TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/15 W117 2133467-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2019
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Entscheidungsdatum

15.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §21 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9

Spruch

W117 2133467-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas DRUCKENTHANER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch RA Mag. Claus SCHÜTZENHÖFER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2018, Zl. XXXX , nach § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 und § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und § 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9 und § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen sowie gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG festgestellt, dass die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig und seine Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG und § 46 FPG nach Georgien zulässig waren.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Georgien aus XXXX , gehört der georgischen Volksgruppe an und ist christlich-orthodoxen Glaubens. Er reiste gemeinsam mit seiner Ehefrau (Beschwerdeführerin zu W117 2133463-2) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte gemeinsam mit dieser am 25.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, die Reisedokumente seien ihnen in der Ukraine vom Schlepper weggenommen worden.

Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.06.2016 brachte er als Fluchtgrund vor, wegen seines Familienamens schon länger Probleme gehabt zu haben. Am XXXX sei auf seinen Sohn, welcher bei der Polizei gearbeitet habe, geschossen worden. Dieser habe drei Monate davor gekündigt, weil er von einem Kollegen davon informiert worden sei, dass es einen Befehl gebe, ihn zu töten. Möglicherweise sei der Beschwerdeführer daran selbst schuld. XXXX habe sein Cousin XXXX eine Organisation gegen die Korruption gegründet, welche er unterstützt habe, sodass sie Regierungsgegner gewesen seien. Aus diesem Grund sei der Sohn seines Cousins auf offener Straße von 65 Polizisten mit 90 Schüssen in einem Auto getötet worden. Am XXXX sei dann sein Cousin am Grab seines Sohnes in die Luft gesprengt worden. Danach habe man auf den Sohn des Beschwerdeführers geschossen und drohe die gleiche Gefahr auch ihm selbst; es habe schon viele Drohungen gegen ihn gegeben. Im Fall der Rückkehr nach Georgien befürchte er getötet zu werden. Hinweise darauf seien das Schussattentat auf seinen Sohn am XXXX . Er befürchte, dass dieser in Haft sei. Danach hätten sie bemerkt, dass sie beobachtet würden und ihre Tochter (Beschwerdeführerin zu W117 2197212-1) bei Verwandten in Georgien versteckt.

Nach dem Ergebnis von Ermittlungen hat der Beschwerdeführer am 13.06.2016 ein Touristenvisum bei der griechischen Botschaft in XXXX beantragt, wozu ihm am 14.06.2016 für die Zeit vom 20.06.2016 bis zum 14.07.2016 für eine einmalige Einreise ein Visum C für die Schengenstaten ausgestellt wurde.

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.07.2016 gab er an, nie einen georgischen Reisepass besessen zu haben. Er habe 8 Jahre die Schule besucht, danach eine technische Ausbildung absolviert und fünf Jahre an der Universität in XXXX studiert. Er sei verheiratet, habe zwei Söhne und eine Tochter. Er werde wegen Bluthochdrucks medikamentös behandelt, leide jedoch an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. In Georgien habe er von 1992 bis zur Ausreise gemeinsam mit seiner Frau eine Bäckerei mit bis zu sieben Angestellten betrieben. Wirtschaftlich sei es ihnen gut gegangen. Ein Sohn, seine Tochter und sein Bruder würden nach wie vor in Georgien leben. Sein Bruder habe die Bäckerei übernommen. Seine Mutter sei bereits verstorben, sein kranker Vater lebe bei seinem Bruder. Er habe telefonischen Kontakt zu seiner Tochter und zu seinem Bruder und mache sich große Sorgen um seinen Sohn. Wirtschaftliche Gründe für die Ausreise verneinte er. Er sei Mitglied der Menschenrechtspartei "Georgien Mission". Als Fluchtgrund brachte er zusammengefasst vor, dass er seit der Ermordung des Sohnes seines Cousins im Jahr XXXX für die Menschenrechte bzw. die Aufklärung des Falles arbeite. Sein Cousin sei XXXX am Grab seines Sohnes in die Luft gesprengt worden. Dieser habe 64 Personen herausgefunden, welche in die Ermordung seines Sohnes involviert gewesen seien; ua. habe sein Cousin den Namen eines einflussreichen korrupten Kriminalpolizisten herausgefunden. Der Beschwerdeführer sei der Meinung, dass dies der Grund für die Ermordung seines Cousins gewesen sei. Danach habe sich der Beschwerdeführer um Unterstützung an "Georgien Mission" gewendet, da er im Besitz der Namensliste von 64 Personen sei. Er habe fliehen müssen. Seine Tochter sei gut untergebracht. Sein Sohn sei nach der Mitteilung dessen Freundes am XXXX ebenfalls von einem vorbeifahrenden Auto beschossen worden und weggelaufen. Der Aufenthaltsort seines Sohnes sei nicht bekannt. Dieser habe von XXXX bis XXXX bei der Polizei gearbeitet, jedoch kündigen müssen, weil ein Kollege ihn gewarnt habe, dass er getötet werden würde. Sie hätten auf die Aufklärung der Ermordung seines Cousins und dessen Sohnes durch die neue Regierung gehofft, dies sei aber nicht passiert. Er und seine Frau hätten Georgien verlassen, weil sogar sein Sohn und dessen Auto beschossen und ihre Wohnung observiert worden seien und er nicht hätte aufhören können, für die Aufklärung der Morde zu kämpfen, wodurch seine Familie in Gefahr sei. Sein ältester Sohn (Beschwerdeführer zu L515 2186139-1) sei auch deshalb in Österreich. Der Beschwerdeführer habe sich aus Angst nicht an die Polizei gewendet. Es sei offiziell bestätigt worden, dass die Polizei hinter der Ermordung seines Cousins stehe. Dieser sei ein reicher Mann gewesen und dessen Sohn habe auf Grund irgendeines Vorfalls, bei dem er vermutlich auch schuldig gewesen sei, Probleme bekommen. Jedoch sei es nie zu einer Gerichtsverhandlung gekommen, er sei einfach ermordet worden. Die neue Regierung habe zugestanden, dass die alte Regierung daran Schuld gehabt habe, jedoch sei nichts weiter passiert. Nach der Ermordung seines Cousins hätten am XXXX die Drohungen gegen den Beschwerdeführer begonnen. Sein Mobiltelefon und das seiner Frau seien abgehört worden und er sei von einem bekannten Polizisten gewarnt worden, dass ihm dasselbe wie seinem Cousin passieren werde und er aufhören solle. Drohanrufe habe es nicht gegeben. Er sei auch nie Opfer von Folter oder gewesen, es gebe auch keine Drohbriefe, sie würden einfach schießen. Er habe wegen der Morde unzählige Male demonstriert. Der Beschwerdeführer verzichtete auf eine Stellungnahme zu den Länderberichten. Zum Vorhalt darüber, dass sein Herkunftsstaat seit dem 16.02.2016 als sicherer Herkunftsstaat gelte, erwiderte er, dass er das wisse und ob man glaube, dass er dort sicher sei. Er sei nach Österreich gekommen, weil sein (ältester) Sohn bereits seit XXXX hier sei. Der Beschwerdeführer und seine Frau würden bereits einen Deutschkurs besuchen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 hinsichtlich Asyl und subsidiärem Schutz abgewiesen, ihm gemäß § 57 und 55 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen sowie gemäß § 52 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der dagegen erhobenen Beschwerde vom 22.08.2016 wurde zunächst mit Beschluss vom 30.08.2016, GZ. L515 2133467-1/3Z, gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Schließlich wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 04.01.2016, GZ. L515 2133467-1/18E, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Begründet wurde dies damit, dass im Fall des Beschwerdeführers erst dann eine nachvollziehbare Entscheidung möglich sei, wenn die belangte Behörde sich mit dem Vorbringen des (ältesten) Sohnes des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe.

Am 18.07.2017 stellte auch die (damals) minderjährige Tochter des Beschwerdeführers (Beschwerdeführerin zu W117 2197212-1) einen Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet, wobei sie angab, dass die Fluchtgründe ihrer Eltern auch für sie gelten würden und sie bei einer Rückkehr ebenfalls Probleme befürchte.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit Bescheid vom 29.12.2017 den Antrag des Sohnes des Beschwerdeführers vom XXXX hinsichtlich Asyl und subsidiärem Schutz abgewiesen und ihm einen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG aberkannt, gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und festgestellt, dass er gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 ASylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 20.07.2016 verloren hat. Begründend führte das Bundesamt dazu aus, dass sein Vorbringen, er und seine Familie würden wegen ihres Engagements in der Aufklärung der Morde ihrer beiden Verwandten bedroht, nicht als glaubhaft erachtet werde, zumal er anlässlich seiner Erstbefragung einen anderen Fluchtgrund genannt habe und den Herkunftsstaat legal per Flugzeug verlassen habe können. Seinen Bruder betreffend habe der vorgelegten Urteilskopie weder eine strafbare Handlung oder Strafbemessung entnommen werden können und sei auch keine Rechtskraft ersichtlich. Auch könnten weitere Familienmitglieder unbehelligt im Herkunftsstaat leben. Seine Schilderungen habe er auch in nicht glaubwürdiger Weise gesteigert, da er in der Erstbefragung nicht von einer Ermordung nahestehender Verwandter gesprochen habe. Auch sei auf Grund des Umstandes, dass er nach seiner Ausreise nach XXXX , wo er bereits vor Verfolgung sicher gewesen wäre, seine Flucht fortgesetzt habe, davon auszugehen, dass es sich nicht um eine asylrelevante Flucht in die EU gehandelt habe, sondern dass er aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gereist sei. Im Fall seiner Rückkehr nach Georgien sei eine Verletzung von Art. 3 EMRK nicht zu erwarten; XXXX habe er nicht durch aktuelle Befunde nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht. Die vom Sohn des Beschwerdeführers dagegen erhobene Beschwerde vom 31.01.2018 wurde mit am 06.03.2019 mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zu GZ. L515 2186139-1/13/Z, mit der Maßgabe, dass die Dauer des Einreiseverbotes (wegen wiederholter Delinquenz auf Grund der selben schädlichen Neigung) auf 7 Jahre abgeändert wurde, als unbegründet abgewiesen und der Beschwerde auch die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt, da nach dem Ergebnis einer Internetrecherche die Täter (Polizisten) zwischenzeitig zu hohen Haftstrafen verurteilt worden seien.

Bereits davor wurde der Beschwerdeführer am 14.03.2018 erneut beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und neuerlich zu seinen Fluchtgründen befragt, wobei er vorbrachte, dass sie der Meinung seien, dass dem verhafteten Mörder seines Cousins entweder der Mord unterschoben worden oder dieser ihn auf sich genommen habe bzw. er nur ein bezahlter Killer sei und andere Personen dahinter stünden. Der Grund ihrer Flucht sei gewesen, dass es einen Überfall auf seinen (jüngeren) Sohn gegeben habe, hinter dem die Polizisten stünden, welche den seinen Cousin und dessen Sohn erschossen hätten. Danach habe sein Sohn sich versteckt und der Beschwerdeführer und seine Familie seien observiert und bedroht worden. Er habe selbst wahrgenommen, dass ihnen ein schwarzes Auto regelmäßig gefolgt sei. Sie seien im XXXX ausgereist und einen Monat davor sei der Anschlag auf seinen (jüngeren) Sohn erfolgt. Dieser sei mit einem Freund ausgegangen und es sei aus zwei Autos auf ihn geschossen worden. Danach sei ihm klar geworden, dass seine Familie ernsthaft bedroht werde. Sein (jüngerer) Sohn habe sich zu Verwandten begeben, wo seine Schwester aufhältig gewesen sei. Der Beschwerdeführer werde von namentlich genannten Polizeibeamten bedroht, weil sie versuchen würden, zu beweisen, dass diese die unmittelbaren Auftraggeber gewesen seien, und deren Namen öffentlich gemacht hätten. Diese drei genannten Personen seien von der von seinem Cousin gegründeten Organisation "Rettet das Leben" angeklagt worden, dessen offizielles Mitglied der Beschwerdeführer gewesen sei. Nach der Ermordung seines Cousins sei diese Organisation allerdings geschlossen worden. Nach dem Tod seines Cousins am XXXX sei der Beschwerdeführer aktiv gewesen und habe Protestaktionen durchgeführt und sei in die Partei "die georgische Mission" eingetreten. Sein jüngerer Sohn befinde sich derzeit in Georgien in Haft. Dieser sei von XXXX bis XXXX Polizist gewesen und in der Nacht auf den XXXX aus einem Laden kommend von einem bewaffneten Mann überfallen worden, welchen er habe entwaffnen können, jedoch sei der Angreifer ein Polizist in Zivil gewesen und es habe sich um einen von den beschuldigten Polizisten inszenierten Überfall gehandelt. Er gehe davon aus, weil es sonst keinen Grund gebe, seinen Sohn ermorden zu wollen. Sein älterer Sohn habe Georgien XXXX verlassen, weil es auf ihn ebenfalls einen Überfall gegeben habe, indem er direkt vor seinem Haus von einigen Männern beinahe zu Tode geprügelt worden sei. Der Beschwerdeführer selbst sei aus Angst ausgereist, weil er observiert worden sei und seine Exekution befürchtet habe. Er sei legal mit dem Flugzeug in die Ukraine gereist und von dort illegal nach Österreich gelangt. Konkret werde der Beschwerdeführer vom Vater und der Schwester eines der drei namentlich genannten Hintermänner bedroht. Von 10 Zeugen, welche mit ihm vor Gericht hätten aussagen sollen, seien bereits drei getötet worden, einer in Moskau und zwei in der Ukraine. Diese seien umgebracht worden, weil sie die Wahrheit über die Mordfälle hätten enthüllen wollen. Es habe noch keine Verhandlung in Georgien stattgefunden, sein Cousin habe dies geplant gehabt. Natürlich habe der Beschwerdeführer versucht, die korrupten Polizisten bei Gericht anzuklagen, jedoch keine Chance gehabt. Sein Cousin sei eine Woche vor der geplanten Gerichtsverhandlung umgebracht worden. Sein Sohn werde in Georgien im Gefängnis gefoltert. Es werde ihm vorgeworfen, den Polizisten angegriffen und leicht verletzt zu haben. Der Überfall auf seinen Sohn sei im selben Monat erfolgt, in dem sie geflüchtet seien. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass nach dem Tod seines Cousins keine Gerichtsverhandlungen zu diesen Fällen mehr stattgefunden hätten, später habe es noch Verhandlungen gegeben. Sein älterer Sohn sei zu dieser Zeit XXXX beim Rathaus beschäftigt gewesen, als er überfallen worden sei, und der Beschwerdeführer sei der Ansicht, dass ein Zusammenhang gegeben gewesen sei. Seinem jüngeren Sohn seien Taten angelastet worden, wofür ihm 11 bis 13 Jahre Haft gedroht hätten. Nachdem der Staatsanwalt vom Anwalt des Beschwerdeführers damit bedroht worden sei, dass die Angelegenheit medial verbreitet werden könnte, sei sein Sohn bloß zu sechs Jahren, davon zu zwei Jahren unbedingt verurteilt worden. Der Beschwerdeführer fürchte um sein Leben, weil er Zeugen dafür nennen könne, dass ein namentlich genannter Polizist die Ermordung des Sohnes seines Cousins befohlen habe. Sein noch in Georgien aufhältiger Bruder habe als ehemaliger XXXX wenig damit zu tun. Er habe seine Tochter in Georgien zurückgelassen, weil er nicht sicher gewesen sei, dass seine Ausreise erfolgreich sei. Nach Österreich sei er gekommen, weil sein (ältester) Sohn sich hier aufhalte. In Georgien würden noch sein Bruder samt Familie sowie die Geschwister seiner Frau und deren Familien leben sowie weitere Verwandte (Cousins und Cousinen). Er habe sich aus Angst nicht an die Öffentlichkeit gewendet, weil sein Cousin und dessen Sohn genau deswegen ermordet worden seien. Ein Teil der Familienmitglieder sei im Herkunftsstaat exekutiert worden und der Rest werde verfolgt, dies berichte die georgische Presse über sie und konkret auf ihn bezogen. Sodann beantragte er zwei namentlich genannte in Österreich aufhältige Zeugen über seine Verfolgung.

Am 04.04.2018 legte der Beschwerdeführer Integrationsunterlagen (Bestätigung über seine ehrenamtliche Mitarbeit bei "Best of the Rest", Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs A1 vom 04.09.2017 bis 06.11.2017) vor.

Mit Schriftsatz vom 10.04.2018 legte der Vertreter des Beschwerdeführers ein Konvolut an Geburtsurkunden samt Übersetzungen in Kopie zum Nachweis seines angegebenen Verwandtschaftsverhältnisses zum ermordeten Cousin vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 25.06.2016 gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 hinsichtlich Asyl (Spruchpunkt I.) und subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ihm gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass zwar die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Mordfälle betreffend seinen Cousin und dessen Sohn aus diversen Medienberichten bekannt und unbestritten seien, jedoch habe der Beschwerdeführer keine konkreten Angaben machen können und immer wieder ausweichend geantwortet. Aus vorgelegten Kopien gehe nicht hervor, warum sein Sohn in Georgien tatsächlich inhaftiert sei. Auch sein in Österreich aufhältiger Sohn habe die Behörde nicht von einer tatsächlichen Bedrohung der Familie infolge der beiden Mordfälle überzeugen können. Außerdem sei den zugänglichen Quellen unmissverständlich zu entnehmen, dass die Tatverdächtigen in den beiden Mordfällen festgenommen und zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden seien. Aus den Länderfeststellungen ergebe sich zudem, dass die georgischen Sicherheitsbehörden willens und fähig seien, dem Beschwerdeführer Schutz zu gewähren. Außerdem stelle der Umstand, dass er den Herkunftsstaat trotz behaupteter Observation auf legalem Weg habe verlassen können, ein Indiz für die Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens dar. Weiters werde es nicht als glaubwürdig erachtet, wenn er in widersprüchlicher Weise einerseits vorbringe, über gute Beziehungen zu den georgischen Behörden zu verfügen, und andererseits behaupte, sich subjektiv dort nicht in Sicherheit gefühlt zu haben. Sein Vorbringen über einen Angriff auf seinen Sohn werde als Scheinbehauptung gewertet und sei in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar, dass die erst 15-jährige Tochter im Herkunftsstaat zurückgelassen worden sei. Sein Vorbringen (zu den Fluchtgründen) werde als nicht glaubhaft erachtet. Der Beschwerdeführer laufe als arbeitsfähiger Mann mit familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsland, der von Beruf Tierarzt sei und eine eigene Bäckerei sowie Kontakte im Herkunftsland besitze, nicht Gefahr, seinen Lebensunterhalt dort nicht bestreiten zu können. Außerdem sei Georgien ein sicherer Herkunftsstaat, in dem eine staatliche Verfolgung nicht stattfinde bzw. Schutz vor privater Verfolgung und Rechtsschutz gegen erlittene Menschenrechtsverletzungen gewährt werde. Eine asylrelevante Verfolgung habe er nicht glaubhaft machen können. Nachteile, welche auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen seien, stellten keine Verfolgung im Sinne der GFK dar. Mangels glaubhafter Gefahr einer Bedrohung lägen auch die Voraussetzungen für subsidiären Schutz nicht vor und seien keine Umstände ersichtlich, wonach er nach seiner Rückkehr nicht wieder sein bisheriges, existenzgesichertes Leben aufnehmen könnte. Für die Gewährung von subsidiärem Schutz sei die maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung der Menschenrechte gefordert. Die bloße Möglichkeit oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, seien nicht ausreichend. Mit der Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 47/2016, sei Georgien mit 16.02.2016 zudem als sicherer Herkunftsstaat festgelegt worden. Berücksichtigungswürdige Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels habe er nicht vorgebracht und seien nicht ersichtlich. In sein in Österreich bestehendes Familienleben werde nicht eingegriffen, weil seine Familienangehörigen ebenso wie er selbst von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen seien. Zu seinem Privatleben wurde ausgeführt, dass er keine weiteren persönlichen Beziehungen in Österreich angegeben habe und damit infolge seines bisher sehr kurzen Aufenthaltes in Österreich ein schützenswertes Privatleben nicht entstanden sei. Er sei erst seit 25.06.2016 im Bundesgebiet aufhältig und mangels eigener Erwerbstätigkeit nicht selbsterhaltungsfähig, absolviere keine Ausbildung und habe den Großteil seines bisherigen Lebens in Georgien verbracht, dessen Landessprache er als Muttersprache beherrsche. Sein bisheriger Aufenthalt sei nicht in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet. Es sei, auch wenn er bislang unbescholten sei, weder eine wirtschaftliche, soziale oder gesellschaftliche Integration ersichtlich und eine Rückkehrentscheidung demnach nicht auf Dauer unzulässig. Mangels Gründen im Sinne von § 50 FPG sei seine Abschiebung nach Georgien zulässig. Der Beschwerde sei gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die abschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen, zumal Georgien ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG sei.

Zur Situation im Herkunftsland wurde im bekämpften Bescheid wie folgt festgestellt:

"Politische Lage

In Georgien leben mit Stand 1.1.2016 laut georgischem Statistikamt 3,72 Mio. Menschen. 2014 waren es noch rund 4,49 Mio. Menschen auf

69.700 km² (GeoStat 2017).

Georgien ist eine demokratische Republik. Das politische System hat sich durch die Verfassungsreform 2013 von einer semi-präsidentiellen zu einer parlamentarischen Demokratie gewandelt, (AA 11.2016a). Staatspräsident ist seit 17.11.2013 Giorgi Margvelashvili (RFE/RL 17.11.2013). Regierungschef ist seit dem überraschenden Rücktritt von Irakli Garibaschwili Giorgi Kvirikashvili (seit 29.12.2015) (RFE/RL 29.12.2015). Beide gehören der Partei bzw. dem Parteienbündnis "Georgischer Traum" an.

Georgien besitzt ein Einkammerparlament mit 150 Sitzen, das durch eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht für vier Jahre gewählt wird. Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei, "Georgischer Traum", sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze im Parlament gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR u.a. 30.10.2016). Transparency International - Georgia beurteilte den Wahlgang als ruhig. Obgleich 70 relativ ernsthafte prozedurale Verstöße festgestellt wurden, hatten diese keinen entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang (TI-G 31.10.2016).

Die Opposition warf dem Regierungslager Wahlmanipulationen vor. Unter anderem sollen Wähler unter Druck gesetzt und Stimmen gekauft worden (Standard 31.10.2016, vgl. CK 31.10.2016).

Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2013 konnte sich der Kandidat von "Georgischer Traum", Georgi Margwelaschwili, mit klarer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang gegen den Wunschkandidaten des amtierenden Präsidenten Michail Saakaschwili (Vereinte Nationale Bewegung), durchsetzen. Saakaschwili, zuletzt umstritten, durfte nach zwei Amtszeiten laut Verfassung nicht mehr zur Wahl antreten. Diese Wahl brachte den ersten demokratischen Machtwechsel an der georgischen Staatsspitze seit dem Zerfall der Sowjetunion (FAZ 27.10.2013).

Die Regierungspartei "Georgischer Traum" sicherte sich infolge eines überwältigenden Sieges bei den Gemeinderatswahlen im Sommer 2014 die Kontrolle über die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften. Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) berichteten, dass es im Vorwahlkampf angeblich Druck auf oppositionelle Kandidaten gab, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Überdies sei es zu Störungen von Versammlungen der Opposition und zu etlichen Vorfällen von Gewalt gegen Wahlaktivisten gekommen. Obschon diese den Behörden bekannt waren, blieb eine amtliche Verfolgung aus (HRW 29.1.2015).

Am 27.6.2014 unterzeichneten die EU und Georgien ein Assoziierungsabkommen. Das Abkommen soll Georgien in den Binnenmarkt integrieren, wobei die Prioritäten in der Zusammenarbeit in Bereichen wie Außen- und Sicherheitspolitik sowie Justiz und Sicherheit liegen. Russland sah sich hierdurch veranlasst, seinen Druck auf die Regierung in Tiflis zu erhöhen. Am 24. November 2014 unterzeichneten Russland und das abtrünnige georgische Gebiet Abchasien eine Vereinbarung über eine "strategische Partnerschaft", mit der Moskau seine militärische und wirtschaftliche Kontrolle in Abchasien erheblich ausweitete (EP 5.12.2014).

Die EU würdigte im Juni 2016 im Rahmen ihrer Globalen Strategie zur Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik die Rolle Georgiens als friedliche und stabile Demokratie in der Region. Am 1.7.2016 trat das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Georgien in Kraft, wodurch laut der EU die politische Assoziierung und wirtschaftliche Integration zwischen Georgien und der Union merkbar gestärkt werden. Georgien hat seine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit konsolidiert und die Respektierung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten sowie der Anti-Diskriminierung gestärkt (EC 25.11.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (11.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

* CK - Caucasian Knot (31.10.2016): In Georgia, "UNM" Party claims mass violations at elections,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/37376/, Zugriff 21.2.2017

* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 21.2.2017

* EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 21.2.2017

* EP - Europäisches Parlament (5.12.2014): Assoziierungsabkommen EU-Georgien,

http://www.europarl.europa.eu/EPRS/EPRS-AaG-542175-EU-Georgia-Association-Agreement-DE.pdf, Zugriff 21.2.2017

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.10.2013): Georgi Margwelaschwili gewinnt mit klarer Mehrheit, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/praesidentschaftswahl-in-georgien-georgi-margwelaschwili-gewinnt-mit-klarer-mehrheit-12636443.html, Zugriff 21.2.2017

* GeoStat - National Statistics Office of Georgia (2017):

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* IFES - International Foundation for Electoral Systems (9.3.2015a):

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* OSCE/ODIHR u.a. - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions,

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* RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (17.11.2013):

Margvelashvili Sworn In As Georgia's New President, http://www.rferl.org/content/georgia-president-inauguration/25170650.html, Zugriff 21.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (29.12.2015): Giorgi Kvirikashvili Confirmed As Georgia's New Premier, http://www.rferl.org/content/georgian-parliament-vote-kvirikashvili-government-december-29/27454801.html, Zugriff 21.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 21.2.2017

* TI-G - Transparency International - Georgia (31.10.2016):

Assessment of the 2016 Parliamentary runoff elections, http://www.transparency.ge/en/blog/assessment-2016-parliamentary-runoff-elections, Zugriff 21.2.2017

* Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,

http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 21.2.2017

Sicherheitslage

Die Lage in Georgien ist - mit Ausnahme der Konfliktgebiete Abchasien und Südossetien - insgesamt ruhig. Beide genannte Gebiete befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung in Tiflis. In den Gebieten und an ihren Verwaltungsgrenzen sind russische Truppen stationiert (AA 20.3.2017a).

Im Zuge der Auflösung der UdSSR erhöhten sich die Spannungen innerhalb Georgiens in den Gebieten Abchasien und Südossetien, als der autonome Status der Provinzen von georgischen Nationalisten in Frage gestellt wurde. Nach der georgischen Unabhängigkeit führten heftige Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung 1992 zu Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens, die aber von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden. Der Einfluss des nördlichen Nachbarlandes wuchs kontinuierlich, unter anderem durch Ausgabe russischer Pässe an die abchasische und südossetische Bevölkerung. Nach zahlreichen blutigen Zwischenfällen und Provokationen aller Seiten eskalierte der Konflikt um Südossetien am 7. August 2008 nach einem Vorstoß georgischer Truppen in die südossetische Hauptstadt Tskhinvali zu einem georgisch-russischen Krieg, der nach fünf Tagen durch einen von der EU vermittelten Waffenstillstand beendet wurde. Am 26. August 2008 erkannte Russland Abchasien und Südossetien, einseitig und unter Verletzung des völkerrechtlichen Prinzips der territorialen Integrität Georgiens, als unabhängige Staaten an und schloss wenig später mit diesen Freundschaftsverträge ab, die auch die Stationierung russischer Truppen in den Gebieten vorsehen. Infolge des Krieges wurden nach Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen bis zu 138.000 Personen vorübergehend zu Vertriebenen und Flüchtlingen. Etwa 30.000 Georgier aus Südossetien konnten bis heute nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die zivile EU-Beobachtermission EUMM nahm Anfang Oktober 2008 in Georgien ihre Arbeit auf. Das OSZE-Mandat lief Ende 2008 aus, UNOMIG endete im Juni 2009. EUMM ist damit die einzige verbliebene internationale Präsenz zur Stabilisierung in Georgien (AA 11.2016b).

Ein wichtiges diplomatisches Instrument zur Deeskalation des Konflikts sind die sogenannten "Geneva International Discussions - GID" (Genfer Internationale Gespräche). Diese finden seit 2008 unter Beteiligung der involvierten Konfliktparteien unter dem gemeinsamen Vorsitz von Vertretern der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der OSZE statt. Aus den Genfer Gesprächen resultierte der "Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM)" sowie die Involvierung der EUMM, sodass die lokalen Sicherheitsbehörden der Konfliktparteien vor Ort in Kontakt treten können bzw. ihnen die Möglichkeit zum Dialog eröffnet wird (OSCE 6.11.2014).

Abchasien und Südossetien bleiben außerhalb der Kontrolle der Zentralregierung und werden von mehreren tausend russischen Truppen und Grenzpolizisten unterstützt. Russische Grenzschutzbeamte beschränken die Bewegung der örtlichen Bevölkerung. Die Behörden beschränken die Rechte, vor allem von ethnischen Georgiern, am politischen Prozess teilzuhaben, in Eigentumsfragen oder bei der Registrierung von Unternehmen. Überdies ist die Reisefreiheit eingeschränkt. Die südossetischen Behörden verweigern den meisten ethnischen Georgien, die während und nach dem Krieg von 2008 vertrieben wurden, nach Südossetien zurückzukehren. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang zu Südossetien, um humanitäre Hilfe zu leisten. Die Russische "Grenzziehung" der administrativen Grenzen der besetzten Gebiete setzte sich während des Jahres fort, trennte die Bewohner aus ihren Gemeinden und untergrub ihren Lebensunterhalt (USDOS 3.3.2017).

Die Vereinten Nationen zeigten sich Ende Jänner 2017 besorgt darüber, dass die angekündigten Schließungen von Grenzübertrittsstellen seitens der abchasischen Behörden negative Konsequenzen für die Bevölkerung beidseits der administrativen Grenze haben werden. Für die Menschen in Abchasien wird es schwieriger sein, auf grundlegende Dienstleistungen wie Gesundheitswesen und Bildung in Georgien zurückzugreifen und an Wirtschaftsaktivitäten und gesellschaftlichen Veranstaltungen jenseits der Grenze teilzunehmen. Auch wird der Zugang zu Schulbildung für Kinder mit georgischer Muttersprache, die aus Abchasien kommend die Grenze nach Georgien überqueren, behindert (UN 26.1.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien, Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

* AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

* OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (6.11.2014): Geneva International Discussions remain unique and indispensable forum, Co-chairs tell OSCE Permanent Council, http://www.osce.org/cio/126442, Zugriff 21.2.2017

* UN - United Nations in Georgia (27.1.2017): Statement of Niels Scott, Resident Coordinator, on behalf of the United Nations Country Team regarding announced closure of crossing points along the Inguri River,

http://www.ungeorgia.ge/eng/news_center/media_releases?info_id=507, Zugriff 22.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,

http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

Regionale Problemzone: Abchasien

Die Autonome Republik Abchasien in Nordwest-Georgien gehört völkerrechtlich zu Georgien, steht seit 1993 aber nicht mehr unter der Kontrolle der georgischen Regierung. Die Sicherheitslage in diesem Landesteil ist seitdem nicht berechenbar. Es kommt zu Zwischenfällen, auch krimineller Natur. In einigen Teilen der Region liegen teils nicht gekennzeichnete Minenfelder. Abchasien ist für den internationalen Reiseverkehr gesperrt. Eine legale Ein- und Ausreise in bzw. aus dem Gebiet heraus ist gemäß dem georgischen "Gesetz über die besetzten Gebiete" über die russisch-georgische Grenze in Abchasien nicht möglich - außer in besonderen Ausnahmefällen mit vorheriger Zustimmung der georgischen Regierung. Ein ungenehmigter Grenzübertritt wird von den georgischen Behörden als illegaler Grenzübertritt behandelt. Bei anschließender Weiterreise über die Verwaltungsgrenze in benachbarte georgische Landesteile bzw. bei der Ausreise über reguläre georgische Grenzübergänge drohen Festnahme und Strafverfahren (AA 20.3.2017a).

Abchasien erstreckt sich auf einer Fläche von rund 8.600 Quadratkilometern. Nach offiziellen Angaben, wie jenen des abchasischen Außenministeriums, betrug 2011 die Einwohnerzahl 243.000 (MAARA o.D.). Beobachter vor Ort rechnen mit maximal 190.000 Einwohnern (NZZ 31.5.2014).

Das Rote Kreuz schätzt die Opferzahl der kriegerischen Auseinandersetzungen der neunziger Jahre auf 10.000 bis 15.000. Andere Quellen führen bis zu 30.000 Tote an. Von den 200.000 geflüchteten ethnischen Georgiern, sind zwischen 40.000 und 60.000 zurückgekehrt, insbesondere in die Grenzregion Gali. Laut einer Volkszählung aus dem Jahr 2011 machen Georgier rund 19% der Einwohner Abchasiens aus (FP 26.8.2014).

Viele Abchasen besitzen einen russischen Pass. Nur nach Russland und in die Türkei können sie ohne erheblichen administrativen Aufwand reisen (NZZ 31.5.2014). 2015 begannen die Behörden neue abchasische Reisepässe auszugeben (FH 1.2016)

Die Unabhängigkeit von Abchasien wird nur von Russland, Venezuela, Nicaragua und dem Pazifikstaat Nauru anerkannt, nachdem zwei andere pazifische Inselstaaten ihre vormalige Anerkennung zurückgezogen haben (RFE/RL 31.3.2014, vgl. FH 1.2016).

Politische Oppositionsgruppen und NGOS sind in Abchasien aktiv und beeinflussen die Politik. 2014 führten Massenproteste der Opposition zum Rücktritt des damaligen Präsidenten Ankwab und zu vorgezogenen Präsidentschaftswahlen, die Chadschimba gewann. Im Juni 2015 musste sich wiederum Chadschimba mit Forderungen der Opposition und der Kritik, sich zu sehr unter die Kontrolle Moskaus zu begeben, auseinandersetzen. Als Folge der Forderungen verabschiedete das Parlament mehrere Gesetze, die das Justiz-, Medien- und Bankensystem reformieren sollten. Die Möglichkeiten der gewählten Autoritäten die beschlossenen politischen Maßnahmen auch umzusetzen, sind durch den Einfluss Russlands, das einen beträchtlichen Teil des Staatshaushaltes finanziert, begrenzt (FH 1.2016).

Die politische Krise in Abchasien setzte sich 2016 fort. Nach ausgedehnten Massenprotesten am 15.12.2016 machte Defacto-Präsident Chadschimba Konzessionen an die Opposition. Chadschimba hat keine Kontrolle mehr über die Mehrheit im Parlament, welches zunehmend zu einem unabhängigen Akteur wird (EN 20.12.2016).

Das Justizsystem leidet unter chronischen Problemen, einschließlich des beschränkten Zugangs zu qualifizierter Rechtsvertretung, der Verletzung eines ordentlichen Gerichtsverfahrens sowie langer Untersuchungshaft. Die Gefängnisse sind mangelhaft ausgestattet (FH 1.2016).

Mit Beginn des Schuljahres 2015/16 haben die abchasischen Behörden Georgisch als Unterrichtssprache im Bezirk Gali, der von ethnischen Georgiern bewohnt wird, abgeschafft (GT 3.9.2015). Es gibt nunmehr keine Schulen mehr in Gali, wo 97% der Einwohner ethnische Georgier (Mengrelier) sind, die Georgisch als Unterrichtssprache verwenden. Georgische Kinder müssen die Unterrichtsfächer auf Russisch bewältigen, auch wenn sie geringe Kenntnisse des Russischen besitzen. Die abchasischen Behörden verbieten den Lehrern, die russischen Wörter auf Georgisch zu erklären. LehrerInnen wurden strikt gewarnt, den Unterricht auf Russisch abzuhalten, ansonsten drohe die Kündigung. Während die Verwendung des Georgischen unterbunden wird, fördern die abchasischen Behörden die Verwendung des Mengrelischen (ebenso wie Georgisch eine kartvelische Sprache), die eigentliche Muttersprache der meisten ethnischen Georgier in Abchasien. Mengrelisch ist wiederum in Georgien weder Amts- noch Unterrichtssprache, weil man separatistische Strömungen fürchtet. Georgischer Sprachunterricht als solcher findet weiterhin statt. Als separates Sprachfach werden drei Stunden wöchentlich unterrichtet (GINSC 19.4.2016).

Die abchasischen Behörden inhaftieren weiterhin viele Personen, die die "Grenze" illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter entlang der Verwaltungsgrenze zwischen Abchasien und Georgien setzen normalerweise die Regeln der abchasischen Machthaber um, indem sie Individuen abstrafen und wieder freilassen. Es gab Berichte über willkürliche Verhaftungen von ethnischen Georgiern in den abtrünnigen Gebieten. Ihnen wurden weder die Gründe für die Haft noch für das Vorführen vor den Staatsanwalt mitgeteilt. Das abchasische Gesetz von 2008 macht es Binnenflüchtlingen, die anderswo in Georgien leben, unmöglich ihr Eigentum zu reklamieren, da das während des Krieges 1992-93 verlassene Eigentum als enteignet gilt (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien. Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

* EN - EurasiaNet: (20.12.2016): Explaining the Crisis in Abkhazia,

http://www.ecoi.net/local_link/334022/462400_en.html, Zugriff 22.2.2017

* FH - Freedom House (1.2016): Freedom in the World 2016 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/abkhazia, Zugriff 22.2.2017

* FP - Foreign Policy (26.8.2014): You Can't Go Home Again, http://foreignpolicy.com/2014/08/26/you-cant-go-home-again-4/?wp_login_redirect=0, Zugriff 22.2.2017

* GINSC - Gender Information Network of South Caucasus (19.4.2016):

Georgian no longer language of instruction in Gali, Abkhazia, http://www.ginsc.net/home.php?option=article&id=34110&lang=en, Zugriff 22.2.2017

* GT - Georgia Today (3.9.2015): Georgian Language Banned from Gali Schools,

http://georgiatoday.ge/news/1111/Georgian-Language-Banned-from-Gali-Schools, Zugriff 22.2.2017

* MAARA - Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Abchasien (o.D.): Allgemeine Informationen, http://mfaapsny.org/de/apsny/overview.php, Zugriff 22.2.2017

* NZZ - Neue Zürcher Zeitung (31.5.2014): Frustration über Misswirtschaft - Politische Pattsituation in Abchasien, http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/kritik-an-der-schutzmacht-russlands-politische-pattsituation-in-abchasien-1.18313140, Zugriff 22.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (31.3.2014): Tuvalu Retracts Recognition Of Abkhazia, South Ossetia, http://www.rferl.org/content/tuvalu-georgia-retracts-abkhazia-ossetia-recognition/25315720.html, Zugriff 22.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,

http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

Regionale Problemzone: Südossetien

Das Gebiet Südossetien gehört völkerrechtlich zu Georgien, steht seit 1993 aber nicht mehr unter dem Einfluss der georgischen Regierung. Die Lage in Südossetien ist weiterhin unsicher. Nach den Waffenstillstandsvereinbarungen seit dem Krieg 2008 ist die Verwaltungsgrenze zu Südossetien Sperrgebiet. Ein Zutritt wird von georgischen Sicherheitskräften verhindert. Es besteht in diesem Gebiet darüber hinaus eine erhöhte Gefahr durch Minen und nicht explodierte Munition. Südossetien ist für den internationalen Reiseverkehr gesperrt. Ein Grenzübertritt von Russland nach Südossetien und umgekehrt (Roki-Tunnel) ist nach georgischen Gesetzen illegal (AA 20.3.2017a).

2008 schuf Russland nach einem Fünf-Tage-Krieg gegen Georgien Fakten, indem es nebst Abchasien auch Südossetien als unabhängigen Staat anerkannte und dessen Existenz bis heute mit einer starken Militärpräsenz sichert. Der 2008 geschlossene Waffenstillstand ist fragil. Immer wieder kommt es an den Verwaltungsgrenzen zu Zwischenfällen. Auch verschob das weltweit überwiegend nicht anerkannte Regime Südossetiens mehrmals seine "Staatsgrenze" weiter in georgisches Gebiet hinein. Unklar ist auch das Schicksal von bis zu 130.000 Georgiern, die aus Südossetien fliehen mussten und denen eine Rückkehr in ihre beschlagnahmten bzw. zerstörten Häuser vom de-facto-Regime in Tskhinvali, der Hauptstadt Südossetiens, verweigert wird. Die meisten dieser Binnenflüchtlinge leben bis heute in Flüchtlingssiedlungen nahe ihrer alten Heimat. Die meisten Südossetier sind mittlerweile russische Staatsbürger und der de-facto-Präsident Südossetiens, Leonid Tibilov, fordert gar eine Aufnahme des Gebietes in den russischen Staatsverband (FNS 8.4.2016).

Südossetiens Außenbeziehungen waren im Laufe des Jahres 2015 ein wichtiges Thema der öffentlichen Diskussion. Im Parlament Südossetiens prallten Gegner und Befürworter einer engeren Bindung an Russland aufeinander. Im März 2015 unterzeichnete Südossetiens De-facto-Präsident, Leonid Tibilov, einen umfassenden bilateralen Vertrag über die Allianz bzw. die Integration Südossetiens in die Russische Föderation. Die russischen Hilfsleistungen machen fast zur Gänze den südossetischen Staatshaushalt aus. Fiskale Prozesse und entsprechende Entscheidungen sind größtenteils intransparent. Die Medien werden fast vollständig von der Regierung kontrolliert. Während vor 2008 es so gut wie keine Demonstrationen gegen die Regierung gab, hat sich die Situation deutlich verändert. Es fanden regelmäßig Proteste gegen den schleppenden Wiederaufbau und die Korruption statt. Anlässlich der Parlamentswahl 2014 konnten sich die Unterstützer der verschiedenen Kandidaten und Plattformen ohne nennenswerte Einschüchterungen versammeln. Südossetiens Justiz ist nicht unabhängig. Die Gerichtsbarkeit wird manipuliert, um die vermeintlichen Gegner der separatistischen Führung zu bestrafen. Regierungsunterstützer können laut Berichten bei Gesetzesbruch mit Straffreiheit rechnen. In den Gefängnissen sind Misshandlungen üblich und die Ausstattung ärmlich (FH 1.2016).

Im Juni 2014 wurden Parlamentswahlen abgehalten, die von Georgien, der EU und den USA nicht anerkannt wurden. Gewinnerin war die prorussische Partei "Geeintes Ossetien" (Jedinaja Ossetija) mit 43% bzw. 20 der 34 Abgeordnetensitze. Nebst "Geeintes Ossetien", das sich für die Vereinigung mit Nordossetien einsetzt und nach dem Vorbild der Krim einen Anschluss an Russland anstrebt, haben noch die Partei "Einheit des Volkes" (Jedinstwo Naroda), die "Volkspartei" (Norodnaja Partija) und die Partei "Nykhas" die Sieben-Prozent-Hürde übersprungen (CK 9.6.2014, vgl. auch Standard 9.6.2014).

Die südossetischen "Behörden" inhaftieren weiterhin viele Personen, die die administrative Grenze zu Georgien illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter übergaben diese regelmäßig an die de facto-Machthaber. Laut georgischem Sicherheitsdienst werden die Festgenommenen nach zwei bis drei Tagen unter Bezahlung einer Geldstrafe freigelassen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien. Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

* CK - Caucasian Knot (9.6.2014): Official of South Ossetian CEC confirms victory of "United Ossetia" at parliamentary elections, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/28376/, Zugriff 23.2.2017

* Der Standard (9.6.2014): Prorussische Partei gewinnt Wahl in Südossetien,

http://derstandard.at/2000001865997/Parlamentswahl-in-Suedossetien-begonnen, Zugriff 23.2.201

* FH - Freedom House (1.2016): Freedom in the World 2016 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/abkhazia, Zugriff 23.2.2017

* FNS - Friedrich Naumann Stiftung (8.4.2016): Hintergrund Georgien:

Der lange Weg Georgiens nach Europa, https://www.google.at/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=2&ved=0ahUKEwj0rOSin6bSAhWE0RQKHaSNDpsQFgglMAE&url=https%3A%2F%2Fshop.freiheit.org%2Fdownload%2FP2%40597%2F67536%2FHG%252007-16_Georgien.pdf&usg=AFQjCNEgZxELnXYMm19agimSqTrqrSqMHQ&bvm=bv.147448319,d.d24, Zugriff 23.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,

http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

Rechtsschutz / Justizwesen

Georgien unternimmt Anstrengungen, sich bei der Rechtsreform und der Wahrung der Menschen- und Minderheitenrechte den Standards des Europarats anzupassen. 1996 wurde ein Verfassungsgericht eingerichtet, 1997 die Todesstrafe abgeschafft und 2007 die Abschaffung der Todesstrafe in der Verfassung verankert. In den Jahren seit der "Rosenrevolution" 2003/2004 hat Georgien anerkennenswerte Fortschritte bei der Polizeireform, dem erfolgreichen Kampf gegen die "Kleine Korruption" (Korruption im alltäglichen Umgang), der Reform der Steuergesetzgebung und der Verbesserung der Investitionsbedingungen erzielt. Im Rahmen der Justizreform wurde der Instanzenzug neu geregelt und eine radikale Verjüngung der Richterschaft durchgesetzt (AA 11.2016b).

Fortschritte sind insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug zu erkennen, wo inzwischen eine unmenschliche Behandlung (auch Folter), die in der Vergangenheit durchaus systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Zwei Reformwellen wurden bereits durchgeführt, die dritte Reformwelle steht seit einiger Zeit bevor. Sie betrifft insbesondere die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter und die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren. Sehr aktive NGOs und der unabhängige Ombudsmann beobachten diesen Prozess aufmerksam (AA 10.11.2016).

Das dritte Paket an Gesetzesänderungen, das den anhaltenden Mangel an Transparenz im Justiz-Management bereinigen soll, wozu auch die Rechenschaftspflicht des Hohen Rates der Justiz sowie die zufällige Zuweisung von Fällen gehören, konnte laut Europäischer Kommission zwar Fortschritte verzeichnen, ist jedoch noch nicht vollständig angenommen worden. Die Begründungen für das Abhalten von geschlossenen oder öffentlichen Anhörungen werden nicht immer richtig kommuniziert. Die Transparenz bei der Zuteilung von Fällen, bei der Auswahl der Richteranwärter und der Gerichtsverwalter ist nicht vollständig gewährleistet. Der Umgang mit Disziplinarverfahren erfordert eine Stärkung. Die Mehrheit der Richter hat keine dauerhafte Amtszeit und die umstrittene dreijährige Probezeit für Richter besteht weiterhin. Die Justiz ist immer noch ernsthaft unterbesetzt und der Aktenrückstand steigt (EC 25.11.2016).

Kritisch betrachtet werden muss weiterhin die starke Neigung von Politikern, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen eine vorrangig politische Motivation zu unterstellen und ggf. gesetzliche Änderungen vorzuschlagen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Nach dem Regierungswechsel wurden 190 in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft als politische Gefangene erklärte Häftlinge entlassen. Seit 2012 laufende Ermittlungen und teilweise schon mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden aus Sicht des [deutschen] Auswärtigen Amtes nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern sind Teil der erforderlichen juristischen Aufarbeitung der rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren (AA 10.11.2016).

Freedom House bewertete Anfang 2016 die Einmischung der Regierung und der Legislative in die Justiz weiterhin als erhebliches Problem, obwohl sich die gerichtliche Transparenz und die Rechenschaftspflicht in den letzten Jahren verbessert haben, letztere zum Teil aufgrund des verstärkten Medienzugangs zu den Gerichtssälen. Menschenrechtsorganisationen haben konsequent die Praxis der Staatsanwaltschaft kritisiert, wiederholt neue Anklagen gegen Gefangene einzureichen, um ihre Zeit in der Untersuchungshaft zu verlängern, eine Vorgehensweise, die durch eine Diskrepanz zwischen dem Strafgesetzbuch und der Verfassung möglich gemacht wird. Im September 2015 allerdings befand das Verfassungsgericht im Fall des ehem. Bürgermeisters von Tiflis, Ugulava, diese Praxis der Verlängerung der Untersuchungshaft als verfassungswidrig, weil die verfassungsmäßige Grenze von neun Monaten nicht überschritten werden darf. Ugulava gehörte zu zahlreichen ehemaligen UNM-Vertretern, die seit 2012 mit Strafprozessen konfrontiert wurden, was Fragen über den politischen Einflussnahme auf den Staatsanwalt aufwarf (FH 27.1.2016).

Während viele der Richter bemerkenswerte Anstrengungen unternahmen, ihr Niveau dadurch zu verbessern, indem sie ihren Entscheidungen mehr Substanz verliehen, besonders bei hochkarätigen Fällen, bleibt die Staatsanwaltschaft das schwächste Glied im Justizbereich. Bis 2012 war die Staatsanwaltschaft ein Teil der Exekutive, und die Gerichte waren bis zu einem gewissen Grad von der Exekutive abhängig. Die Staatsanwälte haben sich mittlerweile daran gewöhnt, ihren Vorbringen eine adäquate Qualität zu verleihen. Nur bei wenigen Gelegenheiten scheinen sie zurückhaltend zu sein. Nach der Trennung der Staatsanwaltschaft vom Justizministerium wurde allerdings keine Aufsichtsbehörde für die Staatsanwaltschaft institutionalisiert. Dieser Umstand beschädigt potentiell den Ruf des gesamten Justizsystems. Die Staatsanwaltschaft hat mehr als 4.000 Anträge von Opfern angeblicher Folter, unmenschlicher Behandlung oder Zwang erhalten, sowie von Personen, welche gezwungen wurden, ihr Eigentum während der Herrschaft von Mikheil Saakaschwili aufzugeben. Seit 2012 stellt der Umfang der Strafverfahren gegen die ehemalige Führung eine Herausforderung für die aktuelle Regierung dar. Ihr wird vorgeworfen, politisch motivierte Untersuchungen einzuleiten bzw. Gerichtsprozesse zu führen. Gleichzeitig wird die Staatsanwaltschaft oft kritisiert, weil sie nicht die Fälle von Beamten untersucht hat, die ihre Befugnisse überschritten haben, oder von Polizisten, die gegen das Gesetz verstoßen haben oder von Menschen, die behaupten, im Gefängnis misshandelt worden zu sein. Als Reaktion auf diese Situation hat die Staatsanwaltschaft ihre Absicht bekundet, eine neue Abteilung zu schaffen, die im Rahmen von Gerichtsverfahren begangene Straftaten untersuchen wird (BTI 1.2016).

Das georgische Strafrecht mit dem ursprünglichen Ansatz einer "zero tolerance policy" zeigte eine enorm hohe Verurteilungsrate von 99%, mitunter wegen konstruierter Straftaten, sowie hohe Haftstrafen. Mit dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts durch Reduzierung der Strafmaße, aber auch eine erkennbar geringere Verurteilungsrate; diese ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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