TE Lvwg Erkenntnis 2020/1/9 LVwG-AV-1150/001-2018, LVwG-AV-477/001-2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.01.2020
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Entscheidungsdatum

09.01.2020

Norm

BauO NÖ 2014 §6 Abs1
BauO NÖ 2014 §6 Abs2
BauO NÖ 2014 §34 Abs1
BauO NÖ 2014 §34 Abs2
BauO NÖ 2014 §34 Abs3
BauO NÖ 2014 §70 Abs1
BauO NÖ 2014 §70 Abs10
B-VG Art130 Abs1
VwGVG 2014 §8 Abs1
AVG 1991 §73 Abs2
GdO NÖ 1973 §37 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Holz als Einzelrichterin über die Säumnisbeschwerden des Herrn A, ***, *** 1. vom 19.7.2018 betreffend Säumnis des Stadtrates der Stadtgemeinde *** und 2. vom 25.4.2019 betreffend Säumnis des Stadtrates der Stadtgemeinde ***, zu Recht:

1.   Aufgrund der Säumnisbeschwerde vom 19.7.2018 im Verfahren
LVwG-AV-1150/001-2018 wird der Devolutionsantrag vom 14.12.2015 als unzulässig zurückgewiesen.

2.   Aufgrund der Säumnisbeschwerde vom 25.4.2019 im Verfahren
LVwG-AV-477/001-2019 wird der Devolutionsantrag vom 3.12.2015 als unzulässig zurückgewiesen.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 8 Abs. 1, 28 Abs. 1, 28 Abs. 7 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1.     Zur Säumnisbeschwerde vom 19.7.2018:

Herr A ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***, KG ***, mit den Grundstücken Nr. *** und ***. B ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***, KG ***, Grundstücks Nr. ***.

Mit Säumnisbeschwerde vom 19.7.2018 beantragte der Beschwerdeführer Herr A, ein Bescheid im Verfahren *** solle erlassen werden. Dazu führte er aus, dass per Bescheid *** (Anhang 2) der Stadtgemeinde *** vom 1.12.2015 der Bescheid *** (Anhang 1) vom 12.5.2015 behoben worden sei. Vor Ausstellung des Bescheides
*** sei ihm kein Parteiengehör gewährt worden, er habe keine Information bekommen. Der Baubehörde I. Instanz sei eine Frist bis 10.3.2016 zur Ausstellung eines neuen Bescheides gestellt worden. Die Baubehörde I. Instanz habe jedoch keinen neuen Bescheid ausgestellt. Der Beschwerdeführer erhebe daher Beschwerde wegen vermuteter Säumnis der Stadtgemeinde ***. Nach Zustellung des Bescheides *** vom 1.12.2015 sei er beraten worden, einen Devolutionsantrag zu stellen. Sein Devolutionsantrag vom 14.12.2015 sei jedoch nicht berücksichtigt worden (Anhang 3).

Am 7.11.2014 wurde seitens der Baubehörde erster Instanz eine baubehördliche

Überprüfung hinsichtlich des Bauzustandes und der Fertigstellung des bestehenden

Wohnhauses in ***, ***, Grundstück Nr. ***, KG ***, EZ ***, Grundbuch ***, durchgeführt. Zu dieser war neben dem Eigentümer der Liegenschaft B auch der Nachbar A geladen.

Während dieses Lokalaugenscheins erstellte ASV C Befund und Gutachten und wurde dieses in der Niederschrift wir folgt festgehalten (Anm.: verfahrensrelevant abgekürzt):

„Im Jahr 1998 wurde ein baubehördliches Bewilligungsverfahren zur Errichtung eines Wohnhauses beantragt. Mit Baubescheid vom 6.7.1998, Zahl: *** wurde die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses erteilt. Dieser Baubescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Im Jahr 2007 wurde ein baubehördliches Bewilligungsverfahren zur Errichtung eines Einfamilienhauses beantragt. Diese Einreichunterlagen sind ident mit den Einreichunterlagen aus dem Bauverfahren im Jahre 1998. Lediglich die Angaben der Wärmedämmwerte (K-Werte) zu den einzelnen Bauteilen, dargestellt im Einreichplan, weichen voneinander ab. Der Bauteilaufbau blieb unverändert. Mit baubescheid vom 29.8.2007, Zahl: ***, wurde die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses erteilt. Dieser Baubescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Die baubehördliche Bewilligung aus dem Jahr 1998 ist abgelaufen. Es wurde hier auch um keine Verlängerung angesucht. Hinsichtlich der baubehördlichen Bewilligung aus dem Jahr 2007 wird angemerkt, dass von B ein Antrag mit Schreiben vom 20. August 2012 um Verlängerung der Baubewilligung angesucht wurde.

Festgehalten wird, dass am heutigen Tag keine Bauführungen festzustellen waren und auch kein Bauführer nominiert ist.

Die heutige baubehördliche Überprüfung dient dazu, um festzustellen, wie weit der Baufortschritt ist und ob die Baubewilligungen umgesetzt wurden bzw. die Bauarbeiten fertiggestellt sind. […]

Das Gebäude, welches in den Bauplänen und Beschreibungen der Bescheide aus dem Jahre 1998 und 2007 dargestellt ist, ist in seinen wesentlichen konstruktiven Merkmalen ausgeführt worden. Durch die eingebauten Fenster bzw. die provisorisch eingebaute Eingangstüre und Einfahrtstor ist auch ein Gebäudeabschluss gegeben, welcher ausreichend gegen Witterungseinflüsse schützt. Die Baubewilligung ist daher im Wesentlichen umgesetzt worden. […]

Hinsichtlich der Bauteilfuge wird festgehalten, dass eine Trennlage aus Faserplatten eingelegt wurde, um die Bauteile schalltechnisch zu entkoppeln. Da Herr A vorbringt, dass diese nicht bitumenkaschiert sind und daher keine Feuchtigkeitsisolierung darstellen, wird Folgendes klargestellt:

Eine bitumenkaschierte Faserplatte stellt keine Feuchtigkeitsabdichtung im Sinne der Ö-Norm dar. Zweck dieser Trennlage ist es. Baukörper derart voneinander zu trennen, dass bei einer Senkung eines Gebäudes keine Kräfte auf das Nachbargebäude übertragen werden und dass die Baukörper voneinander schalltechnisch derart entkoppelt werden, dass keine Körperschallübertragung erfolgt. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass ein witterungsdichter Verschluss dieser Fuge aus technischer Sicht erforderlich ist. (Bild 21 und 22)“

Im Zuge dieses Lokalaugenscheins stellte A folgenden Antrag: „Durch die

fehlende bitumisierte Trennfuge zwischen meinem Wohnhaus und dem Rohbau

B sind bereits Feuchtigkeitsschäden entstanden. Ich beantrage die

Herstellung der im Baubescheid vorgeschriebenen feuchtigkeitsisolierenden

Trennfuge. Die vorhandene Trennfuge muss umgehend geschlossen werden um

weitere Schäden durch Feuchtigkeit (Schlagregen) zu verhindern. Als Termin zur

Fertigstellung beantrage ich den 1. Februar 2015.“

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde *** als Baubehörde

erster Instanz vom 12.5.2015, Zl. ***, wurde festgestellt, dass das

Wohnhaus in seinen wesentlichen konstruktiven Merkmalen ausgeführt worden sei,

die Baubewilligung im Wesentlichen umgesetzt sei, das Gebäude jedoch nicht als

fertiggestellt betrachtet werden könne. Es wurde jegliche Wohnnutzung sowie

anderwärtige Nutzung bis zur endgültigen Fertigstellung untersagt. Weiters wurde

B aufgetragen, diverse Arbeiten vor der Benützung

durchzuführen. Es wurde auch die Herstellung eines an der Fassade witterungsdichten Verschlusses der Fuge zwischen dem gegenständlichen Wohnhaus und dem Nachbargebäude *** aufgetragen, wie vom Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 7.11.2014 gefordert wurde. In diesem Bescheid wurde somit auch über den Antrag des Beschwerdeführers auf witterungsdichten Verschluss der Bauteilfuge entschieden.

 

Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl A als auch B Berufung.

Mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** als Baubehörde zweiter

Instanz vom 1.12.2015, Zl. ***, wurde der Berufung des B Folge gegeben, der angefochtene Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 12.5.2015 behoben und „die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde I. Instanz zurückverwiesen.“ Die Berufung des A wurde als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft, sodass der Bescheid vom 12.5.2015, Zl. ***, nicht mehr dem Rechtsbestand angehört.

Die Säumnisbeschwerde vom 19.7.2018 bezieht sich auf einen Devolutionsantrag vom 14.12.2015. Dieser Devolutionsantrag hat folgenden Wortlaut: „Mit Eingabe vom 24.5.2015, Betreff: ***, Ausstellung eines baubehördlichen Auftrags zum Verschluss der Bauteilfuge, habe ich die Erlassung eines baubehördlichen Auftrages zur umgehenden Sanierung und witterungsdichten Schließung der Bauteilfuge zwischen den Wohnbauten *** und *** beantragt. Ich befürchte, dass witterungsbedingte Schäden an meinem Haus und am Material der Isolierung der Bauteilfuge selbst entstehen und bereits entstanden sind. Da die Behörde nicht tätig wurde, stelle ich den Antrag an den Gemeindevorstand von ***, in dieser Angelegenheit tätig zu werden und einen Bescheid ***, Ausstellung eines baubehördlichen Auftrags zum Verschluss der Bauteilfuge auszustellen.“

1.2.     Zur Säumnisbeschwerde vom 25.4.2019:

Mit Säumnisbeschwerde vom 25.4.2019 beantragte der Beschwerdeführer wie folgt:

„Meinem Antrag vom 22.5.2015 auf Ausstellung eines baubehördlichen Auftrages zum Witterungsbeständigen Verschluss der Bauteilfuge zwischen dem Wohnbau *** und Gebäude *** in *** wurde nicht nachgekommen. Mein Devolutionsantrag vom 3.12.2015 an den Stadtrat der Stadtgemeinde *** wurde nicht fristgerecht bearbeitet. Mein Devolutionsantrag an den Gemeinderat vom 23.10.2018 wurde nicht fristgerecht bearbeitet. Auf meine, an die Stadtgemeinde *** gerichtete Schreiben vom 10.7.2018, 8.2.2019 und vom 24.4.2019 mit dem Ersuchen zur Bearbeitung meiner Anträge zum Witterungsbeständigen Verschluss der Bauteilfuge wurde nicht reagiert.

Anträge:

I.       Das Gericht und die Behörden hätten die notwendigen Schritte einzuleiten, um

einen baubehördlichen Auftrag zum Verschluss der Bauteilfuge zwischen den Gebäuden *** und *** in *** zu erlassen.

II.      Die Stadtgemeinde *** hätte alle den Fall betreffenden relevanten

Akten inklusive aller Gutachten, Stellungnahmen und Erklärungen der Bausachverständigen und alle Aufträge der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach in dieser Causa dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich beizubringen.“

Der Säumnisbeschwerde war der Antrag vom 22.5.2015 angeschlossen, in welchem der Beschwerdeführer begehrte wie folgt:

Antrag:

auf Ausstellung eines baubehördlichen Auftrags zum Verschluß der Bauteilfuge

zwischen dem Wohnbau *** und dem Gebäude ***.

In der Niederschrift GZ: *** vom 07.11.2014 wurde vom

bautechnischen Sachverständigen klargestellt:

„….Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass ein witterungsdichter Verschluss

dieser Fuge aus technischer Sicht erforderlich ist (Bild 21 und 22).“

(Zitat aus Punkt III. Gutachten, Niederschrift 7.11.2014)

Die Bauteilfuge wurde bereits im Jahr 1998 (!) vom Bauwerber hergestellt. Eine

Trennlage aus Faserplatten wurde eingelegt. Zusätzlich wurde mit Isolierschaum

geschäumt. Seit diesem Zeitpunkt ist diese Trennlage der Witterung und der UV

Strahlung ungeschützt ausgesetzt. Die ungeschützte, offenliegende Fasermatte

und der Isolierschaum sind nach mehr als 17 Jahren stark verwittert. Ein Teil der

Fasermatte und der Schäumung ist überdies nicht mehr vorhanden. Durch die nicht verschlossene Bauteilfuge wird einfallender Regen durch die Fasermatte aufgesaugt und gespeichert. Dadurch kommt es zu Feuchtigkeitsschäden an meinem anliegenden Mauerwerk. Es ist daher notwendig, diese Bauteilfuge zu sanieren und danach sofort witterungsbeständig zu verschließen:

Ich beantrage daher die Erlassung eines baubehördlichen Auftrags zur umgehenden Sanierung und witterungsdichten Schließung der Bauteilfuge. Der bereits verwitterte Anteil, des sich in der Fuge befindlichen Isolierschaumes ist zu entfernen und neuerlich mit Isoliermaterial zu füllen. Diese Arbeiten und die Herstellung eines an der Fassade witterungsdichten Verschlusses der Fuge zwischen dem gegenständlichen Wohnhaus und dem Gebäude *** sind

innerhalb einer Frist von 3 Monaten durchzuführen.“

Am 3.12.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag an den Stadtrat der Stadtgemeinde *** hinsichtlich seines Antrags auf Ausstellung eines baubehördlichen Auftrags zu *** zum Verschluss der Bauteilfuge vom 22.5.2015.

Seitens des erkennenden Gerichtes wurde am 2.12.2019 im Beisein des Beschwerdeführers und der belangten Behörde eine gemeinsame öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher Beweis erhoben wurde durch Verlesung der Akten der belangten Behörde Zln. *** und ***, und der Gerichtsakten zu den Zln. LVwG-AV-1150/001-2018 und LVwG-AV-477/001-2019. Einvernommen wurde die Zeugin D. Weiters wurden auf Antrag des Beschwerdeführers Akten der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach beigeschafft, nämlich

?    ***:

Schreiben vom 21.06.2017, 18.01.2017, 04.10.2016, 15.02.2016, 17.11.2015 und 11.11.2015;

?    ***:

Schreiben vom 28.06.2017, 18.04.2017, 23.01.2017, 21.12.2016, 19.04.2013, 08.03.2013, 20.09.2012 und 23.08.2012;

?    ***:

   Schreiben vom 18.12.2015;

?    ***:

            Schreiben vom 17.11.2015, 17.07.2015, 13.02.2015 und 28.10.2014;

?    ***:

   Schreiben vom 02.06.2015, 22.05.2015, 26.08.2014 und 18.08.2014.

Dem Verfahren wurde der bautechnische Amtssachverständige E beigezogen, welcher am 1.12.2019 Befund und Gutachten erstattete und welches in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde.

Dieses Gutachten lautet wie folgt:

„Ausgangslage

Mit Schreiben vom 12.6.2019 ersucht das Landesverwaltungsgericht NÖ in der

betreffenden Angelegenheit um die Erstellung von Befund und Gutachten. Der

Gutachtensauftrag (Beweisthema) lautet:

-    Besteht ein behebungsbedürftiger Baumangel hinsichtlich des

            witterungsdichten Verschlusses der Bauteilfuge?

-    Wenn ja, kann dadurch die Trockenheit des Gebäudes des

            Beschwerdeführers A beeinträchtigt werden?

-    Wenn ja, welche bautechnischen Maßnahmen sind binnen welcher Frist

            erforderlich, um das Baugebrechen zu beheben?

Befund

Unabhängig der bisher erteilten Bescheide und Entscheidungen im

Rechtsmittelverfahren sind für die gegenständliche bautechnische Beurteilung die

Ausführungen des Amtssachverständigen für Bautechnik C

vom NÖ Gebietsbauamt in ***, festgehalten in der baubehördlichen

Überprüfung am 7.11.2014, von wesentlicher Bedeutung. Im Gutachten wird u.a.

die „Bauteilfuge“ zwischen den Gebäuden A und B

behandelt. Dabei wird auf die Funktion dieser Bauteilfuge eingegangen

(schalltechnische Entkoppelung, Verhinderung von Auswirkungen auf das jeweilige

Nachbargebäude durch unterschiedliches Setzungsverhalten). Darüber hinaus wird

ausgeführt: „Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass ein witterungsdichter

Verschluss dieser Fuge aus technischer Sicht erforderlich ist (Bild 21 und

22).“

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

Ergänzend das Bild 23 vom 7.11.2014 bezüglich des Dachanschlusses:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

ln diesem Zusammenhang wird auf eine Ausführungsbestätigung der Fa.

Bauspenglerei F vom 20.4.2000 verwiesen. Darin wird eine sachgemäße

und den einschlägigen Normen entsprechende Herstellung bescheinigt.

Erhebung am 13.6.2019

lm Zuge einer baubehördlichen Überprüfung durch die Stadtgemeinde ***

an Ort und Stelle betreffend „anderer baubehördlicher Themen“ wurden im Hinblick

auf die gegenständliche Beurteilung folgende Fotos angefertigt:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

straßenseitige Ansicht der „Fuge“

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

hofseitige Ansicht der „Fuge“

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

hofseitige Ansicht des Dachanschlusses

Gutachten

Allgemeine Feststellungen

-    Es sind, dokumentiert durch die im Befund enthaltenen Fotos, keine

erkennbaren Veränderungen der baulichen Gegebenheiten seit 2014

erkennbar!

-    Es ist offensichtlich eine der Funktion entsprechende „Verblechung“ beim

Dachanschluss gegen den Eintritt von Niederschlagwässern in die

Bauteilfuge an der Grundgrenze hergestellt bzw. vorhanden.

Zu den konkreten Fragen wird folgendes ausgeführt:

-    Besteht ein behebungsbedürftiger „Baumangel“ hinsichtlich des

witterungsdichten Verschlusses der Bauteilfuge?

Ja. Die vorhandene Weichfaserplatte ist wie im Befund dokumentiert an der

straßen- und hofseitigen Bauteilfuge zwischen den Gebäuden A und

B mit freiem Auge sichtbar. Dadurch ist diese Platte

naturgemäß allen Witterungseinflüssen ausgesetzt. Das Material ist so beschaffen,

dass z.B. bei einem Schlagregen, das Wasser aufgenommen wird und eine

Vernässung der Platte eintritt. Mit einem raschen Austrocknen kann nicht

gerechnet werden, da diese Weichfaserplatte zwischen den beiden Außenwänden

eingebracht ist. Es gilt in der Bautechnik der Grundsatz, dass bei Materialien die

Wasser aufnehmen können eine entsprechende Umhüllung oder Abdeckung

hergestellt wird.

-    Wenn Ja, kann dadurch die Trockenheit des Gebäudes des

Beschwerdeführers A beeinträchtigt werden?

Ja. Bei einer Vernässung der Weichfaserplatte im Zusammenhang mit einem

zögerlichen Austrocknungsprozess wird gespeichert Feuchtigkeit in der Platte u.a.

auch in den Putz der Nachbarwand abgegeben und beeinflusst dadurch nachteilig

die Trockenheit des Gebäudes von A.

-    Wenn ja, welche bautechnischen Maßnahmen sind binnen welcher Frist

erforderlich, um das „Baugebrechen“ zu beheben?

Es ist die Bauteilfuge mit der vorhandenen Weichfaserplatte sowohl straßen- als

auch hofseitig vertikal gegen Witterungseinflüsse zu schützen (dies wurde bereits

am 7.11.2014 in einer baubehördlichen Überprüfung gefordert). Es sind

entsprechende Fugenbänder oder dauerplastische Fugenmaterialien dabei zu

verwenden. Die Arbeiten können aus bautechnischer Sicht binnen 2 Monate

(Auswahl der Fachfirma, Beauftragung, Durchführung) umgesetzt werden.“

2.   Beweiswürdigung:

Die Eigentumsverhältnisse an den Liegenschaften des A und des B sind dem öffentlichen Grundbuch zu entnehmen. Die Feststellungen zum bisherigen Verfahrensverlauf beruhen auf den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde Zl. *** sowie *** sowie den Gerichtsakten zu den Zln. LVwG-AV-1150/001-2018 und LVwG-AV-477/001-2019, weiters der seitens des erkennenden Gerichtes beigeschafften Unterlagen der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach. Die entscheidungswesentlichen Anträge und Unterlagen liegen in den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde vor und sind insoweit unstrittig. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde dem Verfahren auch der bautechnische Amtssachverständige E beigezogen, dessen Befund und Gutachten in der mündlichen Verhandlung nicht in Zweifel gezogen wurde und welches schlüssig und nachvollziehbar ist.

3.   Rechtsgrundlagen:

A.   Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Artikel 130.
(1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1.   gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2.   gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3.   wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde. […]

Artikel 132.

[…]

(3) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet. […]

B.   Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. […]

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. […]

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

C.   Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG)

§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2b) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) Wird ein Bescheid, gegen den Berufung erhoben werden kann, nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Berufungsbehörde über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Berufungsbehörde einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(3) Für die Berufungsbehörde beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen.

D.   NÖ Bauordnung 2014 – NÖ BO 2014

§ 70.

(1) Die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren, ausgenommen jene nach §§ 33 und 35 der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, sind nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen. § 5 Abs. 3 ist jedoch auf alle Beschwerden, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingebracht werden, anzuwenden. […]

(10) Die am Tag des Inkrafttretens der Änderung der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014), LGBl. Nr. 50/2017, anhängigen Verfahren sind nach den bisherigen Bestimmungen zu Ende zu führen. […]

§ 6 i.d.F. LGBl. Nr. 37/2016

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:

1. der Bauwerber und der Eigentümer des Bauwerks

2. der Eigentümer des Baugrundstücks

3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z. B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und

4. die Eigentümer eines ober- oder unterirdischen Bauwerks auf den Grundstücken nach Z 2 und 3,
z. B. Superädifikat, Baurechtsobjekt, Keller (Nachbarn).

 

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das fertiggestellte Bauvorhaben bzw. das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten beeinträchtigt werden können.

 

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der bewilligten oder angezeigten Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z 4)

sowie

2. den Schutz vor Emissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Zwecken jeder Art der Wohnnutzung ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung auf Hauptfenster (§ 4 Z 3 und 21) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen. […]

§ 34 i.d.F.LGBl. Nr. 1/2015

(1) Der Eigentümer eines Bauwerks hat dafür zu sorgen, dass dieses in einem der Bewilligung (§ 23) oder der Anzeige (§ 15) entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten und nur zu den bewilligten oder angezeigten Zwecken (z. B. landwirtschaftlicher Betrieb bei landwirtschaftlichem Wohngebäude) genutzt wird. Er hat Baugebrechen zu beheben.

(2) Kommt der Eigentümer eines Bauwerks seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nach, hat die Baubehörde nach Überprüfung des Bauwerks ungeachtet eines anhängigen Antrages nach § 14 oder einer anhängigen Anzeige nach § 15, unter Gewährung einer angemessenen Frist, die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.

Die Baubehörde darf in diesem Fall

- die Überprüfung selbst durchführen oder durch Sachverständige durchführen lassen,

- die Vornahme von Untersuchungen und

- die Vorlage von Gutachten anordnen.

 

(3) Den Organen der Baubehörde und den beauftragten Sachverständigen ist der Zutritt zu allen Teilen der Bauwerke an Werktagen zur Tageszeit, bei Gefahr im Verzug auch an Sonn- und Feiertagen sowie während der Nachtzeit zu gestatten. Wenn nötig, ist dem Eigentümer mit Bescheid diese Verpflichtung aufzutragen.

4.   Erwägungen

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 3 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde. Gegen die Untätigkeit der Verwaltungsbehörde ist somit die Erhebung einer Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht möglich. Eine solche kann erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet

(Art. 132 Abs. 3 B-VG).

Gemäß § 8 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Eine Säumnisbeschwerde ist erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist zulässig.

Gemäß § 73 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2b) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich. Wird ein Bescheid, gegen den Berufung erhoben werden kann, nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Berufungsbehörde über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Berufungsbehörde einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Gemäß § 73 Abs. 3 AVG beginnt für die Berufungsbehörde die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen.

Gemäß § 70 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) sind die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren, ausgenommen jene nach

§§ 33 und 35 der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen. Gemäß § 70 Abs. 10 NÖ BO 2014 sind die am Tag des Inkrafttretens der Änderung der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014),

LGBl. Nr. 50/2017, anhängigen Verfahren nach den bisherigen Bestimmungen zu Ende zu führen. Die NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015, trat am 1.2.2015 in Kraft.

Den beiden Säumnisbeschwerden liegen Anträge des Beschwerdeführers zugrunde, welche beide auf die Erlassung eines baubehördlichen Auftrages zum witterungsdichten Verschluss der Bauteilfuge gerichtet sind und somit die Einleitung eines Verfahrens nach § 34 NÖ BO 2014 „Vermeidung und Behebung von Baugebrechen“ zum Gegenstand haben. Die Vermeidung und Behebung von Baugebrechen war in der NÖ Bauordnung 1996 im § 33 geregelt. Die Anträge stammen einerseits vom 7.11.2014 und andererseits vom 22.5.2015 (dazu siehe auch weiter unten). Im Lichte des § 70 Abs. 1 NÖ BO 2014 ist somit im gegenständlichen Fall die NÖ BO 2014 anzuwenden.

Zur Säumnisbeschwerde vom 19.7.2018:

Hinsichtlich der Säumnisbeschwerde vom 19.7.2018 ist auszuführen, dass mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** als Baubehörde zweiter

Instanz vom 1.12.2015, Zl. ***, der Berufung des B Folge gegeben, der angefochtene Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 12.5.2015 behoben und „die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde I. Instanz zurückverwiesen“ wurde. Die Berufung des A wurde als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft, sodass der Bescheid vom 12.5.2015, Zl. ***, nicht mehr dem Rechtsbestand angehört. Es stellt sich nun die Frage, ob nach Aufhebung dieses Bescheides nach wie vor ein Antrag des Beschwerdeführers offen ist, über den weder seitens der Baubehörde erster Instanz, noch seitens der Baubehörde zweiter Instanz, fristgerecht entschieden wurde und ob diesbezüglich ein Devolutionsantrag vorliegt. In seiner Säumnisbeschwerde begehrt der Beschwerdeführer, ein Bescheid im Verfahren *** soll erlassen werden. Der Beschwerdeführer hat jedoch in einem Verfahren nach der NÖ Bauordnung keine unbegrenzten Antragsrechte, sondern nur insoweit, als er Parteistellung genießt. Die Nachbarrechte sind in § 6 NÖ BO 2014 näher umschrieben.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 NÖ BO 2014 haben in Baubewilligungsverfahren und

baupolizeilichen Verfahren nach § 34 Abs. 2 und § 35 Parteistellung u.a. die

Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen (Nachbarn).

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das fertiggestellte Bauvorhaben

bzw. das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten

subjektiv-öffentlichen Rechten beeinträchtigt werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch bereits mehrfach ausgesprochen, dass der

Nachbar in einem baupolizeilichen Auftragsverfahren nur dann Parteistellung (Anspruch auf Entscheidung) hat, wenn er wegen der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts (§ 6 Abs. 2 NÖ BO 2014) die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages beantragt hat (vgl. u.a. VwGH vom 3.4.2003, Zl. 2002/05/1238; VwGH vom 28.5.2013, Zl. 2013/05/0030). Dies bedeutet für die Beurteilung der Stellung als Mitbeteiligter, dass ein solcher Nachbar durch die Aufhebung eines Bescheides, mit welchem ein Bauauftrag bestätigt worden war, nur dann in seinen Rechten berührt sein kann, wenn er selbst als Antragsteller diesen Bescheid herbeigeführt hat. Nur dann hätte er Rechte erlangt, welche durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides verletzt werden könnten (VwGH vom 3.4.2003, Zl. 2002/05/1238).

Einem Nachbarn bleibt es unbenommen, einen solchen Umstand bloß der Baubehörde anzuzeigen (die dann allenfalls von Amts wegen tätig zu werden hätte) oder aber die Erlassung eines Bauauftrages zu beantragen. In einem Bauauftragsverfahren kommt eine Rechtsverletzung des Nachbarn demnach von vornherein nur in Frage, wenn der Nachbar einen baupolizeilichen Auftrag durch einen Antrag selbst herbeigeführt hat. (VwGH vom 3.4.2003, Zl. 2002/05/1238; VwGH vom 18.11.2014, Zl. 2014/05/0011).

Im Zuge dieses Lokalaugenscheins am 7.11.2014 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die im Baubescheid vorgeschriebene feuchtigkeitsisolierende Trennfuge herzustellen. Die vorhandene Trennfuge müsse umgehend geschlossen werden, um

weitere Schäden durch Feuchtigkeit (Schlagregen) zu verhindern. Tatsächlich wurde dann B auch im Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 12.5.2015, Zl. ***, unter Punkt 5. die Herstellung eines an der Fassade witterungsdichten Verschlusses der Fuge zwischen dem gegenständlichen Wohnhaus und dem Nachbargebäude Alleegasse 3, aufgetragen. Dieser Bescheid wurde aufgrund des Ergebnisses der baubehördlichen Überprüfung vom 7.11.2014 erlassen. Das erkennende Gericht geht somit davon aus, dass in diesem Bescheid auch über den Antrag des Beschwerdeführers vom 7.11.2014 zur Herstellung einer feuchtigkeitsisolierenden Trennfuge entschieden wurde.

Dadurch, dass der Bescheid vom 12.5.2015, Zl. ***, aufgrund seiner Aufhebung und Zurückverweisung der Angelegenheit durch die Baubehörde zweiter Instanz nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, ist der Antrag des Beschwerdeführers nach wie vor offen. In diesem Zusammenhang führte der bautechnische Amtssachverständige E in seinem Gutachten aus, dass hinsichtlich des witterungsdichten Verschlusses der Bauteilfuge ein behebungsbedürftiges Baugebrechen vorliegt und dadurch die Trockenheit des Gebäudes des Beschwerdeführers A beeinträchtigt werden kann. Es ist somit davon auszugehen, dass der nach der Judikatur erforderliche Antrag auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages vorliegt (Antrag vom 7.11.2014), welcher wegen der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts (§ 6 Abs. 2 Z. 1 NÖ BO 2014) gestellt wurde, im gegenständlichen Fall betreffend die Beeinträchtigung der Trockenheit des Gebäudes des Beschwerdeführers. Jedoch kann der Beschwerdeführer nicht schlichtweg die Erlassung eines Bescheides fordern, sondern eben nur in jenem Umfang, in welchem er einen Antrag auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages unter Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte gestellt hat.

Dass die Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 1.12.2015,
Zl. ***, als unzulässig zurückgewiesen wurde, schadet insofern nicht, weil infolge - gänzlicher – Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides neuerlich ein Bescheid zu erlassen ist und die tragenden Gründe der belangten Behörde für ihre zurückweisende Entscheidung keinerlei Bindungswirkung für das fortgesetzte Verfahren entfalten, weil es sich ja begrifflich nicht um tragende Gründe einer aufhebenden Entscheidung handelt. Eine solche Bindungswirkung kann lediglich den tragenden Aufhebungsgründen des Spruchpunktes I. des Bescheides vom 1.12.2015 zukommen (vgl. VwGH vom 8.5.2003, 2003/06/0046). Obwohl im Bescheid vom 1.12.2015, Zl. *** als Rechtsgrundlage § 66 Abs. 4 AVG statt richtigerweise § 66 Abs. 2 AVG angeführt ist, schadet dies nicht, zumal der Bescheidspruch unter Spruchpunkt I. eindeutig die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde erster Instanz zum Gegenstand hat (vgl. VwGH vom 24.9.1990, 90/10/0087).

Zum Devolutionsantrag vom 14.12.2015 ist allerdings anzuführen, dass der Bescheid
Zl. ***, vom 1.12.2015 stammt. Durch die Behebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides nach § 66 Abs. 2 AVG wird nicht in der Sache abgesprochen, sondern eine verfahrensrechtliche Entscheidung getroffen. Durch ihn können nur beide Entscheidungen – die Behebung und die Zurückverweisung – gleichzeitig (uno actu) getroffen werden. Es handelt sich um ein eine Einheit bildendes Vorgehen der Behörde, durch das die Angelegenheit wieder in den Stand vor dem Ergehen der bekämpften Entscheidung rückversetzt wird, weshalb eine Behebung ohne Rückverweisung oder diese ohne Behebung nicht zulässig ist (VwGH vom 15. 11. 1999, 96/10/0068). Aus dem gemäß
§ 66 Abs. 2 AVG ergangenen Bescheid erwächst der Partei, die einen Antrag gestellt hat, das Recht darauf, dass die im Instanzenzug untergeordnete Behörde, an welche die Angelegenheit verwiesen wurde, über den Antrag neuerlich – und zwar innerhalb der in § 73 AVG festgelegten Frist, die mit der Zurückweisung zu laufen beginnt – entscheidet (VwGH 14. 9. 1982, 82/07/0088; VwSlg 12.093 A/1986; VwGH 21. 11. 1989, 88/07/0086). Ist die Unterinstanz säumig, kann die Rechtsmittelbehörde im Devolutionsweg wieder zuständig werden (VwGH 25. 6. 1991, 87/05/0178).

Im gegenständlichen Fall ist nun wesentlich, dass die sechsmonatige Entscheidungsfrist für die Baubehörde erster Instanz mit der Zurückverweisung neuerlich zu laufen begann. Die Zurückverweisung erfolgte mit Bescheid vom 1.12.2015, der Devolutionsantrag wurde bereits am 14.12.2015 gestellt, sodass zu diesem Zeitpunkt die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG noch nicht abgelaufen war. Den Zuständigkeitsübergang auf die Berufungsbehörde kann jedoch nur ein Devolutionsantrag bewirken, der nach Verstreichen der Entscheidungsfrist eingebracht wird (VwGH vom 21. 12. 2001, 2001/19/0078; vom 17.12. 2002, 2002/04/0133).

Ist eine der Zulässigkeitsvoraussetzungen – im gegenständlichen Fall der Fristablauf gemäß § 73 Abs. 1 AVG - nicht erfüllt, hat die Berufungsbehörde den unzulässigen Devolutionsantrag zurückzuweisen (VwGH 8. 8. 2002, 2002/11/0152). Auch ein unzulässiger, zurückzuweisender Devolutionsantrag löst die Entscheidungspflicht der Berufungsbehörde aus. Ist die Berufungsbehörde mit der Erlassung des verfahrensrechtlichen Zurückweisungsbescheides säumig, kann die Partei dagegen mittels Säumnisbeschwerde vorgehen und damit den Übergang der Zuständigkeit zur Zurückweisung auf das VwG erreichen (VwGH 19. 9. 2017, Ro 2017/20/0001).

Da die Säumnisbeschwerde vom 19.7.2018 stammt und der Devolutionsantrag vom 14.12.2015, hat der Stadtrat der Stadtgemeinde *** insofern seine Entscheidungspflicht verletzt, als er über diesen Devolutionsantrag nicht innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist entschieden hat, sei es auch nur in Form einer Zurückweisung des unzulässigen, weil zu früh gestellten, Devolutionsantrages. In diesem Fall war somit die Zuständigkeit im Wege der Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG auf das erkennende Gericht übergegangen und war im Wege der an sich zulässigen Säumnisbeschwerde diese Entscheidung – nämlich die Zurückweisung des unzulässigen Devolutionsantrages – durch das erkennende Gericht zu treffen.

Zur Säumnisbeschwerde vom 25.4.2019:

Zu dieser Säumnisbeschwerde ist anzuführen, dass dieser der Antrag des Beschwerdeführers vom 22.5.2019 zugrunde liegt, welcher ebenfalls auf die Niederschrift vom 7.11.2014 und das diesbezügliche Gutachten des C Bezug nimmt und ebenfalls auf die Erlassung eines baubehördlichen Auftrags zur Sanierung und witterungsdichten Verschließung der Bauteilfuge gerichtet ist.

Zwei oder mehrere gleiche Anträge lösen jedoch nicht mehrfach die behördliche Entscheidungspflicht in einer Sache aus (VwGH vom 26. 6. 1996, 96/12/0155; vom 23. 5. 2002, 2001/05/0920). Werden im Rahmen eines bereits anhängigen Verfahrens weitere Anträge gestellt, lösen sie keine gesonderte Entscheidungspflicht der Behörde aus (vgl. VwGH vom 26. 6. 1996, 96/12/0155). Ebenso schließt ein bereits geltend gemachter Entscheidungsanspruch die Zulässigkeit der Wiederholung seiner Geltendmachung aus (VwSlg 14.151 A/1994;
VwGH 29.10.1998, 98/07/0113).

Im Lichte dieser Ausführungen war der zum Antrag vom 22.5.2015 zugehörige Devolutionsantrag vom 3.12.2015 insofern unzulässig, weil aufgrund der Gleichartigkeit der Anträge vom 7.11.2014 und vom 22.5.2015 der spätere Antrag vom 22.5.2015 keine gesonderte Entscheidungspflicht der erstinstanzlichen Behörde auslöste und somit auch kein Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Berufungsbehörde gemäß § 73 Abs. 2 AVG eingetreten ist. Im Ergebnis hätte daher der Stadtrat der Stadtgemeinde *** diesen Devolutionsantrag als unzulässig zurückweisen müssen. Dadurch, dass zwischen dem Einlangen des Devolutionsantrages vom 3.12.2015 und der Erhebung der Säumnisbeschwerde am 25.4.2019 mehr als sechs Monate vergangen sind, ist auch in diesem Fall die Zuständigkeit im Wege der Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG auf das erkennende Gericht übergegangen und war die Zurückweisung des unzulässigen Devolutionsantrages durch das erkennende Gericht vorzunehmen.

Seitens des Beschwerdeführers wurde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung auch vorgebracht, dass sein Antrag im Verfahren *** vom 24.5.2015 und der damit stehende Devolutionsantrag vom 14.12.2015 (siehe Beilage ./A zur Verhandlungsschrift) in die gegenständlichen Verfahren miteinbezogen worden möge. Die gegenständlichen Säumnisbeschwerden beziehen sich jedoch unmissverständlich auf das Verfahren *** und findet der Bescheid vom 10.4.2014 im Verfahren *** in den gegenständlichen Säumnisbeschwerden und den gegenständlichen zugrundeliegenden Anträgen keine Erwähnung. Entscheidend zur Festlegung des Prozessgegenstandes vor dem Verwaltungsgericht ist die Beurteilung, was im gegenständlichen Fall als Verwaltungssache anzusehen ist.

Der VwGH hat in seiner Rechtsprechung zu vom VwG zu führenden Verfahren über Beschwerden gegen verwaltungsbehördliche Bescheide festgehalten, dass - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfungsumfanges - als Sache eines solchen Verfahrens jedenfalls nur jene Angelegenheit anzusehen ist, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat. Dies hat sinngemäß zu gelten, wenn das Verwaltungsgericht aufgrund einer Säumnisbeschwerde zur Erledigung der Verwaltungssache zuständig wird. In einem solchen Fall hat das Verwaltungsgericht nur jene Angelegenheit zu erledigen, die die säumige Verwaltungsbehörde zum Inhalt ihres Spruches zu machen gehabt hätte (VwGH vom 10.11.2015, Ro 2015/19/0001). Als Verwaltungssache sind die Anträge vom 7.11.2014 und vom 22.5.2015, sowie sie auch im Sachverhalt weiter oben angeführt werden, anzusehen und würde die Einbeziehung des Antrags vom 24.5.2015 im Zusammenhang mit dem Verfahren *** und dem Bescheid vom 10.4.2014 die Sache des Verfahrens überschreiten. Würde das erkennende Gericht über diesen Antrag entscheiden, würde es als unzuständige Behörde entscheiden. Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass der Antrag vom 24.5.2015 (laut Beilage ./A) gar nicht die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrags zum Gegenstand hat, sondern lediglich die Durchsetzung eines solchen, nämlich des B mit Bescheid vom 10.4.2014, Zl. ***, aufgetragenen Auftrags, gefordert wird.

Weiters ist auszuführen, dass der Bürgermeister gemäß § 37 Abs. 2 NÖ Gemeindeordnung 1973 Vorsitzender des Gemeindevorstandes ist und er weiters nach § 37 Abs. 1 leg. cit. die Gemeinde nach außen vertritt. Insofern war seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung für den Gemeindevorstand (Stadtrat), welcher auch geladen wurde, zulässig (zB VwGH vom 26.2.2014, 2012/04/0142). Hinsichtlich der Teilnahme des Stadtamtsdirektors an der Verhandlung konnte das erkennende Gericht unter Anwendung des § 10 Abs. 4 AVG von der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht absehen.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war, weil die Entscheidung einerseits nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der Revision in derartigen Fällen zB VwGH vom 15. Dezember 2016, Ra 2016/18/0343).

Hinweis zum weiteren Verfahrensablauf:

Aufgrund der spruchgemäßen Entscheidung, welcher in der Zurückweisung der gegenständlichen Devolutionsanträge bestand, ergibt sich, dass der verfahrenseinleitende Antrag des Beschwerdeführers vom 7.11.2014 nach wie vor offen ist und die Zuständigkeit zur Entscheidung über diesen nicht auf die Berufungsbehörde übergegangen war. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde bereits in der Sache selbst ein Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen eingeholt, welches einerseits zum Ergebnis kommt, dass ein behebungsbedürftiges Baugebrechen (§ 34 NÖ BO 2014) hinsichtlich des

witterungsdichten Verschlusses der Bauteilfuge vorliegt und andererseits dadurch die Trockenheit des Gebäudes des Beschwerdeführers A beeinträchtigt werden kann. Der bautechnische Amtssachverständige führte weiters aus, dass die Bauteilfuge mit der vorhandenen Weichfaserplatte sowohl straßen- als auch hofseitig vertikal gegen Witterungseinflüsse zu schützen ist (dies wurde bereits am 7.11.2014 in einer baubehördlichen Überprüfung gefordert). Es sind entsprechende Fugenbänder oder dauerplastische Fugenmaterialien dabei zu

verwenden. Die Arbeiten können aus bautechnischer Sicht binnen 2 Monaten

(Auswahl der Fachfirma, Beauftragung, Durchführung) umgesetzt werden. Dementsprechend wäre seitens des Baubehörde erster Instanz ein entsprechender baupolizeilicher Auftrag gemäß § 34 Abs. 2 NÖ BO 2014 zu erlassen.

Schlagworte

Bau- und Raumordnungsrecht; Bauauftragsverfahren; Nachbarrechte; Parteistellung; Devolutionsantrag; Säumnisbeschwerde; Sache des Verfahrens;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.1150.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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