TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/21 W251 2172366-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.10.2019
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Entscheidungsdatum

21.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2172366-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2017, Zl. 1073463903 - 150667495, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 12.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 13.06.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er seit 2006 in Afghanistan beim Militär und im Kommando tätig gewesen sei. Im Jahr 2010 habe er für 18 Tage in Deutschland am einem Treffen europäischer Länder zum Austausch von militärische Informationen teilgenommen. Nach der Rückkehr nach Afghanistan seien der Beschwerdeführer und seine Familie von den Taliban bedroht worden, da diese von der Reise ins Ausland erfahren haben. Daher sei er mit seiner Familie von Logar nach Kabul gezogen. Auch in Kabul sei er verfolgt worden und habe die Taliban versucht ihn zu entführen.

3. Am 05.01.2017 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass er nach seiner Rückkehr von einem Aufenthalt in Deutschland im Jahr 2010 von den Taliban gesucht worden sei. Auch nach der Übersiedelung nach Kabul sei es im Jahr 2015 zu einem weiteren Vorfall gekommen, unbekannte Personen haben ihn aufgefordert in ein Auto einzusteigen, weshalb er in weiterer Folge das Land verlassen habe.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können bzw. dass er nicht aus in der GFK genannten Gründen verfolgt worden sei. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der im Bereich einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Herat und Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen und finanzielle Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen könne und somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er aufgrund seiner unterstellten, gegen die Taliban gerichteten politisch-gesellschaftlichen Gesinnung sowie aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der mit westlichen Mächten kooperierenden Soldaten der afghanischen Armee asylrelevante Verfolgung drohte. Es wurden Mängel im Ermittlungsverfahren moniert, einschlägige Risikoprofile des UNHCR aufgezeigt, sowie auf die prekäre Sicherheitslage im gesamten afghanischen Staatsgebiet hingewiesen. Schließlich wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Vorlage von weiteren Beweismitteln begehrt.

6. Mit schriftlicher Stellungnahme vom 10.09.2018 brachte der Beschwerdeführer einen österreichischen Zeitungsartikel, in welchem über seine Hilfeleistung berichtet wurde sowie zwei unadressierte Dankesschreiben der Gemeinde über die Mitarbeit beim "Kindersommer" der Gemeinde 2017 und 2018 in Vorlage. Mit schriftlicher Stellungnahme vom 07.01.2019 brachte der Beschwerdeführer aktualisierte Berichte über die Sicherheitslage und Länderinformationen in Vorlage.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 20.02.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

8. Mit schriftlicher Stellungnahme vom 05.03.2019 verwies der Beschwerdeführer hinsichtlich einer innerstaatlichen Fluchtalternative auf die Berichtslage von EASO und UNHCR. Mit E-Mail vom 03.04.2019, übermittelte der Beschwerdeführer als Beweismittel einen Videoausschnitt.

9. Am 08.05.2019 wurde die mündliche Verhandlung in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers fortgesetzt. Im Zuge der mündlichen Verhandlung am 08.05.2019 hat der Beschwerdeführer weitere Unterstützungsschreiben (Beilage ./A und Beilage ./F) sowie ein weiteres Foto (Beilage ./E) vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben (AS 1, AS 73; Verhandlungsprotokoll vom 20.02.2019 = OZ 11, S. 6).

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Logar, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren (AS 1; OZ 11, S. 6). Er ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern aufgewachsen und hat dort bis zu seiner Übersiedelung nach Kabul gelebt (OZ 11, S. 16; AS 11, AS 67). Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan keine reguläre Schule besucht, er hat Alphabetisierungskurse besucht. (OZ 11, S. 7; AS 1,).

Der Beschwerdeführer hat vor seiner Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern, seinem Bruder, seinen zwei Schwestern, seiner Frau und seinen fünf Kindern im Eigentumshaus seines Vaters in Kabul gelebt (OZ 11, S. 17). Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat fünf Kinder (AS 1, 5, 71, 75; OZ 11, S. 8).

Der Beschwerdeführer ging in Afghanistan einer beruflichen Tätigkeit nach, er hat jedoch niemals für das Militär gearbeitet oder sich an Kampfhandlungen beteiligt. Die tatsächliche berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers in Afghanistan konnte nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist 2015 legal mit einem iranischen Visum vom Flughafen Kabul ausgereist (Verhandlungsprotokoll vom 08.05.2019 = OZ 17, S. 10; AS 7). Der Beschwerdeführer ist in weiterer Folge unter Umgehung der Grenzkontrollen, schlepperunterstützt nach Österreich eingereist und hält sich zumindest seit seinem polizeilichen Aufgriff am 11.06.2015 durchgehend in Österreich auf. Er ist in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig (AS 27).

Der Beschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Die Eltern, der Bruder, die vier Schwestern, die Ehefrau, die fünf Kinder, einige Onkel väterlicherseits, drei Tanten väterlicherseits, zwei Onkel mütterlicherseits sowie zwei Tanten mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben in Afghanistan. Drei Tanten väterlicherseits haben zum Zeitpunkt der Ausreise in Logar gelebt, eine Tante mütterlicherseits lebt in Mazar-e Sharif. Alle anderen Familienmitglieder des Beschwerdeführers leben in Kabul (OZ 11, S. 17 f). Der Vater des Beschwerdeführers arbeitet als Koch und versorgt seit seiner Ausreise die gesamte Familie. Die finanzielle Situation der Familie in Afghanistan ist mittelmäßig (AS 7). Der Beschwerdeführer hat täglich Kontakt zu seiner Familie (OZ 11, S. 18).

Der Beschwerdeführer spricht als Muttersprache Dari, er spricht zudem Paschtu und ein wenig Urdu. Der Beschwerdeführer kann in Dari lesen und schreiben (OZ 11, S. 8; AS 1). Der Beschwerdeführer hat nur sehr geringe Deutschkenntnisse. Der Beschwerdeführer hat die in der Verhandlung auf Deutsch gestellten Fragen nur vereinzelt verstanden und konnte davon auch nur wenige beantworten (OZ 11, S. 19 f). Der Beschwerdeführer hat von Oktober 2015 bis Dezember 2016 Deutschkurse im Ausmaß von 104 Stunden besucht (AS 85 bis 89). Er hat keine Deutschprüfung abgelegt (OZ 11, S. 20). Der Beschwerdeführer hat in den Ferien 2016 sowie im Sommer 2017 und im Sommer 2018 an einer von seiner Wohnsitzgemeinde organisierten Kindersportveranstaltung mitgearbeitet (AS 83; Beilage ./B; Beilage ./C). Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus in Österreich durch sein beherztes Eingreifen im August 2018 eine Frau vor einem gewalttätigen Übergriff gerettet (Beilage ./D). Das Opfer, sowie dessen Familie, Angehörige und Bekannte sind dem Beschwerdeführer für seine Hilfeleistung sehr dankbar (Beilage ./A; Beilage ./F). Der Beschwerdeführer wird von seinen Freunden, seinen bekannten und der Gemeinde in Österreich aufgrund seiner Hilfsbereitschaft und aufgeschlossenen, höflichen sowie verlässlichen Art besonders geschätzt (AS 83).

Der Beschwerdeführer lebt von Leistungen aus der Grundversorgung (Beilage ./IX). Der Beschwerdeführer geht keiner ehrenamtlichen Arbeit nach, gelegentlich hilft er einer älteren Dame, die Beinbeschwerden hat, bei den Einkäufen oder mit der Post, wofür er ein Trinkgeld erhält (OZ 11, S. 21). Der Beschwerdeführer spielt in seiner Freizeit Fußball und geht gerne laufen. Er ist kein Mitglied in einem Verein (OZ 11, S. 21). Der Beschwerdeführer pflegt in Österreich freundschaftliche Kontakte zu seinen (früheren) Deutschlehrerinnen und einem Österreicher aus derselben Gemeinde (OZ 11, S. 22).

Der Beschwerdeführer hat einmal in zwei bis drei Wochen Kontakt zum in Österreich lebenden Cousin seiner Ehefrau, eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht nicht (OZ 11, S. 21). Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen (Kinder, Ehefrau, etc.) in Österreich (AS 75; OZ 11, S. 21 f).

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Der Beschwerdeführer ist gesund und hat derzeit keine medizinischen Beschwerden (OZ 17, S. 4; OZ 11, S. 4; AS 67). Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und arbeitsfähig, er kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./IX).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan nicht für das Militär bzw. die afghanische Armee tätig. Der Beschwerdeführer war insbesondere weder in einer Führungsposition noch bei einer Spezialeinheit des Militärs tätig. Der Beschwerdeführer hat nicht bei einem Militärtraining in Deutschland teilgenommen. Der Beschwerdeführer verfügt über keine militärischen Kenntnisse und kein militärisches Fachwissen.

Der Beschwerdeführer wurde niemals von den Taliban oder anderen Personen, Organisationen oder regierungsfeindlichen Truppen gesucht oder bedroht. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie hatten jemals Kontakt zu den Taliban. Auch aktuell wird weder der Beschwerdeführer noch dessen Familie von den Taliban oder anderen Personen gesucht, bedroht oder verfolgt.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban, durch Aufständische oder durch andere Personen.

1.2.2. Ebenso wenig droht dem Beschwerdeführer die konkrete und individuelle Gefahr einer zwangsweisen Rekrutierung durch die Taliban in Afghanistan.

1.2.3. Dem Beschwerdeführer droht wegen seiner ethnisch-religiösen Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Tadschiken konkret und individuell weder physische noch psychische Gewalt in Afghanistan. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass Angehörige der Religionsgemeinschaft der Schiiten oder der Volksgruppe der Tadschiken in Afghanistan allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.

1.2.4. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan weder psychischer noch physischer Gewalt ausgesetzt.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in die Provinz Logar ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Der Beschwerdeführer kann sich jedoch aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif niederlassen.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Der Beschwerdeführer kann zudem von seinen Familienangehörigen, die in den Städten Kabul und Mazar e-Sharif leben, bei einer Rückkehr nach Afghanistan unterstützt werden. Der Beschwerdeführer kann - wie auch vor seiner Ausreise aus Afghanistan - im Eigentumshaus seines Vaters, in welchem auch seine Mutter, Ehefrau und die fünf Kinder des Beschwerdeführers leben, wieder Unterkunft nehmen. Er kann von seinem Vater, da die finanzielle Lage der Familie durchschnittlich ist, zumindest vorübergehend finanziell unterstützt werden. Darüber hinaus kann der Beschwerdeführer auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Zudem hat der Beschwerdeführer auch in Mazar- e Sharif eine Tante, weshalb er auch bei dieser - zumindest anfänglich - Unterkunft nehmen kann. Es ist dem Beschwerdeführer ebenfalls möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage:

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 26.03.2019 - LIB 26.03.2019, S. 59).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 26.03.2019, S. 59).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 26.03.2019, S. 62).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmland. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 26.03.2019, S. 70).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 26.03.2019, S. 63).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 26.03.2019, S. 63). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 26.03.2019, S. 64 ff).

Logar:

Logar befindet sich 65 km südlich von Kabul. Verschiedene Teilstämme der Paschtunen. Tadschiken. Hazara und Kuchi leben in der Provinz. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 405.109 geschätzt.

Im Distrikt Mohammadagha befindet sich die Ortschaft Mes Aynak. auf Dari "Kupferquelle". ein Ort. der für seine archäologischen Funde und Kupfervorkommen bekannt ist. Im Jahr 2007 unterzeichnete Afghanistan ein 30jähriges Pachtverhältnis mit chinesischen Unternehmen zum Ausbau des Mes Aynak Kupferbergwerks; das Projekt musste jedoch aus verschiedenen Gründen (Probleme seitens der chinesischen Partner. Schwierigkeiten in der Wertschöpfungskette. Sicherheitsgründe usw.) derzeit eingestellt werden. Abgesehen von zwei Sicherheitsvorfällen in 2008 und 2012 wurde Mes Aynak von direkten Angriffen seitens Aufständischer verschont. Die Taliban versprachen Ende 2016, sich nicht mehr in die Bauarbeiten des Mes Aynak Kupferbauwerks einzumischen und die Regierung erhöhte das Polizeikontingent vor Ort. Logar gehörte 2017 zu den Opium-freien Provinzen.

Logar gehört zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Einem hochrangigen Polizeibeamten zufolge hat sich die Sicherheitslage im Vergleich zur Vergangenheit verbessert. Außerdem plane man, Operationen gegen die Taliban zu verstärken. Aufgrund der Nähe zu den Außendistrikten der Stadt Kabul, fanden in Logar heftige Gefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften statt. Im Jahr 2017 gehörte Logar zu den Provinzen mit der höchsten Anzahl registrierter Anschläge. Im gesamten Jahr 2017 wurden in Logar 148 zivile Opfer (67 getötete Zivilisten und 81 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen und Luftangriffen. Dies bedeutet einen Rückgang von 35% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Obwohl die Gefechte u.a. in Logar stiegen, sank in der Provinz die Anzahl der zivilen Opfer in Folge von Bodenoffensiven. ANA-Beamten zufolge verstärken afghanische Truppen ihre militärischen Operationen gegen die Taliban in der volatilen Provinz, um die Stellungen der Aufständischen zu zerstören. So werden in Logar regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien; dabei wurden Talibananführer und Mitglieder des Haqqani-Netwerkes getötet. Luftangriffe werden durchgeführt; dabei wurden Aufständische getötet. Zusammenstöße zwischen den Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften finden statt. Talibankämpfer sind in einigen Distrikten der Provinz aktiv. Auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, über eine Präsenz in Teilen der Provinz zu verfügen und verschiedene Angriffe in Logar auszuüben. In einigen abgelegenen Distrikten der Provinz versuchten Taliban, ihre religiösen Ansichten in den Schulen zu verbreiten. Im März 2017 versuchte der IS, junge Männer in der Provinz Logar zu rekrutieren, auch wurden tschetschenische Staatsbürger, möglicherweise Anhänger des IS, in der Provinz Logar verhaftet. Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in Logar IS-bezogene Vorfälle (Gefechte) registriert. (LIB 26.03.2019, S. 167ff).

Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

4.679.648 geschätzt. In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen durch den die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 26.03.2019, S. 69f).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, die sich überwiegend in der Hauptstadt Kabul ereigneten (LIB 26.03.2019, S. 69f).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB 26.03.2019, S. 71).

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt (LIB 26.03.2019, S. 71f).

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch das Haqqani-Netzwerk soll Angriffe in der Stadt Kabul verübt haben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (LIB 19.10.2018, S. 72).

Herat:

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen, ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz beträgt 1.967.180 Einwohner.

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat.

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Nach zehn Jahren der Entminung sind 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen in den Distrikte Gulran und Shindand wurden diese noch nicht von Minen geräumt (LIB 26.03.2019, S. 138).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 26.03.2019, S.102).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 26.03.2019, S. 103).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 26.03.2019, S. 103).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 26.03.2019, S. 103).

Dürre:

Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Da die Getreideernte in Pakistan und im Iran gut ausfallen wird, kann ein Defizit in Afghanistan ausgeglichen werden. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2014 (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Beilage ./VI, S. 3). Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil (Anfragebeantwortung von ACCORD, Beilage ./VII, S. 8). Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen (Beilage ./VI, S. 11).

Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an (Beilage ./VII, S. 2, S. 5). Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten (Beilage ./VII, S. 6). Arme Haushalte, die von einer wassergespeisten Weizenproduktion abhängig sind, werden bis zur Frühjahrsernte sowie im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken (Beilage ./VII, S. 11). Es werden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt (Beilage ./VII, S. 17ff).

Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten (Beilage ./VII, S. 15f).

Von Mai bis Mitte August 2018 sind ca. 12.000 Familien aufgrund der Dürre aus den Provinzen Badghis und Ghor geflohen um sich in der Stadt Herat anzusiedeln. Dort leben diese am westlichen Stadtrand von Herat in behelfsmäßigen Zelten, sodass am Rand der Stadt Herat die Auswirkungen der Dürre am deutlichsten sind (Beilage ./VI, S. 5f). Mittlerweile sind 60.000 Personen nach Herat geflohen (Beilage ./VII, S. 5). Es ist besonders die ländliche Bevölkerung, insbesondere in der Provinz Herat, betroffen (Beilage ./VII, S. 7). Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt (Beilage ./VII, S. 10; Beilage ./VII, S. 2).

Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt (Beilage ./VI, S. 8). Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif- Stadt (Beilage ./VII, S. 3; Beilage ./VI S. 1 und 3). Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung (Beilage ./VI, S. 2).

Die Stadt Mazar-e Sharif selbst ist nicht von den Auswirkungen der Dürre betroffen.

Medizinische Versorgung:

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 26.03.2019, S. 376 ff).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 26.03.2019, S. 359 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 26.03.2019, S. 359).

Wirtschaft:

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 26.03.2019, S. 353).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 26.03.2019, S. 353).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 26.03.2019, S. 366 f).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 26.03.2019, S. 367f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 26.03.2019, S. 367f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 26.03.2019, S. 369f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 26.03.2019, S. 370f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 26.03.2019, S. 371).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 26.03.2019, S. 371).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt (LIB 26.03.2019, S. 314).

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan, sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (LIB 26.03.2019, S. 305).

Tadschiken sind allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 26.03.2019, S. 304).

Schiiten:

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara. Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an (LIB 26.03.2019, S. 307).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Einige schiitische Muslime bekleiden höhere Regierungsposten. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern. Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen (LIB 26.03.2019, S. 307).

Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB 26.03.2019, S. 308).

Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Schiiten in Afghanistan allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in den mündlichen Verhandlungen vom 20.02.2019 und vom 08.05.2019 und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./X (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister, vom 14.02.2019 Beilage ./I;

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 08.01.2019, Beilage ./II;

Bericht Landinfo, Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne, Beilage ./III; Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gefährdungslage für Dolmetscher, Regierungsmitarbeiter, vom 11.02.2014, Beilage ./V; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Lage in Herat-Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018, Beilage ./VI; Anfragebeantwortung ACCORD, Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018, Beilage ./VII; Übersetzung auf Deutsch der EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2018 hinsichtlich Punkt III. [Subsidiärer Schutz] und Punkt V. [innerstaatliche Schutzalternative], Beilage ./VIII; Konvolut ZMR, GVS, Strafregister, vom 07.05.2019, Beilage ./IX; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 26.03.2019, Beilage ./X;), die Beilage ./A bis ./F (Urkundenvorlage hinsichtlich der Beilage ./A bis ./E in der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2019; Unterstützungsschreiben, Beilage ./A; Dankesschreiben

für die Mitarbeit am Kindersommer 2018, Beilage ./B; Dankesschreiben

für die Mitarbeit am Kindersommer 2017, Beilage ./C; Auszuge aus einer österreichischen Tageszeitung, Beilage ./D; Foto, Beilage ./E; Urkundenvorlage hinsichtlich der Beilage ./F in der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2019; Unterstützungsschreiben vom 02.05.2019, Beilage ./F) sowie die übermittelte Videoaufnahme (OZ 16).

Dem Erkenntnis werden die EASO Country Guidance Afghanistan sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender zugrunde gelegt (OZ 11, S. 23).

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und zu seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seine Schulbildung, sein Familienstand) gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers waren seine Angaben nicht glaubhaft. Dazu wird auf Punkt II.2.2. verwiesen. Die tatsächlich vom Beschwerdeführer in Afghanistan ausgeübte berufliche Tätigkeit konnte mangels glaubhafter Angaben nicht festgestellt werden. Da der Beschwerdeführer jedoch in Afghanistan geheiratet hat, seine Kinder ebenfalls in Afghanistan leben und er erst im Alter von ca. 27 Jahren Afghanistan verlassen hat, geht das Gericht davon aus, dass er in Afghanistan für sich und seine Familie den Lebensunterhalt erwirtschaftet hat und er daher einer Arbeit nachgegangen ist und über Berufserfahrung verfügt.

Die Feststellungen zur Einreise und zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den unwiderlegt gebliebenen Angaben des Beschwerdeführers sowie aus dem unstrittigen Akteninhalt.

Dass der Beschwerdeführer mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut ist, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan geboren ist und den Großteil seines bisherigen Lebens dort gelebt hat. Der Beschwerdeführer ist im Umfeld seiner afghanischen Familie aufgewachsen und wurde entsprechend der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert.

Dass die Familienangehörigen des Beschwerdeführers nach wie vor in Afghanistan leben und der Beschwerdeführer täglich Kontakt zu Ihnen hat, war aufgrund seiner diesbezügliche schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben festzustellen. Ebenso waren die Feststellungen zur finanziellen Situation und Versorgung der Familie aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu treffen.

Die Feststellung zur Muttersprache des Beschwerdeführers ergibt sich aufgrund seiner eigenen Angaben. Die weiteren Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers waren aufgrund seiner eigenen Angaben im Verfahren festzustellen (OZ 11, S. 8). Dass der Beschwerdeführer kaum Deutsch spricht, konnte vom Gericht festgestellt werden, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten und nicht übersetzten Fragen nur vereinzelt verstanden hat und nur wenige beantworten konnte (OZ 11, S. 19 f).

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (zu seinen Deutschkursen und der unterbliebenen Deutschprüfung, zum Leistungsbezug aus der Grundversorgung, zu seiner Mitarbeit bei Kindersportveranstaltungen sowie seiner Integration) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in den mündlichen Verhandlungen und dem Bundesamt vorgelegten Unterlagen (Beilagen ./A bis ./F; AS 83).

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers und zu seinen sozialen Bindungen in Österreich waren aufgrund der von ihm vorgelegten Unterlagen und seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2019 zu treffen. Dass der Beschwerdeführer einmal in zwei bis drei Wochen Kontakt zum in Österreich lebenden Cousin seiner Ehefrau pflegt und keine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht, war aufgrund seiner eigenen Angaben festzustellen (OZ 11, S. 21). Es haben sich keine über typische im Alltagsleben aufgrund des Aufenthalts in Österreich hinausgehende enge soziale Bindungen ergeben (OZ 11, S. 21 f).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in den mündlichen Verhandlungen (OZ 17, S. 4; OZ 11, S. 4; AS 67). Hinweise auf lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich anpassungsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er in Österreich bei Kindersportveranstaltungen mitgearbeitet hat und er sich in Österreich an sich zurechtfindet. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen. Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich arbeitsfähig ist und einer regelmäßigen Arbeit nachgehen kann, ergibt sich daraus, dass im Verfahren keine Umstände hervorgekommen sind, die gegen eine Arbeitsfähigkeit sprechen. Der Beschwerdeführer selbst hat zudem angegeben, arbeiten zu wollen (OZ 17, S. 9; AS 81).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr, da er in Afghanistan für das afghanische Militär bzw. die afghanische Armee tätig gewesen sei und aufgrund seiner Position bzw. aufgrund der Teilnahme an einem Militärtraining in Deutschland, von den Taliban oder anderen Personen bzw. regierungsfeindlichen Personen oder Organisationen gesucht oder bedroht sei, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

2.2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung von zwei mündlichen Verhandlungen und aufgrund des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlungen angehalten, sein Vorbringen von sich aus abschließend und möglichst umfassend, detailliert, sowie wahrheitsgemäß darzulegen. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden.

Der Beschwerdeführer präsentierte sowohl beim Bundesamt als auch vor Gericht eine bloße Rahmengeschichte, die er selbst auf mehrfaches Nachfragen kaum mit Details ergänzen konnte. Obwohl der Beschwerdeführer teilweise ein weitschweifiges Vorbringen zu seinen Fluchtgründen erstattete, waren seine Angaben wenig detailreich und waren betreffend seine Fluchtgeschichte etliche Ungereimtheiten und Widersprüche enthalten, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Der Beschwerdeführer gab auch ausweichende Antworten. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt.

2.2.2. Wenngleich geraume Zeit zwischen den behaupteten Vorfällen und der Schilderung durch den Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht vergangen ist, so hätte es dem Beschwerdeführer jedenfalls möglich sein müssen, zumindest seine langjährige und potentiell gefährliche Tätigkeit als Militärbediensteter sowie Details zu seiner Tätigkeit, wie insbesondere Kampfeinsätze und Organisationseinheiten nachvollziehbar zu beschreiben. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Tätigkeit als Militärbediensteter in Afghanistan waren hingegen vage und ausweichend.

Bereits hinsichtlich der grundlegenden Angaben zu seinem Dienstgrad und seiner Position machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben:

Zunächst führte der Beschwerdeführer beim Bundesamt aus, dass er als Ingenieur tätig gewesen sei, Sprengstoffe entschärft und 10 Leute als Einsatzgruppenleiter, mit der Bezeichnung " XXXX " kommandiert habe (AS 71).

In der mündlichen Verhandlung am 20.02.2019 gab der Beschwerdeführer hingegen an, dass er zuerst einfacher Soldat gewesen und nach ca. 2 Jahren Militärdienst zum Leutnant befördert worden sei. Er habe eine Führungsposition gehabt und 10 Personen seien ihm unterstellt gewesen (OZ 11, S. 10 und 13). Befragt zu seinem Aufgabenbereich in Kabul führte der Beschwerdeführer aus, dass er 44 Personen befehligt habe (OZ 11, S. 13).

Konfrontiert mit den widersprüchlichen Angaben, wonach der Beschwerdeführer einerseits erklärte 10 Personen, an anderer Stelle wiederum ausführte 44 Personen befehligt zu haben, gab der Beschwerdeführer an, dass er bei seinem Wechsel nach Kabul eine bessere Position erhalten habe (OZ 11, S. 13). Diese Verantwortung des Beschwerdeführers war nicht plausibel, da davon auszugehen ist, dass ein Militärbediensteter nach 9 Jahren Dienstzeit in der Lage ist, die von ihm kommandierte Personenanzahl in den entsprechenden Kontext mit seiner jeweiligen Position zu bringen. Selbst unter Berücksichtigung der geringeren Schulbildung des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass ein langjähriger Militärbediensteter mit Führungsverantwortung in der Lage wäre, verschiedene Karriereabschnitte verbunden mit der entsprechenden Anzahl an unterstellten Soldaten widerspruchsfrei und schlüssig darzulegen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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