TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/29 W171 2118754-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2019
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Entscheidungsdatum

29.04.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z8

Spruch

W171 2118754-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Philippinen, vertreten durch RA Dr. Christof Dunst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl.: XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG als

unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Philippinen, ehelichte am 28.10.2011 auf den Philippinen eine österreichische Staatsbürgerin. Am 19.04.2012 beantragte er bei der österreichischen Botschaft in XXXX einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger. Der beantragte Aufenthaltstitel wurde am 05.06.2013 ausgestellt. Am 18.06.2013 wurde ihm ein Visum zur Abholung des Aufenthaltstitels erteilt. Der Beschwerdeführer reiste nach Österreich ein und meldete sich am 09.08.2013 an einer Adresse in Wien an. Am 17.02.2014 meldete er sich von dieser Adresse wieder ab. Die Ehe wurde am 09.04.2014 einvernehmlich geschieden. Am 10.04.2014 stellte der Beschwerdeführer einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte Plus".

2. Die Magistratsabteilung 35 der Wiener Landesregierung leitete einen Verdacht auf Aufenthaltsehe am 24.01.2013 an die Landespolizeidirektion Wien weiter, welche Ermittlungen einleitete. Auf Grundlage eines Abschlussberichts wurde ein Strafantrag gestellt, welcher jedoch am 07.11.2014 wegen Verjährung (§ 57 StGB) zurückgezogen wurde.

3. Der Beschwerdeführer wurde am 20.02.2015 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab er an, seine Exehefrau im März oder April 2010 im Haus seiner Tante XXXX auf den Philippinen kennen gelernt zu haben. Etwa ein Jahr später hätten sie sich telefonisch entschlossen zu heiraten. Im Oktober habe die Heirat auf den Philippinen stattgefunden. Seine Tante XXXX und ein Mann namens XXXX seinen Trauzeugen gewesen, eine anschließende Hochzeitsfeier mit ca. 20 Personen habe im Haus dieser Tante stattgefunden. Er sei nach der Einreise nach Österreich bei seiner Frau ein- und zwischen 7. und 8. Jänner wieder ausgezogen. Seine Ehefrau sei zuvor schon einmal mit einem philippinischen Staatsbürger verheiratet gewesen. Die Namen und das Alter der Töchter seiner Frau kenne er nicht, er wisse auch nicht ob seine Ehefrau Kontakt zu ihren Kindern habe. Während ihres Zusammenlebens seien sie gemeinsam spazieren gegangen und hätten den Haushalt gemacht. Er wisse nicht welche Hobbies seine Frau habe, gemeinsame Bekannte gebe es nicht. Gemeinsame Fotos seien im Besitz seiner Frau. Über die Familienangehörigen seiner Frau wisse er nichts.

Die ehemalige Ehefrau des Beschwerdeführers wurde am selben Tag niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie an, den Beschwerdeführer im Jahr 2011 kennengelernt zu haben. Er habe sie mit seiner Tante XXXX vom Flughafen abgeholt. Sie sei für zwei bis drei Monate auf den Philippinen auf Urlaub gewesen, während dieser Zeit hätten sie sich entschlossen zu heiraten. Im Oktober sei sie zur Hochzeit auf die Philippinen zurückgekehrt. Zwischen Ausreise und Wiedereinreise hätten sie keinen Kontakt gehabt, auch nicht telefonisch. Nach der Hochzeit hätten sie mit etwa zehn Personen in der Wohnung seiner Tante XXXX gegessen. Trauzeuge sei ein Familienangehöriger ihres Mannes gewesen. Ihr Mann sei vor Weihnachten aus der gemeinsamen Wohnung in Wien ausgezogen. Während ihres Zusammenlebens hätten sie getrennt voneinander den Haushalt geführt. Sie hätten nur gemeinsam Lebensmittel eingekauft, aber sonst nichts gemeinsam unternommen. Es gebe aus ihrer Zeit in Österreich auch keine Fotos. Sie glaube, dass ihr Ehemann an Familienmitgliedern seine Eltern und Brüder habe, die Namen kenne sie nicht.

4. Im Rahmen einer Verständigung von der Beweisaufnahme wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu erlassen. Am 30.07.2015 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, in der er ausführte, dass die Eheschließung nicht im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einreise stehe, da die Einreise erst rund zwei Jahre nach der Eheschließung erfolgt sei. Der Beschwerdeführer gehe einer laufenden Beschäftigung nach und beabsichtige weitere Ausbildungen. Er verfüge über ein Deutschzertifikat A2. Er stelle somit keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar. Er lebe bei seiner Tante und trage finanziell zur Haushaltsführung bei. Beiliegend wurden ein Arbeitsvertrag, Gehaltszettel, ein philippinisches Führungszeugnis, ein Deutschzertifikat A2 und eine handschriftliche Bestätigung der Tante über geleistete Beiträge zu den Wohnungskosten übermittelt.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde gemäß § 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 52 Abs. 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG auf die Philippinen zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.). gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG wurde ein aus drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers und seiner Exehefrau das Vorliegen einer Scheinehe erwiesen sei. Zum Privat- und Familienleben wurde festgehalten, dass kein schützenswertes Familien- oder Privatleben vorliege. Sonstige Gründe für die Erlangung eines Aufenthaltstitels habe das Ermittlungsverfahren nicht ergeben. Durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe habe der Beschwerdeführer § 53 Abs. 3 Z 8 FPG erfüllt. Dieses verhalten stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Das verhängte Einreiseverbot von drei Jahren ergebe sich aus der schwere des Fehlverhaltens.

6. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 14.12.2015 Beschwerde erhoben. Als Beschwerdegründe wurden die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids, insbesondere aufgrund unrichtiger und unvollständiger Sachverhaltsfeststellungen und daraus resultierender mangelhafter Interessensabwägung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung geltend gemacht. Zum Vorwurf der Scheinehe wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer erst sechs Monate nach der Eheschließung einen Aufenthaltstitel beantragt habe und die tatsächliche Einreise erst 14 Monate später erfolgt sei. Aufgrund fehlenden Kontaktes der Eheleute in diesem Zeitraum habe eine gewisse Entfremdung stattgefunden, die letztlich auch zur Scheidung geführt habe. Daher seien die Aussagen der Ehegatten über die gemeinsame Zeit nicht zwingend konform. Der daraus geschlossene Rückschluss der Behörde stelle eine "unzulässige Vermutung" zulasten des Beschwerdeführers dar. Der zeitliche Abstand zwischen Eheschließung und Einreise lasse nicht zwingend auf die sonst übliche Vorgehensweise bei Scheinehen schließen, da meist ein zeitlich engerer Zusammenhang bestehe. Die Eheschließung liege nunmehr über vier Jahre zurück, der Beschwerdeführer habe sich seither wohlverhalten und gehe einer regelmäßigen Beschäftigung nach. Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit liege daher nicht vor.

7. Mit Schreiben vom 12.10.2018 teilte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit, dass sich dieser seit Mitte/Ende 2017 auf den Philippinen befinde, um eine Scheidung zu erwirken. Wann er nach Österreich zurückkehren werde, sei schwer abschätzbar.

8. In einem weiteren Schriftsatz vom 28.03.2019 wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. bis III. zurückgezogen und nur die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. aufrechterhalten. Unter Hinweis darauf, dass seit der Erlassung des angefochtenen Bescheids bereits mehr als drei Jahre vergangen seien und sich der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nichts habe zuschulden kommen lassen, wurde ersucht von einem Einreiseverbot Abstand zu nehmen oder dies entsprechend zu reduzieren. Auf die Durchführung der für 03.04.2019 anberaumten Verhandlung wurde ausdrücklich verzichtet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Philippinen, seine Identität steht fest. Er ehelichte am 28.10.2011 auf den Philippinen eine österreichische Staatsbürgerin, XXXX XXXX , nunmehr verheiratete XXXX , geb. 16.10.1965. Am 19.04.2012 beantragte der Beschwerdeführer bei der österreichischen Botschaft in XXXX einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger". Der beantragte Aufenthaltstitel wurde am 05.06.2013 ausgestellt. Am 18.06.2013 wurde ihm ein Visum zur Abholung des Aufenthaltstitels erteilt.

1.2. Der Beschwerdeführer war von 09.08.2013 bis 19.06.2018 durchgehend in Österreich gemeldet. Laut eigenen Angaben hält sich der Beschwerdeführer schon seit 2017 auf den Philippinen auf.

1.3. Die Ehe des Beschwerdeführers wurde am 09.04.2014 einvernehmlich geschieden.

1.4. Am 10.04.2014 stellte der Beschwerdeführer einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte Plus". Ein Aufenthaltstitel wurde bisher nicht erteilt.

1.5. Ein Strafantrag gegen den Beschwerdeführer wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe nach § 117 Abs. 1 und 4 StGB wurde am 07.11.2014 wegen Verjährung (§ 57 StGB) zurückgezogen.

1.6. Der Beschwerdeführer ist mit seiner geschiedenen Ehefrau eine Aufenthaltsehe im Sinne des § 117 Abs. 1 und 4 FPG eingegangen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen 1.1. bis 1.5. ergeben sich unzweifelhaft aus dem Verwaltungsakt und wurden vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Beweiswürdigung der belangten Behörde an, aus der sich unzweifelhaft ergibt, dass der Beschwerdeführer mit seiner geschiedenen Ehefrau eine Aufenthaltsehe eingegangen ist. Diese beruht auf folgenden Überlegungen:

Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau schilderten die Umstände und den Zeitpunkt des Kennenlernens völlig unterschiedlich. Der Beschwerdeführer gab an, seine spätere Ehefrau im März oder April 2010 im Haus seiner Tante XXXX kennen gelernt zu haben. Ein Jahr später hätten sie sich telefonisch zur Heirat entschlossen. Die geschiedene Ehefrau schilderte jedoch, dass der Beschwerdeführer sie gemeinsam mit seiner Tante XXXX im Jahr 2011 vom Flughafen abgeholt habe. Während ihres Aufenthalts auf den Philippinen hätten sie die Heirat beschlossen. Sie sei dann nach Österreich zurückgekehrt und in Oktober 2011 wieder auf die Philippinen gereist. Zwischen ihrer Ausreise nach Österreich und der Rückkehr auf die Philippinen habe zwischen ihnen kein Kontakt bestanden, auch nicht telefonisch.

Auch die Angaben zur Hochzeit stimmen nicht überein. Während der Beschwerdeführer angab, seine Tante XXXX und ein Mann namens XXXX seinen Trauzeugen gewesen und die anschließende Feier mit etwa 20 Personen habe im Haus seiner Tante XXXX stattgefunden, konnte seine Frau nur angeben, dass es sich beim Trauzeugen um einen Verwandten ihres Mannes gehandelt habe. Die Feier habe in der Wohnung der Tante XXXX mit etwa zehn Personen stattgefunden. Der Name der anderen Tante, XXXX , war der Ehefrau gänzlich unbekannt.

Ein gemeinsamer Haushalt in Österreich bestand zwischen den Eheleuten nur kurz, laut Zentralem Melderegister von 09.08.2013 bis 17.02.2014. Der Beschwerdeführer zog jedoch schon früher aus der gemeinsamen Wohnung aus, wobei auch hier die Angaben der Eheleute voneinander abweichen. Laut Beschwerdeführer sei er am 7. oder 8. Jänner 2014 ausgezogen, laut seiner Ehefrau schon vor Weihnachten 2013.

Dass die Eheschließung nicht zum Zweck des Eingehens einer Familiengemeinschaft und eines Ehelebens erfolgt ist, sondern eine Aufenthaltsehe vorliegt, ergibt sich auch aus den Angaben der ehemaligen Eheleute zu ihrem gemeinsamen Leben in Österreich. Obwohl der Beschwerdeführer zumindest angab, sei wären gemeinsam spazieren und einkaufen gegangen, behauptete seine Frau, dass es außer Lebensmitteleinkäufen überhaupt keine gemeinsamen Aktivitäten gegeben habe. Sie konnte auch nichts über die beruflichen oder privaten Beschäftigungen des Beschwerdeführers während des Zusammenlebens angeben. Gemeinsame Fotos aus der Zeit in Österreich gebe es laut Ehefrau nicht, obwohl der Beschwerdeführer angegeben hatte, dass seine Frau im Besitz solcher Fotos sei. Die Eheleute konnten keine Angaben über die nächsten Familienangehörigen (Namen der Töchter der Ehefrau, Namen der Eltern sowei Namen und Anzahl der Brüder des Beschwerdeführers) oder über die Hobbies des Gatten machen. Aus dem gesamten Einvernahmeprotokoll ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die Ehe zur Begründung eines Ehe- und Familienlebens geschlossen worden wäre.

Die Beschwerde ist der Beweiswürdigung der belangten Behörde auch nicht substantiiert entgegengetreten, im Gegenteil wird durch das Vorbringen die Beurteilung der Ehe als Aufenthaltsehe noch untermauert. Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass zwischen Eheschließung im Oktober 2011 und Einreise des Beschwerdeführers fast zwei Jahre vergangen seien und aufgrund des fehlenden Kontaktes eine gewisse "Entfremdung" stattgefunden habe, so wird übersehen, dass es den Eheleuten offen gestanden wäre, ihre Beziehung durch Kontakt auf elektronischem oder telefonischem Weg und durch Besuche der Ehefrau auf den Philippinen aufrecht zu erhalten. Dass dies unterlassen wurde, belegt nach Ansicht des Gerichtes vielmehr, dass kein tatsächliches Interesse der Eheleute aneinander bestand. Allein aufgrund der in den Stellungnahmen und in der Beschwerde mehrmals betonten Tatsache, dass zwischen der im Oktober 2011 erfolgten Heirat und der Beantragung eines Aufenthaltstages im April 2012 mehrere Monate lagen, kann das Vorliegen einer Aufenthaltsehe nicht von vornherein ausgeschlossen werden, zumal, wie oben angeführt, keine Anhaltspunkte für ein tatsächliches Ehe- und Familienleben vorliegen.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I., II. und III. des angefochtenen Bescheides:

Der Beschwerdeführer zog seine Beschwerde gegen diese Spruchpunkte mit Schriftsatz vom 28.03.2019 ausdrücklich zurück, womit diese in Rechtskraft erwachsen sind.

3.2. Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

"§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(1a) (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig

bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu

einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens war die Beschwerde gegen das erlassene Einreiseverbot als unbegründet abzuweisen. Dies aus folgenden Erwägungen:

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

Wie sich aus § 53 Abs. 2 FPG ergibt, ist bei der Verhängung eines Einreiseverbots das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen in die Betrachtung miteinzubeziehen. Dabei gilt es zu prüfen, inwieweit dieses die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Es steht unbestritten fest, dass dem Beschwerdeführer mittels Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, MA 35, ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte Plus" wegen des Vorliegens einer Scheinehe bisher nicht erteilt wurde.

Mit Blick auf die vom Beschwerdeführer in Bezug auf seine zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eingegangene Scheinehe gezeigte Bereitschaft, sich über die österreichischen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen hinwegzusetzen, lässt dieses Verhalten auf ein nicht unbeträchtliches Potenzial an rechtsverletzender Energie und damit einhergehend auch eine herabgesetzte Hemmschwelle im Hinblick auf die Achtung von gesellschaftlichen Regeln und Normen beim Beschwerdeführer schließen.

Damit nicht nur seinen Willen zur Nichtbeachtung der österreichischen Rechtsordnung sondern auch zur Negierung der einem gedeihlichen und nachhaltigen Zusammenleben dienlichen - dem Rechtsinstitut der Ehe einen hohen Stellenwert einräumenden (vgl. RV 330 XXIV. GP) - Gesellschaftsregeln, eindrucksvoll zum Ausdruck bringend, lässt das aus fremdenrechtlicher Sicht schwer zu verurteilende Verhalten des Beschwerdeführers ( vgl. 07.02.2008, 2006/21/0232; 07.02.2008, 2006/21/0262) vor dem Hintergrund seines bisherigen Verhaltens keine positive, den Ausschluss eines neuerlichen Verstoßes (fremden-) rechtlicher Normen im Bundesgebiet annehmen lassende Prognose zu.

Damit (zur Zulässigkeit der Berücksichtigung nicht zur Verurteilung geführt habender Rechtsverletzungen siehe VwGH 15.10.2002, 2002/21/0163) hat der Beschwerdeführer bestehende negative, - fremdenrechtlich - nicht tolerierbare Wesenszüge im Hinblick auf die Achtung gültiger Rechtsnormen aufgezeigt, welche in einer Gesamtbetrachtung die, eine positive, für den Beschwerdeführer sprechende, Zukunftsprognose in fremdenrechtlicher Sicht nicht zulassende Annahme untermauert (vgl. VwGH 16.05.20012, 2009/21/0160). Mit ergänzendem Verweis darauf, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die das Strafgericht für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096), es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119) und es daher dem erkennenden Gericht obliegt festzustellen, ob eine Gefährdung im Sinne des FPG vorliegt oder nicht, kann in der Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kein Beweis für dessen hinkünftiges Wohlverhalten gesehen werden. Da ein großes öffentliches Interesse an einem geregelten Fremdenwesen in Österreich vorherrscht und die Nichtbeachtung von Rechtsnormen, insbesondere im Hinblick auf eine Scheinehe (vgl. VwGH 07.02.2008, 2006/21/0232; 07.02.2008, 2006/21/0262; 26.09.2007, 2006/21/0158), einem gedeihlichen gesellschaftlichen Zusammenleben massiv zuwiderläuft, ist gegenständlich der Schluss zu ziehen, dass der Beschwerdeführer durch sein gezeigtes Verhalten - und der daraus resultierenden negativen Zukunftsprognose - den Beweis für dessen nachhaltige und schwerwiegende Gefährdung österreichischer - in Art 8 Abs. 2 EMRK genannter - öffentlicher Interessen erbracht hat und die Verhängung eines Einreiseverbotes als notwendiges Mittel zu dessen Begegnung zu betrachten ist. Auch allfällige sonstige im Sinne des Art 8 EMRK relevante, Umstände wie familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte zu Österreich liegen gegenständlich nicht vor. So muss - wie bereits oben ausgeführt - die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte, Beziehung zu seiner Tante angesichts seines Verhaltens relativiert werden und hinter das Verhalten des Beschwerdeführers zurücktreten.

Vor dem Hintergrund des an sich als schweren Verstoß gegen die fremdenrechtlichen Normen und gesellschaftlichen Bestimmungen zu wertende Verhalten des Beschwerdeführers sowie der negativen Zukunftsprognose, war die von der belangten Behörde ausgesprochene Befristung des Einreiseverbotes in der Höhe von drei Jahren keiner Reduktion zugängig. (vgl. VwGH 07.02.2008, 2006/21/0262; 16.05.2012, 2009/21/0160; 07.02.2008, 2006/21/0232,; 26.09.2007, 2006/21/0158 hinsichtlich der Schwere des Fehlverhaltens der Scheinehe). So vermeint auch der VwGH, dass sich die Dauer des Einreiseverbotes an dem sich aus der Art und Schwere der - konkret - zu Grunde liegenden Straftaten ergebenden Persönlichkeitsbild zu orientieren hat (vgl. VwGH 10.04.2014, 2013/22/0310).

3.2.3. Da sich das Einreiseverbot an sich sowie dessen Befristung als rechtmäßig erweist, war die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes IV. als unbegründet abzuweisen.

3.3. Nach § 21 Abs. 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Der Beschwerdeführer verzichtete ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen verhandlung.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Einreiseverbot, Gefährlichkeitsprognose, Scheinehe, Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W171.2118754.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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