Entscheidungsdatum
15.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W117 2133463-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas DRUCKENTHANER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch RA Mag. Claus SCHÜTZENHÖFER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2018, Zl. XXXX , nach § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 und § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und § 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9 und § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen sowie gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG festgestellt, dass die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig und ihre Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG und § 46 FPG nach Georgien zulässig waren.
II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz
(B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Georgien aus XXXX , gehört der georgischen Volksgruppe an und ist christlich-orthodoxen Glaubens. Sie reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann (Beschwerdeführer zu W117 2133467-2) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte gemeinsam mit diesem am 25.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie gab an, die Reisedokumente seien ihnen vom Schlepper weggenommen worden.
Im Zuge ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.06.2016 brachte sie als Fluchtgrund vor, dass alle mit ihrem Familiennamen in Georgien verfolgt würden, ebenso wie ihr Ehemann und ihr Sohn, auf welchen geschossen worden sei. Daraufhin hätten sie ihre Tochter (Beschwerdeführerin zu W117 2197212-1) versteckt und Georgien verlassen, um ihr Leben zu retten. Sie befürchte im Fall der Rückkehr, dass ihr Ehemann genauso getötet werde, wie dessen Cousin. Konkrete Hinweise hätte sie nicht. Sie sei von Beruf Krankenschwester bzw. Hebamme und zuletzt bis 01.01.2016 als Konditorin tätig gewesen.
Nach dem Ergebnis von Ermittlungen hat die Beschwerdeführerin am 13.06.2016 ein Touristenvisum bei der griechischen Botschaft in XXXX beantragt, wozu ihr am 14.06.2016 für die Zeit vom 20.06.2016 bis zum 14.07.2016 für eine einmalige Einreise ein Visum C für die Schengenstaten ausgestellt wurde.
Anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.07.2016 gab sie zusammengefasst an, keinen georgischen Reisepass zu besitzen, die Heiratsurkunde sei ihr bei der Erstbefragung abgenommen worden. Sie habe 11 Jahre die Schule besucht, sei ausgebildete Hebamme und eine sehr gute Konditorin. Sie habe zwei Söhne und eine minderjährige Tochter. Sie sei gesund und müsse keine Medikamente nehmen, habe aber eine psychologische Betreuung gehabt. An einer lebensbedrohlichen Erkrankung leide sie nicht. Ihr ältester Sohn (Beschwerdeführer zu L515 2186139-1) habe bei der Stadtverwaltung in XXXX als Sicherheitswache für den Bürgermeister gearbeitet und es habe im Zuge dieser Tätigkeit einen Vorfall gegeben, zu dem sie nichts Näheres wisse. Er sei einmal etwa im XXXX stark geschlagen worden, wovon er Narben habe, und er habe auch Drohungen bekommen. Im XXXX habe er Georgien dann verlassen. Sie selbst sei am XXXX ausgereist. Außer ihrer Tochter würden noch ihre Mutter und ihr Bruder sowie eine Schwester in XXXX leben. Zum Vorhalt, dass Georgien als sicherer Herkunftsstaat gelte und ihre Anträge abgewiesen würden, brachte sie vor, dass Georgien kein sicheres Herkunftsland sei. Wie könne man in einem Land sicher sein, in dem ein Mann am Grab seines Sohnes ermordet bzw. die Mutter vergiftet werde. Sie seien nach Österreich gereist, weil ihr Sohn hier sei.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2016 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 hinsichtlich Asyl und subsidiärem Schutz abgewiesen, ihm gemäß § 57 und 55 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen sie erlassen sowie gemäß § 52 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der dagegen erhobenen Beschwerde vom 22.08.2016 wurde zunächst mit Beschluss vom 30.08.2016, GZ. L515 2133463-1/3Z, gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Schließlich wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 04.01.2016, GZ. L515 2133463-1/14E, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Begründet wurde dies damit, dass im Fall der Beschwerdeführerin erst dann eine nachvollziehbare Entscheidung möglich sei, wenn die belangte Behörde sich mit dem Vorbringen des (ältesten) Sohnes der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt habe.
Am 18.07.2017 stellte auch die (damals) minderjährige Tochter der Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin zu W117 2197212-1) einen Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet, wobei sie angab, dass die Fluchtgründe ihrer Eltern auch für sie gelten würden und sie bei einer Rückkehr ebenfalls Probleme befürchte.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit Bescheid vom 29.12.2017 den Antrag des Sohnes der Beschwerdeführerin vom XXXX hinsichtlich Asyl und subsidiärem Schutz abgewiesen und ihm einen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG aberkannt, gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und festgestellt, dass er gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 ASylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 20.07.2016 verloren hat. Begründend führte das Bundesamt dazu aus, dass sein Vorbringen, er und seine Familie würden wegen ihres Engagements in der Aufklärung der Morde ihrer beiden Verwandten bedroht, nicht als glaubhaft erachtet werde, zumal er anlässlich seiner Erstbefragung einen anderen Fluchtgrund genannt habe und den Herkunftsstaat legal per Flugzeug verlassen habe können. Seinen Bruder betreffend habe der vorgelegten Urteilskopie weder eine strafbare Handlung oder Strafbemessung entnommen werden können und sei auch keine Rechtskraft ersichtlich. Auch könnten weitere Familienmitglieder unbehelligt im Herkunftsstaat leben. Seine Schilderungen habe er auch in nicht glaubwürdiger Weise gesteigert, da er in der Erstbefragung nicht von einer Ermordung nahestehender Verwandter gesprochen habe. Auch sei auf Grund des Umstandes, dass er nach seiner Ausreise nach XXXX , wo er bereits vor Verfolgung sicher gewesen wäre, seine Flucht fortgesetzt habe, davon auszugehen, dass es sich nicht um eine asylrelevante Flucht in die EU gehandelt habe, sondern dass er aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gereist sei. Im Fall seiner Rückkehr nach Georgien sei eine Verletzung von Art. 3 EMRK nicht zu erwarten; XXXX habe er nicht durch aktuelle Befunde nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht. Die vom Sohn der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Beschwerde vom 31.01.2018 wurde mit am 06.03.2019 mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zu GZ. L515 2186139-1/13/Z, mit der Maßgabe, dass die Dauer des Einreiseverbotes (wegen wiederholter Delinquenz auf Grund der selben schädlichen Neigung) auf 7 Jahre abgeändert wurde, als unbegründet abgewiesen und der Beschwerde auch die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt, da nach dem Ergebnis einer Internetrecherche die Täter (Polizisten) zwischenzeitig zu hohen Haftstrafen verurteilt worden seien.
Bereits davor wurde die Beschwerdeführerin am 04.04.2018 erneut beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und neuerlich zu ihren Fluchtgründen befragt, wobei sie vorbrachte, 10 kg abgenommen zu haben und dass es ihr schlecht gehe. Zu den Fluchtgründen brachte sie vor, dass ihre Familie bedroht sei. Ihr ältester Sohn habe seinen Bruder und ihren Ehemann beim Sammeln von Unterschriften gegen die Regierung und beim Organisieren von Demonstrationen unterstützt. Dann habe ihr jüngerer Sohn die Polizei verlassen, weil er gegen das ganze System gewesen sei und die Situation ihn mehr oder weniger dazu gezwungen habe. Nachdem ihr ältester Sohn das Land verlassen habe, sei die ganze Familie bedroht worden, ihren jüngeren Sohn hätten sie einfach ins Gefängnis gesteckt. Es hätten ihm 13 Jahre Haft gedroht, aber der Rechtsanwalt habe ihnen helfen können und so müsse er nur 6 Jahre Strafhaft verbüßen. Sie fürchte um ihr Leben und das ihrer Familienangehörigen, weil der eigentlich für die Ermordung des Cousins Verantwortliche weder verhaftet noch verurteilt worden sei. Sie seien deshalb ausgereist, weil auf ihren jüngeren Sohn geschossen worden sei. Ein Freund von ihm habe ihnen die Vorfälle erzählt, worauf sie erkannt hätten, dass sie beobachtet würden. Sie hätten dann eine Mietwohnung genommen, ihre Tochter bei Verwandten versteckt und seien nach Österreich zu ihrem älteren Sohn gereist. Sie persönlich sei nicht konkret bedroht worden. Sie habe Angst um ihre Familie und habe nur Leute gesehen, welche ihre Wohnung beobachtet hätten. Der Cousin ihres Mannes sei am XXXX ermordet worden, auf ihren jüngeren Sohn sei im XXXX geschossen worden, weil er sich sehr für die Aufklärung der Mordfälle eingesetzt habe. Ob es vergleichbares ihren Mann betreffend gebe, wisse sie nicht. Noch im selben Monat, in dem auf ihren jüngeren Sohn geschossen worden sei, seien sie nach Österreich gelangt. Warum ihr jüngerer Sohn Georgien nicht verlassen habe, wisse sie nicht. Ihr Mann habe ihr von den Problemen erst nach der Verhaftung ihres jüngeren Sohnes am XXXX erzählt. Ihr Mann werde von den Mördern des Cousins ihres Mannes und dessen Sohnes bedroht; dies seien die Polizisten und die Regierung, welche zusammenarbeite würden. Der Grund sei, dass ihr Mann keine Ruhe gegeben habe, um die Mörder herauszufinden, er kenne alle Beteiligten und auch die Zeugen dafür. Nach der Ermordung des Sohnes des Cousins ihres Mannes sowie des Cousins selbst sei ohne Vorankündigung der Vorfall mit ihrem ältesten Sohn passiert, welchen sie sodann aus dem Land gebracht hätten. Danach habe sich der Vorfall mit ihrem jüngeren Sohn ereignet und ihr Mann wäre vermutlich der Nächste gewesen. Die Großväter ihres Mannes und seines Cousins seien Brüder gewesen. Sie befürchte, dass ihr Mann und ihre Kinder in Georgien umgebracht würden. Ihre Mutter und ihre Geschwister würden noch in Georgien leben. Zu den ihr zur Kenntnis gebrachten Länderberichten brachte sie vor, dass in Georgien viele unrechte Dinge geschehen würden. Sie ersuchte um Schutz für ihre Familie. Eingangs der Einvernahme legte sie verschiedene Kopien von Fotos, Ausweisen und Urkunden sowie eine Deutschkursbesuchsbestätigung vor.
Mit Schriftsatz vom 10.04.2018 legte der Vertreter der Beschwerdeführer ein Konvolut an Geburtsurkunden samt Übersetzungen in Kopie zum Nachweis seines angegebenen Verwandtschaftsverhältnisses zum ermordeten Cousin vor.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 25.06.2016 gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 hinsichtlich Asyl (Spruchpunkt I.) und subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ihr gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen sie erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass das von der Beschwerdeführerin als Fluchtgrund genannte Eintreten ihres Ehemannes zur Aufklärung zweier Mordfälle in ihrer Familie nicht als glaubhaft erachtet werde. Die Morde an XXXX und XXXX seien infolge der Medienberichte bekannt und unbestritten. Die zum Nachweis eines Verwandtschaftsverhältnisses vorgelegten Kopien von Geburtsurkunden hätten nicht auf ihre Echtheit überprüft werden können, sodass eine tatsächliche verwandtschaftliche Verbindung zu den Ermordeten nicht zweifelsfrei habe belegt werden können. Auch sei es ihr nicht gelungen, eine tatsächliche Bedrohung ihrer Person glaubhaft vorzutragen. Den zugänglichen Quellen sei auch zu entnehmen, dass die Täter in beiden Mordfällen zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden seien. Den Länderfeststellungen sei zu entnehmen, dass sich georgischen Sicherheitsbehörden willens und fähig seien, ihr Schutz zu gewähren. Weiters deute auch der Umstand, dass sie trotz behaupteter Observation legal aus Georgien hätten ausreisen können, auf die Unglaubwürigkeit ihres Vorbringens hin. Ferner sei überhaupt nicht nachvollziehbar, dass man seine erst 15-jährige Tochter bei einer tatsächlich bestehenden Bedrohungslage im Herkunftsland zurücklassen könne. Darüber hinaus sei Georgien ein sicherer Herkunftsstaat. Vielmehr gehe die Behörde von wirtschaftlichen Gründen für die Ausreise aus. Mangels glaubhafter Verfolgung sei sie im Fall der Rückkehr keiner Bedrohung ausgesetzt, die Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs sei in Georgien gegeben und die verfüge die Beschwerdeführerin auch über familiäre Anknüpfungspunkte und Unterstützungsmöglichkeiten in Georgien. Sie sei arbeitsfähig, besitze eine eigene Bäckerei mit Filialen im Herkunftsland und sei ausgebildete Hebamme. In Österreich sei sie nicht erwerbstätig und weitere Integrationsmerkmale wie etwa ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, Vereinsmitgliedschaften etc. hätten nicht festgestellt werden können. Mangels Glaubhaftmachung einer Verfolgung aus in der GFK genannten Gründen bzw. einer wohlbegründeten Furcht vor einer solchen lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht vor. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen seien, stellten keine Verfolgung im Sinne der GFK dar. Es seien keine Umstände ersichtlich, wonach sie nach ihrer Rückkehr nicht wieder ihr gewohntes existenzgesichertes Leben aufnehmen könne, zumal sie auch über familiäre Anknüpfungspunkte in Georgien verfüge. Es sei nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer menschenrechtswidrigen Situation für die Beschwerdeführerin im Fall der Rückkehr auszugehen. Mit 16.02.2016 sei Georgien als sicherer Herkunftsstaat festgelegt worden. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 lägen nicht vor. Eine Rückkehrentscheidung sei nicht auf Dauer unzulässig, da ihre Familienangehörigen (Ehemann und Tochter sowie der erwachsene Sohn) ebenfalls von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen seien, ein schützenswertes Privatleben in Österreich nicht entstanden und eine Interessensabwägung zwischen ihren privaten und den öffentlichen Interessen Österreichs nicht zu ihren Gunsten ausgefallen sei. Da sie aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme, sei die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG auszusprechen gewesen.
Zur Situation im Herkunftsland wurde im bekämpften Bescheid wie folgt festgestellt:
"Politische Lage
In Georgien leben mit Stand 1.1.2016 laut georgischem Statistikamt 3,72 Mio. Menschen. 2014 waren es noch rund 4,49 Mio. Menschen auf
69.700 km² (GeoStat 2017).
Georgien ist eine demokratische Republik. Das politische System hat sich durch die Verfassungsreform 2013 von einer semi-präsidentiellen zu einer parlamentarischen Demokratie gewandelt, (AA 11.2016a). Staatspräsident ist seit 17.11.2013 Giorgi Margvelashvili (RFE/RL 17.11.2013). Regierungschef ist seit dem überraschenden Rücktritt von Irakli Garibaschwili Giorgi Kvirikashvili (seit 29.12.2015) (RFE/RL 29.12.2015). Beide gehören der Partei bzw. dem Parteienbündnis "Georgischer Traum" an.
Georgien besitzt ein Einkammerparlament mit 150 Sitzen, das durch eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht für vier Jahre gewählt wird. Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei, "Georgischer Traum", sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze im Parlament gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).
Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR u.a. 30.10.2016). Transparency International - Georgia beurteilte den Wahlgang als ruhig. Obgleich 70 relativ ernsthafte prozedurale Verstöße festgestellt wurden, hatten diese keinen entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang (TI-G 31.10.2016).
Die Opposition warf dem Regierungslager Wahlmanipulationen vor. Unter anderem sollen Wähler unter Druck gesetzt und Stimmen gekauft worden (Standard 31.10.2016, vgl. CK 31.10.2016).
Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2013 konnte sich der Kandidat von "Georgischer Traum", Georgi Margwelaschwili, mit klarer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang gegen den Wunschkandidaten des amtierenden Präsidenten Michail Saakaschwili (Vereinte Nationale Bewegung), durchsetzen. Saakaschwili, zuletzt umstritten, durfte nach zwei Amtszeiten laut Verfassung nicht mehr zur Wahl antreten. Diese Wahl brachte den ersten demokratischen Machtwechsel an der georgischen Staatsspitze seit dem Zerfall der Sowjetunion (FAZ 27.10.2013).
Die Regierungspartei "Georgischer Traum" sicherte sich infolge eines überwältigenden Sieges bei den Gemeinderatswahlen im Sommer 2014 die Kontrolle über die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften. Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) berichteten, dass es im Vorwahlkampf angeblich Druck auf oppositionelle Kandidaten gab, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Überdies sei es zu Störungen von Versammlungen der Opposition und zu etlichen Vorfällen von Gewalt gegen Wahlaktivisten gekommen. Obschon diese den Behörden bekannt waren, blieb eine amtliche Verfolgung aus (HRW 29.1.2015).
Am 27.6.2014 unterzeichneten die EU und Georgien ein Assoziierungsabkommen. Das Abkommen soll Georgien in den Binnenmarkt integrieren, wobei die Prioritäten in der Zusammenarbeit in Bereichen wie Außen- und Sicherheitspolitik sowie Justiz und Sicherheit liegen. Russland sah sich hierdurch veranlasst, seinen Druck auf die Regierung in Tiflis zu erhöhen. Am 24. November 2014 unterzeichneten Russland und das abtrünnige georgische Gebiet Abchasien eine Vereinbarung über eine "strategische Partnerschaft", mit der Moskau seine militärische und wirtschaftliche Kontrolle in Abchasien erheblich ausweitete (EP 5.12.2014).
Die EU würdigte im Juni 2016 im Rahmen ihrer Globalen Strategie zur Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik die Rolle Georgiens als friedliche und stabile Demokratie in der Region. Am 1.7.2016 trat das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Georgien in Kraft, wodurch laut der EU die politische Assoziierung und wirtschaftliche Integration zwischen Georgien und der Union merkbar gestärkt werden. Georgien hat seine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit konsolidiert und die Respektierung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten sowie der Anti-Diskriminierung gestärkt (EC 25.11.2016).
Quellen:
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* CK - Caucasian Knot (31.10.2016): In Georgia, "UNM" Party claims mass violations at elections,
http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/37376/, Zugriff 21.2.2017
* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,
http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 21.2.2017
* EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 21.2.2017
* EP - Europäisches Parlament (5.12.2014): Assoziierungsabkommen EU-Georgien,
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* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.10.2013): Georgi Margwelaschwili gewinnt mit klarer Mehrheit, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/praesidentschaftswahl-in-georgien-georgi-margwelaschwili-gewinnt-mit-klarer-mehrheit-12636443.html, Zugriff 21.2.2017
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Sicherheitslage
Die Lage in Georgien ist - mit Ausnahme der Konfliktgebiete Abchasien und Südossetien - insgesamt ruhig. Beide genannte Gebiete befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung in Tiflis. In den Gebieten und an ihren Verwaltungsgrenzen sind russische Truppen stationiert (AA 20.3.2017a).
Im Zuge der Auflösung der UdSSR erhöhten sich die Spannungen innerhalb Georgiens in den Gebieten Abchasien und Südossetien, als der autonome Status der Provinzen von georgischen Nationalisten in Frage gestellt wurde. Nach der georgischen Unabhängigkeit führten heftige Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung 1992 zu Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens, die aber von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden. Der Einfluss des nördlichen Nachbarlandes wuchs kontinuierlich, unter anderem durch Ausgabe russischer Pässe an die abchasische und südossetische Bevölkerung. Nach zahlreichen blutigen Zwischenfällen und Provokationen aller Seiten eskalierte der Konflikt um Südossetien am 7. August 2008 nach einem Vorstoß georgischer Truppen in die südossetische Hauptstadt Tskhinvali zu einem georgisch-russischen Krieg, der nach fünf Tagen durch einen von der EU vermittelten Waffenstillstand beendet wurde. Am 26. August 2008 erkannte Russland Abchasien und Südossetien, einseitig und unter Verletzung des völkerrechtlichen Prinzips der territorialen Integrität Georgiens, als unabhängige Staaten an und schloss wenig später mit diesen Freundschaftsverträge ab, die auch die Stationierung russischer Truppen in den Gebieten vorsehen. Infolge des Krieges wurden nach Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen bis zu 138.000 Personen vorübergehend zu Vertriebenen und Flüchtlingen. Etwa 30.000 Georgier aus Südossetien konnten bis heute nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die zivile EU-Beobachtermission EUMM nahm Anfang Oktober 2008 in Georgien ihre Arbeit auf. Das OSZE-Mandat lief Ende 2008 aus, UNOMIG endete im Juni 2009. EUMM ist damit die einzige verbliebene internationale Präsenz zur Stabilisierung in Georgien (AA 11.2016b).
Ein wichtiges diplomatisches Instrument zur Deeskalation des Konflikts sind die sogenannten "Geneva International Discussions - GID" (Genfer Internationale Gespräche). Diese finden seit 2008 unter Beteiligung der involvierten Konfliktparteien unter dem gemeinsamen Vorsitz von Vertretern der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der OSZE statt. Aus den Genfer Gesprächen resultierte der "Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM)" sowie die Involvierung der EUMM, sodass die lokalen Sicherheitsbehörden der Konfliktparteien vor Ort in Kontakt treten können bzw. ihnen die Möglichkeit zum Dialog eröffnet wird (OSCE 6.11.2014).
Abchasien und Südossetien bleiben außerhalb der Kontrolle der Zentralregierung und werden von mehreren tausend russischen Truppen und Grenzpolizisten unterstützt. Russische Grenzschutzbeamte beschränken die Bewegung der örtlichen Bevölkerung. Die Behörden beschränken die Rechte, vor allem von ethnischen Georgiern, am politischen Prozess teilzuhaben, in Eigentumsfragen oder bei der Registrierung von Unternehmen. Überdies ist die Reisefreiheit eingeschränkt. Die südossetischen Behörden verweigern den meisten ethnischen Georgien, die während und nach dem Krieg von 2008 vertrieben wurden, nach Südossetien zurückzukehren. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang zu Südossetien, um humanitäre Hilfe zu leisten. Die Russische "Grenzziehung" der administrativen Grenzen der besetzten Gebiete setzte sich während des Jahres fort, trennte die Bewohner aus ihren Gemeinden und untergrub ihren Lebensunterhalt (USDOS 3.3.2017).
Die Vereinten Nationen zeigten sich Ende Jänner 2017 besorgt darüber, dass die angekündigten Schließungen von Grenzübertrittsstellen seitens der abchasischen Behörden negative Konsequenzen für die Bevölkerung beidseits der administrativen Grenze haben werden. Für die Menschen in Abchasien wird es schwieriger sein, auf grundlegende Dienstleistungen wie Gesundheitswesen und Bildung in Georgien zurückzugreifen und an Wirtschaftsaktivitäten und gesellschaftlichen Veranstaltungen jenseits der Grenze teilzunehmen. Auch wird der Zugang zu Schulbildung für Kinder mit georgischer Muttersprache, die aus Abchasien kommend die Grenze nach Georgien überqueren, behindert (UN 26.1.2017).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien, Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017
* AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017
* OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (6.11.2014): Geneva International Discussions remain unique and indispensable forum, Co-chairs tell OSCE Permanent Council, http://www.osce.org/cio/126442, Zugriff 21.2.2017
* UN - United Nations in Georgia (27.1.2017): Statement of Niels Scott, Resident Coordinator, on behalf of the United Nations Country Team regarding announced closure of crossing points along the Inguri River,
http://www.ungeorgia.ge/eng/news_center/media_releases?info_id=507, Zugriff 22.2.2017
* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,
http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017
Regionale Problemzone: Abchasien
Die Autonome Republik Abchasien in Nordwest-Georgien gehört völkerrechtlich zu Georgien, steht seit 1993 aber nicht mehr unter der Kontrolle der georgischen Regierung. Die Sicherheitslage in diesem Landesteil ist seitdem nicht berechenbar. Es kommt zu Zwischenfällen, auch krimineller Natur. In einigen Teilen der Region liegen teils nicht gekennzeichnete Minenfelder. Abchasien ist für den internationalen Reiseverkehr gesperrt. Eine legale Ein- und Ausreise in bzw. aus dem Gebiet heraus ist gemäß dem georgischen "Gesetz über die besetzten Gebiete" über die russisch-georgische Grenze in Abchasien nicht möglich - außer in besonderen Ausnahmefällen mit vorheriger Zustimmung der georgischen Regierung. Ein ungenehmigter Grenzübertritt wird von den georgischen Behörden als illegaler Grenzübertritt behandelt. Bei anschließender Weiterreise über die Verwaltungsgrenze in benachbarte georgische Landesteile bzw. bei der Ausreise über reguläre georgische Grenzübergänge drohen Festnahme und Strafverfahren (AA 20.3.2017a).
Abchasien erstreckt sich auf einer Fläche von rund 8.600 Quadratkilometern. Nach offiziellen Angaben, wie jenen des abchasischen Außenministeriums, betrug 2011 die Einwohnerzahl 243.000 (MAARA o.D.). Beobachter vor Ort rechnen mit maximal 190.000 Einwohnern (NZZ 31.5.2014).
Das Rote Kreuz schätzt die Opferzahl der kriegerischen Auseinandersetzungen der neunziger Jahre auf 10.000 bis 15.000. Andere Quellen führen bis zu 30.000 Tote an. Von den 200.000 geflüchteten ethnischen Georgiern, sind zwischen 40.000 und 60.000 zurückgekehrt, insbesondere in die Grenzregion Gali. Laut einer Volkszählung aus dem Jahr 2011 machen Georgier rund 19% der Einwohner Abchasiens aus (FP 26.8.2014).
Viele Abchasen besitzen einen russischen Pass. Nur nach Russland und in die Türkei können sie ohne erheblichen administrativen Aufwand reisen (NZZ 31.5.2014). 2015 begannen die Behörden neue abchasische Reisepässe auszugeben (FH 1.2016)
Die Unabhängigkeit von Abchasien wird nur von Russland, Venezuela, Nicaragua und dem Pazifikstaat Nauru anerkannt, nachdem zwei andere pazifische Inselstaaten ihre vormalige Anerkennung zurückgezogen haben (RFE/RL 31.3.2014, vgl. FH 1.2016).
Politische Oppositionsgruppen und NGOS sind in Abchasien aktiv und beeinflussen die Politik. 2014 führten Massenproteste der Opposition zum Rücktritt des damaligen Präsidenten Ankwab und zu vorgezogenen Präsidentschaftswahlen, die Chadschimba gewann. Im Juni 2015 musste sich wiederum Chadschimba mit Forderungen der Opposition und der Kritik, sich zu sehr unter die Kontrolle Moskaus zu begeben, auseinandersetzen. Als Folge der Forderungen verabschiedete das Parlament mehrere Gesetze, die das Justiz-, Medien- und Bankensystem reformieren sollten. Die Möglichkeiten der gewählten Autoritäten die beschlossenen politischen Maßnahmen auch umzusetzen, sind durch den Einfluss Russlands, das einen beträchtlichen Teil des Staatshaushaltes finanziert, begrenzt (FH 1.2016).
Die politische Krise in Abchasien setzte sich 2016 fort. Nach ausgedehnten Massenprotesten am 15.12.2016 machte Defacto-Präsident Chadschimba Konzessionen an die Opposition. Chadschimba hat keine Kontrolle mehr über die Mehrheit im Parlament, welches zunehmend zu einem unabhängigen Akteur wird (EN 20.12.2016).
Das Justizsystem leidet unter chronischen Problemen, einschließlich des beschränkten Zugangs zu qualifizierter Rechtsvertretung, der Verletzung eines ordentlichen Gerichtsverfahrens sowie langer Untersuchungshaft. Die Gefängnisse sind mangelhaft ausgestattet (FH 1.2016).
Mit Beginn des Schuljahres 2015/16 haben die abchasischen Behörden Georgisch als Unterrichtssprache im Bezirk Gali, der von ethnischen Georgiern bewohnt wird, abgeschafft (GT 3.9.2015). Es gibt nunmehr keine Schulen mehr in Gali, wo 97% der Einwohner ethnische Georgier (Mengrelier) sind, die Georgisch als Unterrichtssprache verwenden. Georgische Kinder müssen die Unterrichtsfächer auf Russisch bewältigen, auch wenn sie geringe Kenntnisse des Russischen besitzen. Die abchasischen Behörden verbieten den Lehrern, die russischen Wörter auf Georgisch zu erklären. LehrerInnen wurden strikt gewarnt, den Unterricht auf Russisch abzuhalten, ansonsten drohe die Kündigung. Während die Verwendung des Georgischen unterbunden wird, fördern die abchasischen Behörden die Verwendung des Mengrelischen (ebenso wie Georgisch eine kartvelische Sprache), die eigentliche Muttersprache der meisten ethnischen Georgier in Abchasien. Mengrelisch ist wiederum in Georgien weder Amts- noch Unterrichtssprache, weil man separatistische Strömungen fürchtet. Georgischer Sprachunterricht als solcher findet weiterhin statt. Als separates Sprachfach werden drei Stunden wöchentlich unterrichtet (GINSC 19.4.2016).
Die abchasischen Behörden inhaftieren weiterhin viele Personen, die die "Grenze" illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter entlang der Verwaltungsgrenze zwischen Abchasien und Georgien setzen normalerweise die Regeln der abchasischen Machthaber um, indem sie Individuen abstrafen und wieder freilassen. Es gab Berichte über willkürliche Verhaftungen von ethnischen Georgiern in den abtrünnigen Gebieten. Ihnen wurden weder die Gründe für die Haft noch für das Vorführen vor den Staatsanwalt mitgeteilt. Das abchasische Gesetz von 2008 macht es Binnenflüchtlingen, die anderswo in Georgien leben, unmöglich ihr Eigentum zu reklamieren, da das während des Krieges 1992-93 verlassene Eigentum als enteignet gilt (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien. Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017
* EN - EurasiaNet: (20.12.2016): Explaining the Crisis in Abkhazia,
http://www.ecoi.net/local_link/334022/462400_en.html, Zugriff 22.2.2017
* FH - Freedom House (1.2016): Freedom in the World 2016 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/abkhazia, Zugriff 22.2.2017
* FP - Foreign Policy (26.8.2014): You Can't Go Home Again, http://foreignpolicy.com/2014/08/26/you-cant-go-home-again-4/?wp_login_redirect=0, Zugriff 22.2.2017
* GINSC - Gender Information Network of South Caucasus (19.4.2016):
Georgian no longer language of instruction in Gali, Abkhazia, http://www.ginsc.net/home.php?option=article&id=34110&lang=en, Zugriff 22.2.2017
* GT - Georgia Today (3.9.2015): Georgian Language Banned from Gali Schools,
http://georgiatoday.ge/news/1111/Georgian-Language-Banned-from-Gali-Schools, Zugriff 22.2.2017
* MAARA - Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Abchasien (o.D.): Allgemeine Informationen, http://mfaapsny.org/de/apsny/overview.php, Zugriff 22.2.2017
* NZZ - Neue Zürcher Zeitung (31.5.2014): Frustration über Misswirtschaft - Politische Pattsituation in Abchasien, http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/kritik-an-der-schutzmacht-russlands-politische-pattsituation-in-abchasien-1.18313140, Zugriff 22.2.2017
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (31.3.2014): Tuvalu Retracts Recognition Of Abkhazia, South Ossetia, http://www.rferl.org/content/tuvalu-georgia-retracts-abkhazia-ossetia-recognition/25315720.html, Zugriff 22.2.2017
* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,
http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017
Regionale Problemzone: Südossetien
Das Gebiet Südossetien gehört völkerrechtlich zu Georgien, steht seit 1993 aber nicht mehr unter dem Einfluss der georgischen Regierung. Die Lage in Südossetien ist weiterhin unsicher. Nach den Waffenstillstandsvereinbarungen seit dem Krieg 2008 ist die Verwaltungsgrenze zu Südossetien Sperrgebiet. Ein Zutritt wird von georgischen Sicherheitskräften verhindert. Es besteht in diesem Gebiet darüber hinaus eine erhöhte Gefahr durch Minen und nicht explodierte Munition. Südossetien ist für den internationalen Reiseverkehr gesperrt. Ein Grenzübertritt von Russland nach Südossetien und umgekehrt (Roki-Tunnel) ist nach georgischen Gesetzen illegal (AA 20.3.2017a).
2008 schuf Russland nach einem Fünf-Tage-Krieg gegen Georgien Fakten, indem es nebst Abchasien auch Südossetien als unabhängigen Staat anerkannte und dessen Existenz bis heute mit einer starken Militärpräsenz sichert. Der 2008 geschlossene Waffenstillstand ist fragil. Immer wieder kommt es an den Verwaltungsgrenzen zu Zwischenfällen. Auch verschob das weltweit überwiegend nicht anerkannte Regime Südossetiens mehrmals seine "Staatsgrenze" weiter in georgisches Gebiet hinein. Unklar ist auch das Schicksal von bis zu 130.000 Georgiern, die aus Südossetien fliehen mussten und denen eine Rückkehr in ihre beschlagnahmten bzw. zerstörten Häuser vom de-facto-Regime in Tskhinvali, der Hauptstadt Südossetiens, verweigert wird. Die meisten dieser Binnenflüchtlinge leben bis heute in Flüchtlingssiedlungen nahe ihrer alten Heimat. Die meisten Südossetier sind mittlerweile russische Staatsbürger und der de-facto-Präsident Südossetiens, Leonid Tibilov, fordert gar eine Aufnahme des Gebietes in den russischen Staatsverband (FNS 8.4.2016).
Südossetiens Außenbeziehungen waren im Laufe des Jahres 2015 ein wichtiges Thema der öffentlichen Diskussion. Im Parlament Südossetiens prallten Gegner und Befürworter einer engeren Bindung an Russland aufeinander. Im März 2015 unterzeichnete Südossetiens De-facto-Präsident, Leonid Tibilov, einen umfassenden bilateralen Vertrag über die Allianz bzw. die Integration Südossetiens in die Russische Föderation. Die russischen Hilfsleistungen machen fast zur Gänze den südossetischen Staatshaushalt aus. Fiskale Prozesse und entsprechende Entscheidungen sind größtenteils intransparent. Die Medien werden fast vollständig von der Regierung kontrolliert. Während vor 2008 es so gut wie keine Demonstrationen gegen die Regierung gab, hat sich die Situation deutlich verändert. Es fanden regelmäßig Proteste gegen den schleppenden Wiederaufbau und die Korruption statt. Anlässlich der Parlamentswahl 2014 konnten sich die Unterstützer der verschiedenen Kandidaten und Plattformen ohne nennenswerte Einschüchterungen versammeln. Südossetiens Justiz ist nicht unabhängig. Die Gerichtsbarkeit wird manipuliert, um die vermeintlichen Gegner der separatistischen Führung zu bestrafen. Regierungsunterstützer können laut Berichten bei Gesetzesbruch mit Straffreiheit rechnen. In den Gefängnissen sind Misshandlungen üblich und die Ausstattung ärmlich (FH 1.2016).
Im Juni 2014 wurden Parlamentswahlen abgehalten, die von Georgien, der EU und den USA nicht anerkannt wurden. Gewinnerin war die prorussische Partei "Geeintes Ossetien" (Jedinaja Ossetija) mit 43% bzw. 20 der 34 Abgeordnetensitze. Nebst "Geeintes Ossetien", das sich für die Vereinigung mit Nordossetien einsetzt und nach dem Vorbild der Krim einen Anschluss an Russland anstrebt, haben noch die Partei "Einheit des Volkes" (Jedinstwo Naroda), die "Volkspartei" (Norodnaja Partija) und die Partei "Nykhas" die Sieben-Prozent-Hürde übersprungen (CK 9.6.2014, vgl. auch Standard 9.6.2014).
Die südossetischen "Behörden" inhaftieren weiterhin viele Personen, die die administrative Grenze zu Georgien illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter übergaben diese regelmäßig an die de facto-Machthaber. Laut georgischem Sicherheitsdienst werden die Festgenommenen nach zwei bis drei Tagen unter Bezahlung einer Geldstrafe freigelassen (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien. Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017
* CK - Caucasian Knot (9.6.2014): Official of South Ossetian CEC confirms victory of "United Ossetia" at parliamentary elections, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/28376/, Zugriff 23.2.2017
* Der Standard (9.6.2014): Prorussische Partei gewinnt Wahl in Südossetien,
http://derstandard.at/2000001865997/Parlamentswahl-in-Suedossetien-begonnen, Zugriff 23.2.201
* FH - Freedom House (1.2016): Freedom in the World 2016 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/abkhazia, Zugriff 23.2.2017
* FNS - Friedrich Naumann Stiftung (8.4.2016): Hintergrund Georgien:
Der lange Weg Georgiens nach Europa, https://www.google.at/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=2&ved=0ahUKEwj0rOSin6bSAhWE0RQKHaSNDpsQFgglMAE&url=https%3A%2F%2Fshop.freiheit.org%2Fdownload%2FP2%40597%2F67536%2FHG%252007-16_Georgien.pdf&usg=AFQjCNEgZxELnXYMm19agimSqTrqrSqMHQ&bvm=bv.147448319,d.d24, Zugriff 23.2.2017
* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,
http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017
Rechtsschutz / Justizwesen
Georgien unternimmt Anstrengungen, sich bei der Rechtsreform und der Wahrung der Menschen- und Minderheitenrechte den Standards des Europarats anzupassen. 1996 wurde ein Verfassungsgericht eingerichtet, 1997 die Todesstrafe abgeschafft und 2007 die Abschaffung der Todesstrafe in der Verfassung verankert. In den Jahren seit der "Rosenrevolution" 2003/2004 hat Georgien anerkennenswerte Fortschritte bei der Polizeireform, dem erfolgreichen Kampf gegen die "Kleine Korruption" (Korruption im alltäglichen Umgang), der Reform der Steuergesetzgebung und der Verbesserung der Investitionsbedingungen erzielt. Im Rahmen der Justizreform wurde der Instanzenzug neu geregelt und eine radikale Verjüngung der Richterschaft durchgesetzt (AA 11.2016b).
Fortschritte sind insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug zu erkennen, wo inzwischen eine unmenschliche Behandlung (auch Folter), die in der Vergangenheit durchaus systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Zwei Reformwellen wurden bereits durchgeführt, die dritte Reformwelle steht seit einiger Zeit bevor. Sie betrifft insbesondere die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter und die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren. Sehr aktive NGOs und der unabhängige Ombudsmann beobachten diesen Prozess aufmerksam (AA 10.11.2016).
Das dritte Paket an Gesetzesänderungen, das den anhaltenden Mangel an Transparenz im Justiz-Management bereinigen soll, wozu auch die Rechenschaftspflicht des Hohen Rates der Justiz sowie die zufällige Zuweisung von Fällen gehören, konnte laut Europäischer Kommission zwar Fortschritte verzeichnen, ist jedoch noch nicht vollständig angenommen worden. Die Begründungen für das Abhalten von geschlossenen oder öffentlichen Anhörungen werden nicht immer richtig kommuniziert. Die Transparenz bei der Zuteilung von Fällen, bei der Auswahl der Richteranwärter und der Gerichtsverwalter ist nicht vollständig gewährleistet. Der Umgang mit Disziplinarverfahren erfordert eine Stärkung. Die Mehrheit der Richter hat keine dauerhafte Amtszeit und die umstrittene dreijährige Probezeit für Richter besteht weiterhin. Die Justiz ist immer noch ernsthaft unterbesetzt und der Aktenrückstand steigt (EC 25.11.2016).
Kritisch betrachtet werden muss weiterhin die starke Neigung von Politikern, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen eine vorrangig politische Motivation zu unterstellen und ggf. gesetzliche Änderungen vorzuschlagen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Nach dem Regierungswechsel wurden 190 in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft als politische Gefangene erklärte Häftlinge entlassen. Seit 2012 laufende Ermittlungen und teilweise schon mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden aus Sicht des [deutschen] Auswärtigen Amtes nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern sind Teil der erforderlichen juristischen Aufarbeitung der rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren (AA 10.11.2016).
Freedom House bewertete Anfang 2016 die Einmischung der Regierung und der Legislative in die Justiz weiterhin als erhebliches Problem, obwohl sich die gerichtliche Transparenz und die Rechenschaftspflicht in den letzten Jahren verbessert haben, letztere zum Teil aufgrund des verstärkten Medienzugangs zu den Gerichtssälen. Menschenrechtsorganisationen haben konsequent die Praxis der Staatsanwaltschaft kritisiert, wiederholt neue Anklagen gegen Gefangene einzureichen, um ihre Zeit in der Untersuchungshaft zu verlängern, eine Vorgehensweise, die durch eine Diskrepanz zwischen dem Strafgesetzbuch und der Verfassung möglich gemacht wird. Im September 2015 allerdings befand das Verfassungsgericht im Fall des ehem. Bürgermeisters von Tiflis, Ugulava, diese Praxis der Verlängerung der Untersuchungshaft als verfassungswidrig, weil die verfassungsmäßige Grenze von neun Monaten nicht überschritten werden darf. Ugulava gehörte zu zahlreichen ehemaligen UNM-Vertretern, die seit 2012 mit Strafprozessen konfrontiert wurden, was Fragen über den politischen Einflussnahme auf den Staatsanwalt aufwarf (FH 27.1.2016).
Während viele der Richter bemerkenswerte Anstrengungen unternahmen, ihr Niveau dadurch zu verbessern, indem sie ihren Entscheidungen mehr Substanz verliehen, besonders bei hochkarätigen Fällen, bleibt die Staatsanwaltschaft das schwächste Glied im Justizbereich. Bis 2012 war die Staatsanwaltschaft ein Teil der Exekutive, und die Gerichte waren bis zu einem gewissen Grad von der Exekutive abhängig. Die Staatsanwälte haben sich mittlerweile daran gewöhnt, ihren Vorbringen eine adäquate Qualität zu verleihen. Nur bei wenigen Gelegenheiten scheinen sie zurückhaltend zu sein. Nach der Trennung der Staatsanwaltschaft vom Justizministerium wurde allerdings keine Aufsichtsbehörde für die Staatsanwaltschaft institutionalisiert. Dieser Umstand beschädigt potentiell den Ruf des gesamten Justizsystems. Die Staatsanwaltschaft hat mehr als 4.000 Anträge von Opfern angeblicher Folter, unmenschlicher Behandlung oder Zwang erhalten, sowie von Personen, welche gezwungen wurden, ihr Eigentum während der Herrschaft von Mikheil Saakaschwili aufzugeben. Seit 2012 stellt der Umfang der Strafverfahren gegen die ehemalige Führung eine Herausforderung für die aktuelle Regierung dar. Ihr wird vorgeworfen, politisch motivierte Untersuchungen einzuleiten bzw. Gerichtsprozesse zu führen. Gleichzeitig wird die Staatsanwaltschaft oft kritisiert, weil sie nicht die Fälle von Beamten untersucht hat, die ihre Befugnisse überschritten haben, oder von Polizisten, die gegen das Gesetz verstoßen haben oder von Menschen, die behaupten, im Gefängnis misshandelt worden zu sein. Als Reaktion auf diese Situation hat die Staatsanwaltschaft ihre Absicht bekundet, eine neue Abteilung zu schaffen, die im Rahmen von Gerichtsverfahren begangene Straftaten untersuchen wird (BTI 1.2016).
Das georgische Strafrecht mit dem ursprünglichen Ansatz einer "zero tolerance policy" zeigte eine enorm hohe Verurteilungsrate von 99%, mitunter wegen konstruierter Straftaten, sowie hohe Haftstrafen. Mit dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts durch Reduzierung der Strafmaße, aber auch eine erkennbar geringere Verurteilungsrate; diese ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 10.11.2016).
Am 12.1.2016 präsentierte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, seine Beobachtungen zur Menschenrechtslage in Georgien. Mehrere Gesprächspartner wiesen auf die Mängel bei der Auswahl, Ernennung und Versetzung von Richtern hin. Versetzungen und Beförderungen von Richtern scheinen nicht durch spezifische Regeln und Kriterien reguliert zu sein, was die diesbezüglichen Entscheidungen als willkürlich erscheinen lässt und folglich das öffentliche Vertrauen in die Justiz untergräbt. Der Menschenrechtskommissar empfahl die diesbezügliche Umsetzung der Empfehlungen der Venediger Kommission und des Direktorats für Menschenrechte des Europarats (DHR) aus dem Jahr 2014. Überdies empfahl er, dass die Gerichtsfälle nach dem Zufallsprinzip den Richtern zugeteilt werden. Denn es gab Befürchtungen, dass prominente Fälle Richtern zugeteilt wurden, die als loyal zur Regierung gelten. Überdies sah der Menschenrechtskommissar die geltende dreijährige Probezeit für Richter als bedenklich an, weil letztere hierdurch anfälliger gegenüber einer möglichen Druckausübung sind. Auch in diesem Punkt empfahl Muižnieks die Umsetzung der Empfehlungen der Venediger Kommission und des DHR, welche die Abschaffung der Probezeit für Richter vorsahen. Dem Menschenrechtskommissar wurden Berichte zuteil, wonach es wiederholt zu Drohungen und Einschüchterungen von Verfassungsrichtern kam. So beispielsweise im Fall "Ugulava [ehem. Bürgermeister von Tiflis] gegen das Parlament Georgiens". Richter und deren Familienmitglieder wurden von Bürgern bedrängt, die sich vor den Privathäusern der Richter versammelten und u.a. mit physischer Gewalt drohten (CoE-CommHR 12.1.2016).
Am 21.7.2016 erklärte der Vorsitzende des Verfassungsgerichts, dass einige Richter des Gerichtshofes von den Behörden unter Druck gesetzt worden seien, in mehreren hochkarätigen Fällen Urteile zu verschieben oder zugunsten Angeklagten zu entscheiden. Staatsanwälte haben am 1.8.2016 darauf reagiert und eine Untersuchung zu den Vorwürfen eingeleitet (AI 22.2.2017).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
* AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017
* AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/336488/466107_en.html, Zugriff 27.2.2017
* BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2016), BTI 2016 - Georgia Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Georgia.pdf, Zugriff 24.2.2017
* CoE-CommHR - Commissioner for Human Rights of the Council of Europe (12.1.2016): Observations on the human rights situation in Georgia: An update on justice reforms, tolerance and non-discrimination [CommDH(2016)2], https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?coeReference=CommDH(2016)2, Zugirff 27.2.2017
* EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 24.2.2017
* FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/327696/454796_en.html, Zugriff 27.2.2017
Sicherheitsbehörden
Umfangreicher Personalaustausch insbesondere in den Behördenleitungen, die begonnene juristische Aufarbeitung sowie Reformen in Polizei und erkennbare Verbesserungen im Strafvollzug, inklusive radikaler Veränderungen im Gefängnismanagement, haben Vorfälle von Gewaltanwendung überaus deutlich reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsmann und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und ggf. unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an (AA 10.11.2016).
Im Verlaufe des Jahres 2016 gab es keine Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte unter Straflosigkeit Missbrauch begangen haben. Der Ombudsmann dokumentierte Fälle von übermäßigem Einsatz von Gewalt durch die Polizei. Laut Innenministerium wurden zwischen Jänner und Juli 2016 rund 1.300 Disziplinarverfahren eingeleitet. 23 Fälle sind dem Generalstaatsanwalt zu Ermittlungen überreicht worden, wobei zehn Fälle mit einer Verurteilung endeten (USDOS 3.3.2017).
Angesichts der Sorge in Bezug auf Folter, Misshandlungen und andere Missbräuche durch die Strafverfolgungsbeamten hat die Regierung keine Gesetzgebung geschaffen, die einen unabhängigen Untersuchungsmechanismus für Menschenrechtsverletzungen vorsieht, die von Strafverfolgungsbehörden begangen wurden (AI 22.2.2017).
Dem Menschenrechtskommissar des Europarates wurden alarmierende Fälle von Polizeigewalt im Speziellen auf Polizeiposten berichtet. Der Menschenrechtskommissar forderte die Behörden dazu auf, allen Anschuldigungen, besonders auf Grundlage der Informationen des Ombudsmannes, nachzugehen. Überdies sollte ein Untersuchungsmechanismus etabliert werden, der auf der Basis der Vorschläge des georgischen Ombudsmannes und des Europarats angebliche Rechtsverletzungen der Exekutive untersucht (CoE-CommHR 12.1.2016).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
* AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/336488/466107_en.html, Zugriff 27.2.2017
* CoE-CommHR - Commissioner for Human Rights of the Council of Europe (12.1.2016): Obser