Entscheidungsdatum
27.11.2019Norm
BFA-VG §9Spruch
G305 2225534-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Albanien, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX, vom 23.09.2019, Zl.:
IFA XXXX, zu Recht erkannt:
A)
In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid zur Gänze behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 23.09.2019, Zl.: IFA XXXX, sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX (im Folgenden: belangte Behörde oder kurz: BFA) aus, dass gegen XXXX, geb. XXXX, StA. Albanien, gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG 2005, BGBl O Nr. 100/2005 idgF. erlassen werde (Spruchpunkt I.), weiter gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Albanien zulässig sei (Spruchpunkt II.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen werde.
2. Gegen diesen, dem BF zugestellten Bescheid erhob dieser im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, worin er erklärte, dass er den Bescheid zur Gänze anfechte und die er auf die Beschwerdegründe "Verletzung von Verfahrensvorschriften" und "inhaltliche Rechtswidrigkeit" stützte und mit den Anträgen verband, das Bundesverwaltungsgericht möge den Bescheid zur Gänze beheben, in eventu den Bescheid beheben und an die erste Instanz zurückverweisen und eine mündliche Verhandlung anberaumen. Mit seiner Beschwerde brachte er mehrere Urkunden zur Vorlage, darunter ein Urteil des Berufungsgerichtes
XXXX vom 20.03.2018, aus dem hervorgeht, dass über den BF, der mit Urteil eines italienischen Gerichtes vom 30.03.2016 wegen Art. 73 und 74 DPR zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren und acht Monaten verurteilt wurde, Hausarrest verhängt werde, die im Haus der Familie des BF in Italien zu vollstrecken ist (AS 154 ff), und einen zum 20.03.2018 datierten Beschluss des Berufungsgerichtes
XXXX (AS 156) zur Art des Vollzuges des über den BF verhängten Hausarrests zur Vorlage.
3. Am 08.11.2019 legte die belangte Behörde die gegen den oben näher bezeichneten Bescheid erhobene Beschwerde und die Bezug habenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der 28.10.1976 in XXXX (Albanien) geborene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Albanien und damit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.
1.2. Der BF hat in Albanien das Gymnasium besucht und abgeschlossen und in Italien einen Kurs als Krankenpfleger absolviert (AS 13).
1.3. Ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2002 bis zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2010 lebte und arbeitete er in Italien (AS 13 unten). Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2010 kehrte er nach Albanien zurück.
Am 08.04.2013 wurde der BF in Albanien festgenommen und am 12.08.2013 nach Italien ausgeliefert, wo er von einem italienischen Gericht wegen des Handels von Suchtmitteln zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Jahren und acht Monaten verurteilt wurde (AS 15 oben).
Dieses Urteil wurde auf Grund eines dagegen erhobenen Rechtsmittels des BF am 15.09.2017 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen (AS 149).
Mit Beschluss vom 20.03.2018 wandelte die dritte Strafkammer des Berufungsgerichtes von XXXX über Antrag des BF die über ihn verhängte Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Jahren und acht Monaten in einen Hausarrest um, den er in der Folge an seinem in Italien gelegenen Wohnsitz (XXXX, in XXXX) verbüßte (AS 154 f).
Am 18.04.2019 wurde er vom Berufungsgericht von XXXX aus der Haft bzw. dem Hausarrest entlassen (AS 15 oben).
1.4. Der BF verfügt über eine von der Stadt XXXX am 18.09.2008 ausgestellte Carta di Identitá (AS 23), die ihre Gültigkeit am 17.09.2018 verlor (AS 24).
Darüber hinaus verfügte er über einen am 23.11.2013 ausgestellten Permesso di Soggiorno für Italien (AS 47 oben), der seine Gültigkeit am 24.11.2008 verlor. Er verfügt über einen bis 16.03.2023 gültigen Tessera Sanitaria für Italien (AS 47 Mitte).
1.5. Es steht fest, dass sich der BF zu keinem Zeitpunkt in Österreich aufgehalten hat bzw. sich hier auch nicht aufhalten wollte. Er befand sich lediglich auf der Durchreise nach Albanien.
Für Österreich hat bzw. hatte er keinen gültigen Aufenthaltstitel (AS 15 Mitte).
Er verfügt im Bundesgebiet über keinen Wohnsitz.
Er ist in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer (legalen) Erwerbstätigkeit nachgegangen.
Er hat weder Familie noch Verwandte in Österreich, noch bestehen hier Anhaltspunkte in Richtung eines schützenswerten Privatlebens.
1.6. Der BF ist mit der albanischen Staatsangehörigen XXXX, geb. XXXX, verheiratet. Der Ehe entstammt eine Tochter (AS 13 Mitte).
Die Ehegattin des BF verfügt über eine am 01.09.2019 vom Landratsamt XXXX zur Nr. XXXX ausgestellte Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland. Sie hält sich seit dem 01.09.2019 in Deutschland auf und ist dort als Krankenschwester beschäftigt (AS 33).
Die gemeinsame Tochter lebt in XXXX (Albanien) (AS 13 unten).
1.7. Der BF ist am 11.09.2019 ausgehend von XXXX (Italien) mit dem Bus ins Bundesgebiet eingereist und noch am selben Tag in XXXX angekommen, und reiste von hier um 10:03 Uhr vom Busterminal XXXX zum XXXX weiter (AS 15 unten; AS 25; AS 29), um am 12.09.2019, um 06:05 Uhr mit Flug Nr. XXXX in den Herkunftsstaat nach XXXX zu fliegen (AS 15 unten; 31).
Sowohl bei seiner Einreise ins, als auch bei seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet führte der BF einen gewöhnlichen biometrischen Reisepass von Albanien zu Nr. XXXX mit sich, dessen Gültigkeit mit dem 26.12.2020 begrenzt ist.
Am 12.09.2019, 04:30 Uhr wurde der BF von Organen der LPD XXXX bei seinem "Aufenthalt" am XXXX betreten und des nicht rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet unter Überschreitung der für den Schengenraum zulässigen Aufenthaltsdauer bezichtigt.
Der BF ist noch am 12.09.2019 mit dem Flugzeug nach Albanien weiter gereist.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die getroffenen Konstatierungen gründen im Wesentlichen auf den im Gerichtsakt einliegenden Urkunden, darunter insbesondere die zum 23.09.2019 datierte Rechtfertigung des BF, einer Ablichtung des Bus- und des Flugtickets, die die Einreise des BF ins Bundesgebiet am 11.09.2019 und dessen Ausreise nach Albanien am 12.09.2019 dokumentieren. Wenn es im angefochtenen Bescheid heißt, dass sich der BF vom 21.02.2014 bis 12.09.2019 im Schengenraum aufgehalten hätte, übersieht sie, dass sich der BF auf Grund einer strafgerichtlichen Verurteilung des Strafgerichtes von XXXX seit dem 12.08.2013 in Strafhaft befand, die am 20.03.2018 vom Berufungsgericht in Hausarrest umgewandelt wurde, den er an seinem Wohnsitz in Italien verbrachte. Am 18.04.2019 wurde er aus der Strafhaft entlassen und stützte er seine Angaben auf Urkunden, die sich teils bereits im Verwaltungsakt befanden, von der belangten Behörde jedoch nicht gewürdigt wurden, teils nachgereicht wurden und von der belangten Behörde hinsichtlich ihrer Echtheit und Richtigkeit nicht in Zweifel gezogen wurden. Auf der Grundlage dieser Urkunden waren daher die Feststellungen zu treffen.
Die Konstatierung, dass sich der BF im Bundesgebiet nie aufgehalten hatte, gründet einerseits auf den glaubwürdigen Angaben des BF, nur deshalb nach Österreich eingereist zu sein, um am nächsten Tag (zeitig in der Früh) mit dem Flugzeug vom Flughafen XXXX aus nach Albanien (in seinen Herkunftsstaat) zurückkehren zu wollen. Wenn es auf S. 18 des angefochtenen Bescheides heißt, dass das Fehlverhalten des BF darin bestehe, die Dauer der erlaubten visumfreien Zeit von 90 Tagen innerhalb der 180 Tage(sfrist) überschritten zu haben und sich sohin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten zu haben, fehlen konkrete Ermittlungsergebnisse dazu. Diese Ausführungen stehen auch im Widerspruch zum Vorbringen des BF in dessen Schreiben vom 23.09.2019, dessen Inhalt von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen wurde. Es ist auch anzumerken, dass die Anzeige der LPD XXXX keine brauchbare Grundlage für die von der belangten Behörde in dem in Beschwerde gezogenen Bescheid getroffenen Feststellungen bildet, weshalb die Konstatierungen zu treffen waren.
Die im vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und im Verwaltungsgerichtsakt einliegenden Aktenteile bildeten die Grundlage für die gegenständliche Entscheidung.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zur Aufhebung der Beschwerde:
3.1.1. Die mit Bescheid vom 23.09.2019, Zl. IFA XXXX, erlassene Rückkehrentscheidung stützte die belangte Behörde im Kern auf einen unrechtmäßigen Aufenthalt des BF und darauf, dass die Abwägung der "oben dargestellten Punkte" ergeben hätte, dass der Eingriff der öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts statthaft" sei, da dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen sei und eine Maßnahme darstelle, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Durch das Verhalten des BF sei ein geordnetes Fremdenwesen in Österreich gestört. In Hinblick auf das erlassene Einreiseverbot
3.1.2. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt (Z 1 leg cit) und als EWR-Bürger, wer Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist (Z 8 leg cit).
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger und damit Fremder im Sinne dieser Bestimmung. Er ist Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
3.1.3. Zur Rückkehrentscheidung und Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat:
Die belangte Behörde hat die mit dem angefochtenen Bescheid erlassene Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, gestützt (Spruchpunkt I.) und die Feststellung, dass seine Abschiebung nach Albanien zulässig sei, auf die Bestimmung des § 46 FPG gestützt.
Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde unter anderem rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthalts oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.
Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerkfreie Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen.
Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK zulässig ist, ist weiters eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.
Für den gegenständlichen Beschwerdefall bedeutet das:
Der BF ist am 11.09.2019 unter Mitführung eines biometrischen Reisepasses von Albanien ausgehend von XXXX (Italien) mit dem Bus nach XXXX gereist, um von dort am 12.09.2019 mit dem Flugzeug nach Albanien weiterzureisen.
Die Rückkehrentscheidung stützte die belangte Behörde im Kern darauf, dass sich vom 21.02.2014 bis 12.09.2019 (sohin für 2013 Tage) in Österreich aufgehalten haben soll (AS 97 oben). In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde vollkommen übersehen, dass der BF am 08.04.2013 in Albanien festgenommen und am 12.08.2013 nach Italien ausgeliefert wurde, wo er von einem italienischen Gericht wegen des Handels von Suchtmitteln zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Jahren und acht Monaten verurteilt wurde (AS 15 oben). Dieses Urteil wurde auf Grund eines dagegen erhobenen Rechtsmittels des BF am 15.09.2017 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen (AS 149). Mit Beschluss vom 20.03.2018 wandelte die dritte Strafkammer des Berufungsgerichtes von XXXX über Antrag des BF die über ihn verhängte Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Jahren und acht Monaten in einen Hausarrest um, den er in der Folge an seinem in Italien gelegenen Wohnsitz (XXXX) verbüßte (AS 154 f). Am 18.04.2019 wurde er vom Berufungsgericht von XXXX aus der Haft bzw. dem Hausarrest entlassen (AS 15 oben).
Aus den vom BF vorgelegten Urkunden geht eindeutig hervor, dass er sich bis zu seiner am 11.09.2019 stattgehabten Ausreise in Italien aufgehalten hatte. Für Italien hatte er einen gültigen Aufenthaltstitel (AS 23 ff). Demnach hielt sich der BF bis zum 11.09.2019 rechtmäßig in Italien auf.
Zur Einreise nach Österreich ist anzumerken, Staatsangehörige von Albanien, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, visumfrei ins Bundesgebiet einreisen dürfen (https://www.bmi.gv.at/202/Fremdenpolizei_und_Grenzkontrolle/Visumpflichtige_Laender/files/BF_Visumspflichten_20190220.pdf; Stand: 20.02.2019). Der BF ist am 11.09.2019 rechtmäßig ins Bundesgebiet eingereist, da er einen biometrischen Reisepass mit sich führte. Der Umstand, dass dort kein Visum für Österreich angebracht war, schadet nicht.
Er ist in der Absicht, am nächsten Tag nach Albanien zu fliegen nach Österreich gekommen. Sein Aufenthalt hielt sich daher innerhalb der Grenzen des Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ).
Da der BF am 12.09.2019 ausgereist ist und er sich hier nicht einmal 24 Stunden lang aufgehalten hat, erweist sich der in Beschwerde gezogene Bescheid schon in Hinblick auf die erlassene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG, die sich auf einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet im Ausmaß von 2013 Tagen als rechtlich verfehlt.
Vor diesem Hintergrund erweist sich auch der Ausspruch, dass die Abschiebung des BF nach Albanien zulässig sei, als rechtlich verfehlt, zumal der Ausspruch gemäß § 52 Abs. 9 FPG in einem engen Zusammenhang mit der erlassenen Rückkehrentscheidung steht. Abgesehen davon ist der BF freiwillig ausgereist.
3.1.4. Zum Einreiseverbot:
Gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF., kann vom Bundesamt mit Bescheid mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;
8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder
9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.
Gemäß § 53 Abs. 5 FPG liegt eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.
Die belangte Behörde hat das gegenständliche Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gestützt und im Wesentlichen damit begründet, dass er den Besitz von Mitteln zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermochte. So besitze er nicht die Mittel, um sich seinen Lebensunterhalt in Österreich finanzieren zu können. Auf Grund fehlender Mittel könne er nicht auf Erspartes zurückgreifen und sei er weder im Besitz einer Bankomat- bzw. Kreditkarte. Dieser Tatbestand indiziere gemäß § 53 Abs. 2 das Vorliegen einer Gefährdung für die Öffentlichkeit.
Der BF wurde am 12.09.2019, 04:30 Uhr, direkt am Terminal XXXX des Flughafens XXXX von Organen der LPD XXXX betreten. Dabei wurde jedoch nicht festgestellt, dass er über keine, für die Finanzierung des Lebensunterhalts in Österreich notwendigen finanziellen Mittel verfüge (AS 137 ff). Bei der Betretung war er jedoch im Besitz einer Boarding-Karte nach Albanien (AS 151 oben).
Der Beschwerdeführer ist im Recht, wenn er unter dem Hinweis, dass er das Bundesgebiet verlassen wollte, ausführt, dass es irrelevant sei, ob er im Besitz von Unterhaltsmitteln war (AS 151 Mitte). Vor diesem Hintergrund lässt sich das erlassene Einreiseverbot nicht mit dem Gesetz in Einklang bringen, zumal es zwingend mit der Rückkehrentscheidung, für die jedoch jede Grundlage fehlt, zu verbinden ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass ein den Schengenraum betreffendes Einreiseverbot schon wegen des Aufenthalts der Ehegattin des BF in Deutschland, die überdies für Deutschland einen Aufenthaltstitel besitzt und dort ein ausreichendes Einkommen als Krankenschwester erzielt, nicht argumentierbar ist.
3.2. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Im gegenständlichen Fall liegt dem Bundesverwaltungsgericht die zur Klärung der Rechtsfrage nötige Aktenlage vor. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes hätte eine mündliche Verhandlung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen und war der Sachverhalt iSd § 24 Abs. 4 VwGVG entscheidungsreif. In Anbetracht dessen konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G305.2225534.1.00Zuletzt aktualisiert am
03.03.2020