TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/25 I421 2197706-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.2019
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Entscheidungsdatum

25.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §117
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I421 2197706-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA.

NIGERIA, vertreten durch: RA Mag. Dr. Helmut BLUM gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich vom 14.05.2018, Zl. 1093413004-151682293, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.11.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid wird hinsichtlich Spruchpunkte I, II und III als unbegründet abgewiesen, dies mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt III zu lauten hat wie folgt: "Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wird ihnen gemäß § 57 Asylgesetz nicht erteilt."

Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte IV, V und VI Folge gegeben und werden diese Spruchpunkte ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 04.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit einem terroristischen Angriff auf seine Eltern, die er dabei verloren habe, begründete.

2. Mit dem Bescheid vom 14.05.2018, Zl. 1093413004-151682293, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt VI.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.).

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 05.06.2018 (bei der belangten Behörde eingelangt am 06.06.2018).

4. Mit Schriftsatz vom 07.06.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 08.06.2018, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

5. Der Akt wurde der Gerichtsabteilung I409 beim Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck zugewiesen, in der Folge auf Grund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.9.2019 dieser wieder abgenommen und sodann der Geschäftsabteilung des erkennenden Richters I421 zugewiesen.

6. Die öffentlich mündliche Verhandlung wurde am 5.11.2018 durchgeführt und der Beschwerdeführer und dessen Ehegattin als Zeugin einvernommen.

7. Die Staatsanwaltschaft Wien teilte mit Verständigung vom 5.12.2018 mit, dass das Verfahren gegen den Beschwerdeführer und dessen Ehegattin wegen § 117 FPG eingestellt wurde, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht, dazu wurde der Abschlussbericht der LPD Oberösterreich übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der zu I. wiedergegebene Sachverhalt wird zu Feststellungen des Gerichtes erhoben.

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist verheiratet, kinderlos, Staatsangehöriger von Nigeria und Moslem. Er gehört der Volksgruppe der Hausa an. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein. Er hält sich seit (mindestens) 3.11.2015 in Österreich auf.

Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus dem Vater, der Mutter und zwei Schwestern, lebt bzw. lebte in Nigeria. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten Beziehungen. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehegattin, einer ungarischen Staatsbürgerin zusammen, die er am XXXX.2018 in Wien geheiratet hat.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht seit seiner Eheschließung keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. Er bemüht sich um das Erlernen der deutschen Sprache, hat die A2 Sprachprüfung bestanden und möchte die B1 Prüfung ablegen.

Aus der amtswegig eingeholten IZR-Abfrage ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführe beim Magistrat der Stadt XXXX einen Aufenthaltstitel am 29.11.2018 beantragt und bis 29.11.2024 als Angehöriger eine EWR-Bürgers erhalten hat.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von eine Terrorgruppe in Nigeria verfolgt wurde und von dieser noch gesucht werde.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 14.5.2018 getroffenen Feststellungen und zur in der mündlichen Verhandlung an Hand des "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10 % der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Es wäre dem Beschwerdeführer möglich, in einem anderen Bundesstaat, als seinen Herkunftsbundesstaat, zu leben (Verhandlungsprotokoll S 6).

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria mit Stand 07.08.2017. Es wurde auch eine öffentliche mündliche Verhandlung am 5.11.2018 durchgeführt und der Beschwerdeführer und dessen Ehegattin einvernommen und konnte sich der erkennende Richter sohin einen unmittelbaren und persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführe verschaffen.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung anschließt.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen. Insbesondere hat aber auch die mündliche Verhandlung keine Beweisergebnisse zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers und zur Lage im Herkunftsstaat ergeben, die die diesbezüglichen Feststellungen im bekämpften Bescheid erschüttern würden.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, in der mündlichen Verhandlung und den Abschlussbericht der LPD Oberösterreich. Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen. Dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine maßgeblichen persönlichen Beziehungen verfügt, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers auch anlässlich seiner Einvernahme in der mündlichen Verhandlung (Protokoll vom 5.11.2018, S 8f).

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, stand seine Identität zunächst nicht zweifelsfrei fest, wobei diese nunmehr auf Grund der Urkunden im Akt der Staatsanwaltschaft XXXXfestgestellt werden kann.

Dass der Beschwerdeführer am XXXX2018 die ungarische Staatsbürgerin E. K. ehelichte, ist durch die vorliegende Heiratsurkunde des Standesamtes XXXX erwiesen.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Die Feststellungen zu seinem gegenwärtigen Wohnsitz und seinem Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Anlässlich seiner Erstbefragung am 4. November 2015 gab der Beschwerdeführer an, Nigeria verlassen zu haben, weil er seine Eltern durch einen terroristischen Bombenanschlag verloren hätte. Er habe noch zwei Schwestern, könne aber nicht sagen wie es ihnen gehe und ob sie noch am Leben seien (AS9). Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 3.10.2017, erklärt der Beschwerdeführer dazu, dass er bevor er sein Land verlassen habe, mit Freunden Ball spielen gegangen sei. Diese seien Mitglieder von Boko Haram gewesen. Diese Freunde wollten von ihm, dass er sich ebenfalls Boko-Haram anschließe, was er abgelehnt habe. Sein Dorf sei im April 2014 von einer Terrorgruppe überfallen worden, die Terroristen seien auch in sein Elternhaus gekommen und hätten seine Eltern mit einem Messer getötet und ihn verletzt. Er sei erst wieder im Krankenhaus aufgewacht, habe in der Folge bei einem Freund seines Vaters gelebt und 2015 Nigeria verlassen (AS73ff). In der mündlichen Verhandlung am 5.11.2018 wurde der Beschwerdeführer zu seinen behaupteten Fluchtgründen befragt. Seine widersprüchlichen Angaben, ob nun Sprengstoff- oder Messerangriff, zum behaupteten Überfall konnte der Beschwerdeführer nicht aufklären und blieben die Angaben zum Fluchtgrund weiterhin vage und unkonkret. Aufgrund des persönlichen Eindruckes, den sich der erkennende Richter vom Beschwerdeführer verschaffen konnte, erachtet der erkennende Richter das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers für unglaubwürdig. Dieses Fluchtvorbringen ist in Bezug auf den Geschehensablauf zum behaupteten Überfall widersprüchlich, so spricht der Beschwerdeführer einmal von einer Bombenattacke, ein anderes Mal von einem Messerangriff, davon, dass seine Freunde bei dem Überfall anwesend gewesen seien, dabei aber nichts getan hätten. Diese Behauptungen sind nicht schlüssig, ebenso wenig glaubwürdig ist, dass der Beschwerdeführer nach dem behaupteten Krankenhausaufenthalt nicht mehr in sein Heimatdorf zurückgekehrt wäre. Hätte es einen derartigen Überfall tatsächlich gegeben, ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Anzeige erstattet hätte, zumal ihm Beteiligte am Überfall - laut seinen eigenen Angaben - bekannt gewesen sind. Es ist bei lebensnaher Betrachtung unglaubwürdig, dass ein junger gesunder Mann gegen die Mörder seiner Eltern, die bekannt sind, nicht Anzeige erstattet. Es ist ebenso unglaubwürdig, dass - hätte es diesen behaupteten Vorfall tatsächlich gegeben - der Beschwerdeführer sich nicht um den Verbleib seiner beiden Schwestern gekümmert hätte.

Der Beschwerdeführer gibt selbst an, nach dem behaupteten Überfall, monatelang bei einem Bekannten seines Vaters in einem anderen Bundesstaat gelebt zu haben. Zu diesem Bundesstaat erklärte Beschwerdeführer, dass ihm ein Leben dort möglich wäre (Protokoll mündliche Verhandlung Seite 6). Es würde daher dem Beschwerdeführer, selbst wenn man sein Vorbringen zum Fluchtgrund für wahr halten sollte, eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen. Aufgrund der Beweisergebnisse und des persönlichen Eindrucks vom Beschwerdeführer, erachtet der erkennende Richter das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers für unglaubwürdig. Der Hinweis des Beschwerdeführers, Widersprüche seien aufgrund seiner gegebenen Traumatisierung erfolgt, vermag in diesem Punkt die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht zu erhöhen, zumal sich der behauptete Vorfall im April 2014 ereignet haben soll, der Beschwerdeführer noch bis Jahresende 2014 in Nigeria lebte und die Erstbefragung des Beschwerdeführers am 4.11.2015 stattfand, sodass Widersprüchlichkeiten in den Angaben des Beschwerdeführers nach Überzeugung des erkennenden Richters nicht auf eine Traumatisierung des Beschwerdeführers zurückzuführen sind.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

-

AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:

Assessing Conflict in Nigeria,

http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

-

FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2017b): Nigeria - Ge-sellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.6.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 21.6.2017

-

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017

-

SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

-

UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Ni-geria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 12.6.2017

-

USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/344128/487671_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen. Das aktuelle Länderinformationsblatt zu Nigeria wurde auch in der mündlichen Verhandlung erörtert und wurden dazu keine ergänzenden Feststellungen begehrt, noch wurde dieses inhaltlich in Zweifel gezogen. Es können daher diese Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben, da der Beschwerdeführer, wie festgestellt, in seinem Herkunftsstaat nicht verfolgt wurde und nicht verfolgt oder gesucht wird, zudem stünde dem Beschwerdeführer laut seinen Angaben eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102; 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mwH). Im Sinne einer mit der Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) konformen Auslegung des § 8 Abs 1 AsylG ist subsidiärer Schutz nur zu gewähren, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art 15 der Statusrichtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens (Todesstrafe oder Hinrichtung [lit. a], Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat [lit b] und ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts [lit c]) zu erleiden (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH).

Die Voraussetzungen nach Art 15 lit. c der Statusrichtlinie sind gegeben, wenn es sich erstens um eine Schadensgefahr allgemeinerer Art handelt - der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad der Gewalt hat ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder Region Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn 35). Zweitens muss diese Situation ausnahmsweise als ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit der subsidiären Schutz beantragenden Person anzusehen sein (vgl EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn 37 und 39 ua).

Die Voraussetzungen nach Art 15 lit. b Statusrichtlinie für einen ernsthaften Schaden in Form von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat erfordern dessen Verursachung durch das Verhalten Dritter (Akteure). Sind solche Schäden Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsstaat, ist dagegen subsidiärer Schutz nicht zu erteilen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 unter Berufung auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH). Der Umstand, dass der Beschwerdeführer aus Gründen des Art 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, bedeutet hingegen nicht, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mHa EuGH 18.12.2014, C-542/13, M'Bodj).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Dem Beschwerdeführer droht in Nigeria keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung. Es droht ihm auch keine reale Gefahr, im Falle seiner Rückkehr entgegen Art 3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzungen des Art 3 EMRK - was in Nigeria aufgrund der Sicherheitslage grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann - ist hingegen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die in Nigeria leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung eines Status eines subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden. So liegt hinsichtlich des Beschwerdeführers kein stichhaltiger Grund dafür dar anzunehmen, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat tatsächlich in Gefahr liefe, die Todesstrafe oder Hinrichtung, die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers in Nigeria und auch nicht eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in Nigeria erleiden würde. Nachdem der Beschwerdeführer selbst angibt, nie ernstliche Probleme mit den Behörden von Nigeria gehabt zu haben und auch keine Gründe ersichtlich sind, die auf den Vorwurf einer Straftat, welcher zu der Verhängung der Todesstrafe, der Folter oder Bestrafung des Antragstellers im Herkunftsstaat hindeuten könnten, ist ein "ernsthafter Schaden" im Sinne des Art 15 der Statusrichtlinie auszuschließen. Ein bewaffneter Konflikt besteht in Nigeria ebenfalls nicht. Zwar ist es so, dass in Nigeria die Sicherheitslage nicht mit der österreichischen vergleichbar ist, jedoch erreichen die nach dem Länderinformationsblatt für Nigeria möglichen Gewaltakte nicht ein so hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Nigeria alleine durch seine Anwesenheit im Gebiet von Nigeria tatsächlich in Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation in Nigeria und den hiermit verbundenen Umständen spezifisch von willkürlicher Gewalt in Nigeria betroffen wäre. Daher ist auch diese Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes nicht erfüllt. Eine Gefahr eines ernsthaften Schadens durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Beschwerdeführers in Nigeria liegt ebenfalls nicht vor. Der Beschwerdeführer gehört weder einer Bevölkerungsgruppe an, die in Nigeria allgemein einer besonderen Gefahr ausgesetzt worden wäre, noch liegen individuelle Bedrohungen, die dazu führen könnten, dass der Beschwerdeführer bei Rückkehr nach Nigeria einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt worden wäre.

Ganz allgemein besteht in Nigeria derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 oder Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine diesbezüglichen Umstände bekannt geworden. Es ergeben sich auch aus dem Länderinformationsblatt für Nigeria keine Gründe, die es naheliegen würde, dass bezogen auf den Beschwerdeführer, ein reales Risiko gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe besteht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides)

3.3.1. Rechtslage

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG, abzuweisen war, wobei aber der bekämpfte Spruchpunkt wie im Tenor des Erkenntnisses zu berichtigen war.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides), zur Feststellung, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V des bekämpften Bescheides) und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI des bekämpften Bescheides):

Zweifelsfrei, und wurde dies auch festgestellt, wurde dem Beschwerdeführer vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz eine Aufenthaltsbewilligung bis 29.11.2024 erteilt, somit ist sein Aufenthalt rechtmäßig und scheidet daher aus diesem Grund schon eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria aus, weshalb die Rückkehrentscheidung gemäß Spruchpunkt vier des bekämpften Bescheides zu beheben war, was auch die Behebung des Spruchpunktes fünf des bekämpften Bescheides zur Folge hat. Es ist auch Spruchpunkt VI (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) aufgrund des gegebenen Sachverhaltes obsolet.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung, Asylantragstellung, asylrechtlich relevante Verfolgung,
Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz,
Aufenthaltstitel, aufschiebende Wirkung - Entfall, begründete Furcht
vor Verfolgung, berücksichtigungswürdige Gründe, freiwillige
Ausreise, Frist, Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, mündliche
Verhandlung, real risk, reale Gefahr, Rückkehrentscheidung,
Scheinehe, Strafverfahren - Einstellung, subsidiärer Schutz,
Verdacht, Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung, wohlbegründete
Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I421.2197706.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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