Entscheidungsdatum
22.11.2019Norm
ASVG §173Spruch
L510 2128486-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle XXXX , vom 13.04.2016, Zl XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Mit Schreiben vom 01.04.2016, eingelangt bei der Allgemeinen Unfallversicherung, Außenstelle XXXX (AUVA), am 04.04.2016, ersuchte der Beschwerdeführer die AUVA um "Verfahrenseinleitung (Begutachtung und Bescheiderteilung)" aufgrund der aus einem Arbeitsunfall im Jahr 1998 verbliebenen Unfallfolgen.
2. Mit Bescheid vom 13.04.2016 wies die AUVA den Antrag des Beschwerdeführers vom 04.04.2016 hinsichtlich der Gewährung von Leistungen gemäß § 173 ASVG aus Anlass des Ereignisses vom 24.03.1998 gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen bereits rechtskräftig entschiedener Sache zurück.
3. Mit Schreiben vom 05.05.2016 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid der AUVA vom 13.04.2016.
4. Mit Schreiben vom 17.06.2016 legte die AUVA dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor (OZ 1), am 22.08.2019 wurde das Urteil des Landesgericht XXXX vom 17.12.1999, Zl XXXX , nachgereicht (OZ 3).
5. Jenes Landesgericht teilte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 02.09.2019 mit, dass das Urteil zu XXXX seit 15.02.2010 rechtskräftig sei (OZ 5).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen
1.1. Im Rahmen von am 10.03.1999 und am 08.07.1999 bei der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA), Außenstelle XXXX , aufgenommenen Niederschriften beantragte der Beschwerdeführer die "Einleitung des Rentenfeststellungsverfahrens", da er sich am 24.03.1998 während seiner Beschäftigung als Tischler an der rechten Schulter verletzt habe.
1.2. Mit Bescheid vom 03.08.1999, Zl XXXX , wies die AUVA den Antrag des Beschwerdeführers ab, erkannte das Ereignis vom 24.03.1998 nicht als Arbeitsunfall gemäß § 175 ASVG an und sprach aus, dass deshalb kein Anspruch auf Leistungen aus Anlass dieses Ereignisses bestehe.
1.3. Die gegen jenen Bescheid erhobene Klage wurde vom Landesgericht XXXX mit Urteil vom 17.12.1999, Zl XXXX , abgewiesen, da das Ereignis vom 24.03.1998 nicht als Arbeitsunfall qualifiziert wurde (OZ 3). Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft (Datum der Rechtskraftbestätigung: 15.02.2010) (OZ 5).
1.4. Am 01.04.2016, eingelangt am 04.04.2016, beantragte der Beschwerdeführer aufgrund der Unfallfolgen betreffend das Ereignis aus dem Jahr 1998 "Verfahrenseinleitung (Begutachtung und Bescheiderteilung)".
1.5. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 13.04.2016 wies die AUVA den Antrag des Beschwerdeführers vom 04.04.2016 (Datum des Einlangens) wegen rechtskräftig entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass bereits mit Bescheid vom 03.08.1999 ein Anspruch auf Leistungen gemäß § 173 ASVG abgelehnt worden sei, da das Ereignis vom 24.03.1998 keinen Arbeitsunfall darstelle. Die gegen jenen Bescheid erhobene Klage sei vom Landesgericht XXXX abgewiesen worden.
1.6. Mit verfahrensgegenständlicher Beschwerde vom 05.05.2016 machte der Beschwerdeführer geltend, dass er bisher den Unfallhergang nicht vollständig geschildert habe. Aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, habe er nicht vorgebracht, dass er nach dem Heben der Werkzeugkiste am 24.03.1998 starke Schmerzen gehabt habe und den Arm kaum noch heben habe können. Etwa fünf Minuten vor dem Heben der Werkzeugkiste sei er zudem, als er gerade eine Tür getragen habe, hingefallen. Tage vor dem 24.03.1998 sei er in der Werkstatt seines Dienstgebers aufgrund des Kotes des Hundes seines Dienstgebers ausgerutscht und auf die gleiche Schulter gefallen. Etwa zehn Jahre vor dem Ereignis aus dem Jahr 1998 habe er einen Sehnenriss in der anderen Schulter erlitten.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem von der AUVA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakt zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf Leistungen aufgrund des Ereignisses vom 24.03.1998 (OZ 1) sowie aus dem zitierten Urteil des Landesgerichtes XXXX (OZ 3) samt korrelierender Bestätigung der eingetretenen Rechtskraft (OZ 5).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Gemäß § 414 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) kann gegen Bescheide der Versicherungsträger oder des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz oder des Bundesministers für Gesundheit in Verwaltungssachen und wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.
Gemäß § 355 ASVG sind alle nicht gemäß § 354 als Leistungssachen geltenden Angelegenheiten Verwaltungssachen. Nach der Rechtsprechung gehört zu den Verwaltungssachen auch die Zurückweisung eines Leistungsantrags wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG, welche durch Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu bekämpfen ist (OGH 28.04.2015, 10ObS17/15w; VwGH 30.06.2009, 2006/08/0267).
Gegenständlich liegt gem. §§ 355, 414 Abs. 2 ASVG Einzelrichterzuständigkeit vor.
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.2. Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG und wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
§ 68 Abs 1 AVG soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).
Identität der Sache im Sinne des § 68 Abs 1 AVG liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in den bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 30.1.1989, 88/10/0150).
"Sache" des Beschwerdeverfahrens in einem Verfahren gemäß § 68 AVG ist nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht jedoch der zurückgewiesene Antrag selbst. Das BVwG hat demnach entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - die Beschwerde abzuweisen oder - im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung - den bekämpften Bescheid mit der Konsequenz ersatzlos zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung des BVwG, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Das BVwG darf über den zugrundeliegenden Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (vgl. VwGH 30.06.2009, 2006/08/0267; 23.07.1998, 98/20/0175; 30.05.1995, 93/08/0207). Im Sinne dieser nachprüfenden Beurteilung hat das BVwG daher § 68 Abs 1 AVG auch nicht unmittelbar anzuwenden - was auf Grund der Bestimmung des § 17 VwGVG, der die Anwendbarkeit ua. des § 68 AVG durch das Verwaltungsgericht ausschließt, unzulässig wäre (vgl. dazu auch VfGH 18.06.2014, G5/2014).
Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat (bzw. welche als allgemein bekannt anzusehen sind (VwGH 07.06.2000, 99/01/0321); neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen.
Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 26.2.2004, 2004/07/0014).
Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783 unter Hinweis auf GRS 17.09.2008, 2008/23/0684).
Die bei einer nachträglichen Änderung des Sachverhaltes bestehende Möglichkeit, einen Anspruch, über den bereits rechtskräftig in abweisendem Sinn entschieden wurde, neuerlich vor der Behörde zu erheben, setzt voraus, dass die wesentlichen Sachverhaltsänderungen von der Partei behauptet werden.
Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die die Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmsgrund (VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235).
3.3. Zum gegenständlichen Verfahren
Die AUVA hat mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf "Verfahrenseinleitung (Begutachtung und Bescheiderteilung)", somit auf Leistungen aufgrund seiner Unfallfolgen wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Das BVwG hat nun darüber zu entscheiden, ob entschiedene Sache vorliegt oder nicht, eine Entscheidung in der Sache ist dem BVwG vorenthalten.
Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall somit das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 17.12.1999, Zl XXXX .
Im gegenständlichen Verfahren machte der Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 01.04.2016 (04.04.2016) keine anderen Leiden und keinen anderen Sachverhalt geltend, als jenes, das schon Inhalt des sozialgerichtlichen Verfahrens zur Zahl XXXX war, weshalb Identität der Sache vorliegt.
Das Urteil des Landesgerichtes XXXX als Sozialgericht vom 17.12.1999, Zl XXXX , welches rechtskräftig ist, wurde im Wesentlich damit begründet, dass der Hebevorgang vom 24.03.1998 eine "bloße Gelegenheitsursache für das Offenbarwerden - die Intensivierung - einer schicksalhaft-degenerativen Vorschädigung [war], er war aber, trotzdem im Rahmen der versicherten Erwerbsarbeit unternommen, letztlich nicht als Arbeitsunfall qualifizierbar, weil der medizinisch-ursächliche Zusammenhang zwischen Erwerbsarbeit und Verletzungserfolg fehlt", weshalb das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger für die Folgen eines Arbeitsunfalls Leistungen zu gewähren, abgewiesen wurde.
Diese rechtskräftige sozialgerichtliche Entscheidung steht dem nunmehrigen Antrag des Beschwerdeführers auf Leistungen aufgrund der verbliebenen Unfallfolgen entgegen, sodass die AUVA diesen Antrag zutreffend wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat.
Hinsichtlich der neu und erstmals im Verfahren vorgebrachten Ausführungen des Beschwerdeführers in der Beschwerde ist darauf hinzuweisen, dass neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde bei einem Verfahren gemäß § 68 AVG unbeachtlich ist, da dieses von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).
Die Beschwerde war somit spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
3.4. Entfall der mündlichen Verhandlung
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. Bei der Frage, ob das Prozesshindernis der entschiedenen Sache vorlag, handelt es sich um eine nicht übermäßig komplexe Rechtsfrage (VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0056).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die getroffene Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Arbeitsunfall, Identität der Sache, Prozesshindernis derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L510.2128486.1.00Zuletzt aktualisiert am
03.03.2020