TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/17 W273 2162800-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.2019
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Entscheidungsdatum

17.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W273 2162800-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb XXXX alias XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch Mag. Clemens LAHNER, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 08.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, dass es in Afghanistan keine Arbeit gebe und er kein Geld dort habe. Er wolle nicht mit den Taliban arbeiten. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan fürchte er, von den Taliban umgebracht zu werden.

3. Am XXXX erstattete der Sachverständige für Altersfeststellung Dr. XXXX ein Gutachten betreffen das Mindestalter des Beschwerdeführers und errechnete den 21.07.1998 als fiktives Geburtsdatum.

4. Am XXXX fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden "Bundesamt" oder "BFA") statt. Befragt zu seinem Gesundheitszustand brachte er vor, dass er gesund sei, aber er aufgrund psychischer Probleme seit sieben Monaten in Behandlung sei und einmal im Monat an einer Gesprächstherapie teilnehme. Er nehme täglich die Medikamente XXXX ,

XXXX und XXXX ein. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass die Taliban ihn angegriffen hätten und rekrutieren hätten wollen. Er habe Waffen in seinem Traktor transportieren sollen. Der Beschwerdeführer habe den Staat unterstützt, indem er den Polizisten Wasser angeboten hätte. Die Taliban seien auch ein Staat, weshalb der Beschwerdeführer auch sie unterstützen solle. Er habe sich geweigert und die Taliban für den Tod seines Bruders verantwortlich gemacht. Daraufhin hätten die Taliban ihn festgehalten und geschlagen. Sie hätten ein Messer gezogen und den Beschwerdeführer an der Schulter und am Unterschenkel getroffen. Weiters hätten sie ihm mehrere Schläge versetzt und ihn am Kopf getroffen. In zehn Tagen solle er sich den Taliban stellen, ansonsten würden sie ihn, wie schon seinen Bruder, töten. Nach diesem Vorfall sei er nach Hause gegangen. Sein Vater habe beschlossen, dass er die Heimat verlassen solle. Auf Nachfrage führte der Beschwerdeführer aus, dass die Taliban ihn in die Berge entführt hätten und in einen Container eingesperrt hätten. Es seien Schüsse abgegeben worden. Der Anführer der Taliban habe dann versucht, ihn zu rekrutieren. Zehn Tage sei er dort gewesen. Er habe an manchen Tagen nichts zu essen erhalten. Nachdem sie ihm die Verletzungen zugefügt hätten, hätte der Beschwerdeführer zugestimmt, mit den Taliban zusammen zu arbeiten. Sie hätten ihm zehn Tage Zeit zur Erholung zu Hause gegeben. Nach den zehn Tagen seien sie gekommen. Der Beschwerdeführer habe ihnen die nicht verheilten Verletzungen gezeigt und zugesagt, sich selbst bei ihnen zu melden. Für den Fall, dass er nicht kommen würde, würden sie ihn töten.

5. Am XXXX fand eine erneute Einvernahme vor dem Bundesamt statt. An Medikamenten nehme er aktuell täglich XXXX und XXXX ein. Zu seinen Fluchtgründen befragt führte er aus, dass die Taliban ihn von zu Hause mit einem Auto abgeholt und mitgenommen hätten. Gefesselt und mit verbundenen Augen hätten sie ihn in die Berge gefahren. Er sei dort in einen Container gebracht worden. Der Anführer der Taliban habe ihm vorgeworfen, dass er die Polizeistützpunkte in der Nähe mit Essen und Wasser versorgt hätte. Der Beschwerdeführer habe dies geleugnet. Der Talib hätte ihn aufgefordert auch die Taliban zu unterstützen. Der Beschwerdeführer habe ihm den Tod seines Bruders vorgeworfen, der als LKW-Fahrer für den afghanischen Staat gearbeitet hätte. Daraufhin habe ein anderer Talib seine Waffe gezogen und auf ihn gerichtet. Er habe ihn mit der Waffe am Kopf geschlagen und mit den Füßen getreten. Er habe ihn auch mit einem Messer am Oberarm und den Unterschenkeln attackiert. Die Taliban hätten auf ihn eingeredet und ihm Geld geboten. Er solle unauffällig mit seinem Traktor Waffen von einem Dorf ins nächste transportieren. Der Beschwerdeführer habe abermals abgelehnt. Daraufhin sei er erneut geschlagen worden und ohne Essen festgehalten worden. An einem Tag habe er mitangesehen, wie die Taliban Menschen erschossen hätten. Danach hätten sie ihm auch mit dem Tod gedroht. Der Beschwerdeführer habe deshalb zugesagt, mit den Taliban zusammen zu arbeiten. Aufgrund seiner Verletzungen hätten sie ihn nach Hause gebracht und zehn Tage Zeit zur Erholung gegeben. Nach zehn Tagen seien sie wiedergekommen. Der Vater des Beschwerdeführers hätte um weitere fünf Tage Aufschub gebeten, weil die Wunden des Beschwerdeführers noch nicht verheilt gewesen seien. Er habe ihnen jede Hilfe zugesagt. Danach habe sein Vater seine Ausreise organisiert.

Der Beschwerdeführer legte zwei fachärztliche Kurzbefunde vom XXXX sowie vom XXXX vor, laut denen er an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

7. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er aufgrund des von ihm gesetzten Verhaltens, nämlich der Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Taliban, als politischer und/oder religiöser Gegner der Taliban anzusehen sei. Es drohe ihm daher Verfolgung aus politischen Gründen.

8. In seiner Beschwerdeergänzung vom XXXX legte der Beschwerdeführer erneut seine Fluchtgeschichte dar. Zudem würden die vom Bundesamt verwendeten Länderinformationen keine Berichte über Zwangsrekrutierung oder Rekrutierung von Kindern durch die Taliban enthalten. Weiters habe das Bundesamt keine Ermittlungsschritte gesetzt, um den psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beurteilen zu können.

9. Am XXXX legte der Beschwerdeführer umfangreiche medizinische Unterlagen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers vor. Der Beschwerdeführer habe sich bereits zweimal in stationärer Behandlung in der psychiatrischen Abteilung des AKH Wien befunden. Das vorgelegte Knochenszintigramm belege weiters, dass die Knochen des Beschwerdeführers posttraumatischen Veränderungen aufweisen, wie sie üblicherweise nach körperlichen Misshandlungen auftreten würden. Weiters leide der Beschwerdeführer an den gesundheitlichen Folgen einer Bombenexplosion, in deren Umfeld er sich zufällig aufgehalten habe. Trotz seiner schwierigen gesundheitlichen Situation besuche der Beschwerdeführer regelmäßig die XXXX . Weiters erfolgte eine Richtigstellung bezüglich der Schreibweise des Namens des Beschwerdeführers. Bezüglich der Sicherheitslage werde auf die UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 verwiesen, aus denen hervorgehe, dass Personen, denen unterstellt werde, mit dem afghanischen Militär in Verbindung zu stehen, mit hoher Wahrscheinlichkeit asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt zu sein. Regierungsfeindliche Gruppierung würden Entführungen und Morde an ZivilistInnen verüben, um sie für ihre unterstellte Unterstützung der Regierung zu bestrafen. In vielen Fällen würden die Betroffenen zuvor Warnungen, etwa in Form von Nachrichten, über Social Media oder in Form der sogenannten "Nachtbriefe" erhalten. Bezüglich einer innerstaatlichen Fluchtalternative in afghanischen Städten werde festgehalten, dass die Versorgungslage aufgrund der Dürre prekär sei und dem Beschwerdeführer aufgrund seines äußerst labilen Gesundheitszustandes nicht möglich sei, in Afghanistan eine Existenz aufzubauen.

10. Mit Stellungnahme vom XXXX legte der Beschwerdeführer Facebookpostings vor, aus denen hervorgehe, dass der Beschwerdeführer namentlich angesprochen und mit dem Tod bedroht werde. Dem Beschwerdeführer werde darin zur Last gelegt, dass er ein "Ungläubiger" sei und sich in Österreich aufhalte. Der Beschwerdeführer wisse nicht, wer hinter dem Account stehe; der verwendete Name sei jedoch ein Name, der häufig von Taliban verwendet werde. Aufgrund der Vielzahl der bedrohlichen Postings habe der Beschwerdeführer seinen Account mittlerweile deaktiviert.

Weiters wurden Unterlagen zur Verdeutlichung der intensiven Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorgelegt und erneut auf die fachärztliche Behandlung des Beschwerdeführers hingewiesen. Wie sich aus den Länderberichten ergebe, sei die Versorgung psychisch Erkrankter in Afghanistan aufgrund der mangelhaften Infrastruktur de facto nicht existent.

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu und der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

12. Mit Stellungnahme vom XXXX führte der Beschwerdeführer aus, dass vor dem Hintergrund der vorgelegten medizinischen Unterlagen zwar ein posttraumatisches Belastungssyndrom diagnostiziert worden sei und Konzentrationsstörung vorliegen würden, der Beschwerdeführer aber grundsätzlich in der Lage gewesen sei, der Einvernahme vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu folgen. Dem Beschwerdeführer falle es allerdings schwer, zeitliche Ereignisse in der richtigen Chronologie darzustellen. Weiters werde ein Antrag auf Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens, zum Beweis dafür, dass die Taliban im Jahr 2015 in der Region Wardak Zwangsrekrutierungen durchführten und sich dabei nicht ausschließlich auf militärisch ausgebildete Personen fokussierten, gestellt.

Wie sich aus dem Bericht von Landinfo vom 23.08.2017 ergebe, würden die Taliban über ausgeprägte geheimdienstliche Strukturen verfügen. Zu den Zielgruppen der Taliban würden Personen gehören, von denen angenommen werde, dass sie die Taliban für die Regierung ausspionieren oder Informationen über sie liefern würden. Es kann folglich nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer in Afghanistan niederlassen könnte, ohne aufgespürt und verfolgt zu werden.

Zur innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif und Herat werde auf die EASO Country Guidance 2019 verwiesen, aus denen sich ergebe, dass einzelfallbezogen anhand mehrerer Kriterien zu überprüfen sei, ob dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative zumutbar sei. Der Beschwerdeführer verfüge nicht über ein soziales Netzwerk und sei aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme vulnerabel.

Zu der Verfügbarkeit der vom Beschwerdeführer eingenommenen Medikamente in Afghanistan werde festgehalten, dass das Medikament XXXX laut Anfragebeantwortung vom 31.07.2019 nicht verfügbar sei, jedoch ein Alternativstoff namens Quetiapine. Weiters sei der Besuch der Psychotherapie, die der Beschwerdeführer einmal monatlich in Anspruch nehme, nicht gewährleistet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , alias XXXX und das Geburtsdatum XXXX , alias XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist ledig. Seine Muttersprache ist Paschtu.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Wardak, Distrikt XXXX , geboren und lebte dort bis 2015. Er besuchte zehn Jahre lang die Grundschule in seinem Heimatdistrikt. Neben der Schule war der Beschwerdeführer in der elterlichen Landwirtschaft tätig. Ein Bruder des Beschwerdeführers ist verstorben. Der Beschwerdeführer hat keine militärische Ausbildung, oder besonderes Wissen in militärischer Hinsicht.

Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise in seinem Elternhaus in der Provinz Wardak, Distrikt XXXX . Er lebte dort mit seinen Eltern, zwei Brüdern und den Kindern seines verstorbenen dritten Bruders. Der Vater des Beschwerdeführers verstarb Anfang des Jahres 2017.

Die Mutter und ein Bruder leben nach wie vor im Elternhaus des Beschwerdeführers. Das Grundstück wird bewirtschaftet. Die Familie des Beschwerdeführers lebt von der Ernte. Ein Onkel mütterlicherseits lebt ebenfalls in der Provinz Wardak. Ihre wirtschaftliche Lage ist gut.

Der Beschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert und ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

1.2. Zum aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Diese wurde im Jahr 2017 diagnostiziert (Fachärztlicher Kurzbefund des Ambulatoriums für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen vom XXXX sowie vom XXXX ) und äußert sich im Alltag durch Schlafstörungen, Unruhe und depressiven Episoden. Aufgrund der Schlafstörungen ist der Beschwerdeführer oft tagsüber in seiner Konzentration beeinträchtigt. Er befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung (ein Termin pro Monat) (Ärztliche Bestätigung der XXXX vom XXXX , Anwesenheitsbestätigung für Termine in der Ordination der XXXX , Psychotherapeutischer Bericht vom XXXX). Der Beschwerdeführer nimmt täglich das Medikament XXXX (1/2 morgens) ein. Bei Bedarf nimmt er das Medikament XXXX (1/3 bei Bedarf) (Medikamentenverordnungsblatt vom XXXX). Der Beschwerdeführer ist nicht eigen- oder fremdgefährdet.

Der Beschwerdeführer ist im Übrigen arbeitsfähig und leidet nicht an schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten.

1.3. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung am XXXX aufgrund der vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer hat bisher zwei Deutschkurse (ÖSD Zertifikat A1 vom XXXX , ÖSD Zertifikat A2 vom XXXX ) besucht und kann sich auf Deutsch ohne Probleme unterhalten.

Der BF hat die Pflichtschulabschluss-Prüfung absolviert (Bestätigung des Lehrgangs XXXX der XXXX vom XXXX , Zeugnis über die Pflichtschulabschluss-Prüfung vom XXXX ) und hat vor im Schuljahr 2019/2020 die XXXX zu besuchen. Zuvor besuchte er die XXXX XXXX (Kursbesuch-Bestätigung " XXXX " an der XXXX vom XXXX , Schulbesuchsbestätigung der XXXX vom XXXX , Bestätigung des Lehrgangs XXXX an der XXXX vom XXXX ) und die XXXX (Schulbesuchsbestätigung der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt XXXX als außerordentlicher Teilnehmer für das Schuljahr XXXX vom XXXX ). Er nahm auch an mehreren Integrationskursen teil (ÖIF Werte- und Orientierungskurs vom XXXX , Teilnahmebestätigung, Kursbesuchsbestätigung CONNECT Mödling vom XXXX , Bescheinigung des ÖRK über die Absolvierung eines Erste-Hilfe-Auffrischungskurses vom XXXX ) und betätigte sich ehrenamtlich (Bestätigung des Österreichischen Roten Kreuzes Niederösterreich vom XXXX ).

Der Beschwerdeführer möchte nach seinem Schulabschluss als Automechaniker arbeiten.

Der Beschwerdeführer hat einige afghanische Bekannte sowie österreichische Freunde im Bundesgebiet (Empfehlungsschreiben der Frau XXXX vom XXXX , Empfehlungsschreiben von XXXX vom XXXX , Empfehlungsschreiben von XXXX vom XXXX ).

Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied eines Vereins oder einer anderen Gemeinschaftseinrichtung.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten.

Der Beschwerdeführer geht keiner Erwerbstätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig (Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom XXXX ).

Der Beschwerdeführer ist unbescholten (Strafregisterauszug vom XXXX).

1.4. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

Der Bruder des Beschwerdeführers war keiner Verfolgung oder Bedrohung durch die Taliban ausgesetzt. Der Beschwerdeführer selbst und seine Familie wurden von den Taliban aufgrund der Tätigkeit des Bruders des Beschwerdeführers oder der Unterstützung der Regierungstruppen nicht bedroht oder verfolgt. Der Beschwerdeführer wurde nicht durch die Taliban entführt und war keiner Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität, noch wegen Lebensgefahr verlassen. Dem Beschwerdeführer droht aufgrund seiner Verwandtschaft zu seinem Bruder oder aus anderen Gründen bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Gefahr der Verfolgung durch die Taliban oder durch anderer Personen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban oder durch andere Personen.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt ausgesetzt. Ebenso wenig ist jeder Rückkehrer aus Europa, allein aufgrund des Aufenthaltes in Europa, in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan aufgrund der Tatsache, dass er an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, keiner physischen oder psychischen Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich nicht individuell und konkret persönlich von den Taliban über Nachrichten via Facebook bedroht.

1.5. Zu einer Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat

Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Wardak aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

In den Städten Mazar-e Sharif und Herat droht dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Der Beschwerdeführer kann die Städte Mazar-e Sharif und Herat von Österreich sicher mit dem Flugzeug erreichen.

Die Wohnraum- und Versorgungslage in Mazar- e Sharif und Herat ist angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan in die Städte Mazar-e Sharif oder Herat kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen, sich eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Zudem kann der Beschwerdeführer zumindest anfänglich mit einer finanziellen Unterstützung durch seine Mutter rechnen, mit der er in regelmäßigen Kontakt steht und deren finanzielle Lage gut ist. Der Beschwerdeführer kann sich in Mazar-e Sharif oder Herat niederlassen und sich eine Existenz aufbauen, die mit jener andere vor Ort ansässiger Personen vergleichbar ist. Der Beschwerdeführer kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

1.6. Zur gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat

Der Beschwerdeführer ist aus psychischer Sicht in der Lage, sich in einer fremden Stadt zurecht zu finden und sich ohne fremde Hilfe selbständig Arbeit, Unterkunft und Verpflegung sowie erforderlichenfalls medizinische Betreuung zu verschaffen. Die vom Beschwerdeführer eingenommenen Arzneimittel sind in Afghanistan erhältlich. Ebenso ist Psychotherapie in Mazar-e Sharif und in Herat verfügbar. Der Beschwerdeführer kann auf Basis seiner Selbsterhaltungsfähigkeit die Kosten für erforderliche Behandlungen und Arzneimittel selbst aufbringen. Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf seinen psychischen Zustand in der Lage, alle Angelegenheiten des täglichen Lebens ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu erledigen.

Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist bei fortführender Psychotherapie und Medikation bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan nicht zu erwarten.

Sofern sich der psychische Zustand des Beschwerdeführers dennoch verschlechtern sollte, bestehen in Mazar-e Sharif und Herat Behandlungsmöglichkeiten in Form von Arzneimitteln und Psychotherapie in öffentlichen und privaten Krankenhäusern. Der Beschwerdeführer kann in diesem Fall auf Basis seiner Selbsterhaltungsfähigkeit die Kosten für erforderliche Behandlungen und Arzneimittel selbst aufbringen.

Der Beschwerdeführer kann aus psychologische Unterstützung der NGO "International Psychological Organisation" (IPSO) zurückgreifen.

1.7. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan

Aktuelle politische Ereignisse:

Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden. Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u. a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 mit integrierter Kurzinformation vom 04.06.2019 - im Folgenden "LIB 04.06.2019", S. 12).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht. Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient".

(LIB 04.06.2019, S. 12-14).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten (LIB 04.06.2019, S. 22).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 04.06.2019, S. 22f.).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (LIB 04.06.2019, S. 22).

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist.

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde. Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (LIB 04.06.2019, S. 13).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (LIB 04.06.2019, S. 14).

Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an:

Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u. a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für

1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opferwurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (LIB 04.06.2019, S. 25f.).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten. Ungefähr 24% der zivilen Opfer, werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen (LIB 04.06.2019, S. 26).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben. Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu (LIB 04.06.2019, S. 68).

In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren. Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant. Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (LIB 04.06.2019, S. 68).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

Das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden (LIB 04.06.2019, S. 76f.).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht. Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (LIB 04.06.2019, S. 78f.).

Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (LIB 04.06.2019, S. 79).

Potentielle Zielpersonen der Taliban / Wichtigkeit für die Taliban

Die Strukturen der Nachrichtendienste der Taliban sind im Laufe der Zeit entstanden und wurden dabei zunehmend ausgefeilter. Der Taliban Führung scheint daran gelegen zu sein, willkürliche Gewaltanwendung möglichst zu vermeiden und sich nach klar definierten Regeln ausschließlich auf Personen zu konzentrieren, die eindeutig Taliban-Gegner sind. Zwar werden die Regeln nicht immer eingehalten, aber die Führung scheint sich redlich darum zu bemühen (Afghanistan: Taliban's Intelligence and the intimidation campaign) vom 23.08.2017 - im Folgenden "Landinfo Nachrichtendienst Taliban", S. 3).

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten":

a) Politische Feinde: die Anführer und wichtigsten Mitglieder der Parteien und Gruppen, die den Taliban feindlich gesinnt sind;

b) Regierungsbeamte und Mitarbeiter westlicher und anderer "feindlicher" Regierungen - alle Zivilisten, die für die Regierung oder für westliche diplomatische Vertretungen und andere Einrichtungen arbeiten;

c) Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges;

d) Personen, von denen angenommen wird, dass sie die Taliban für die Regierung ausspionieren oder Informationen über sie liefern;

e) Personen, die gegen die Shari'a (entsprechend der Auslegung der Taliban) und die Regeln der Taliban verstoßen;

f) Kollaborateure der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft;

g) Kollaborateure des ausländischen Militärs - praktisch jeder, der den ausländischen Streitkräften in irgendeiner Weise hilft;

h) Auftragnehmer der afghanischen Regierung;

i) Auftragnehmer anderer Länder, die gegen die Taliban sind;

j) Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten;

k) Personen jeder Art, die die Taliban in irgendeiner Weise für nützlich oder notwendig für ihre Kriegsführung erachten, die die Zusammenarbeit verweigern (Bericht Landinfo: Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne (Landinfo Nachrichtendienst Taliban, S. 11).

Außer den Personen in den oben genannten Kategorien a), d), e) und

k) bieten die Taliban allen Personen, die sich "fehlverhalten" die Chance, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Personen in den Kategorien a), d), e) und k) haben allein schon durch die Zugehörigkeit zu dieser Kategorie, Verbrechen begangen, im Gegensatz zu einer Tätigkeit als Auftragnehmer. Dies sehen die Taliban nur dann als Verbrechen an, wenn der Auftragnehmer die Warnungen der Taliban in den Wind schlägt. Die Chance zu bereuen, ist ein wesentlicher Aspekt der Einschüchterungstaktik der Taliban und dahinter steht hauptsächlich der folgende Gedanke: das Funktionieren der Kabuler Regierung ohne übermäßiges Blutvergießen zu unterminieren und Personen durch Kooperation an die Taliban zu binden. Die Personen der Kategorien b), c), f), g), h), i) und j) können einer "Verurteilung" durch die Taliban entgehen, indem sie ihre vermeintlichen "feindseligen" Tätigkeiten nach einer Verwarnung einstellen (Landinfo Nachrichtendienst Taliban, S. 12).

b) Regierungsmitarbeiter und Mitarbeiter westlicher Regierungen: Sie können einer Warnung oder Verurteilung vor Erhalt des letzten Drohbriefes entgehen, wenn sie Abgaben zahlen, Informationen liefern und ihre Kollegen für die Taliban ausspionieren, um deren Aktionen gegen die eigenen Arbeitgeber zu unterstützen oder zur Verbesserung der Organisation der Taliban beizutragen.

c)

Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges: wie

b)

oben, sie haben aber auch die Option, zu den Taliban überzulaufen und Absichtserklärungen mit den Taliban zu unterzeichnen (als gesamte Einheit), in denen eine im gemeinsamen Interesse liegende Gegenleistung angeboten wird.

f) Kollaborateure der afghanischen Regierung: wie b) oben

g) Kollaborateure des ausländischen Militärs und im militärischen Zusammenhang stehende Unterstützungsleistungen, einschließlich der Mitarbeiter in den Unterkünften: wie b) oben

h) Auftragnehmer der afghanischen Regierung: wie b) oben

i)

Auftragnehmer, die für talibanfeindliche Länder tätig sind: wie

b)

oben

j) Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten: wie b) oben (Landinfo Nachrichtendienst Taliban, S. 12)

Die Taliban nennen als ihre wichtigsten Zielpersonen die Offiziere der nationalen Sicherheitsdienste (NDS), Dolmetscher bzw. alle, die für das/mit dem ausländischen Militär und Diplomaten arbeiten. So behaupten die Taliban beispielsweise, dass sie 2015 15 Dolmetscher in Kabul und den umliegenden Vororten getötet hätten und im Jahr 2016 bis Anfang Dezember 23; es bleibt unklar, ob die Taliban ihre Opfer auch zu Recht als Dolmetscher identifiziert haben. Die Taliban bauschen ihre Erfolge sicherlich auf, indem sie unzutreffende Opferzahlen angeben (insbesondere, wenn Bomben eingesetzt werden). Die meisten Angriffe fanden in den Vororten statt (2016 waren es 17). Die Taliban nehmen natürlich auch Ausländer ins Visier, insbesondere, wenn sie irgendwie an der Bekämpfung des Aufstandes beteiligt sind (Landinfo Nachrichtendienst Taliban, S. 13).

Überall, wo die Taliban vertreten sind, zielten sie von vorne herein insbesondere auf die Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte ab, die sich weigern, den Dienst zu quittieren. Sie übten Druck auf deren Familien aus, um deren Ausscheiden zu erzwingen und drohten Bestrafung an, wenn ihrer Forderung nicht Folge geleistet würde. In einigen Fällen sind sie sogar soweit gegangen, Verwandte hinzurichten. Zumeist waren diese Sicherheitskräfte und ihre Familien schließlich gezwungen, in sicherere, von der Regierung kontrollierte Gebiete umzusiedeln, obwohl die Taliban ihre Ziele teilweise auch dort heimsuchen. Andere, die es sich leisten können, scheiden aus und im Laufe der Jahre sind hunderte hingerichtet worden. Selbst diejenigen, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden (Landinfo Nachrichtendienst Taliban, S. 13).

Im Grunde genommen steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein 'Übeltäter' ist und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können. Diese Details sind wesentlich, denn nach den Regeln der Taliban, muss ein Kollaborateur gewarnt werden und Gelegenheit erhalten, auf den richtigen Weg zurückzukehren, bevor er auf die schwarze Liste gesetzt wird. Damit die Einschüchterungstaktiken der Taliban funktionieren, hängen sie also davon ab, dass ihre Informanten Angaben zu den potenziellen Zielpersonen liefern. Die Taliban behaupten jedoch, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, dass sie regelmäßig Berichte darüber erhalten, wer neu ins Land einreist (Landinfo Nachrichtendienst Taliban, S. 14).

Das Verhältnis der Taliban zur Lokalbevölkerung

Die Taliban wenden eine Kombination von Zwang und Kooptierung an, um sich die Gunst der Lokalbevölkerung zu sichern. Taliban-feindliche Elemente und Kollaborateure der Regierung werden im Regelfall ermahnt, sich zu bessern oder mit den Taliban zu kooperieren; nach mindestens drei erfolgten Ermahnungen können sie von den Taliban auf die schwarze Liste gesetzt werden. Das Töten von feindlichen Elementen und Kollaborateuren dient als Exempel und soll eine Einschüchterungswirkung entfalten: Die Taliban dotieren ungenügende Ressourcen für gezielte Maßnahmen gegen alle, die sie als Kollaborateure einstufen (derer gibt es nahezu eine Million), doch versuchen sie offensichtlich, die Zentralregierung durch Angstpropaganda zu untergraben und die Menschen davon zu überzeugen, sich für den friktionsfreieren Weg einer Zusammenarbeit mit den Taliban zu entscheiden (Bericht Landinfo: Afghanistan: Organisation und Struktur der Taliban (Afghanistan: Taliban's organization and structure) vom 23.08.2017, im Folgenden "Bericht Struktur Taliban", S. 18).

Die lokalen Talibanmilizen spielen eine Schlüsselrolle in der Vernetzung der Taliban mit den lokalen Gemeinschaften. Talibanteams werden in den Dörfern zumeist über Vermittlung des örtlichen Mullahs nach Einigung mit den Ältesten rekrutiert. Die örtlichen Taliban stehen unter dem Einfluss der Ältesten, sind jedoch dem Gouverneur der Taliban verantwortlich. Die Präsenz örtlicher Taliban in einem Dorf bietet Schutz vor marodierenden Banden, gewalttätigen ausländischen Kämpfern und gebietsfremden Taliban und verschafft den Dorfältesten eine gewisse Mitsprache beim Talibangouverneur. Die Talibanführung behält sich das Recht vor, die Kommandanten dieser Milizen auszuwählen, und die Mullahs vertreten die Interessen der Taliban auf lokaler Ebene (Bericht Struktur Taliban, S. 19).

Nach den Regeln der Taliban sollten Leiter der Militärkommissionen und Richter nicht lokal rekrutiert werden, alle anderen "Funktionsträger" werden jedoch zumeist lokal rekrutiert. Dadurch sind sie lokal verankert, aber auch in örtliche Stammesfehden und innergemeinschaftliche Dispute involviert. Die negativen Folgen dieser Praxis haben sich mit der zunehmenden internen Zersplitterung der Taliban noch verschärft; die Entscheidung, sich der einen oder anderen Schura anzuschließen, wird oft von Stammes-, Gemeinschafts- und persönlichen Rivalitäten innerhalb der Taliban diktiert (Bericht Struktur Taliban", S. 19).

Situation betreffend Rekrutierung bzw. Zwangsrekrutierung durch die Taliban

Regierungsfeindliche Kräfte rekrutieren, wie berichtet wird, weiterhin Kinder - sowohl Jungen als auch Mädchen - um sie für Selbstmordanschläge, als menschliche Schutzschilde oder für die Beteiligung an aktiven Kampfeinsätzen einzusetzen, um Sprengsätze zu legen, Waffen und Uniformen zu schmuggeln und als Spione, Wachposten oder Späher für die Aufklärung zu dienen (Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus den UNHCR-RL 2018, Pkt. III.A.3.a.).

Es sind Fälle von Zwangsrekrutierung dokumentiert, sie bilden allerdings die Ausnahme. Die Rekrutierung durch die Taliban ist nicht durch Zwang, Drohungen und Gewalt gekennzeichnet, weil die Taliban auch ohne Zwangsrekrutierung ausreichend Zulauf haben. Das geänderte Konfliktschema und die Tatsache, dass die Taliban ihre Truppen professionalisiert haben, bedeuten auch, dass unmittelbare Zwangsrekrutierungen vermutlich sehr gering verbreitet sind. Dies wurde in Gesprächen von Landinfo im April/Mai 2017 in Kabul bestätigt; unmittelbare Zwangsrekrutierungen erfolgen in sehr beschränktem Ausmaß und lediglich in Ausnahmefällen. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Eine Quelle äußerte den Gedanken, dass es "schwierig sei, einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden/etwas zu kämpfen" (Landinfo Report Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban vom 29.06.2017, S. 19).

Der Grund für seltene Zwangsrekrutierungen liegt auch in der Strategie der Taliban, Personen mit militärischem Hintergrund anzuwerben, die Waffen, Uniformen und Wissen über den Feind einbringen. Es kann aber auch Personen treffen, die über Knowhow und Qualifikationen verfügen, die die Taliban im Gefechtsfeld benötigen, etwa für die Reparatur von Waffen (Landinfo Report Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban vom 29.06.2017, S. 18-19).

Sicherheitsbehörden

In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS) (USDOS 20.4.2018). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist.

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 2018). Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANAKommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anm.). Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) (USDOD 6.2017; vgl. USDOD 2.2018, SIGAR 30.4.2018a, Tolonews 6.11.2017). Auch das NDS ist Teil der ANDSF (USDOS 3.3.2017).

Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u. a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen (USDOD 6.2017; vgl. USDOD 2.2018).

Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat (SIGAR 30.4.2018b). Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt (USDOD 6.2017).

Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats." (AA 5.2018). Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt (TG 26.5.2018; vgl. E1 2.12.2017).

Aktuelle Tendenzen und Aktivitäten der ANDSF Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9.2016; vgl. USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016). Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden USamerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen (SIGAR 30.4.2018a). Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSFStreitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden (NATO o.D.).

Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei (SIGAR 30.4.2018a). Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich (USDOD 6.2017). Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPIProjekts in Herat auf (SIGAR 30.4.2018a). Nachdem die Operation Shafaq II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020 (USDOD 6.2017).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP) Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber auf der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist es weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug das ANP-Personal etwa 129.156 Mann. Im Vergleich zu Jänner 2017 hat sich die Anzahl der ANP-Streitkräfte um 24.841 Mann verringert (SIGAR 30.4.2018b).

Quellen zufolge dauert die Grundausbildung für Streifenpolizisten bzw. Wächter acht Wochen. Für höhere Dienste dauern die Ausbildungslehrgänge bis zu drei Jahren (DB 23.3.2010). Lehrgänge für den höheren Polizeidienst finden in der Polizeiakademie in Kabul statt, achtwöchige Lehrgänge für Streifenpolizisten finden in Polizeiausbildungszentren statt, die im gesamten Land verteilt sind (GRIPS 1.2010). Die standardisierte Polizeiausbildung wird nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt, jedoch gibt es Uneinheitlichkeit bei den Ausbildungsstandards. Es gibt Streifenpolizisten, die Dienst verrichten, ohne eine Ausbildung erhalten zu haben (USIP 5.2014). Die Rekrutierungs- und Schulungsprozesse der Polizei konzentrierten sich eher auf die Quantität als auf den Qualitätsausbau und erfolgten hauptsächlich auf Ebene der Streifenpolizisten statt der Führungskräfte. Dies führte zu einem Mangel an Professionalität. Die afghanische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die beruflichen Fähigkeiten, die Führungskompetenzen und den Grad an Alphabetisierung innerhalb der Polizei zu verbessern (MoI o.D.).

Die Mitglieder der ALP, auch bekannt als "Beschützer", sind meistens Bürger, die von den Dorftältesten oder den lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer designiert werden (SIGAR 30.4.2018a). Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft wurde angenommen, dass die ALP besser als andere Streitkräfte in der Lage sei, die Sachverhalte innerhalb der Gemeinde zu verstehen und somit gegen den Aufstand vorzugehen (AAN 5.7.2017; vgl. AAN 22.5.2018). Die Einbindung in die örtliche Gemeinschaft ist ein integraler Bestandteil bei der Einrichtung der ALP-Einheiten, jedoch wurde die lokale Gemeinschaft in einigen afghanischen Provinzen diesbezüglich nicht konsultiert, so lokale Quellen (AAN 22.5.2018; vgl. AAN 5.7.2017). Finanziert wird die ALP ausschließlich durch das US-amerikanische Verteidigungsministerium und die afghanische Regierung verwaltet die Geldmittel (SIGAR 30.4.2018a; vgl. AAN 31.1.2017). Die Personalstärke der ALP betrug am 8. Februar 2017 etwa 29.006 Mann, wovon 24.915 ausgebildet waren, 4.091 noch keine Ausbildung genossen hatten und 58 sich gerade in Ausbildung befanden (SIGAR 30.4.2018a). Die Ausbildung besteht in einem vierwöchigen Kurs zur Benutzung von Waffen, Verteidigung an Polizeistützpunkten, Thematik Menschenrechte, Vermeidung von zivilen Opfern usw. (AAN 5.7.2017). Die monatlichen Ausfälle der ANP im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 ca. 2%. Über die letzten zwölf Monate blieben sie relativ stabil unter 3% (SIGAR 30.4.2018a) (LIB 0

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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