TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/17 W164 2211871-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.2019
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Entscheidungsdatum

17.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W164 2211864-1/8E

W164 2211863-1/9E

W164 2211866-1/8E

W164 2211867-1/8E

W164 2211865-1/8E

W164 2211871-1/8E

W164 2211869-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von (1.) XXXX , geb. XXXX , (2.) XXXX , geb. XXXX , (3.) XXXX , geb. XXXX , (4.) XXXX , geb. XXXX , (5) XXXX , geb. XXXX , (6) XXXX , geb. XXXX , (7) XXXX geb. XXXX , alle STA Afghanistan, alle vertreten durch RA Mag. Dr. Ralph Heinrich Höfler, Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 26.11.2018, (1.) Zl. 1083816108-151157466, (2.) Zl. 1083816206-151157482, (4.) Zl. 1100366100-152066949, (6.) Zl. 1083816707-151157555 und vom 27.11.2018, (3.) Zl. 1083816500-151157525, (5.) Zl. 1083816609-151157547, (7.) Zl. 1156743204-1707131 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 13.09.2019 zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und (1.) XXXX (2.) XXXX , (3.) XXXX , (4.) XXXX , (5) XXXX , (6) XXXX , (7) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass (1.) XXXX ,

(2.) XXXX , (3.) XXXX , (4.) XXXX , (5) XXXX , (6) XXXX , (7) XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind verheiratet und Eltern der Dritt- Viert- Fünft- Sechst- und SiebendbeschwerdeführerInnen (BF3, BF4, BF5, BF6 und BF7).

Der BF1 und die BF2 stellten am 22.08.2015 nach illegaler Einreise für sich und die minderjährigen, ledigen, BF3, BF5 und BF6 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz. Der BF4 war im Zuge der schlepperunterstützten Reise von seinen Eltern und Geschwistern getrennt worden. Für ihn stellte die Großmutter, XXXX , geb. XXXX , am 28.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. In Österreich wurde die BF7 geboren, für sie stellte die BF2 am 19.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im erstinstanzlichen Verfahren wurde der BF1 am 23.08.2015 (Erstbefragung), weiters vom BVA am 04.12.2017 und am 09.10.2018 befragt.

Der BF1 gab im Wesentlichen an, er sei am im Jahr XXXX in Afghanistan, Provinz XXXX geboren, er sei Schiit und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er habe keine Schule besucht und sei Analphabet. Sein Heimatort heiße XXXX und liege etwas außerhalb der Stadt XXXX . Er habe bereits mit etwa neun Jahren zu arbeiten begonnen, zunächst in einer Bäckerei und dann in der Stadt XXXX Waren transportiert: Von einer für den Handel bedeutenden Straße (der BF nannte den Namen), auf der Öl, Mehl und andere Lebensmittel aus anderen Städten Afghanistans und aus Pakistan angeliefert worden seien, habe der BF die Produkte zu den Einzelhändlern gebracht. Für den Transport der Ware habe er Geld bekommen.

Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass er eines Tages Ware erhalten habe, die er mit seinem Handwagen (einem Holzkarren mit PKW-Reifen) auf die andere Seite der dort befindlichen Brücke nach XXXX zu einem Geschäft, vor dem ein schwarzes Auto ohne Kennzeichen stehen würde zu bringen hatte. Kurz vor dem Ziel sei der BF1 von der Polizei aufgehalten worden. Bei Öffnung der Säcke habe sich herausgestellt, dass der BF1 Bomben transportiert habe. Der BF1 sei festgenommen und befragt worden. Die Polizei habe den BF1 verdächtigt, mit den Taliban zusammenzuarbeiten. Er habe dann der Polizei einen Betrag für seine Freilassung gezahlt und sei zu seiner Schwester nach Kabul gefahren. Zwei Tage später habe ihn seine Frau angerufen und mitgeteilt, dass die Taliban in der Nacht ins Haus der Familieeingedrungen wären, den Vater schwer verletzt und die Frau vergewaltigt hätten. Die Familie sei daraufhin zum BF1 nach Kabul gekommen und danach nach Europa geflüchtet. Der BF1 habe Angst vor den Taliban und vor der Regierung, vor letzterer, da er die Polizei "bestochen" habe.

Der BF1 legte an Nachweisen für seine Integration Bescheinigungen über den Besuch von Deutschkursen, eines Werte- und Orientierungskurses, weiters Nachweise ehrenamtlicher Arbeit und Teilnahme an Sportveranstaltungen eines lokalen Vereins.

Die BF2 wurde in erster Instanz am 23.08.2015 (Erstbefragung), weiters vor dem BFA am 04.12.2017 und 09.10.2018 befragt und gab im Wesentlichen an, sie sei in der Provinz XXXX , Bezirk XXXX geboren und aufgewachsen. Sie sei XXXX geboren, gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitischen Glaubens. Die BF2 habe keine Schule besucht. Sie könne nicht lesen und schreiben. Mit 18 Jahren habe sie geheiratet. Eines Tages im Jahr 2013 sei der BF1 von der Polizei festgenommen worden, da diese in der von ihm transportierten Ware Sprengstoff gefunden hätten. Die Polizei habe auch das Familienhaus in XXXX durchsucht. Zwei Tage später seien Männer gekommen, die Paschtu sprachen und nach der Ware suchten, die der BF1 nicht zum vereinbarten Ort gebracht hatte. Die Männer hätten den Vater und den Schwiegervater geschlagen und die BF2 vergewaltigt. Der Vater der BF2 könne seither nicht mehr sehen und spreche nicht mehr. Er sitze im Rollstuhl.

Die BF2 legte vor: Nachweise über den Besuch von Deutschkursen(A2) und eines Werte- und Orientierungskurses, weiters einen Nachweis über eine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Pensionistenheim und die Teilnahme am Frauencafe der Diakonie.

Mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 26.11.2018 und 27.11.2018 und wurden die Anträge der BF1, BF2, BF3, BF4, BF5, BF6 und BF7 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt und es wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der BF1 in Afghanistan der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Sein Vorbringen betreffend seinen Fluchtgrund sei vage, unkonkret und widersprüchlich gewesen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF1 einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 ausgesetzt wäre. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sei eine Interessensabwägung vorgenommen worden, die ergeben habe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

Die BF2 habe in Österreich keinen verwestlichten Lebensstil angenommen. Sie sei in Österreich primär mit der Betreuung ihrer fünf Kinder und mit Hausarbeit beschäftigt. Ihr sei nicht zu glauben, dass sie ausschließlich österreichische Freunde habe. Sport würde sie auch in Afghanistan betreiben können, ebenso sich fortbilden, arbeiten und studieren, da ihr Mann und ihre Familie hinter ihr stehen würden. Zwar habe die BF2 Ausbildungs- und Berufswünsche genannt, jedoch sei "keinerlei persönliche intensive Intention" zu erkennen gewesen, "sich genauer über die Berufswünsche im Klaren zu werden und sich darüber ausführlich zu informieren".

Die Bescheide betreffend die BF3-BF7 verweisen im Wesentlichen auf die Begründungen der den BF1 und die BF2 betreffenden Bescheide. Eigene Fluchtgründe seien nicht festgestellt worden. Bezüglich der BF2 wurde das Vorliegen einer westlichen Orientierung verneint.

Mit Verfahrensanordnung vom 27.11.2018 wurde den BF amtswegig die der Verein Menschenrechte Österreich zur Verfügung gestellt.

Die BF1-7 erhoben durch die von ihnen gewählte Vertretung Mag. Ariane Olschak, p.A. Asyl in Not, 1090 Wien, gegen die genannten Bescheide fristgerecht Beschwerde. Darin wird vorgebracht, die BF2 sei westlich orientiert. Dies werde als Nachfluchtgrund geltend gemacht. Die BF2 kleide sich im "westlichen" Stil, wolle sich weiterbilden, strebe einen konkreten Berufswunsch an und mache von ihrem Recht auf Bewegungsfreiheit Gebrauch. Die BF2 arbeite auch regelmäßig ehrenamtlich in einem Altersheim. Ihr sei daher Asyl zu gewähren. Dem BF1 drohe in Afghanistan Verfolgung durch die Taliban aufgrund einer ihm unterstellten Kooperation mit der Regierung sowie durch den Staat aufgrund einer ihm unterstellten Kooperation mit den Taliban und der daraus jeweils resultierenden politischen Gesinnung. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei prekär und verschlechtere sich stetig. Die Situation von Rückkehrenden sei so schlecht, dass angenommen werden müsse, dass die BF 1-7 im Fall ihrer Rückkehr nach Afghanistan in eine die menschliche Existenz bedrohende Lebenssituation kommen würden. Es sei somit jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren. Die BF1-7 beantragten, die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass ihnen der Status von Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu ihnen der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, in eventu die Rückkehrentscheidung für dauernd unzulässig zu erklären, in eventu die angefochtenen Bescheide aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückzuverweisen. Es wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Am 13.09.2019 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, anlässlich deren die sieben BeschwerdeführerInnen im Beisein des nun von ihnen gewählten Rechtsvertreters, RA Mag. Dr. Ralf Heinrich HÖFLER und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Auch das BFA war als Partei des Beschwerdeverfahrens vertreten.

Die BF2 brachte vor, dass sie in Österreich täglich Deutschkurse besuche und bereits die Deutschprüfung A2 positiv absolviert habe. Sie arbeite montags und dienstags in einem Pflegeheim im 7. Bezirk, freitags arbeite sie bei der Caritas und sonntags zweimal im Monat in einem Pflegeheim im 19. Bezirk. Den Alltag schilderte sie wie folgt: In der Früh - die BF2 stehe um 6:30 auf - mache sie für ihre Familie Frühstück, bringe ihre beiden Töchter in den Kindergarten und gehe dann zum Deutschkurs. Nach dem Deutschkurs fahre die BF2 nach Hause bzw. gehe noch einkaufen, um Mittagessen zu kochen und montags/dienstags gehe sie dann von 13 Uhr bis 16 Uhr arbeiten. Ihr Ehemann oder sie würden die Töchter vom Kindergarten abholen. Ihr Mann bringe die Kinder zum Fußballtraining. Der Mann helfe im Haushalt. Die BF2 plane, berufstätig zu sein. Hauptsächlich gehe die BF2 zu den Sprechtagen ihrer Söhne, da ihr Mann nicht so gute Deutschkenntnisse aufweise. Die BF2 habe auch mit Österreicherinnen Kontakt geschlossen. Die BF2 wolle, dass ihre Kinder selbst entscheiden können, mit wem sie ihr Leben verbringen möchten. Ob der Partner aus Österreich oder Afghanistan sei, sei ihr nicht wichtig. In Österreich treffe die BF2 Entscheidungen und nicht wie in Afghanistan, wo der BF1 das Sagen gehabt habe.

Der BF1 machte ergänzende Angaben zum Alltagsleben der Familie in Österreich.

Der BF3 brachte vor, dass er in seiner Klasse Klassensprecher sei und nach der 4. Klasse ein Gymnasium besuchen wolle und als Vorbereitung dafür bei einer Lerngruppe teilnehme. Er spiele auch dreimal in der Woche in einem Fußballverein.

Vorgelegt wurden weitere Nachweise über ehrenamtliche Tätigkeiten des BF1 und der BF2, Zeugnisse der Söhne, Zeugnis der BF2 über die Absolvierung der Integrationsprüfung (Niveau A2).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF2 führt den Namen XXXX . Sie wurde im Jahr XXXX im Bezirk XXXX , Provinz XXXX geboren. Sie ist Schiitin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die BF2 hat keine Schulbildung und war Hausfrau. Die BF2 heiratete mit ca. achtzehn Jahren den BF1 in Afghanistan gemäß dem dort geltenden Ritus. Im Jahr XXXX kam der BF3 zur Welt, im Jahr XXXX kam der BF4 zur Welt, im Jahr XXXX kam der BF5 zur Welt und am XXXX kam die BF6 zur Welt. Am 22.08.2015 reiste die Familie nach Österreich ein. In Österreich wurde am XXXX ein weiteres Kind, die BF7, geboren. Die BF2 hat sich in Österreich gut integriert. Sie lernt mit Erfolg Deutsch, arbeitet ehrenamtlich und ist darauf bedacht, dass ihre Kinder in Österreich eine gute Schulausbildung erhalten und den Weg in ein selbstbestimmtes Leben finden. Ihr Mann unterstützt sie im Haushalt und bei der Betreuung der Kinder. Sie plant in Österreich berufstätig zu sein. Die BF2 kleidet sich so, wie in ihrer österreichischen Wohnumgebung üblich.

Allgemeine Länderfeststellungen:

Quelle: UNHCR- Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30. August 2018, HCR/EG/AFG/18/02:

Afghanistan ist weiterhin von einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt betroffen, bei dem die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF), unterstützt von den internationalen Streitkräften, mehreren regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) gegenüberstehen.

Dem UN-Generalsekretär zufolge steht Afghanistan weiterhin vor immensen sicherheitsbezogenen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Sicherheitslage soll sich insgesamt weiter verschlechtert und zu einer sogenannten "erodierenden Pattsituation" geführt haben. Berichten zufolge haben sich die ANDSF grundsätzlich als fähig erwiesen, die Provinzhauptstädte und die wichtigsten städtischen Zentren zu verteidigen, im ländlichen Raum hingegen mussten sie beträchtliche Gebiete den Taliban überlasssen. Es heißt ferner, dass die ANDSF mit unhaltbar hohen Ausfallraten und sinkender Moral zu kämpfen haben.

Es wird berichtet, dass die Taliban zum 31. Januar 2018, 43,7 Prozent aller Distrikte Afghanistans kontrolliert oder für sich beansprucht haben. Die Taliban haben ihre Angriffe in Kabul und anderen großen Ballungsräumen verstärkt, mit zunehmenden Fokus auf afghanische Sicherheitskräfte, die große Verluste zu beklagen haben. Das ganze Jahr 2017 hindurch führten die Taliban mehrere umfangreiche Offensiven mit dem Ziel durch, Verwaltungszentren von Distrikten zu erobern. Es gelang ihnen mehrere solcher Zentren unter ihre Kontrolle zu bringen und vorübergehend zu halten. Meldungen zufolge festigten die Taliban gleichzeitig ihre Kontrolle über größtenteils ländliche Gebiete, was ihnen ermöglichte, häufigere Angriffe - insbesondere im Norden Afghanistans - durchzuführen. Es wird berichtet, dass der Islamische Staat (ISIS)52 inzwischen trotz verstärkter internationaler und afghanischer Militäroperationen widerstandsfähig blieb. Sein kontinuierliches Engagement hinsichtlich Auseinandersetzungen sowohl mit der afghanischen Regierung als auch mit den Taliban scheint "anzudeuten, dass die Gruppe ihren geografischen Aktionsradius ausgeweitet und begonnen hat, ihre Präsenz auch über den Osten des Landes hinaus zu festigen". ISIS soll inländische und ausländische militärische Ziele und die Zivilbevölkerung angegriffen haben, wovon insbesondere religiöse Stätten, geistige Führer und Gläubige, Schiiten, Journalisten und Medienorganisationen betroffen waren, sowie Anschläge gegen Ziele verübt haben, die sich anscheinend gegen die internationale Gemeinschaft richteten. Es heißt, dass diese Angriffe konfessioneller Art "eine beängstigende Entwicklung im bewaffneten Konflikt Afghanistans" anzeigten.

Auch von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen wird berichtet, dass sie die Autorität der Regierung in ihrem Einflussbereich untergraben; sie werden auch mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor unbeständig und die Zivilbevölkerung trägt weiterhin die Hauptlast des Konflikts. In den Jahren nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte 2014 waren eine fortgesetzte Verschlechterung der Sicherheitslage und eine Intensivierung des bewaffneten Konflikts in Afghanistan zu beobachten. Aus Berichten geht hervor, dass die Taliban ihre Offensive zur Ausweitung ihrer Kontrolle über weitere Distrikte fortsetzt, während der Islamische Staat angeblich immer nachdrücklicher seine Fähigkeit unter Beweis stellt, seine geografische Reichweite auszudehnen, was eine weitere Destabilisierung der Sicherheitslage zur Folge hat.

Von dem Konflikt sind weiterhin alle Landesteile betroffen. Seit dem Beschluss der Regierung, Bevölkerungszentren und strategische ländliche Gebiete zu verteidigen, haben sich die Kämpfe zwischen regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) und der afghanischen Regierung intensiviert. Es wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte immer öfter bewusst auf Zivilisten gerichtete Anschläge durchführen, vor allem durch Selbstmordanschläge mit improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und komplexe Angriffe. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) setzen ihre groß angelegten Angriffe in Kabul und anderen Städten fort und festigen ihre Kontrolle über ländliche Gebiete. Es wurden Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit und Effektivität der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) geäußert, die Sicherheit und Stabilität in ganz Afghanistan zu gewährleisten.

Trotz der ausdrücklichen Verpflichtung der afghanischen Regierung, ihre nationalen und internationalen Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, ist der durch sie geleistete Schutz der Menschenrechte weiterhin inkonsistent. Große Teile der Bevölkerung einschließlich Frauen, Kindern, ethnischer Minderheiten, Häftlingen und anderer Gruppen sind Berichten zufolge weiterhin zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch unterschiedliche Akteure ausgesetzt Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert.

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert.

In von der Regierung kontrollierten Gebieten kommt es Berichten zufolge regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen durch den Staat und seine Vertreter. In Gebieten, die (teilweise) von regierungsnahen bewaffneten Gruppen kontrolliert werden, begehen diese Berichten zufolge straflos Menschenrechtsverletzungen.

Ähnlich sind in von regierungsfeindlichen Gruppen kontrollierten Gebieten Menschenrechtsverletzungen, darunter durch die Etablierung paralleler Justizstrukturen, weit verbreitet. Zusätzlich begehen sowohl staatliche wie auch nicht-staatliche Akteure Berichten zufolge außerhalb der von ihnen jeweils kontrollierten Gebiete Menschenrechtsverletzungen.

Aus Berichten geht hervor, dass besonders schwere Menschenrechtsverletzungen insbesondere in umkämpften Gebieten weit verbreitet sind.

Berichten zufolge begehen regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) extralegale Hinrichtungen, Folter und Misshandlungen. Sie hinderten Zivilisten zudem an der Ausübung ihrer Rechte auf Bewegungsfreiheit, auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Religionsfreiheit, auf politische Teilhabe sowie auf Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung sowie zu ihrem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) nutzen das Fehlen staatlicher Justizmechanismen oder -dienste dazu aus, eigene, parallele "Justiz"-Strukturen - vor allem, wenn auch nicht ausschließlich - in Gebieten unter ihrer Kontrolle, durchzusetzen. UNAMA stellt fest, dass "alle von einer parallelen Justizstruktur durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen verhängten Strafen nach afghanischem Recht unrechtmäßig sind, eine rechtswidrige Handlung darstellen und als Kriegsverbrechen eingestuft werden können". Zu den durch parallele Justizstrukturen verhängten Strafen zählen öffentliche Hinrichtungen durch Steinigung und Erschießen, Schläge und Auspeitschung sowie Amputation. Berichten zufolge erheben regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) zudem in Gebieten, in denen sie die Einrichtung paralleler Regierungsstrukturen anstreben, illegale Steuern.

Im Juli 2018 äußerte UNAMA Besorgnis über den neuerdings zu beobachtenden Trend, dass regierungsfeindliche Kräfte auf Operationen regierungsnaher Kräfte mit Angriffen auf Schulen und Beamte im Bildungswesen reagieren. Schulen wurden Berichten zufolge außerdem besetzt und für militärische Zwecke benutzt, wodurch ihr geschützter Status nach dem humanitären Völkerrecht gefährdet und den Kindern der Zugang zu Bildung entzogen wurde. Außerdem bleiben Berichten zufolge viele Schulen in Afghanistan aufgrund der vor Ort herrschenden Sicherheitsverhältnisse geschlossen.

Ferner wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte den Zugang zu medizinischer Versorgung beschränken. 2017 dokumentierte UNAMA 75 gegen Krankenhäuser und medizinisches Personal gerichtete Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte mit 31 Toten und 34 Verletzten gegenüber 120 Zwischenfällen mit 10 Toten und 13 Verletzten im Jahr 2016. Außerdem heißt es, dass regierungsfeindliche Kräfte in einigen Teilen des Landes Polio-Impfkampagnen verbieten und wiederum andere Teile aufgrund der vorherrschenden Unsicherheit nicht von Impfhelfern erreicht werden können.

Sogar dort, wo der rechtliche Rahmen den Schutz der Menschenrechte vorsieht, bleibt die Umsetzung der nach nationalem und internationalem Recht bestehenden Verpflichtung Afghanistans diese Rechte zu fördern und zu schützen, in der Praxis oftmals eine Herausforderung. Die Regierungsführung Afghanistans und die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit werden als besonders schwach wahrgenommen.

Die Fähigkeit der Regierung, die Menschenrechte zu schützen, wird durch Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) untergraben. Ländliche und instabile Gebiete leiden Berichten zufolge unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Von der Regierung ernannte Richter und Staatsanwälte seien oftmals aufgrund der Unsicherheit nicht in der Lage, in diesen Gemeinden zu bleiben. Der UN-Ausschuss gegen Folter brachte seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass die Regierung keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten vor Repressalien für ihre Arbeit ergreift.

Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von Herausforderungen für effektive Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staates untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Berichten zufolge werden in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter selten zur Rechenschaft gezogen und für die Verbesserung der Übergangsjustiz besteht wenig oder keine politische Unterstützung. Wie oben angemerkt, begehen einige staatliche Akteure, die mit dem Schutz der Menschenrechte beauftragt sind, einschließlich der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei, Berichten zufolge in einigen Teilen des Landes selbst Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Berichten zufolge betrifft Korruption viele Teile des Staatsapparats auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene. Es wird berichtet, dass afghanische Bürger Bestechungsgelder zahlen müssen, um öffentliche Dienstleistungen zu erhalten, etwa dem Büro des Provinzgouverneurs, dem Büro des Gemeindevorstehers und der Zollstelle. Innerhalb der Polizei, so heißt es, sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch. Das Justizsystem sei auf ähnliche Weise von weitverbreiteter Korruption betroffen.

Berichten zufolge wenden sich lokale Gemeinschaften in einigen Gebieten an parallele Justizstrukturen, etwa örtliche Räte oder Ältestenräte oder Gerichte der Taliban, um zivile Streitfälle zu regeln. UNAMA stellt allerdings fest, dass diese Strukturen den Gemeinschaften in der Regel aufgezwungen werden und dass die in diesem Rahmen verhängten Strafen wie Hinrichtungen und Amputationen nach afghanischem Recht kriminelle Handlungen darstellen.

In Gebieten, in denen die Taliban versuchen, die lokale Bevölkerung von sich zu überzeugen, nehmen sie Berichten zufolge eine mildere Haltung ein. Sobald sich jedoch die betreffenden Gebiete unter ihrer tatsächlichen Kontrolle befinden, setzen die Taliban ihre strenge Auslegung islamischer Prinzipien, Normen und Werte durch. Es liegen Berichte über Taliban vor, die für das "Ministerium der Taliban für die Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters" tätig sind, in den Straßen patrouillieren und Personen festnehmen, weil diese sich den Bart abrasiert haben oder Tabak konsumieren. Frauen ist es Berichten zufolge nur in Begleitung ihres Ehemanns oder männlicher Familienmitglieder gestattet, das Haus zu verlassen und ausschließlich zu einigen wenigen genehmigten Zwecken wie beispielsweise einen Arztbesuch. Frauen und Männer, die gegen diese Regeln verstoßen, wurden Berichten zufolge mit öffentlichen Auspeitschungen bestraft, ja sogar getötet. In Gebieten, die von mit dem Islamischen Staat verbundenen Gruppen kontrolliert werden, wird Berichten zufolge ein sittenstrenger Lebensstil durch strikte Vorschriften und Bestrafungen durchgesetzt. Es wird berichtet, dass Frauen strenge Regeln, einschließlich Kleidungsvorschriften, und eingeschränkte Bewegungsfreiheit auferlegt wurden.

Die Regierung hat seit 2001 eine Reihe von Schritten zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Verabschiedung von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe der Frauen und die Schaffung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten. Allerdings stieß die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung immer wieder auf Widerstände. Das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen wurde 2009 durch Präsidialerlass verabschiedet, doch lehnten es konservative Parlamentsabgeordnete und andere konservative Aktivisten weiterhin ab. Das überarbeitete Strafgesetzbuch Afghanistans, das am 4. März 2017 mit Präsidialerlass verabschiedet wurde, enthielt ursprünglich alle Bestimmungen des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und stärkte die Definition des Begriffs Vergewaltigung. Jedoch wies Präsident Ghani das Justizministerium im August 2017 angesichts der Ablehnung durch die Konservativen an, das diesem Gesetz gewidmete Kapitel aus dem neuen Strafgesetzbuch zu entfernen. Das neue Strafgesetzbuch trat im Februar 2018 in Kraft, während in einem Präsidialerlass klargestellt wurde, dass das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen von 2009 als eigenes Gesetz weiterhin Geltung hat.

Laut Berichten, halten sich die Verbesserungen betreffend die Lage der Frauen und Mädchen insgesamt sehr in Grenzen. Laut der Asia Foundation erschweren "der begrenzte Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, ungerechte Bestrafungen für Verbrechen gegen die Sittlichkeit, ungleiche Teilhabe an der Regierung, Zwangsverheiratung und Gewalt" nach wie vor das Leben der Frauen und Mädchen in Afghanistan. Depressionsraten aufgrund von häuslicher Gewalt und anderen Menschenrechtsverletzungen nehmen Berichten zufolge unter afghanischen Frauen zu. Es wird berichtet, dass 80 Prozent der Selbstmorde in Afghanistan von Frauen begangen werden und sich manche von ihnen durch Selbstverbrennung das Leben nehmen.

Die Unabhängige Menschenrechtskommission für Afghanistan (AIHRC) stellte fest, dass Gewalt gegen Frauen noch immer eine "weit verbreitete, allgemein übliche und unleugbare Realität" ist und dass Frauen in unsicheren Provinzen und im ländlichen Raum besonders gefährdet durch Gewalt und Missbrauch sind. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte sehr oft straflos bleiben. Sexuelle Belästigung und die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleiben, so die Berichte, endemisch.

Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen Berichten zufolge überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.

Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz der Frauenrechte weiterhin nur langsam umgesetzt werden, vor allem was das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen betrifft. Das Gesetz stellt 22 gegen Frauen gerichtete gewalttätige Handlungen und schädliche traditionelle Bräuche, einschließlich Kinderheirat, Zwangsheirat sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt, unter Strafe und legt die Bestrafung der Täter fest. Den Behörden fehlt Berichten zufolge jedoch der Wille, das Gesetz umzusetzen. Dementsprechend werde es nicht vollständig angewendet, insbesondere in ländlichen Gebieten. Frauen hätten nur in sehr geringem Maße Zugang zur Justiz. Die überwiegende Mehrheit der Fälle von gegen Frauen gerichteten Gewaltakten, einschließlich schwerer Verbrechen gegen Frauen, würden noch immer nach traditionellen Streitbeilegungsmechanismen geschlichtet, anstatt wie vom Gesetz vorgesehen strafrechtlich verfolgt.

Das schiitische Personenstandsgesetz, das Familienangelegenheiten wie Heirat, Scheidung und Erbrecht für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft regelt, enthält mehrere für Frauen diskriminierende Bestimmungen, insbesondere in Bezug auf Vormundschaft, Erbschaft, Ehen von Minderjährigen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit außerhalb des Hauses.

Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in Afghanistan ist nach wie vor weit verbreitet: Die Zahl der angezeigten Fälle nimmt zu, doch die Dunkelziffer dürfte weit höher sein als die angezeigten Fälle. Im März 2018 bezeichnete die Unabhängige Menschenrechtskommission für Afghanistan Gewalt gegen Frauen als "eine der größten Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte in Afghanistan". Dazu gehören "Ehrenmorde", Entführungen, Vergewaltigungen, sexuelle Belästigung, erzwungene Schwangerschaftsabbrüche und häusliche Gewalt.

Da sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe von weiten Teilen der afghanischen Gesellschaft als Schande für die Familie betrachtet werden, besteht für Opfer von Vergewaltigungen außerhalb der Ehe die Gefahr, geächtet, zur Abtreibung gezwungen, inhaftiert oder sogar getötet zu werden. Es wurde festgestellt, dass gesellschaftliche Tabus und die Angst vor Stigmatisierung und Vergeltungsmaßnahmen, einschließlich durch die eigene Gemeinschaft oder Familie, ausschlaggebend dafür sind, dass Überlebende von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt keine Anzeige erstatten.

Der Zugang zur Justiz wird für Frauen, die Gewalttaten anzeigen möchten, zusätzlich durch die Tatsache erschwert, dass der Anteil der Frauen unter den Polizeikräften im Land nur bei etwas unter zwei Prozent liegt, da Polizistinnen weitgehend stigmatisiert werden. Berichten zufolge sind Polizistinnen selbst der Gefahr von sexueller Belästigung und von Übergriffen am Arbeitsplatz, unter anderem der Vergewaltigung durch männliche Kollegen, ausgesetzt. Sie seien außerdem durch gewalttätige Angriffe seitens regierungsfeindlicher Kräfte gefährdet.

Berichten zufolge besteht Straflosigkeit bei Handlungen von sexueller Gewalt auch deswegen weiter fort, weil es sich bei den mutmaßlichen Vergewaltigern in einigen Gebieten um mächtige Befehlshaber oder Mitglieder bewaffneter Truppen oder krimineller Banden handelt oder um Personen, die zu solchen Gruppen oder einflussreichen Personen Kontakt haben und von ihnen vor Inhaftierung und Strafverfolgung geschützt werden.

In Gebieten, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, besteht für Frauen und Männer, die unmoralischer Verhaltensweisen bezichtigt werden, das Risiko, über die parallelen Justizstrukturen dieser regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) zu harten Strafen, einschließlich zu Auspeitschung und zum Tod, verurteilt zu werden.

"Korruption und Autoritätsmissbrauch sind der Grund dafür, dass Menschen, die Frauen ermorden oder vergewaltigen und Verbindungen zu einem Anführer [einer aufständischen Gruppe], einem Anwalt oder Richter haben, nicht bestraft werden [...] Sie wissen, dass sie keine Bestrafung fürchten müssen und zögern aufgrund dieser Straffreiheit nicht, Morde und Vergewaltigungen zu begehen."

[Übersetzung durch UNHCR]. IWPR, Afghanistan's Domestic Violence Loophole, 16. Januar 2017,

https://iwpr.net/global-voices/afghanistans-domestic-violence-loophole.

"Erschreckende 87 % afghanischer Frauen sind Gewalt, vor allem durch Familienmitglieder und Personen, die behaupten, sie würden sie über alles lieben, ausgesetzt. Diese Gewalt äußert sich folgendermaßen:

frühe Eheschließungen und Zwangsehen, darunter auch baad (der Austausch von Mädchen zur Beilegung von Streitigkeiten) und baadal (Tauschehen); sogenannte Ehrenverbrechen; Vergewaltigungen und Ermordungen von Frauen; sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit; Selbstverbrennungen und selbstverletzendes Verhalten aufgrund von Gewalterfahrungen." [Übersetzung durch UNHCR]. Kabul Times, Woman, Who Has No Peace, 4. Dezember 2017, http://thekabultimes.gov.af/index.php/opinions/social/15661-woman-who-has-no-peace.html.

"In Afghanistan werden Frauen und Mädchen als Trägerinnen der Familienehre gesehen. Wenn sie gegen Bräuche, Traditionen oder Ehre verstoßen, sind sie auch diejenigen, die die Konsequenzen dafür tragen müssen. Afghanische Frauen, die vergewaltigt wurden, werden als Schande für ihre Familie oder die Gemeinschaft gesehen und werden dafür ein weiteres Mal durch Ehrenmorde bestraft. Eine ähnliche Situation zeigt sich auch für Frauen, die außerehelichen Liebesziehungen (zina) verdächtigt werden und dadurch Schande über ihre Familien bringen. Sie riskieren auf diese Weise, durch einen Ehrenmord getötet zu werden, der entweder von einem männlichen Familienmitglied ausgeht oder auf Anweisung eines lokalen, aus Männern bestehenden Ältestenrat geschieht." [Übersetzung durch UNHCR]. CGRS, Breaking Barriers: Challenges to Implementing Laws on Violence against Women in Afghanistan and Tajikistan, April 2016, https://cgrs.uchastings.edu//sites/default/files/Afghanistan_Tajikistan_Full%20Report_Revised%204-5-2016_FINAL_0.pdf, S. 14.

Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen:

Trotz Bemühungen der Regierung, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, sind Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, werden weiterhin gesellschaftlich stigmatisiert und allgemein diskriminiert. Außerdem ist ihre Sicherheit gefährdet. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete und für Gebiete, die von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden. Zu diesen Normen gehören strenge Kleidungsvorschriften sowieEinschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, wie zum Beispiel die Forderung, dass eine Frau nur in Begleitung einer männlichen Begleitperson in der Öffentlichkeit erscheinen darf. Frauen ohne Unterstützung und Schutz durch Männer, wie etwa Witwen und geschiedene Frauen, sind besonders gefährdet. Angesichts der gesellschaftlichen Normen, die allein lebenden Frauen Beschränkungen auferlegen, zum Beispiel in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit und auf Lebensgrundlagen, sind sie kaum in der Lage zu überleben. Bestrafungen aufgrund von Verletzungen des afghanischen Gewohnheitsrechts oder der Scharia treffen Berichten zufolge in überproportionaler Weise Frauen und Mädchen, etwa Inhaftierung aufgrund von "Verstößen gegen die Sittlichkeit" wie beispielsweise dem Erscheinen ohne angemessene Begleitung

Männer, die vermeintlich gegen vorherrschende Gebräuche verstoßen, können ebenfalls einem Misshandlungsrisiko ausgesetzt sein, insbesondere in Fällen von mutmaßlichem Ehebruch und außerehelichen sexuellen Beziehungen.

Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative:

Eine Bewertung der Möglichkeiten für eine Neuansiedlung setzt eine Beurteilung der Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative voraus. In Fällen, in denen eine begründete Furcht vor Verfolgung in einem bestimmten Gebiet des Herkunftslandes nachgewiesen wurde, erfordert die Feststellung, ob die vorgeschlagene interne Schutzalternative eine angemessene Alternative für die betreffende Person darstellt, eine Bewertung, die nicht nur die Umstände berücksichtigt, die Anlass zu der begründeten Furcht gaben und der Grund für die Flucht aus dem Herkunftsgebiet waren. Auch die Frage, ob das vorgeschlagene Gebiet eine langfristig sichere Alternative für die Zukunft darstellt, sowie die persönlichen Umstände des jeweiligen Antragstellers und die Bedingungen in dem Gebiet der Neuansiedlung müssen berücksichtigt werden. Wenn eine interne Schutzalternative im Zuge eines Asylverfahrens in Betracht gezogen wird, muss ein bestimmtes Gebiet für die Neuansiedlung vorgeschlagen werden und es müssen alle für die Relevanz und Zumutbarkeit des vorgeschlagenen Gebiets im Hinblick auf den jeweiligen Antragsteller maßgeblichen allgemeinen und persönlichen Umstände soweit wie möglich festgestellt und gebührend berücksichtigt werden. Dem Antragsteller muss eine angemessene Möglichkeit gegeben werden, sich zu der angenommenen Relevanz und Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative zu äußern. Eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, nicht gegeben in den von aktiven Kampfhandlungen zwischen regierungsnahen und regierungsfeindlichen Kräften oder zwischen verschiedenen regierungsfeindlichen Kräften betroffenen Gebieten nicht gegeben Geht die Verfolgung von regierungsfeindlichen Kräften aus, muss berücksichtigt werden, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Akteure den Antragsteller im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfolgen. Angesichts des geografisch großen Wirkungsradius einiger regierungsfeindlicher Kräfte, einschließlich der Taliban und des Islamischen Staates, existiert für Personen, die durch solche Gruppen verfolgt werden, keine interne Schutzalternative. Ferner müssen die Nachweise in Abschnitt II.C hinsichtlich der aufgrund ineffektiver Regierungsführung und weit verbreiteter Korruption eingeschränkten Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte zu bieten, berücksichtigt werden.

Hat der Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung, die von Mitgliedern der Gesellschaft aufgrund schädlicher traditioneller Bräuche und religiöser Normen ausgeht, die Verfolgungscharakter aufweisen, (siehe zum Beispiel die Risikoprofile 7, 10 und 12 in Abschnitt III.A), so muss die Akzeptanz solcher Normen und Bräuche in weiten Teilen der Gesellschaft und die einflussreichen konservativen Elemente auf allen Ebenen der Regierung als ein Faktor in Betracht gezogen werden, der gegen die Relevanz einer internen Schutzalternative spricht. UNHCR vertritt den Standpunkt, dass - verbunden mit den Nachweisen in Abschnitt II.C betreffend die eingeschränkte Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten, - davon auszugehen ist, dass die Erwägung einer internen Schutzalternative in diesen Fällen nicht relevant ist.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde, durch Einsichtnahme in die im gesamten Verfahren vorgelegten Dokumente - diese werden in Punkt 1. "Verfahrensgang" im Einzelnen genannt - weiters durch Einsichtnahme in die zitierten allgemeinen Länderfeststellungen sowie durch Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2019. Die Identität der BF2 erscheint unbedenklich. Ihr gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern bestehender aktueller Wohnort ergibt sich aus dem zentralen Melderegister der Republik Österreich. Die strafrechtliche Unbescholtenheit der BF2, des BF1 und des strafmündigen BF3 ergibt sich aus dem Strafregister der Republik Österreich.

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die Angaben der BF2 und die von ihr vorgelegten Ausbildungsnachweise. Die Angaben der BF2 bezüglich ihres Lebens in Afghanistan stehen auch mit den aktuell verfügbaren Länderberichten über die Situation in Afghanistan im Einklang. Die Aussagen des BF1 haben die Vorbringen der BF2 bezüglich ihres Lebensalltags in Österreich bestätigt.

Soweit im angefochtenen Bescheid die Meinung vertreten wird, die BF2 sei nicht am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert, da sie primär mit der Betreuung ihrer fünf Kinder und mit Hausarbeit beschäftigt sei, ist dem entgegenzuhalten, dass die BF2 die Integrationsprüfung (Niveau A2) erfolgreich absolviert hat und weiterhin täglich Deutschkurse besucht und sich überdies ehrenamtlich betätigt. Da BF1 und BF2 fünf gemeinsame minderjährige Kinder haben, die gut versorgt sind, liegt schon aus diesem Grund nahe, dass der BF1 die BF2 bei der Hausarbeit und Kinderbetreuung partnerschaftlich unterstützt. Die diesbezüglichen Aussagen der BF2 und des BF1, die eine Aufteilung der Arbeiten im Haushalt und bei der Kinderbetreuung bestätigen, waren somit nicht anzuzweifeln. Soweit im angefochtenen Bescheid bezweifelt wird, dass die BF2 österreichische Freunde habe, so stehen dem die unbedenklichen Aussagen der BF2 in der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2019 entgegen. Die BF2 wurde im Übrigen von einer österreichischen Kollegin aus jenem Altersheim, wo sie ehrenamtlich arbeitet, zur Verhandlung begleitet. Eine weitere Bekannte der Familie legte in der Verhandlung dar, dass sie den BF3 beim Lernen unterstützen wolle, damit er den Übertritt ins Gymnasium schaffen könne. Die von der belangten Behörde diesbezüglich erhobenen Zweifel erscheinen nicht schlüssig. Soweit im angefochtenen Bescheid argumentiert wird, die BF2 könnte sich auch in Afghanistan fortbilden, arbeiten, studieren und Sport betreiben, so sind dem die oben zitierten Länderfeststellungen des UNHCR entgegenzuhalten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 3. AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen is

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

§ 11 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die "begründete Furcht vor Verfolgung".

Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 17.3.2009, 2007/19/0459 ausgesprochen hat, wird die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Der für die Annahme einer aktuellen Verfolgungsgefahr erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den behaupteten Misshandlungen und dem Verlassen des Landes besteht auch bei länger zurückliegenden Ereignissen dann, wenn sich der Asylwerber während seines bis zur Ausreise noch andauernden Aufenthaltes im Lande verstecken oder sonst durch Verschleierung seiner Identität der Verfolgung einstweilen entziehen konnte. Ab welcher Dauer eines derartigen Aufenthaltes Zweifel am Vorliegen einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung begründet erscheinen mögen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. VwGH 94/20/0793 vom 7.11.1995).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; VwGH 27.06.1995, 94/20/0836; VwGH 23.07.1999, 99/20/0208; VwGH 21.09.2000, 99/20/0373; VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; VwGH 12.09.2002, 99/20/0505 sowie VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177) liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.

Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates liegt nicht schon dann vor, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine BürgerInnen gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen (vgl. VwGH 2006/01/0191 vom 13.11.2008); Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates ist jedoch dann gegeben, wenn der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 22.03.2003, 99/01/0256). Für eine/n Verfolgte/n macht es nämlich keinen Unterschied, ob er/sie aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm/ihr dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm/ihr nicht möglich bzw im Hinblick auf seine/ihre wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen.

Die Voraussetzungen der GFK sind nur dann gegeben, wenn der Flüchtling im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet. (VwGH 8.10.1980, VwSlg. 10.255).

Verfolgungsgefahr muss nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem/der Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden. Vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der/die Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er/sie könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; 22.10.2001 2000/01/0322).

Rechtliche Beurteilung des konkreten Sachverhaltes:

Die BF2 befindet sich aus wohlbegründeter Furcht aus Gründen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten Frauen außerhalb Afghanistans. Die BF2 hätte im Fall ihrer Rückkehr nach Afghanistan eine sie in ihrer Gesamtheit bedrohende Situation von asylrechtlicher Relevanz zu erwarten. In ihrem Heimatland würde die BF2 infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung finden. Die von der BF2 dargelegte Furcht vor Verfolgung ist daher dem Staat Afghanistan zuzurechnen. Die von BF2 dargelegte Verfolgung hat ihre Ursache in einem Grund, welchen Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt. Sie ist Ursache dafür, dass sich die BF2 außerhalb ihres Heimatlandes befindet. Die von der BF2 erwartete Verfolgung ist als ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der BF2 anzusehen. Sie ist geeignet, die Unzumutbarkeit ihrer Rückkehr nach Afghanistan zu begründen. Die von der BF2 dargelegte Verfolgung droht ihr mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit. Sie ist auch aktuell. Die von der BF2 dargelegte Furcht vor Verfolgung ist unter Berücksichtigung der aktuellen Verhältnisse in Afghanistan objektiv nachvollziehbar. Eine innerstaatliche Fluchtalternative für die BF2 besteht nicht, da im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer Situation auszugehen ist, in der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frauen einem erhöhten Sicherheitsrisiko ausgesetzt sind. Die BF2 hat ferner begründete Furcht vor Verfolgung, die von Mitgliedern der Gesellschaft aufgrund schädlicher traditioneller Bräuche und religiöser Normen ausgeht. Die Akzeptanz solcher Normen und Bräuche muss in weiten Teilen der Gesellschaft und die einflussreichen konservativen Elemente auf allen Ebenen der Regierung als ein Faktor in Betracht gezogen werden, der gegen die Relevanz einer internen Schutzalternative spricht. Die Erwägung einer internen Schutzalternative ist daher nicht relevant. Es liegen auch keine der in § 6 Abs 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vor.

Der Beschwerde ist daher stattzugeben, der BF2 gem. § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und dies gem. § 3 Abs. 5 AsylG mit der Feststellung, dass der Beschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt, zu verbinden.

Zu den weiteren BeschwerdeführerInnen

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder im Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberech

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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