TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/27 W241 2185451-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.2019
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Entscheidungsdatum

27.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W241 2185451-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2017, Zahl 1080945504/150996995, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.07.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben irregulär in Österreich ein und stellte am 03.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. In seiner Erstbefragung am 03.08.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei schiitischer Moslem und stamme aus Bamyan in Afghanistan. Seine Eltern, ein Bruder und zwei Schwestern seien aktuell noch in Afghanistan aufhältig. Er sei im Juni 2015 ausgereist und sei über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich gelangt.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit auch Schweißarbeiten an PKWs durchgeführt habe. Zwei Taliban seien in seine Werkstätte gekommen und hätten ihn um die Reparatur ihres PKWs gebeten. Er sei mit ihnen gefahren, am Ziel sei er aufgefordert worden, eine Bombe in einem Auto zu verstecken. Nach etwa der Hälfte der Arbeiten habe er fliehen können.

1.3. Am 23.09.2016 legte der BF folgende Dokumente vor:

-

Schulabschlusszeugnis

-

Bachelor-Diplom der Universität XXXX

-

diverse Kursbestätigungen aus Afghanistan

-

Prüfungszeugnis Deutsch B1

-

Teilnahmebestätigung an einem Schulprojekt

-

Anmeldung Wings for Life Run

-

Karate-Urkunde

-

Dienstzeugnis einer Gärtnerei

-

Beschäftigungsbewilligung

-

Lohnzettel

1.4. Bei seiner Einvernahme am 23.10.2017 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, gab der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"F: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von sich aus vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß. Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können. Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren. Sie haben jetzt auch Gelegenheit, sich zu den Fragen, die von ihnen mit "Ja" oder "Nein" beantwortet wurden, zu äußern.

A: Anfang des dritten Monats, bzw. Ende Mai und ich habe im Geschäft, wie immer, gearbeitet, draußen arbeitete ich an einem Lastenwagen und versuchte, die Mauern (Bordwände) zu erhöhen, damit das Auto mehr Last mit sich tragen kann, das ist üblich in Afghanistan.

Es war ungefähr neun Uhr, als zwei Personen in das Geschäft kamen und sie fragten mich, ob ich Schweißertätigkeiten für ihr Haus machen möchte, wir beredeten den Preis und ich bat sie zu Mittag wieder zu kommen, weil ich zu diesem Zeitpunkt mit dem Auto beschäftigt war.

Sie schlugen vor, dorthin zu fahren, alles vor Ort anzuschauen, das Haus befindet sich in der Nähe von XXXX , gegen Mittag war ich mit der Arbeit beim Auto fertig, ich bereitete alles vor für die Besichtigung.

Zu Mittag gegen zwölf Uhr kamen sie mit einem weißen Auto, ich packte meine Werkzeuge ins Auto, der Fahrer war so groß wie ich, sie hatten beide afghanische Kleidung an und Bärte, der zweite war kleiner als ich und dick.

Wir stiegen ein, ich hinten, die zwei Personen vorne, wir fuhren über PO XXXX , wir redeten miteinander, sie fragten mich, wo ich wohnen würde, was ich arbeiten würde wie das Geschäft laufen würde.

Ich erzählte, dass ich die Uni abgeschlossen hätte und dass das Geschäft abgeschlossen hätte und dass ich in XXXX wohne, ich wusste nicht, dass sie etwas im Schilde führten.

Nach XXXX in der Nähe von XXXX stoppte das Auto, er sagte, dass er sich Kautabak kaufen möchte, er ging in ein Geschäft und war ca. fünf bis zehn Minuten dort. Als er zurück kam, setzte er sich neben mich hin. Wir fuhren los, ich fragte, ob wir schon angekommen wären und er meinte, in zwei Minuten.

In der Nähe von XXXX fragte ich wieder, und er antwortete gleich. Als wir vorbeifuhren, fragte ich wieder, da ich wusste, dass diese Gegend eine unsichere Gegend und unter der Hand der Taliban ist. Auf einmal zückte er eine Waffe. Mit einer Hand schubste er mich aus dem Sitz hinunter, seinen Fuß legte er auf meinen Kopf, damit ich mich nicht bewegen kann, das Auto fuhr weiter, ich konnte nicht sehen, wohin, ich merkte nur, dass nach kurzer Zeit die Straße nicht mehr gepflastert war, wir fuhren ungefähr 45 bis 60 Minuten.

In der Nähe eines Waldes musste ich aussteigen, ich musste in den Wald hinein, wo vier weitere warteten, es standen dort noch zwei Motorräder und ein Lastenwagen, alle Personen waren mit einer Kalashnikov bewaffnet, einer von ihnen war glaube ich der Anführer, er kam zu mir und sagte, ich müsse ihnen gehorchen, sonst würden sie mich töten.

Er zeigte mir ein Auto, einen Mazda, er war glaub ich blau, ich sollte einen Stauraum einbauen, ich sah selbstgemachte Bomben, diese musste ich in das Auto hineinbauen. Ich musste das zwischen zwei Lagen hineinbauen, unter dem Auto. Der Anführer schrie mich an und beschimpfte mich, ich holte dann mein Werkzeug, sie hatten einen Generator für Strom, ich fing an zu arbeiten, zwei Personen fuhren mit dem Motorrad weg, ich blieb noch dort, der Anführer, der Kommandant von ihnen und eine weitere Person bewaffnet mit einer Kalashnikov.

Die zwei, die mich hinbrachten, fuhren mit dem Auto wieder weg.

Ich fing an zu arbeiten, es dauerte bis zum Nachmittag, ca. fünf oder sechs, die Person, die eine Kalashnikov trug durchsuchte mich und nahm mir auch mein Handy weg, der Anführer kam zu mir, als ich noch bei der Arbeit war und schickte mich in ein Zimmer, das sich im Wald befand, ich habe dort ungefähr dreißig Minuten gewartet. Nach dreißig Minuten konnte ich wieder hinausgehen, der Kommandant forderte mich auf zu beten, die Person, die die Kalashnikov trug antwortete, dass ich ungläubig wäre, daraufhin fing der Kommandant an zu beten und ich ging wieder der Arbeit nach., es war Abend, als es mir endlich gelang, den Boden des Autos zu entfernen, es war schon dunkel, ich konnte nicht mehr so viel sehen, ich musste auf die Toilette.

Die Person mit der Kalashnikov begleitete mich, es war kein richtiges WC, nur ein Loch im Boden mit einem Ausweg nach draußen und einem Vorhang davor, die Person, die mich begleitete, musste auch auf das WC und ich dachte mir, ich werde ohnehin getötet, ich beschloss zu fliehen und sprang in das Plumpsklo und konnte in einer Gasse wieder herauskommen, ich war komplett schmutzig.

Ich ging in ein größeres Waldstück hinein, lief teilweise, hatte aber nicht genug Energie, als es gar nicht mehr ging, versteckte ich mich unter Weintraubenreben, ich hörte Stimmen und der Kommandant kam sogar in das Waldstück hinein, weil er auf der Suche nach mir war, er konnte mich aber zum Glück nicht sehen, weil es dunkel geworden war, ich hielt mich dort so lange auf, bis ich nichts mehr hörte und es komplett dunkel war,

danach ging ich hinaus aus dem Wald, ging weiter, bis ich Lichter sah, ich wusste, dass ich auf dem richtigen Weg war.

Anm.: AW weint.

Jedes Mal, wenn ich einen Schatten sah, oder sich was bewegt hatte, dann bekam ich Angst und setzte mich auf den Boden, ich blieb so lange sitzen, bis ich mir sicher war, dass es ungefährlich zum Weitergehen war, als der Mullah zum Morgengebet rief, kam ich IN XXXX an, dort ging ich zu einem kleinen Fluss, wusch mich.

Es waren dort viele Bauern unterwegs, einer nahm mich mit und ich kam gegen sechs Uhr daheim an. Zu dem Zeitpunkt waren alle daheim, auch mein kleiner Bruder war noch nicht im Geschäft, ich erzählte meinem Vater was passiert war und wir gingen gegen siebendreißig bis acht zur Polizeistation in XXXX .

Ich erzählte den Polizisten, was passiert war und er meinte, er wäre nicht zuständig und er schickte uns mit einem Soldaten und einem Ranger zum Hauptquartier, ein Teil davon ist gegen den Terrorismus, dort erzählte ich alles dem XXXX .

Er fragte mich, wann das passiert sei, wie ich heiße, wie mein Vater heißt, die Adresse der Wohnung, die Adresse des Geschäftes, wieviele Personen mich entführten, wieviele Personen dort anwesend waren und warum ich mit denen zusammengearbeitet habe. Ich sagte, dass ich keinen anderen Ausweg sah, weil die Personen bewaffnet waren und weil sie das von mir verlangten. Ich wurde ungefähr eine Stunde befragt und musste auch eine Skizze dieses Ortes zeichnen, er gab mir seine Nummer und meinte, ich solle ihn kontaktieren, wenn ich ihn noch einmal sehe, mein Vater und ich gingen heim, nahmen ein Taxi und fuhren heim.

Eine unbekannte Nr. hatte meinen Bruder angerufen, zwei Personen waren bei uns im Geschäft und fragten die Geschäftsleute neben uns nach unserer Wohnadresse. Gegen Mittag rief die unbekannte Nr. wieder an, es waren die zwei Personen, sie drohten am Telefon, dass sie mich finden werden und auch wüssten, wo ich wohnte, die Polizei sei machtlos. Ich hatte Angst und legte auf. Ich war zu dem Zeitpunkt daheim, wusste nicht, was ich machen soll, als es Nachmittag wurde, sagte mein Vater zu mir, dass ich von dort weggehen müsste, er holte ein Taxi und schickte mich nach XXXX , wo eine Bekannte lebt, zu der ich immer Tante sage, der erste Tag verbrachte ich nur daheim, am zweiten Tag sagte mir der Sohn der Bekannten, dass ich nach Europa oder Kanada fliehen soll.

Mein Vater organisierte einen Schlepper, am fünften Tag kam der Schlepper, er machte ein Foto von mir und meinte, ich solle vorbereitet sein, weil es am nächsten Tag losgeht. In den Iran konnte ich nicht, weil sie mich wieder abschieben würden. Mein Cousin, der Sohn der Bekannten und der Vater organisierten den Schlepper.

Am sechsten Tag kam am frühen Morgen um ungefähr fünf Uhr der Schlepper, er gab mir einen Reisepass, wo mein Foto drin war und auch ein Visum für den Iran, er ging wieder und meinte, dass er um acht retour ist.

Ich verabschiedete mich telefonisch von meinen Eltern, um ungefähr acht kam er, ein Taxi der Marke Corolla mit einem Fahrer, der klein war und einen kurzen Bart hatte brachte mich über die Straße XXXX dort stiegen noch drei weitere ein, ich saß vorne, die drei hinten, wir fuhren in den Iran.

Das war der Grund.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert?

A: Ja, das war der Grund warum ich geflohen bin, ich hatte dort alles, Haus, Geschäft, Grundstücke, mir blieb keine andere Wahl.

F: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Ich habe Angst, dass die Taliban mich finden und töten, auch meine Familie hat Angst, deshalb sind sie geflüchtet.

Es wird rückübersetzt. AW wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. noch etwas zu ergänzen ist.

Nach erfolgter Rückübersetzung gibt AW an, dass ich einen Zwischenraum einbauen musste, wo die Bombe platziert wird. Ein Bauer nahm mich mit seiner Rikscha mit.

F: Möchten Sie eine Pause machen?

A: Nein.

F: Mit welchem Auftrag wurden die Personen in Ihrem Geschäft vorstellig, was hätten Sie beim Haus machen sollen?

A: Sie kamen zu mir und baten mich, dass ich das Skelett des Hauses schweißen sollte.

F: Beschreiben Sie mir bitte, was mit dem Skelett des Hauses gemeint ist!

A: In Österreich wird das Dach mit Holz verkleidet, in Herat ist das nicht möglich, dort werden zuerst Eisenstangen platziert werden, damit die Steine darauf halten, die Ziegel.

F: Welches Werkzeug und Material nahmen Sie mit in dem weißen Auto, das Sie abholte?

A: Kabel für das Schweißgerät, Hammer, und eine Schneidemaschine für Steine.

Anm: Dolmetsch besteht darauf, dass AW Steine sagte. Erst nachher meinte er "Eisen"

F: Was machten Sie bei dem blauen Mazda konkret handwerklich, beschreiben Sie mir das?

A: Ich habe das Metall zwischen dem Boden des Autos und der Unterseite rausgeschnitten und noch ein bisschen Schweißarbeiten getätigt, um einen Stauraum zu errichten, ich wurde aber nicht fertig.

F: Welches Werkzeug haben Sie dafür benötigt?

A: Um das Metall rauszuschneiden habe ich die Fräßmaschine benutzt, und danach das Schweißgerät. Es gab dort einen Generator für Strom, das war bereits dort vorhanden.

F: Woher kam das Schweißgerät?

A: die Maschine und die Kabel nahm ich vom Geschäft mit, das habe ich vorher erwähnt, sie wollten, dass ich einen Stauraum mache, den keiner sieht.

F: Beschreiben Sie mir bitte kurz das Haus, das dort war, wo Sie am Mazda arbeiteten!

A: Es war kein Haus dort, es war nur ein Raum auf der einen Zimmer und auf der anderen Seite das WC.

F: Was meinen Sie mit Raum?

A: Ich weiß nicht, wofür das Zimmer war, es hatte ein kleines Fenster, war ungefähr 2x3 Meter groß, ich denke es war für das Vieh gedacht oder für die Übernachtung der Personen, falls es regnet. Nachgefragt war es eine Lehmhütte

F: Beschreiben Sie mir bitte die Nachbarschaft der Lehmhütte, wo waren da die nächsten Häuser?

A: Ich habe dort keine Häuser mehr gesehen, es war ein Waldstück, hinter dem Waldstück war ein kleiner Weg, danach fing wieder ein Waldstück an, als ich ankam konnte ich nichts sehen, als ich von dort weglief, war es dunkel, bei der Ankunft war der Kopf hinter dem Sitz und der Fuß am Kopf, deshalb konnte ich nichts sehen.

F: Beschreiben Sie mir bitte die Toilette!

A: Das WC befand sich ungefähr einen Meter über dem Waldboden, es war aus Lehm, davor ein Vorhang, drinnen ein Loch und unten eine Grube mit Kot, man hatte Platz zum Sitzen, die Bauern verwendeten den Kot für die Felder.

F: Wie funktionierte diese Toilette, wohin gingen die Fäkalien?

A: Die Grube war zum Glück nicht voll, der Kot fiel in die Grube, es gab von außen ein Loch, damit die Bauern den Kot rausschaufeln können.

F: Wie funktionierte die Flucht durch die Toilette genau, beschreiben Sie mir das bitte!

A: Als die Person mit der Kalashnikov kurz weggegangen war, um zu urinieren, stieg ich in das Loch hinein und in die Grube und konnte über das zweite Loch aus der Grube wieder raussteigen.

F: Wo befanden sich die weiteren Personen zu der Zeit?

A: Die zwei, die mich hinbrachten, waren weg, zwei weitere mit dem Motorrad waren weg, der Kommandant war auf der anderen Seite, ich weiß nicht, was er machte. Die weitere Person mit der Kalashnikov musste selber urinieren und sonst war niemand mehr da.

F: Wo war die zweite Person urinieren?

A: Vis a Vis vom WC, ungefähr 15 Meter weiter, hat er sich einfach hingesetzt, ich konnte ihn vom WC aus sehen, er konnte mich aber nicht sehen, weil das WC dunkel war und ein Vorhang davor war.

F: Was war der Vorteil des Sprungs in die Toilette gegenüber einem normalen Verlassen und Davonrennen?

A: Ich habe mich anders nicht getraut, weil die Person mit einer Kalashnikov bewaffnet war, im WC war es der erste Moment, dass ich alleine war.

F: Sie sagten es war finster, woher wussten Sie vom Ausgang aus der Fäkaliengrube?

A: Ich habe von oben, als ich hinuntergeschaut habe, etwas Helles gesehen und wusste, dass sich dort ein Loch befindet.

F: Wohin führte das Loch im Fäkalienbehälter?

A: Zu einem kleinen Weg, nach diesem Weg war wieder ein Wald. Ich habe vorhin erwähnt, dass sich dort eine Lehmhütte befindet, daneben das WC und dahinter ein Weg, es war in einem Garten, auf der einen Seite war das WC in der Ecke, auf der anderen die Lehmhütte und hinter der Lehmhütte war ein Weg.

F: Hat der Aufpasser bemerkt, dass Sie weg sind und wenn ja, wann?

A: Als ich in das andere Waldstück hineinging, hörte ich wie sie miteinander redeten, da haben sie bemerkt, dass ich nicht mehr da bin, es war nach ungefähr fünf Minuten.

F: Das müssen Sie mir genauer erklären, wie es sein kann, dass Sie die nach fünf Minuten noch hören, ich an Ihrer Stelle wäre da schon weiter weg gewesen.

A: Ich hatte große Angst, ich konnte mich kaum bewegen, als ich in das Waldstück hineinging, hatte ich auch kaum Energie, ich konnte nicht mehr weiterlaufen, deshalb versteckte ich mich dort. Ich hatte große Angst, ich hatte auch nichts gegessen, kein Essen, kein Wasser seit der Früh, deshalb keine Energie

F: Wie konnten Sie unentdeckt bleiben bei Ihrem anzunehmenden Geruch dort in der Nähe?

A: Sie kamen in das Waldstück, ich hatte großes Glück, ich lag auf dem Boden und war von den Weintraubenreben verdeckt, es war auch schon ein bisschen dunkel. Ich hatte großes Glück, wenn ich zurückdenke, frage ich mich, wie sie mich nicht entdecken konnten.

F: Kannten Sie die Personen, die zu Ihnen ins Geschäft kamen und Sie mitnahmen?

A: Nein, ich bekam viele Kunden, sie trugen auch Bärte und hatten traditionelle Kleidung an, es gibt sehr wenige, die in öffentlichen Ämtern arbeiten und Anzug tragen

F: Welcher Volksgruppe gehörten diese an?

A: Sie waren auf keinen Fall Hazara, Usbeken oder Turkmenen, das hätte ich am Gesicht gesehen, ich glaube, dass es Paschtunen waren.

F: Sie erwähnten Bomben, wo haben Sie diese gesehen?

A: Es waren gelbe Ölgefäße, wo Drähte rausgeschaut haben, deshalb war ich mir sicher, dass es Bomben waren.

F: Wo haben Sie diese gesehen?

A: Neben der Wand unter einem Maulbeerbaum.

F: Neben welcher Wand? Wo war das?

A: Das Waldstück war eingezäunt und die Bomben standen neben der Mauer unter einem Maulbeerbaum in der Nähe der Lehmhütte

F: Nennen Sie mir noch einmal den konkreten Auftrag, den Sie für das Haus bekamen!

A: Sie kamen und baten mich, das Skelett des Hauses zu erbauen, in Österreich werden die Dächer aus Holz gemacht, dort ist es anders, man muss da zuerst Stahlstangen montieren, damit die Ziegel halten.

F: Ist es bei Ihnen im Geschäft üblich gewesen, dass man in der Früh den Auftrag bekommt und dann gleich zu Mittag mit dem Werkzeug losfährt?

A: Ja, das war üblich, ich war nie allein im Geschäft, mein kleiner Bruder war auch da und wir hatten auch Lehrlinge, da sich der Auftrag außerhalb der Stadt befand, ging ich selber hin, damit den anderen nichts passiert, die Lehrlinge waren auch nicht in der Lage, eine Baustelle zu beurteilen.

F: Warum haben Sie überhaupt Werkzeug eingepackt, wenn es um die Beurteilung der Baustelle ging?

A: Wir hatten über den Preis bereits gesprochen, ich ging hin, um auch dort zu arbeiten, die Arbeit hätte nicht lange gedauert, Häuser im Dorf brauchen nur einen oder eineinhalb Tage, es wäre für mich ncht rentabel gewesen, einmal hinzufahren, alles anzuschauen und dann noch einmal hinzufahren, um zu arbeiten, wir haben über den Preis geredet gehabt, deshalb war nichts offen.

F: Kennen Sie einen XXXX ?

A: Ja, unterwegs habe ich ihn kennen gelernt

F: Woher kennen Sie diesen?

A: Aus Maschhad kenne ich ihn, ich habe ihn unterwegs kennen gelernt.

F: Haben Sie in Afghanistan bereits mit ihm zu tun gehabt?

A: Nein.

F: Haben Sie in Österreich noch mit ihm zu tun?

A: Wir waren gemeinsam in der Unterkunft, dort wo ich jetzt lebe, da habe ich ein Jahr mit ihm gemeinsam gelebt, in der Unterkunft habe ich manchmal mit ihm gedolmetscht, weil ich ein bisschen Englisch spreche.

F: Wissen Sie, aus welchem Grund er aus Afghanistan weg ist?

A: Nein.

F: Ist es richtig, dass Sie ein Jahr mit ihm untergebracht waren und nicht über den Fluchtgrund sprachen?

A: Er hat mich in Griechenland einmal gefragt, ich persönlich frage niemanden danach, weil ich mir schwer tue, und ich möchte nicht, dass sich andere schwer tun, die mir das erzählen

F: Haben Sie nach dem weiteren Besuch von Fremden im Geschäft, nach Ihrer Flucht, den Polizisten, der Ihnen seine Telefonnummer gab, angerufen?

A: Der Vater hat den Polizisten benachrichtigt, ich weiß es nicht genau, aber als ich mich beim Bekannten aufhielt, hat mein Vater die Polizei benachrichtigt.

F: Hatten Sie nach der Flucht aus der Toilette noch einmal telefonischen Kontakt mit Unbekannten?

A: Persönlichen Kontakt nicht, aber zweimal wurde ich angerufen, einmal habe ich abgehoben und wurde bedroht, dann habe ich wieder aufgelegt.

F: Warum haben Sie nur einmal abgehoben?

A: Das erste Mal war ich nicht daheim, sie riefen meinen jüngeren Bruder an, wir sagten ihm, dass er unbekannte Nr. nicht annehmen soll, beim zweiten Mal hob ich ab, weil ich von der Polizeistation zurück war.

F: Möchten Sie zu Ihrer Lage als Schiit und Hazara in Afghanistan noch etwas sagen, ich teile Ihnen mit, dass die ho. Behörde nicht von einer Verfolgung für alle Hazara und Schiiten in Afghanistan ausgeht.

A: Ich möchte nur kurz von meiner Kindheit sagen, dass mein Vater zweimal von den Taliban mitgenommen wurde, wenn die Taliban uns auf der Straße sahen, schlugen sie mich, wir werden als Rattenfresser beschimpft, sind nicht in höheren Ämtern vertreten, obwohl viele Hazara die Universität besuchen, gestern und vorgestern gab es Anschläge in schiitischen Moscheen, bei denen viele umkamen. Diese Anschläge passieren in Orten, die hauptsächlich von Hazara bewohnt werden.

RV: Befürchten Sie, dass Sie auch mit den staatlichen Behörden wegen dieses Vorfalls Probleme bekommen könnten?

A: Haji Abdul Rahman Jami hat mich mehrmals gefragt, warum ich den Taliban geholfen habe, ich erklärte ihm, dass ich keine andre Wahl hatte, er bemühte sich nicht, die Personen zu finden, daher glaube ich, wollte er vielleicht mir die Schuld geben.

RV: Gäbe es einen Ort in Afghanistan, von dem Sie glauben dort sicher zu sein?

A: Es gibt dort in keinem Ort eine Sicherheit, als lediger Mann bekommt man kaum eine Wohnung, jeder Ort hat einen Sicherheitsbeauftragten, die kontrollieren, wer sich dort aufhält, ich hatte Angst, dass die Taliban es herausfinden und traute mich nicht, woanders hinzugehen.

Die Taliban haben in allen Städten Geheimdienst, in der Regierung und außerhalb der Regierung."

Der BF legte im Verfahren vor dem BFA Folgendes vor:

* Kopie seiner Tazkira

* Diverse Empfehlungsschreiben

* Teilnahmebestätigung Erste-Hilfe-Grundkurs

* Teilnahmebestätigung Alpenverein

* Teilnahmebestätigung Werte-und Orientierungskurs

* Bescheid über die Zulassung zum Bachelorstudium Informatik

* Einladung zum Deutschkurs B2

* Diverse Fotos

* Bewertung des akademischen Grades aus Afghanistan durch das BMWFW

1.5. Am 05.11.2017 übermittelte der BF mehrere Berichte zur Sicherheitslage in Herat.

1.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 29.12.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF betreffend eine Verfolgung seiner Person in Afghanistan sei nicht glaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Das Vorbringen des BF sei mangels einer konkreten Bedrohungssituation und aufgrund der unplausiblen Angaben nicht glaubhaft.

In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass die Begründung des Antrages keine Deckung in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) finde.

Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage in Afghanistan nicht drohe. Dem BF sei eine Niederlassung in seiner Heimatprovinz Herat möglich, da er erwachsen, gesund und erwerbsfähig sei, sodass er selbstständig durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit aus eigenen Kräften für die Deckung der grundlegendsten Bedürfnisse aufkommen könne.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde den BF mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG die ARGE Rechtsberatung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

1.7. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben vom 01.02.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein und beantragte die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

In der Beschwerdebegründung wurde insbesondere die Beweiswürdigung der belangten Behörde kritisiert.

1.8. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 07.02.2018 beim BVwG ein.

1.9. Am 13.04.2018 langte eine Beschwerdeergänzung ein, der mehrere Länderberichte beilagen.

1.10. Am 23.05.2018 wurden weitere Länderberichte vorgelegt.

1.11. Das BVwG führte am 09.07.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durch, zu der der BF im Beisein seiner gewillkürten Vertretung und drei Vertrauenspersonen persönlich erschien. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Dabei legte der BF vor:

* B2 ÖSD Zertifikat vom 13.02.2018

* Empfehlungsschreiben seiner Heimatgemeinde

* Teilnahmebestätigung einer pädagogischen Hochschule über die Absolvierung verschiedener Workshops

* Ein Foto aus dem Internet mit zwei gelben Kanistern, die laut Vertreter für die Konstruktion für Bomben verwendet werden.

* Ein Ausweis für Studierende der Universität XXXX in Kopie

* Ein weiteres Unterstützungsschreiben einer ehrenamtlichen Betreuerin

Daraufhin gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

"RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volks- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF: Ich bin ein Hazara, meine Muttersprache ist Dari.

RI: Sprechen Sie noch andere Sprachen?

BF: Deutsch und auch ein wenig Englisch.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an, und wenn ja, welcher?

BF: Ich bin schiitischer Moslem.

RI: Sind Sie verheiratet, oder leben Sie in einer eingetragenen Partnerschaft oder sonst in einer dauernden Lebensgemeinschaft?

BF: Nein.

RI: Haben Sie Kinder?

BF: Nein.

RI: Geben Sie bitte Anzahl, Alter und Aufenthaltsorte Ihrer näheren Angehörigen bekannt!

BF: Meinen Sie meine Familie?

RI: Ja, Ihre nähere Familie (Onkel, Tanten und Geschwister).

BF: Meine Eltern und meine Geschwister leben im Iran. Ein Bruder und eine Schwester. Eine andere Schwester lebt in Moskau. Einer meiner Onkel väterlicherseits lebt in Australien. Ein anderer Onkel väterlicherseits lebt mit seiner Familie im Iran. Meine Tanten sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits leben in Pakistan.

RI: Wann sind Ihre Eltern und Geschwister in den Iran gegangen?

BF: Nach meiner Flucht aus Afghanistan, nachdem ich meine Einreise nach Österreich hatte, als ich im Lager gelebt habe, habe ich erfahren, dass meine Familie in den Iran gereist ist.

RI: Können Sie ungefähr sagen wie lange sich Ihre Familie, nach Ihrer Ausreise, noch in Afghanistan aufgehalten hat?

BF: Genau weiß ich es nicht, aber ungefähr ist meine Familie ein oder eineinhalb Monate nach meiner Ausreise in den Iran gereist. Eineinhalb bis zwei Monate.

RI: Haben Sie Kontakt zu diesen Angehörigen?

BF: Mit meiner Schwester, die in Moskau lebt.

RI: Was macht Ihre Schwester in Moskau? Ist sie dort legal aufhältig?

BF: Meine Schwester ist in Moskau eine Studentin. Sie macht ihre Doktorarbeit und sie arbeitet in einem Labor.

RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?

BF: Ich habe die Schule von der 5. Klasse bis zur 12. Klasse Lycee absolviert. Danach habe ich meinen Bachelor in Landwirtschaft Department Gärtnerei gemacht. Ich habe immer neben meinem Studium gearbeitet. Angefangen von der Fahrradwerkstatt bis Schweißerei.

RI: Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?

BF: Ich habe bei meiner Familie gelebt. Mit dem 10. Lebensjahr habe ich begonnen zu arbeiten. Mein Vater hat uns auch versorgt.

RI: Wo haben Sie da gearbeitet?

BF: Ich habe in einer Fahrradwerkstatt gearbeitet. Diese befand sich in XXXX , in der Stadt XXXX . Meine Familie ist in den Iran geflüchtet, als ich drei, vier Monate alt war. Im Iran habe ich bis zum 10. Lebensjahr gelebt. Meine Familie floh damals vor dem Bürgerkrieg Afghanistans. Im Iran habe ich von der 1. Klasse bis zur

4. Klasse die Schule besucht. Wir hatten dort sehr viele Probleme. Wir wurden immer von der Schule rausgeschmissen. Wir mussten immer was bezahlen und so haben wir wieder einen Zettel bekommen, mit dem wir die Schule besuchen konnten.

RI: Wann sind Sie nach Afghanistan zurückgegangen?

BF: Ich war 10 Jahre alt, als meine Familie vom Iran nach Afghanistan abgeschoben wurde. Da bin ich gleich nach Herat gegangen.

RI: Wo wurden Sie geboren?

BF: Ich bin in Kabul geboren. Meine Tazkira wurde in der Provinz XXXX ausgestellt, weil wir dort gelebt haben. Aber ursprünglich stammen wir aus der Provinz Bamyian.

RI: Von was haben Ihre Eltern in XXXX gelebt?

BF: Mein Vater hat in der Provinz XXXX Ringe verkauft. Mein Vater wurde zweimal von den Taliban verhaftet, wegen seiner Zugehörigkeit für die Volksgruppe der Hazara. Vor der Festnahme war mein Vater ein normaler Hilfsarbeiter.

RI: In dieser Fahrradwerkstatt haben Sie dann bis zu Ihrer Ausreise gearbeitet?

BF: Nein. Dort habe ich gearbeitet, als ich 11 oder 12 Jahre alt war. Ich habe dort ungefähr 7 Monate lang gearbeitet.

RI: Wo haben Sie gearbeitet, bevor Sie ausgereist sind?

BF: Vor meiner Flucht?

RI: Bevor Sie nach Österreich gekommen sind.

BF: Ich habe in der Stadt XXXX gearbeitet, aber nicht der Bezirk, wo ich gewohnt habe. Ich habe dort in einer Schweißerei gearbeitet. Der Geschäftsbesitzer heißt XXXX .

RI: Wer war im Geschäft außer Ihnen sonst noch angestellt?

BF: Mein jüngerer Bruder und zwei weitere Lehrlinge. Mein Onkel väterlicherseits hat auch dort gearbeitet. Er war wie ein Geschäftspartner.

RI: Warum haben Sie vor dem BFA angegeben, dass Sie ein eigenes Geschäft hatten?

BF: Wir haben im gleichen Haushalt mit meinem Onkel gelebt. Afghanisch gesehen, das ganze Geschäft hat uns gehört. Weil wir im selben Haus miteinander gelebt haben, gehörte uns auch das Geschäft.

RI: Wer ist XXXX ?

BF: Das Geschäft und das Grundstück des Geschäfts hat dem XXXX gehört. Wir haben das Geschäft gemietet gehabt, und zwar von Arab.

RI: Wie stellte sich Ihre finanzielle Situation bzw. die Ihrer Familie dar?

BF: Damals ging es uns finanziell gut. Ich habe gearbeitet, meine Schwester hat in Moskau gearbeitet. Nun sind wir aber verstreut, derzeit ist unsere finanzielle Lage nicht gut. Sie ist schlecht. Im Monat bekomme ich 215,-. Das ist Verpflegungsgeld. Die Situation im Iran für Afghanen ist nicht gut. Mein Vater arbeitet als Straßenhändler. Er verkauft Ringe. Damit bestreitet er den Lebensunterhalt der Familie. Manchmal schickt meine Schwester, die in Moskau lebt, auch Geld.

RI: Wie alt sind Ihre anderen Geschwister?

BF: Meine älteste Schwester ist etwa 34, 35 Jahre alt. Meine Schwester, die in Moskau lebt, ist 31 Jahre alt. Der Bruder wird heuer 20 Jahre.

RI: Arbeitet Ihr Bruder?

BF: Er darf nicht arbeiten gehen, weil meine Familie Angst um eine etwaige Abschiebung nach Afghanistan hat. Mein Vater erlaubt ihm nicht arbeiten zu gehen.

RI: Wie weit ist das Gebäude wo sie gewohnt haben, von Ihrer Arbeitsstätte entfernt?

BF: Mit dem Motorrad circa 20-30 Minuten.

RI: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?

BF: Nein.

RI: Wann haben Sie Ihren Herkunftsstaat zuletzt genau verlassen? Auf welchem Weg sind Sie nach Österreich gelangt und wo waren Sie wie lange aufhältig?

BF: Anfang des dritten Monats.

RI: Welches Jahr?

BF: Im dritten Monat am 05. oder 06. des Jahres 1392. Doch nicht 92, sondern 94. Ich bin seit circa drei Jahren in Österreich. (= 27.05.2015).

RI: In der Werkstatt, was haben Sie da gearbeitet? Was haben Sie da für eine Arbeit verrichtet?

BF: Es war eine allgemeine Schweißerei. Wir haben alle Arten der Arbeit verrichtet. Wir haben Metallfenster, Metalllager gebaut. Auch Schweißerei, also die Teile der Autos. Sie wissen schon, man weiß, dass, wenn man sich in Afghanistan in so einer Werkstatt auf ein Fach spezialisiert, dann hat man kein gutes Geschäft und kann nicht genügend Umsatz machen. Deshalb ist das eine allgemeine Schweißerei gewesen.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Nein.

RI: Wo wohnen Sie?

BF: Ich wohne privat.

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den D verstehen können?

BF: Ja.

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen verstanden und auf gutem verständlichem Deutsch beantwortet hat.

RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?

BF: Ich habe demnächst vor, C1 Deutschkurs zu machen, nur früher hatte ich keinen Deutschkurs. Nun möchte ich über den Sommer zuhause lernen und im Winter möchte ich für die Prüfung C1 antreten.

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Ich habe bereits Saisonarbeit gehabt. Derzeit studiere ich Informatik auf der XXXX Universität.

RI: Wenn Sie in Österreich bleiben dürften, welchen Beruf würden Sie gerne ergreifen?

BF: Manche Afghanen lachen mich aus, weil ich in Zukunft in Österreich Universitätslehrer im Bereich Informatik oder in Landwirtschaft werden möchte.

RI: Sie haben Landwirtschaft studiert, haben Sie in diesem Gebiet jemals gearbeitet?

BF: In 2016 und 2017 habe ich in Österreich im Bereich Gartenbau bei einer Firma gearbeitet.

RI: In Afghanistan nie?

BF: Nein, mein Vater hat es mir nicht erlaubt. In dem Beruf muss man aufs Land in Afghanistan kommen, in ländliche Bereiche. Ländliche Bereiche Afghanistans werden von den Taliban beherrscht, aber in XXXX in der Universität im Bereich Anbau von Kürbis, Mohnblumen oder Rosenblumen habe ich gearbeitet. Das ist ein Praktikum innerhalb der Universität. In dieser Arbeit geht es um Praxis. Dieses Projekt wurde von USID unterstützt. Die Bestätigungen habe ich bereits im Verfahren eingebracht.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?

BF: In 2016 habe ich Karate trainiert. Wegen meiner Universität habe ich damit aufgehört, weil ich keine Zeit mehr dafür hatte. Ich gehe klettern, Schi fahren und Fußball spielen.

RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?

BF: Nein.

RI an VP: Wollen Sie etwas angeben?

VP3: Wir haben uns 2015 kennengelernt. Wir haben gemeinsam immer mehr Fortschritte gemacht in der deutschen Sprache. Am Anfang haben wir uns nur auf Englisch unterhalten. Ich habe den BF als sehr intelligenten Menschen kennengelernt, der versucht, sich hier an das Leben in Österreich anzupassen und die Regeln einzuhalten. Ich habe selten von einheimischen jungen Leuten selten so viel Respekt erfahren wie vom BF. Ich habe eine gleichaltrige Tochter, sie haben gemeinsam Klettertouren unternommen und hatten ein freundschaftliches Verhältnis zueinander, wie Bruder und Schwester. Er ist bei uns in einem Appartement auf unserem Grundstück untergebracht.

VP1: Ich habe ihn kennengelernt, als er nach Österreich kam, in Traiskirchen kurz. Ich kann es nur unterstreichen mit respektvoll. Während alle aufs Auto mit den Hilfsgütern gestürzt sind, ist er hinten gestanden. Er hat nur nach einem Wörterbuch gefragt und nach der Art und Weisen, wie man sich in Österreich begrüßt und wie man sich gegenüber Frauen verhält. Wenn wir Ausflüge machen oder ein Museum besuchen, ist er immer sehr interessiert.

VP2 schließt sich den Ausführungen ihres Ehegatten an.

RI: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Nehmen Sie sich dafür nun bitte ausreichend Zeit, alles vorzubringen.

BF: Wir haben üblich in unserer Schweißerei bzw. in unserer Werkstatt gearbeitet. Mein Bruder, ich und zwei weitere Lehrlinge von uns waren anwesend. Ich habe an einem Fahrzeug gearbeitet. Wir haben die Ladefläche des LKWs um eine Art Gitter erhöht. Dieser LKW war in Bearbeitung bei uns. Zwei Personen kamen zu uns und fragten, ob wir Aufträge im Bereich der Schweißerei für Häuser auch annehmen. Ich habe ihnen den Preis genannt und zusätzlich gesagt, dass ich zuerst mit dem LKW fertig werden muss. Ich bat ihnen an, dass sie gegen Mittag wiederkommen können und dann könnten wir gemeinsam das Haus anschauen. Es war gegen Mittag, ich war mit dem LKW fertig. Diese zwei Personen kamen wieder zu mir. Diese zwei Personen kamen mit einem Fahrzeug. Sie wollten mich und mein Werkzeug. Es war ein weißer Kombi. Wir nennen es Saracha. Mit dem Auto bin ich mit den Personen Richtung XXXX gefahren. Das war das Ziel, was von den Personen angekündigt war. Durch die Straße von XXXX , dann weiter durch die Straßen von XXXX Richtung XXXX oder XXXX . Danach Richtung XXXX . Von dort Richtung XXXX . Als wir in XXXX ankamen, haben diese Personen angehalten und sagten, dass sie Schnupftabak holen. Einer dieser Personen ging in das Geschäft und kam ein paar Minuten später wieder zurück. Er hat sich neben mich hingesetzt. Wir fuhren dann weiter. Auf dem Weg fragte ich diese Personen, ob wir unser Ziel erreicht haben oder wo der Zielort ist. Diese Personen sagten, dass wir in ein oder zwei Minuten den Ort erreichen werden. Nach zwei, drei Minuten fragte ich sie wieder, ob wir schon da sind. Zu dem Zeitpunkt haben wir die Brücke mit dem Auto überquert und wir waren in der Ortschaft des XXXX Distrikts angekommen.

R: Haben Sie sich während der Fahrt mit den Männern unterhalten?

BF: Ja, sie haben gefragt was ich mache und ich habe gesagt, dass ich studiere.

RI: Haben Sie da auch gefragt, wie Sie genau heißen und wo genau Ihr Elternhaus liegt?

BF: Ja, ich habe ihnen schon gesagt, dass wir im Ort XXXX wohnen, aber ich habe ihnen nicht die genaue Adresse gesagt.

R: Wie groß ist der Ort circa?

BF: Es ist ein Bezirk von der Stadt XXXX . Sicherlich mehr als 1000 Häuser.

RI: Haben Sie ihnen auch Ihren vollständigen Namen genannt?

BF: Ja. Auf dieser Straße, wo sich unsere Werkstatt befand, kannte uns jeder. Es gab auch andere Schweißereiwerkstätten dort.

RI: Dann sind Sie in der Ortschaft XXXX Distrikts angekommen.

BF: Das ist eine Ortschaft, das kann man nicht Distrikt nennen. Die Person, die vorher davor Schnupftabak gekauft hat, hat eine Pistole gezogen, mich hinuntergedrückt und den Fuß auf meinen Kopf gestellt. Er sagte, dass ich mich nicht bewegen sollte. Das Auto fuhr weiter. Nach ein paar Minuten Fahrt merkte man, dass das Auto bereits auf einer unbefestigten Straße unterwegs war. Ich glaube, das Auto fuhr noch circa eine Stunde lang. Die Person hat neben einem waldmäßigen Garten angehalten. Dort sind wir aus dem Auto ausgestiegen und sie führten mich in den sogenannten Garten. Im Garten standen vier weitere Personen. Diese Personen waren mit Kalaschnikow Gewehr bewaffnet. In dem Garten befanden sich zwei Motorräder und ein Fahrzeug mit der Marke Mazda. Ich glaube einer dieser Personen war der Kommandant der Gruppe.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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