TE Bvwg Beschluss 2019/10/21 W179 2205608-2

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Veröffentlicht am 21.10.2019
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Entscheidungsdatum

21.10.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2 Z2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W179 2205608-2/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. iur. Eduard Hartwig PAULUS in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , GZ XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 betreffend XXXX , geb am XXXX , zuletzt wohnhaft in XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, beschlossen:

A) Beschwerde:

Die mündlich verkündete Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes erfolgte ausweislich § 12a Abs 2 Z 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B) Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen aus der Provinz Laghman, stellte am XXXX seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde dieser erste Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Dieser erste Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung im Akt gemäß § 23 Abs. 2 ZustellG rechtswirksam zugestellt und ist am XXXX in Rechtskraft erwachsen.

2. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX von den XXXX nach Österreich rücküberstellt, wo er am selben Tag einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Im Rahmen seiner Erstbefragung am

XXXX gab er an, keine neuen Asylgründe zu haben, seine Fluchtgründe, die er im ersten Verfahren angegeben habe, würden aufrecht bleiben.

Am XXXX wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass ihm der Blinddarm entfernt worden sei, er nehme aber keine Medikamente und müsse lediglich zum Verbandwechseln zum Arzt. In Österreich habe er keine Verwandten und stehe in keinem finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zu einer bestimmten Person. Befragt, was sich seit dem negativen Abschluss des ersten Vefahrens am XXXX geändert habe, gab der Beschwerdeführer an, dass seine damaligen Probleme immer noch bestehen würden und er keinen Kontakt zu seiner Familie habe. Er sei sich sicher, dass er immer noch von den Taliban gesucht werde. Er habe Angst, dass er von den Taliban getötet werden könnte. Der Beschwerdeführer legte diverse Beweismittel vor, darunter einen behaupteten Drohbrief der Taliban.

Mit dem zweiten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchpunkt VI.).

Diesen zweiten Bescheid zog der Rechtsmittelwerber vollumfänglich in Beschwerde.

3. Die gegen den zweiten Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 21.9.2018, W135 2205608-1/2E, in allen angefochtenen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen. Diese hiergerichtliche Entscheidung erwuchs - gegenüber dem Beschwerdeführer - am XXXX in Rechtskraft.

4. Daraufhin reiste der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrolle illegal nach XXXX , wo er am XXXX wiederum einen Asylantrag stellte.

2. Gegenständliches Verfahren:

5. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer Dublin-IN Rücküberstellungen von XXXX nach Österreich überstellt, woraufhin er am selben Tage den dritten hier verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

In der polizeilichen Erstbefragung am Flughafen in Wien am XXXX gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen an: "Die alten Fluchtgründe bleiben aufrecht. Jedoch haben die Taliban meinen XXXX angeschossen und er ist seitdem XXXX ab der Hüfte. Ich werde auch von den Taliban gesucht und es kannte dasselbe passieren. Es gibt Drohbriefe an mich die bei der Behörde liegen. Das sind alle meine einzigen Fluchtgründe."

Er fürchte, dass ihn die Taliban umbringen würden, beweisen könne er dies mit den bei der Behörde liegenden Drohbriefen der Taliban.

6. Nach erfolgter Ladung zur Einvernahme vor der belangten Behörde wird dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung vom XXXX von dieser mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den faktischen Abschiebeschutzes durch mündlichen Bescheid aufzuheben.

7. In der behördlichen Einvernahme am XXXX gibt der Beschwerdeführer an, aktuell Medikamente einzunehmen, nämlich XXXX . Er sei in XXXX zum Arzt gegangen und gehe auch in Österreich zum Arzt, er habe ein XXXX Leiden, XXXX , auch habe Angst vor Abschiebung nach Afghanistan. Sein XXXX sei beim Einkauf von den Taliban angeschossen und in den XXXX getroffen worden, dass dieser nun XXXX sei. In Beschreibung seines aktuellen Gesundheitszustandes gibt er an, er könne in der Nacht nicht schlafen, habe Kopfschmerzen und deswegen ein XXXX Leiden. Der Beschwerdeführer legt drei XXXX Schreiben (2 Rezepte und eine ärztliche Bescheinigung) vor.

Zur Verfolgungsgefahr gibt er daran, sein Leben sei in Gefahr und würden die Mitglieder seiner Familie der Reihe nach getötet, das XXXX, und der XXXX angeschossen. Seine Fluchtgründe aus dem Vorverfahren in Österreich blieben aufrecht. Die erfolgte Änderung der Fluchtgründe sei, dass sein XXXX angeschossen worden und die Familie deshalb aus Afghanistan geflüchtet sei.

Auch legt der Beschwerdeführer eine Kopie eines Ausweises seiner behaupteten Tätigkeit im afghanischen XXXX vor und gibt sein Rechtsberater dazu an, dass diese Ausweiskopie bereits im Beschwerdeverfahren zum letzten Verfahren vorgelegt worden ist.

Nach Beendigung der Einvernahme gibt der Beschwerdeführer unvermittelt an, er sei auch in XXXX von unbekannten Personen über eine Sprachbox-Nachricht auf dem Mobiltelefon bedroht worden, er sei aufgefordert worden, nach " XXXX " zukommen, das sei ein Ort in XXXX , damit er dort XXXX werden könne. Auf seine Frage, wer der Anrufer sei, habe man ihm lediglich ein "Bild mit dem XXXX " geschickt; bei der Polizei in XXXX sei er nicht gewesen, es sei auch nicht zu weiteren Vorfällen gekommen.

8. Mit Schreiben vom XXXX beauftragt die belangte Behörde die Übersetzung der drei XXXX Schreiben, und werden ihr diese am XXXX übermittelt.

9. Am XXXX versucht der Beschwerdeführer illegal in die XXXX einzureisen, allerdings wird ihm am selben Tage von den XXXX Behörden die Einreise verweigert.

10. Am XXXX begibt sich der Beschwerdeführer freiwillig in ein näher bestimmtes Landeskrankenhaus, in welches er für vier Tage stationär wegen XXXX aufgenommen und sodann auf eigenen Wunsch entlassen wird.

11. Über Veranlassung der belangten Behörde wird der Beschwerdeführer am XXXX von einer Ärztin für Allgemeinmedizin, die über ein ÖÄK-Diplom für psychosomatische und XXXX verfügt, selbst Psychotherapeutin als auch allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierte Sachverständige ist, eingehend befragt und untersucht, sowie in der Folge ein Gutachten zum Beschwerdeführer erstattet.

12. Mit Schreiben vom XXXX holt die belangte Behörde die Befunde des besagten Landeskrankenhauses zum Beschwerdeführer ein.

13. Am XXXX wird der Beschwerdeführer von der belangten Behörde zum zweiten Mal einvernommen und legt er selbst die Befunde des besagten Landeskrankenhauses vor. Zu seinen Fluchtgründen befragt gibt der Beschwerdeführer an, er habe der Behörde bereits alle Probleme gesagt und alle Unterlagen vorgelegt, ebenso habe er bereits alle Beweismitteln vorgelegt, geändert habe sich, dass die Taliban sein

XXXX zwischenzeitig angeschossen habe und dieser nicht mehr XXXX könne.

14. In der Folge wird mittels mündlich verkündetem Bescheid, welcher im Protokoll über die eben angeführte Einvernahme am XXXX dokumentiert ist, der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 aufgehoben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründet dies nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen damit, dass sich der maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe.

15. Der gegenständliche Akt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde aufgrund des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 am XXXX übermittelt. Die belangte Behörde wurde gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG über das Einlangen des Verwaltungsakts am selben Tag verständigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Der Antragsteller ist Staatsangehöriger Afghanistans.

2. In den - rechtskräftig - abgeschlossenen Verfahren zum ersten als auch zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz, gestellt in Österreich, gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, seine Familie werde von den Taliban verfolgt und bedroht, insbesondere sein XXXX, der im afghanischen XXXX gearbeitet habe, als auch er persönlich als ehemaliger Mitarbeiter des afghanischen XXXX ; und legte der Beschwerdeführer in diesen Verfahren dazu insbesondere bereits einen Drohbriefe der Taliban als auch eine Kopie seines behaupteten Ausweises als Mitarbeiter des XXXX in Afghanistan vor.

3. Im jetzigen Verfahren zum dritten Antrag auf internationalen Schutz gibt der Beschwerdeführer an, seine Fluchtgründe seien im Wesentlichen die gleichen, neu hinzugekommen sei, dass zwischenzeitig sein XXXX so von den Taliban angeschossen worden wäre, dass dieser nun XXXX sei, und die gesamte Familie inzwischen Afghanistan verlassen habe, weil ihr XXXX worden sei.

4. Der von der belangten Behörde erlassene negative Bescheid über den zweiten Antrag (erster Folgeantrag) des Beschwerdeführers vom

XXXX auf Gewährung internationalen Schutzes ist - nach Abweisung der dagegen beim Bundesverwaltungsgericht erhobenen Beschwerde - am XXXX gegenüber dem Beschwerdeführer in Rechtskraft erwachsen. Mit diesem Bescheid wurde zugleich eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen.

5. Die drei vorgelegten XXXX Schreiben weisen folgenden Inhalt auf:

XXXX

XXXX

XXXX

6. Der Beschwerdeführer war im Landesklinikum XXXX vom XXXX bis inklusive XXXX in stationärer Krankenhausbehandlung. Ein vorläufiger Arztbrief der Abteilung XXXX des genannten Krankenhauses vom Entlassungstag XXXX berichtet zum Beschwerdeführer wie folgt:

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

7. Über Veranlassung der belangten Behörde wird der Beschwerdeführer am XXXX von einer Ärztin für Allgemeinmedizin, die über ein ÖÄK-Diplom für psychosomatische und XXXX verfügt, selbst Psychotherapeutin als auch allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierte Sachverständige ist, eingehend befragt und untersucht, sowie nach Beschreibung der angewandten Methoden, der Eigenanamnese und Wiedergabe der medizinischen Vorgeschichte (insbesondere der zuvor festgestellten Befunde des besagten Landeskrankenhauses als auch aus XXXX ) in der Folge ein Gutachten zum Beschwerdeführer erstattet.

Das Gutachten zieht nachstehende XXXX Schlussfolgerungen:

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

8. Der Beschwerdeführer leidet an keiner XXXX, sondern an einer XXXXg, die empfohlenermaßen mit XXXX zu behandeln ist, allerdings ist eine solche Medikation nicht unbedingt zwingend nötig.

2. Beweiswürdigung:

1. Das Verwaltungsgericht hat den maßgeblichen Sachstand durch Einsichtnahme in die vorliegenden Verwaltungs- als auch Gerichtsakten und die darin befindlichen Unterlagen erhoben. Die getroffenen Feststellungen erschließen sich zweifelsfrei auf dem Boden der Aktenlage.

Weiters ist im Detail zu würdigen:

2. Die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ist unstrittig.

3. Die Feststellungen zum Gang des ersten und zweiten Asylverfahrens ergibt sich zweifelsfrei aus der Aktenlage; die Rechtskraft des im zweiten Verfahren (erster Folgeantrag) angefochtenen Bescheides erschließt sich aus dem hg vorliegenden Nachweis über die elektronische Zustellung an den damaligen Rechtsvertreter des BF.

4. Die Feststellungen zum gegenständlichen dritten Asylverfahren beruht gleichermaßen auf der unzweifelhaften Aktenlage.

5. Die Feststellungen zu den medizinischen Rezepten, Bestätigungen, Befunden und Gutachten erschließt sich aus denselben in den Akten einliegenden Schriftstücken sowie der von der Behörde eingeholten Übersetzung der drei XXXX Schreiben.

6. Dass der Beschwerdeführer an keiner XXXX, sondern an einer an einer XXXX leidet, die empfohlenermaßen mit XXXX zu behandeln, allerdings eine solche Medikation nicht unbedingt zwingend nötig ist, ergibt sich schlüssig und überzeugend aus dem diesbezüglichen Gutachten, zumal jenes äußerst rezent und damit auch glaubwürdiger als die vom Beschwerdeführer selbst in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen ist, sowie es hiergerichtlich keine Gründe gibt, an der sachlichen Qualifikation der Gutachterin zu zweifeln, ist diese doch in die Sachverständigenliste eingetragen. Auch legte der Beschwerdeführer seit seiner Untersuchung durch die Verfasserin des Gutachtens keine anderen, insbesondere keine neueren medizinischen Unterlagen in Vorlage, die einen anderen Schluss bedingen würden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit

1. Da im gegenständlichen Fall das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Zuge eines Folgeantrages des Antragstellers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz des Antragstellers aufgehoben hat, war diese Entscheidung gemäß § 22 BFA-VG vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen.

2. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Weder das AsylG noch das FPG sehen eine Entscheidung durch Senate vor, sodass Einzelrichterzuständigkeit gegeben ist.

3.2. Zur anzuwendenden Rechtslage:

3. § 12a Abs. 1 und 2 sowie § 22 Abs. 10 Asylgesetz lauten

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1.-gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2.-kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3.-im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4.-eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1.-gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2.-der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3.-die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Entscheidungen

§ 22. (10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

4. § 22 BFA-Verfahrensgesetz lautet:

"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.3. Zu Spruchpunkt A) Faktischer Abschiebeschutz:

5. Eine der Voraussetzungen für die Aberkennung faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, dass "der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist". Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich (insbesondere wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen sein wird.

6. Die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl. die in Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, S 284, angeführten Gesetzesmaterialien zu § 22 BFA-VG).

7. Da der Beschwerdeführer, wie dargestellt, sowohl im - rechtskräftig abgeschlossenen - Erstverfahren als auch Zweitverfahren durchgängig als Fluchtgrund eine Verfolgung seiner Familie durch die Taliban, insbesondere seines XXXX und seiner eigenen Person, geltend machte, und er dies weiterhin als eigenen maßgeblichen Fluchtgrund aufrechterhält, ist diesbezüglich keine Änderung der Sachlage eingetreten.

Soweit der Beschwerdeführer moniert, zwischenzeitig sei sein XXXX von den Taliban angeschossen und das XXXX worden, bleibt damit die behauptete Verfolgung seiner Familie durch die Taliban aufrecht, welche dem Beschwerdeführer bereits zweimal rechtskräftig als nicht glaubwürdig beschieden wurde. (Zumal ein Angriff auf seinen XXXX zunächst keine direkte Verfolgung seiner eigenen Person durch die Taliban zu vermitteln vermag, welche er jedoch in den bisherigen Verfahren bereits ohnedies vorbrachte.)

8. Die behauptete telefonische Bedrohung in XXXX könnte selbst bei einer Wahrunterstellung (wovon das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht ausgeht) keine Verfolgungsgefahr in Afghanistan begründen.

9. Da der Beschwerdeführer an keiner XXXX, sondern vielmehr einer XXXX leidet, die wie festgestellt, nicht unbedingt mit einem XXXX bzw medikamentös behandelt werden muss, liegt auch diesbezüglich keine Änderung der Sachlage vor, die einer Rückkehr nach Afghanistan im Sinne des Art 3 EMRK entgegenstünde.

10. Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, erweist sich der mündlich verkündete hier zu überprüfende Bescheid der belangten Behörde als im Einklang mit dem Gesetz stehend und war gemäß § 22 BFA-VG wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

11. Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

3.4. Zu Spruchpunkt B) Revision:

12. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung und ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das BVwG nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Prognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W179.2205608.2.00

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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