß von 63 m2 wegen akuter Baufälligkeit abgerissen und an gleicher Stelle wieder aufgebaut worden. Als Bauweise sei eine Holzblockbauweise gewählt worden, die Hütte habe wie der Altbestand ein Satteldach, das mit Bramac-Alpendachsteinen, Farbe grau, eingedeckt worden sei. Die derzeitige Hütte sei gegenüber der alten von der Nutzfläche her etwas verkleinert, die Nutzfläche betrage nunmehr 61,65 m2.
Mit Bescheid vom 27. März 1997 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf dem Beschwerdeführer die beantragte Bau- und Benützungsbewilligung. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 10. April 1997 zugestellt und erwuchs in der Folge in Rechtskraft.
Mit Schreiben vom 24. November 1997 forderte die belangte Behörde die Vorlage des gegenständlichen Aktes an. Nach erfolgter Aktenvorlage erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 15. Jänner 1998, mit dem gemäß §§ 109 Z. 1 und 93 Abs. 3 der Burgenländischen Bauordnung in Verbindung mit § 20 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes der Bescheid vom 27. März 1997 als nichtig erklärt wurde. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, gemäß § 93 Abs. 3 der Burgenländischen Bauordnung sei ein Ansuchen (um Baubewilligung) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzuweisen, wenn sich aus dem Ansuchen und den angeschlossenen Unterlagen ergebe, daß das Vorhaben dem Flächenwidmungsplan, dem Bebauungsplan bzw. Teilbebauungsplan oder den Bebauungsrichtlinien widerspreche - oder, soweit das Bauvorhaben nach § 10 einer Bauplatzerklärung bedürfe - eine solche nicht vorliege und nicht gleichzeitig darum angesucht werde. Gemäß § 109 leg. cit. litten Bescheide, die gegen die Bestimmungen der §§ 10 Abs. 1 und 3, 12 Abs. 2 bis 4, 92 Abs. 1 bis 3, 93 Abs. 3 und 105 Abs. 2 dieses Gesetzes sowie gegen die Bestimmungen der §§ 14b, 20 Abs. 1 und 26 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes verstoßen, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler. Eine Nichtigerklärung sei im Falle der §§ 14b und 20 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes innerhalb von zwei Jahren nach Erlassung des Bescheides (§ 63 Abs. 5 AVG) zulässig. Nach Zitierung des § 20 Abs. 1, 4 und 5 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1969 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 12/1994, führte die belangte Behörde aus, daß das bebaute Grundstück im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als Grünfläche ausgewiesen sei. Widerspreche eine Bauführung der Widmungsbewilligung, so sei schon aus diesem Grund mit einer Versagung des Baugesuches vorzugehen. Baumaßnahmen in Grünflächen seien nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 20 Abs. 5 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes kumulativ vorlägen, wobei jedenfalls ein sachlicher und funktioneller Zusammenhang mit der widmungsgemäßen Nutzung gegeben sein müsse. Es sei zu prüfen, ob die Baulichkeit für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung erforderlich sei. Obwohl die Fischzucht an sich als landwirtschaftliche Nutzung zu beurteilen sei, könne im konkreten Fall die "Sportfischteichanlage" nicht zur Erzielung von Einnahmen gewertet werden. Aus dem vorgelegten Fischerei-Pachtvertrag lasse sich zweifelsfrei entnehmen, daß die Anlage weder einer Unterverpachtung zugänglich sei noch einer geschäftlichen bzw. gewerbsmäßigen Nutzung zugeführt werden könne. Sie diene ausschließlich dem Sportfischen, sodaß von einer hobbymäßigen Tätigkeit auszugehen sei. Die Bestimmungen über die Flächenwidmung könnten jedoch nicht dadurch umgangen werden, daß jemand lediglich einem Hobby, nicht aber zumindest einer nebenberuflichen landwirtschaftlichen Tätigkeit nachgehe. Schon allein aufgrund dieses Umstandes hätte die Baubehörde erster Instanz das Ansuchen ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung abweisen müssen. Da ein bereits formell rechtskräftiger Bescheid vorliege, sei nur ein Vorgehen nach § 109 Bgld. BauO denkbar gewesen. Jedenfalls rechtfertige ein Widerspruch des Baubewilligungsbescheides zum Flächenwidmungsplan eine Nichtigerklärung, da dieser Bescheid an mit Nichtigkeit bedrohten Fehlern leide. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf verstoße sowohl gegen § 93 Abs. 3 der Bgld. BauO als auch gegen § 20 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes, weshalb durch die Nichtigerklärung des obzitierten Bescheides jene Rechtslage herzustellen gewesen sei, die vor Erlassung des Bescheides bestanden habe. Abschließend wurde darauf hingewiesen, daß, obwohl der Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde mit 27. März 1997 datiert wurde und dem Beschwerdeführer laut Rückschein am 10. April 1997 zugekommen sei, Art. II des Gesetzes vom 10. November 1993 nicht zur Anwendung zu kommen habe, da die neue Fischerhütte nicht vor dem 1. März 1991 errichtet worden sei. Es liege auch kein geringfügiges, nicht bewilligungspflichtiges Vorhaben im Sinne des § 89 der Burgenländischen Bauordnung vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 68 Abs. 4 AVG können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
2.
einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
3.
tatsächlich undurchführbar ist oder
4.
an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.
Das bebaute Grundstück liegt nach dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan im Grünland. Nach § 20 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1969 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 12/1994, hat der genehmigte Flächenwidmungsplan neben der Wirkung auf den Bebauungsplan (Teilbebauungsplan) auch die Folge, daß Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen nach der Burgenländischen Bauordnung sowie Bewilligungen von sonstigen sich auf das Gemeindegebiet auswirkenen Maßnahmen auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften nur zulässig sind, wenn sie dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen. Nach Abs. 4 dieser Bestimmung fallen Baumaßnahmen in Verkehrsflächen und Grünflächen, welche für die der Flächenwidmung entsprechende Nutzung notwendig sind, nicht unter die Beschränkung des Abs. 1. Dies gilt auch für flächenmäßig nicht ins Gewicht fallende und im Zusammenhang mit der Wasser- und Energieversorgung, der Abwasserentsorgung, dem Fernmelde- und Sendewesen oder dem Sicherungswesen erforderliche Anlagen sowie für geringfügige Bauten (z.B. Garten- und Gerätehütten, kleine Statuen), Bauten, die nur vorübergehenden Zwecken dienen und für Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung des Naturhaushaltes (z.B. Biotope). Abs. 5 und 6 dieser Bestimmung lauten:
"(5) Die Notwendigkeit im Sinne des Abs. 4 ist dann anzunehmen, wenn nachgewiesen ist, daß
a) die Baumaßnahme in einem sachlichen oder funktionellen Zusammenhang mit der widmungsgemäßen Nutzung steht,
b) kein anderer Standort eine bessere Eignung im Hinblick auf die widmungsgemäße Nutzung bietet,
c) die Baumaßnahme auf die für die widmungsgemäße Nutzung erforderliche Größe, Gestaltung und Ausstattung eingeschränkt bleibt und
d) raumordnungsrelevante Gründe (z.B. Landschaftsbild, Zersiedelung, etc.) nicht entgegenstehen.
(6) Bescheide, die gegen Abs. 1 verstoßen, sind nichtig (§ 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950). Dies gilt auch für Bescheide nach der Bgld. Bauordnung, die gegen § 14 b verstoßen. Eine Nichtigerklärung ist nur innerhalb von zwei Jahren nach dem im § 63 Abs. 5 AVG 1950 bezeichneten Zeitpunkt möglich."
Gemäß § 109 der Burgenländischen Bauordnung leiden Bescheide, die unter anderem gegen die Bestimmung des § 20 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes verstoßen, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler.
Die Entscheidung gemäß § 68 Abs. 4 AVG (diese Bestimmung wird in § 20 Abs. 6 RPlG zitiert und ist daher auch hinsichtlich ihres Einleitungssatzes anzuwenden) in Ausübung des Aufsichtsrechtes einen Bescheid aufzuheben, wenn er an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet, stellt eine Ermessensentscheidung dar (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 647, zu 22c zitierte hg. Judikatur). Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Verwaltungsbehörde auch die Ermessensentscheidung ausreichend zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/06/0143, und die dort zitierte Vorjudikatur), und zwar in einem Ausmaß, das es der Partei ermöglicht, ihre Rechte auch vor dem Verwaltungsgerichtshof zweckmäßig zu verfolgen und das dementsprechend den Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt zu prüfen, ob die Behörde von ihrem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.
Im Zuge der Ermessensübung sind die nachteiligen Wirkungen des Bescheides in bezug auf das durch die verletzte Norm geschützte öffentliche Interesse gegen jene Nachteile abzuwägen, welche die Aufhebung des Bescheides in bezug auf die durch das im Interesse der Rechtskraft verkörperte Prinzip der Rechtssicherheit geschützten Interessen des Dritten nach den konkret zu beurteilenden Umständen des Einzelfalles mit sich brächte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1992, Slg. Nr. 13569/A).
Nun enthält der angefochtene Bescheid keinerlei Hinweis auf die Gründe, die die belangte Behörde bewogen haben, von dem in § 68 Abs. 4 AVG eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen, sodaß eine dahingehende Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof ausgeschlossen ist. Es wurde auch keine Interessensabwägung vorgenommen. In ihrer Gegenschrift verweist die belangte Behörde darauf, daß für den Beschwerdeführer als Pächter und Betreiber der Sportfischerei damit keine landwirtschaftliche Tätigkeit, die auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet wäre, verbunden sei. Anders liege der Fall bei der Verpächterin, der Fürstlich Esterhazy"schen Domänenverwaltung. Durch die Verpachtung der Fischteichanlage sei für die Verpächterin sehr wohl eine einnahmenorientierte Tätigkeit aus landwirtschaftlicher Nutzung - der Fischzucht - gegeben. Diese Tatsache sei jedoch nicht weiter zu prüfen gewesen, zumal die Verpächterin nicht Bewilligungswerberin in der gegenständlichen Bausache sei.
Die belangte Behörde hat ihre Ansicht, wonach im Beschwerdefall nicht einmal von einer nebenberuflichen landwirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen sei, ausschließlich auf einen Pachtvertrag gestützt, der zwischen Melinda Esterhazy, vertreten durch die Fürstlich Esterhazy"sche Domänenverwaltung, als Verpächterin einerseits und dem Beschwerdeführer andererseits abgeschlossen wurde; dies, ohne dem Beschwerdeführer Parteiengehör einzuräumen.
Zutreffend verweist der Beschwerdeführer darauf, daß die Verwertung der Fische laut Pachtvertrag dem Pächter freisteht (Z. VIII des Pachtvertrages). Weshalb die belangte Behörde trotz der vertraglich eingeräumten Möglichkeit der Verwertung der Fische davon ausgegangen ist, daß grundsätzlich nicht von einer auf die Erzielung von Einnahmen gerichteten nachhaltigen Tätigkeit gesprochen werden könne, vermag der Verwaltungsgerichtshof mangels einer diesbezüglichen Begründung im angefochtenen Bescheid nicht nachzuvollziehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 18. September 1990, Zl. 90/05/0084, betreffend die Nichtigerklärung einer Baubewilligung infolge des angenommenen Widerspruches zu § 20 Abs. 1 des Burgenländischen Raumordnungsgesetzes im Zusammenhang mit einem Fischteich ausgesprochen hat, muß sich für den Fall der Nichtigerklärung einer erteilten Baubewilligung aus dem Akt, insbesondere dem eingeholten Gutachten, klar ergeben, daß die Notwendigkeit der Verwirklichung des Bauvorhabens für die Widmung nicht angenommen werden könne. Der Beschwerdefall gibt insbesondere unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Verwertung der Fische durch den Pächter (Beschwerdeführer) keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzugehen, wobei nunmehr die Notwendigkeit im Sinne des § 20 Abs. 5 RPlG zu beurteilen ist. Da die belangte Behörde ihre Ermessensausübung nicht begründet hat und kein Gutachten für das Vorliegen einer nur als Hobby zu wertenden Tätigkeit bzw. einer Abgrenzung zu einem landwirtschaftlichen Betrieb eingeholt und das Parteiengehör verletzt hat, belastete sie ihr Verfahren mit Verfahrensmängeln. Diese Mängel sind auch wesentlich, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der diesbezüglichen Verfahrensvorschriften zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6 Begründung von Ermessensentscheidungen Ermessen Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Planung Widmung BauRallg3 Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten Kompetenztatbestände Baupolizei und Raumordnung BauRallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998050042.X00Im RIS seit
06.08.2001