TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/9 W184 2219356-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2019
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Entscheidungsdatum

09.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W184 2219356-1/5Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.05.2019, Zl. 1090584705/190155308, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und Abs. 4, § 10, § 57 AsylG 2005, § 52, § 55 FPG und § 9 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, jedoch wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.02.2018 erteilt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass Rückkehrer auf Schwierigkeiten stoßen können, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen, und dass die beschwerdeführende Partei kein solches Netzwerk in Afghanistan habe, weil seine Familie im Iran lebe.

Diese Aufenthaltsberechtigung wurde in der Folge mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2018 bis zum 07.02.2020 verlängert.

Aufgrund des Vorliegens geänderter Umstände leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 13.02.2019 von Amts wegen ein Verfahren zur Aberkennung des subsidiären Schutzes ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde folgende Entscheidung getroffen:

"I. Der mit Bescheid vom 09.02.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt.

II. Die mit Bescheid vom 05.02.2018 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wird gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

IV. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen.

V. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

VI. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung wurden im angefochtenen Bescheid folgendermaßen zusammengefasst (gekürzt und teilweise anonymisiert durch das Bundesverwaltungsgericht):

"... A) Verfahrensgang

...

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am

07.03.2019 aufgrund der Prüfung eines Aberkennungsverfahrens gaben

Sie im Beisein eines von der erkennenden Behörde bestellten und

beeideten Dolmetschers der Sprache Dari Folgendes an (F = Frage, A =

Antwort, V = Vorhalt):

...

F: Wie gut sind Ihre Deutschkenntnisse mittlerweile?

A: Ich habe hier in Österreich meinen Pflichtschulabschluss gemacht. Meine Deutschkenntnisse befinden sich auf dem Niveau B1.

...

F: Seit wann leben Sie in Österreich?

A: Seit 2015.

F: Haben Sie seit diesem Zeitpunkt Österreich verlassen?

A: Ja, ich war im Iran. Vor sieben oder acht Monaten war ich einen Monat dort.

F: Stehen Sie derzeit in ärztlicher Behandlung oder Spitalsbehandlung?

A: Nein.

F: Nehmen Sie zurzeit Medikamente? Wenn ja, welche?

A: Nein.

F: Haben Sie Kontakt zu den Angehörigen in Ihrem Herkunftsstaat?

A: Ja, habe ich.

F: Welche Angehörigen gibt es noch in Afghanistan?

A: Eine Tante mütterlicherseits und ein Onkel väterlicherseits. Ich habe mit meinen Eltern, die im Moment im Iran leben, Kontakt, aber nicht zu den Angehörigen in Afghanistan. Sie leben in einem Haus in Kabul.

F: Hatten Sie damals im Iran afghanische Dokumente?

A: Nein, hatte ich nicht.

F: Verfügen Sie in Ihrem Herkunftsstaat über Liegenschaften oder Vermögen?

A: Nein, gibt es nicht.

F: Leben oder lebten Sie je in einer Ehe oder eheähnlichen Beziehung oder dem gleichkommenden Partnerschaft?

A: Nein, habe ich nicht.

F: Haben Sie Kinder?

A: Nein, habe ich nicht.

F: Haben Sie in Österreich Verwandte oder andere Familienangehörige?

A: Ja, einen Onkel ...

F: Was machen Sie so in Ihrer Freizeit in Österreich?

A: Ich war im Fitnessstudio, jetzt gehe ich nur mehr zur Schule. Ich besuche derzeit die Volkshochschule und mache meinen Pflichtschulabschluss. Ich möchte eine Lehre als Automechaniker oder als Koch machen.

F: Haben Sie bereits einmal in Österreich gearbeitet?

A: Am Anfang habe ich ca. ein oder zwei Stunden für die Gemeinde ... gearbeitet. Ich habe bei einem Schwimmbad (Fliesenverlegung) mitgeholfen.

F: Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt bis jetzt finanziert?

A: Ich habe am Anfang die Grundversorgung bekommen und dann von AMS.

Seit acht bis neun Monaten bekomme ich gar nichts. Nachgefragt:

Meine Freunde und meine Familie schicken mir immer das Geld.

F: Wie viele Ausgaben haben Sie im Monat circa?

A: 600 oder 700 Euro im Monat. Seit drei Monaten habe ich auch nicht die Miete mehr bezahlt. Nachgefragt: Das ist nur ein Zimmer für Studenten oder Schüler. Die Kosten kommen daher, denn 270 Euro ist die Miete und die Fahrkarte zu meiner Schule und ich benötige auch noch etwas zum Essen und Trinken.

F: Warum bekommen Sie keine finanzielle Unterstützung mehr?

A: Nach meiner Rückkehr aus dem Iran habe ich die Prüfung für den Pflichtschulabschluss nicht gemacht. Ohne diesen Abschluss kann ich keine Lehre machen und daher haben sie mir das Geld vom AMS gestrichen. Nachgefragt: Ich gehe jetzt wieder zur Schule (einen Monat), daher habe ich jetzt wieder diese finanzielle Unterstützung. Ich bekomme ca. 600 Euro vom AMS.

F: Bitte fassen Sie Ihre Finanz- und Wohnverhältnisse zusammen.

A: Ich wohne in einem Studentenheim und bekomme finanzielle Unterstützung vom AMS.

F: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?

A: Ich möchte eine Lehre als Mechaniker oder als Koch absolvieren.

F: Sind Sie im öffentlichen Leben irgendwo engagiert, z. B. in Vereinen tätig, usw.?

A: Nein.

F: Mit welchen Personen verkehren Sie in der Regel in Österreich?

A: Mit afghanischen und österreichischen Personen und auch mit ungarischen Freunden.

F: Wissen Sie, warum Ihnen subsidiärer Schutz zuerkannt wurde?

A: Nein, weiß ich nicht.

...

F: Was droht Ihnen bei einer Rückkehr nach Afghanistan?

A: Dort herrscht Krieg und die Sicherheitslage ist sehr schlecht.

F: Wann waren Sie zuletzt in Ihrer Heimat?

A: Ich war nie in Afghanistan.

V: Am 07.02.2019 langte beim Bundesamt eine Verständigung von der

Polizeiinspektion ... ein, worin Ihnen der Verdacht der Straftat

nach dem § 28/1 SMG vorgeworfen wird bzw. werden Sie verdächtigt, im Zeitraum von Jänner 2019 bis zuletzt am 05.02.2019 Suchtmittel in Form von Cannabiskraut in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge mit Vorsatz erworben und besessen zu haben. Was sagen Sie dazu?

A: Ja, das stimmt, ich habe das gemacht auf Grund finanzieller Sorgen. Ich konnte die Miete nicht bezahlen.

F: Nehmen Sie jetzt Drogen?

A: Jetzt nicht, seit ich von der Polizei festgenommen wurde, nicht mehr.

V: Es wird Ihnen weiters mitgeteilt, dass es im Falle einer Verurteilung wegen des Tatbestandes nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Prüfung der Aberkennung kommt. Teile der oben genannten Tatbestände können im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung ein Verbrechen beziehungsweise ein besonders schweres Verbrechen und somit einen Asylausschlussgrund darstellen. Was sagen Sie dazu?

A: Das war aus finanzieller Not. Jetzt bekomme ich wieder Geld vom AMS und würde ich das nie mehr wieder machen. Ich bin auch bereit, alles zu machen, damit meine Asylstatus nicht aberkannt wird.

...

V: Ihnen wurde der Status aus folgenden Gründen zuerkannt: Am 09.02.2017 wurde Ihnen der Status nach § 8 AsylG gewährt. Erstens war keine Verfolgung oder sonstige Gefährdung Ihrer Person in Ihrem Heimatland anzunehmen. Zweitens führten Sie aus, dass Sie nach Syrien in den Krieg geschickt werden. Drittens führten Sie aus, dass die Lage in Afghanistan generell schlecht ist. Zusammenfassend: Die Behörde ging davon aus, da Ihre Angehörigen im Iran leben, dass Sie in Afghanistan keine nahen familiären oder verwandtschaftlichen Anbindungen haben, mit denen Sie im Falle einer Rückkehr hätten rechnen können. Nehmen Sie dazu Stellung.

A: Es hat sich aber nichts geändert, es ist immer noch genauso, wie oben gerade beschrieben.

...

F: In Abwägung der Interessen am Verbleib in Österreich ergibt sich aufgrund der bisherigen Ermittlungen, dass eine Abwägung zwischen Verbleib und Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen Verbleib in Österreich ausfällt. Sie sind in Österreich lediglich marginal verfestigt, können Ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln finanzieren, obwohl Sie seit 2015 in Österreich sind, und haben keine besonderen Beziehungen in Österreich. Weiters wurden Sie auch straffällig. Eine Prognose war bislang nicht zu ihren Gunsten zu treffen. Nehmen Sie dazu Stellung.

A: Ich wollte auch gerne arbeiten, aber die Gesetze sind hier so streng. Ich habe mich auch beworben, aber ohne Lehre hätte ich keinen richtigen Job bekommen und dafür benötige ich den Pflichtschulabschluss.

F: Haben Sie Kontakt zu Ihrem Onkel hier in Österreich?

A: Nein, habe ich nicht. Ich hatte auch nie einen Kontakt zu ihm.

...

F: Aus welchem Grund reisten Sie für einen Monat in den Iran?

A: Ich habe meine Familie besucht.

F: Wo lebten Sie in dieser Zeit?

A: In Teheran, bei meinen Eltern. Befragt gebe ich an, dass dort noch meine zwei Brüder leben.

F: Was haben Sie dort gemacht in diesem einen Monat?

A: Nichts Besonderes, ich habe nur meine Familie besucht.

F: Wovon lebt Ihre Familie im Iran?

A: Mein Vater arbeitet im Sommer in der Landwirtschaft, er ging und geht auch nach Syrien in den Krieg. Seit sechs Jahren geht er regelmäßig in den Krieg, alle zwei Monate kommt er für 15 Tage nach Hause, da hat er Urlaub, ansonsten ist er in Syrien. Die drei Sommermonate ist er komplett zu Hause, die andere Zeit geht er in den Krieg.

F: Von welchen finanziellen Mitteln lebt Ihre Familie im Iran?

A: Mein Vater bekommt monatlich ca. 350 USD von der iranischen Polizei.

F: Ist dies das gesamte Einkommen der Familie?

A: Ja.

F: Woher wissen Sie, dass ein Onkel und eine Tante in Afghanistan leben?

A: Vom Erzählen meiner Eltern.

F: Haben Ihre Eltern Kontakt zu diesen Angehörigen?

A: Ja.

F: Wo genau in Afghanistan leben diese Angehörigen?

A: Ich habe nur gehört, dass mein Onkel in Kabul lebt und meine Tante in Herat, aber seit vier Jahren habe ich keinen Kontakt bzw. nichts von ihnen gehört.

F: Kennen Sie diesen Onkel und diese Tante?

A: Nein, ich habe sie noch nie gesehen.

F: Wenn Sie sagen, Sie haben seit vier Jahren nichts von ihnen gehört, hatten Sie zuvor Kontakt mit diesen Angehörigen?

A: Nein, ich hatte noch nie Kontakt mit ihnen, ich habe es nur von meiner Mutter gehört.

F: Haben diese beiden Angehörigen ebenfalls Familie im Sinne von Gatte bzw. Gattin und Kindern?

A: Bei meiner Tante weiß ich, dass sie verheiratet ist und Kinder hat, bei meinem Onkel weiß ich es nicht.

F: Haben Sie damals im Iran bereits gearbeitet?

A: Ja, ich habe ca. drei oder vier Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet. Ich war noch sehr jung, als ich zu arbeiten begonnen habe.

F: Was arbeiten Ihre Brüder im Iran?

A: Die gehen zur Schule, die sind noch jung, sie sind 14 oder 15 bzw. 12.

F: Welchen Aufenthaltsstatus haben Ihre Familienmitglieder im Iran?

A: Mein Vater hat einen Pass für zehn Jahre bekommen, darauf befindet sich die gesamte Familie. Dafür muss er aber jedes Jahr in den Krieg nach Syrien gehen, ansonsten wird dieses Visum nicht verlängert.

F: Stehen Sie ebenfalls als Familienmitglied in diesem Pass?

A: Nein, diesen Pass hat er nach meiner Ausreise bekommen.

F: Wie weit sind Sie derzeit mit Ihrem Pflichtschulabschluss?

A: In fünf oder sechs Monaten habe ich die Abschlussprüfung, dann wäre ich fertig. Befragt gebe ich an, dass ich die Prüfung schon einmal versucht habe, aber diese nicht bestanden habe.

Anmerkung: Sie werden aufgefordert, sämtliche Beweismittel über Ihr Privatleben in Österreich, wie z. B. Mietvertrag, Schulbesuchsbestätigungen, Deutschkursbestätigungen, usw., innerhalb einer Frist von zwei Wochen der Behörde vorzulegen. Haben Sie das verstanden?

A: Ja, ich werde das machen.

...

B) Beweismittel

Die Behörde zog die folgenden Beweismittel heran:

Von Ihnen vorgelegte Beweismittel:

Konventionsreisepass ...;

Bestätigung des AMS über Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes, ausgestellt am 08.02.2019;

Bestätigung über Vorbereitungskurs zum Pflichtschulabschluss,

ausgestellt am 11.03.2019 von der ... Volkshochschule;

Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:

Auszug aus dem Sozialversicherungssystem, angefordert am 07.03.2019;

Auszug aus dem Strafregister, angefordert am 07.03.2019 ...

C) Feststellungen

Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Zu Ihrer Person:

Ihre Identität steht nicht zweifelsfrei fest ... Sie gaben an,

afghanischer Staatsangehöriger zu sein und der Volksgruppe der Hazara anzugehören.

Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Festgestellt wird, dass Ihnen erstmals mit Bescheid vom 09.02.2017 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und Ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.02.2018 erteilt wurde. Zuletzt wurde Ihre befristete Aufenthaltsberechtigung am 05.02.2018 bis zum 07.02.2020 verlängert. Die Zuerkennung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde damit begründet, dass Sie aufgrund von fehlenden Verwandten in Afghanistan bei einer Rückkehr in eine Notlage geraten könnten. Die Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, liegen nicht mehr vor.

Nicht festgestellt werden konnte, dass Sie in Ihrem Herkunftsstaat von solchen Verhältnissen betroffen sind, die dazu führen, dass Sie, wenn Sie sich dort aufhalten, einem realen Risiko unterworfen wären, einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt zu sein, oder einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen sind. Ihre Niederlassung im sowie Ihre Einreise und Hinreise in den Herkunftsstaat ist reell möglich, ebenso wie eine Existenzgründung. Festgestellt wird, dass Sie ein gesunder und arbeitsfähiger Mann sind. Festgestellt wird, dass es Ihnen möglich und zumutbar ist, im Falle einer Rückkehr im Herkunftsstaat an einem angebotenen IOM-Reintegrationsprogramm teilzunehmen. Festgestellt wird weiters, dass es keine stichhaltigen Gründe gibt, welche gegen eine Rückkehr nach Afghanistan sprechen. Nicht festgestellt wird, dass Ihnen im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat die notwendige Lebensgrundlage entzogen wäre. Festgestellt wird, dass Sie im Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen, Ihr Onkel lebt in Kabul, Ihre Tante in Herat. Weiters wird festgestellt, dass Sie Kontakt zu Ihren Familienangehörigen im Iran pflegen. Nicht festgestellt wird, dass Sie an einer akuten ernsthaften oder lebensbedrohlichen Krankheit leiden. Sie nehmen auch keine Medikamente.

Zum Vorliegen von besonderem Schutz gemäß § 57 Asylgesetz:

Sie erfüllen die erforderlichen speziellen Kriterien zur Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen Vorliegens eines besonderen Schutzes nicht, noch haben Sie einen dahingehenden Antrag gestellt.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben und Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Sie leben seit 09.10.2015 in Österreich. Mit Bescheid vom 09.02.2017 wurde Ihnen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Ihr Aufenthaltsrecht leitet sich ausschließlich auf Basis des subsidiären Schutzes ab, ein anderes Aufenthaltsrecht hat nie bestanden, und es hat sich auch nicht ergeben, dass Ihnen ein anderes Aufenthaltsrecht zuzuerkennen wäre.

Sie verfügen über keine engen Familienangehörigen in Österreich. Weiters verfügen Sie nicht über besonders enge private Bindungen in Österreich. Sie sind nicht Mitglied in Vereinen oder karitativ tätig. Sie gehen keiner beruflichen Beschäftigung nach. Sie wohnen in einem Quartier der Grundversorgung und erhalten eine Beihilfe des AMS zur Deckung Ihres Lebensbedarfs in der Höhe von EUR 20,03 täglich. Sie bereiten sich in Österreich auf den Pflichtschulabschluss vor und sprechen ein wenig Deutsch ... Festgestellt wird, dass Sie in Österreich nicht besonders verfestigt oder verankert sind ...

Zur Abschiebung:

Ihre Abschiebung in den festgestellten Herkunftsstaat ist möglich und realistisch. Ihr Herkunftsstaat ist per Flug erreichbar.

Zur Frist für die freiwillige Ausreise:

Eine gewährte Frist von 14 Tagen wird als ausreichend angesehen. Sie stellten keinen Antrag auf Gewährung einer anderen Frist.

Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

...

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan ...;

AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan ...;

AAN - Afghanistan Analysts Network (6.5.2018): Afghanistan's Paradoxical Political Party System: A new AAN report ...;

AAN - Afghanistan Analysts Network (12.4.2018): Afghanistan Election Conundrum (6): Another new date for elections ...;

AAN - Afghanistan Analysts Network (25.11.2017): A Matter of

Registration: Factional tensions in Hezb-e Islami ...;

AAN - Afghanistan Analysts Network (11.10.2017): Mehwar-e Mardom-e

Afghanistan: New opposition group with an ambiguous link to Karzai

...;

AAN - Afghanistan Analysts Network (21.8.2017): The Ghost of

Najibullah: Hezb-e Watan announces (another) relaunch ...;

AAN - Afghanistan Analysts Network (4.5.2017): Hekmatyar's Return to

Kabul: Background reading by AAN ...;

AAN - Afghanistan Analysts Network (3.5.2017): Charismatic,

Absolutist, Divisive: Hekmatyar and the impact of his return ...;

AAN - Afghanistan Analysts Network (22.1.2017): Afghanistan's

Incomplete New Electoral Law: Changes and Controversies ...;

AAN - Afghanistan Analysts Network (18.12.2016): Update on Afghanistan's Electoral Process: Electoral deadlock - for now ...;

AAN - Afghanistan Analysts Network (13.2.2015): The President's CEO Decree: Managing rather thean executive powers (now with full translation of the document) ...;

AAN - Afghanistan Analysts Network (o.D.): The 'government of national unity' deal (full text) ...;

AB - Afghan Bios (18.11.2017): Understanding Council of Political Currents of Afghanistan ...;

AB - Afghan Bios (29.5.2017): New National Front of Afghanistan

(NNF) ...;

AB - Afghan Bios (15.1.2016): National Congress Party ...;

AE - Afghan Embassy (o.D.): Islamic Republic of Afghanistan, The Constitution of Afghanistan ...;

AJ - Al Jazeera (19.5.2018): Taliban pledge not to target army, police who leave "enemy ranks" ...;

AM - Asia Maior (2015): Afghanistan 2015: the national unity government at work: reforms, war, and the search for stability ...;

BFA Staatendokumentation (7.2016): Dossier der Staatendokumentation, AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur ...;

BFA Staatendokumentation (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond ...;

Casolino, Ugo Timoteo (2011): "Post-war constitutions" in Afghanistan ed Iraq, PhD thesis, Università degli studi di Tor Vergata - Roma ...;

CRS - Congressional Research Service (13.12.2017): Afghanistan:

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy ...;

CRS - Congressional Research Service (12.1.2017): Afghanistan:

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy ...;

DW - Deutsche Welle (29.9.2016): Friedensabkommen in Afghanistan unterzeichnet ...;

DW - Deutsche Welle (30.9.2014): Understanding Afghanistan's Chief Executive Officer ...;

DZ - Die Zeit (7.3.2018): Wir sind besiegt ...;

HDN - Hürriyet Daily News (10.6.2018): Taliban agrees to unprecedented Eid ceasefire with Afghan forces ...;

IPU - Inter-Parliamentary Union (27.2.2018): Afghanistan - Meshrano Jirga (House of Elders) ...;

MPI - Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan ...;

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (28.2.2018): Die afghanische Regierung macht den Taliban ein konkretes Angebot ...;

NYT - The New York Times (11.3.2018): An Unprecedent Peace Offer to the Taliban ...;

Reuters (7.6.2018): Afghanistan announces ceasefire with Taliban, until June 20 ...;

Reuters (5.6.2018): Afghan President backs suicide bomb fatwa after 14 killed ...;

RFE/RL - Radio Free Europe Radio Liberty (5.6.2018): Ghani Says Kabul Attack 'Against Values Of Islam', Backs Suicide Bomb Fatwa

...;

TD - The Diplomat (24.3.2018): Uzbekistan's Afghanistan Peace Conference: What to Expect ...;

TD - The Diplomat (7.3.2018): A Way Forward for Afghanistan After 2nd Kabul Process Conference ...;

TH - The Hindu (10.6.2018): Taliban agrees to ceasefire during Id

...;

Tolonews (9.6.2018): Taliban Orders Three-Day Eid Ceasefire ...;

Tolonews (7.6.2018): Afghan Govt Announces Ceasefire With Taliban

...;

Tolonews (29.4.2018): Six Wounded in Blast Close to Registration Center ...;

Tolonews (16.4.2018): Taliban Rejects Ghani's Call For Them To Take Part In Elections ...;

Tolonews (11.4.2018): Taliban Discussing Peace Offer, Says Former Member ...;

Tolonews (14.3.2018): Hizb-e-Islami Dismisses Three Senior Members

...;

Tolonews (19.12.2017): Special Interview With Arghandiwal - Head of Hizb-e Islami ...;

TS - Der Tagesspiegel (28.2.2018): Präsident Ghani macht den Taliban ein Friedensangebot ...;

USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Afghanistan ...;

USDOS - U.S. Department of State (15.8.2017): International Religious Freedom Report for 2016 - Afghanistan ...;

USIP - United States Institute of Peace (3.2015): Political Parties in Afghanistan ...

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016 ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und die Luftwaffe sowie verstärkten Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen, gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen, wie der Islamische Staat (IS), verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeitern von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018).

Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u. a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u. a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer und vier Afghanen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Zivilisten

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: Im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies bedeutet einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Konkrete Informationen zu Zahlen und Tätern können dem Subkapitel "Regierungsfeindliche Gruppierungen" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilisten (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilisten fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilisten (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u. a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

Das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozesses in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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