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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Johann und der Maria Schorn, beide in Himberg-Velm, beide vertreten durch Mag. Johann Juster und Dr. Clemens Schnelzer, Rechtsanwälte in Zwettl, Landstraße 46, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 15. März 1995, Zl. R/1-V-95040, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Himberg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde, dem angefochtenen Bescheid und dem vom Verfassungsgerichtshof übermittelten Verwaltungsakt ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Ansuchen vom 9. November 1994 beantragte die mitbeteiligte Marktgemeinde die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 22 Wohneinheiten, 22 KFZ-Stellplätzen, einer Kananlanlage und einer Einfriedung gegen das öffentliche Gut (Stadelgasse), auf den Parzellen Nr. 108, 109, 110 und 111, EZ 18, KG Velm. Diese Grundstücke sind als Bauland-Wohngebiet gewidmet. Gleichzeitig wurde die Bewilligung zum Abbruch eines bestehenden Hauptgebäudes sowie diverser Nebengebäude beantragt.
Die Grundstücke der Beschwerdeführer Nr. 112, 113 und 114, KG Velm, sind als Grünland-Landwirtschaft bzw. Bauland-Agrargebiet gewidmet; die Beschwerdeführer betreiben dort einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Mastschweine- und Milchschafehaltung.
In der über dieses Baugesuch durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 25. November 1994 brachten die Beschwerdeführer vor, die Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes und des Bebauungsplanes seien rechtswidrig. Überdies beantragten sie, die Baubewilligung für das Wohnbauvorhaben zu versagen, weil von ihrem landwirtschaftlichen Betrieb, insbesondere aus dem Schweinemaststall, ausgehende Immissionen für die zukünftigen Bewohner unzumutbare Belästigungen verursachen würden.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 26. November 1994 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung, in der sie auf ihre wohlerworbenen Rechte zum Halten von Mastschweinen und Milchschafen hinwiesen und im Hinblick auf die zu erwartende Konfliktsituation mit zukünftigen Bewohnern der Wohnanlage die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides begehrten. Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 25. Jänner 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 26. November 1994 abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, im baubehördlichen Bewilligungsverfahren sei für die Zulässigkeit des Bauvorhabens in einer bestimmten Widmungskategorie ausschließlich die Widmung des zu verbauenden Grundstückes und nicht jene benachbarter Grundflächen entscheidend. Der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes könne gegen ein Bauvorhaben für ein Wohnhaus nicht mit Erfolg einwenden, daß die künftigen Bewohner seinen Betrieb und die von ihm ausgehenden Immissionen hinzunehmen hätten.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 15. März 1995 keine Folge gegeben. Sie führte im wesentlichen aus, eine dem § 79 der Gewerbeordnung 1994 entsprechende Bestimmung sei der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 fremd, sodaß in eine bereits bestehende Bewilligung nur in den engen Grenzen des § 68 Abs. 3 AVG eingegriffen werde könne. Abgesehen davon sei für die Beurteilung der Zulässigkeit von Immissionen ausschließlich die Widmung des Bauplatzes, nicht hingegen die des Anrainergrundstückes relevant, sodaß im konkreten Fall auch bei einem allfälligen Ausbau des landwirtschaftlichen Betriebes der Beschwerdeführer nicht die strengeren Immissionsmaßstäbe für das Bauland-Wohngebiet anzuwenden wären, sondern wie bisher, jene des Bauland-Agrargebietes.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der sie mit Erkenntnis vom 5. März 1998, B 1433/95-14, mit der Feststellung abgewiesen hat, daß die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden seien. Zur Begründung führte der Verfassungsgerichtshof im wesentlichen aus, er habe sich im Verordnungsprüfungsverfahren mit den von den Beschwerdeführern geäußerten Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungen, soweit sie überhaupt präjudiziell seien, auseinandergesetzt. Das Verfahren habe ergeben, daß die Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungen im präjudiziellen Umfang nicht zuträfen. Der Verfassungsgerichtshof könne es dahingestellt sein lassen, ob § 62 Abs. 2 der Nö. BauO 1976 einen mit der Rechtslage in Wien (vgl. VfSlg. 12468/1990 zu § 6 Abs. 8 der Wiener Bauordnung) oder mit der (früheren) oberösterreichischen Rechtslage (VfSlg. 13210/1992 zu § 23 Abs. 2 der ehemaligen Oö. BauO) vergleichbaren Inhalt besitze. Die aus dem Gleichheitssatz abgeleitete Auslegung nachbarschützender Vorschriften in VfSlg. 12468/1990 und VfSlg. 13210/1992 habe nämlich zur Voraussetzung, daß ein bereits bestehender Betrieb gewerblicher Art aufgrund des gewerberechtlichen Emissionsschutzes im Falle heranrückender Wohnbebauung mit zusätzlichen Auflagen gemäß § 79 Abs. 2 GewO zu rechnen habe. Dieses Risiko entfalle für den landwirtschaftlichen Betrieb. Es gäbe keinen Anhaltspunkt, daß - gestützt auf § 364 Abs. 2 ABGB - im konkreten Fall vergleichbare negative Auswirkungen zu erwarten wären, zumal das von der mitbeteiligten Gemeinde in Auftrag gegebene olfaktometrische Gutachten zum Ergebnis gelangt sei, daß die vom landwirtschaftlichen Betrieb der Beschwerdeführer ausgehende derzeitige "Geruchsbelästigung sicher die im ländlichen Raum zu erwartende nicht überschreitet und sich, ob ihrer Geringfügigkeit, einer meßtechnischen Erfassung entziehe." Die belangte Behörde habe sohin § 62 Abs. 2 Nö. BauO 1976 nicht gleichheitswidrig ausgelegt, indem sie das auf Verweigerung der Baubewilligung für die mitbeteiligte Partei gerichtete Begehren der Beschwerdeführer verworfen habe.
In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführer weisen darauf hin, daß sie während des gesamten Verfahrens ausgeführt hätten, daß sie durch das den Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens bildende Projekt deshalb beeinträchtigt und auch in ihren Rechten verletzt würden, weil die durch den landwirtschaftlichen Betrieb der Beschwerdeführer bereits bestehende Emissionsquelle erst durch die Errichtung der Wohnhausanlage ihre beeinträchtigende Wirkung entfalten könne. Die Aufzählung subjektiv-öffentlicher Rechte im § 118 Abs. 9 Z. 1 bis 4 Nö. BauO 1976 sei nur eine beispielsweise; die Einwendungen der Beschwerdeführer seien auch schon deshalb berechtigt, weil für sie die Gefahr bestehe, daß die Baubehörde unter Anwendung der Bestimmungen des § 32 Nö. BauO 1996 nachträgliche Auflagen für den bewilligten landwirtschaftlichen Betrieb vorschreibe.
Weiters wurde darauf hingewiesen, daß die mitbeteiligte Marktgemeinde auch Bewilligungswerberin sei. Gemäß § 116 Abs. 4 Nö. BauO 1976 sei dann, wenn die Gemeinde als Bewilligungswerberin auftrete, die Aufsichtsbehörde zu den mündlichen Verhandlungen einzuladen, es seien Ausfertigungen aller in diesem Verfahren ergehender Bescheide unverzüglich nach ihrer Erlassung der Aufsichtsbehörde vorzulegen. Die Beschwerdeführer hätten ein subjektiv-öffentliches Recht, daß auch die Bestimmungen des § 116 Abs. 4 Nö. BauO 1976 eingehalten würden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 118 Abs. 9 der Nö. BauO 1976 in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-12 sind subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über
1.
den Brandschutz;
2.
den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;
3.
die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;
4.
die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.
Wenn ein Bauvorhaben außer der baubehördlichen auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung bedarf, werden subjektiv-öffentliche Rechte nur durch die Bestimmung gemäß Z. 4 begründet.
Den Beschwerdeführern ist darin zuzustimmen, daß die Aufzählung in § 118 Abs. 9 BO 1976 nicht taxativ ist, was sich schon aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt. Aus der beispielhaften Aufzählung in § 118 Abs. 9 leg. cit. geht aber hervor, daß nur solche Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte begründen können, die sich, abgesehen von Regelungen in bezug auf die Bebauungsweise, Bebauungshöhe und Abstände des Bauvorhabens, auf schädliche Einwirkungen beziehen, die vom Bauvorhaben ausgehen, was sich aus der Formulierung "... Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können", ableiten läßt.
Daß vom Bauvorhaben selbst Immissionen ausgehen könnten, die nicht mit der Flächenwidmung des zu bebauenden Grundstückes im Einklang stehen, haben auch die Beschwerdeführer nicht vorgebracht. § 62 Abs. 2 der Nö. BauO 1976 trifft eine Regelung dahingehend, welche Vorkehrungen die Behörde zu treffen hat, um sicherzustellen, daß das örtlich zumutbare Maß an Gefahren oder Belästigungen der Nachbarn nicht überschritten wird. Diese Auflagen haben sich, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, allein an jenen Emissionen zu orientieren, die vom beantragten Bauvorhaben ausgehen, d.h. Auflagen im Sinne des § 62 Abs. 2 Nö. BO 1976 können nur dann vorgeschrieben werden, wenn die zu beurteilende bauliche Anlage selbst Verursacher dieser Immissionen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1995, Zl. 95/05/0062). In seinem Erkenntnis vom 23. Februar 1993, Zl. 92/05/0252, hat der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde eines Betriebsinhabers gegen die heranrückende Bebauung mit einem Wohnhaus keine Folge gegeben und ausgeführt, daß ein Betriebsinhaber gegen ein Bauvorhaben für ein Wohnhaus nicht mit Erfolg einwenden könne, die künftigen Bewohner hätten seinen Betrieb und die von ihm ausgehenden Immissionen hinzunehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht die Problematik, die damit verbunden ist, daß die zukünftigen Bewohner der Wohnanlage durch Immissionen aus dem (konsentierten) landwirtschaftlichen Betrieb der Beschwerdeführer belästigt sein können. Die Konfliktsituation resultiert nicht zuletzt aus dem Umstand, daß hier im Flächenwidmungsplan nebeneinanderliegende verschiedene Widmungskategorien durch keine entsprechende "Pufferzone" getrennt sind. Der Verfassungsgerichtshof hat aber die dem Verfahren zugrundeliegenden Verordnungen geprüft und keine Gesetzwidrigkeit erkannt. Aufgrund der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes sieht der Verwaltungsgerichtshof keine Möglichkeit, (neuerlich) an den Verfassungsgerichtshof wegen allfälliger Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes heranzutreten.
Wenn die Beschwerdeführer schließlich darauf hinweisen, daß § 32 der Nö. BO 1996 der Behörde die Möglichkeit einräumt, für die bewilligte nicht gewerbliche Betriebsanlage, deren Emissionen aufgrund der Neuartigkeit dieser Anlage im Bewilligungsverfahren nicht vorhersehbar waren, nachträgliche Auflagen vorzuschreiben, so kann damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründet werden: Das Baubewilligungsverfahren war aufgrund des Zeitpunktes der Einbringung des Baugesuches nach den Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 durchzuführen. Hinsichtlich der Frage der subjektiv-öffentlichen Anrainerrechte waren daher ausschließlich die Bestimmungen dieser Bauordnung heranzuziehen. Der Umstand, daß die am 1. Jänner 1997 in Kraft getretene Niederösterreichische Bauordnung 1996, LGBl. 8200-0, in ihrem § 32 eine über den § 68 Abs. 3 AVG hinausgehende Möglichkeit geschaffen hat, vermag auf die Rechtmäßigkeit des mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 25. Jänner 1995 abgeschlossenen Baubewilligungsverfahrens keine Auswirkungen zu entfalten.
Schließlich ist festzuhalten, daß aus § 116 Abs. 4 Nö. BO 1976 keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte abgeleitet werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 94/05/0324), da diese Bestimmung keinen Bezug zu den im § 118 Abs. 9 leg. cit. angeführten Rechten hat; im übrigen wurde die Aufsichtsbehörde laut Ladung vom 9. November 1994 nachweislich zur Verhandlung vom 25. November 1994 geladen, ebenfalls nachweislich wurde ihr der Baubewilligungsbescheid vom 26. November 1994 zugestellt.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde im Zusammenhalt mit dem vom Verfassungsgerichtshof übermittelten Verwaltungsakt erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6Auflagen BauRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998050055.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
08.08.2009