TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/30 98/11/0073

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Veröffentlicht am 30.06.1998
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Index

L94059 Ärztekammer Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1984 §77;
AVG §37;
B-VG Art130 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §10 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. G in W, vertreten durch Dorda, Brugger & Jordis, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien I, Dr. Karl-Lueger-Ring 12, gegen den Bescheid des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Gonzagagasse 9, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 5. Februar 1998, Zl. B 22/98, betreffend Herabsetzung des Fondsbeitrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien. Er richtete an diesen Fonds ein mit 20. Oktober 1997 datiertes Schreiben, dessen Betreff er mit "Fondsbeitragsherabsetzung - Ratenvereinbarung" formulierte und das im übrigen folgenden Wortlaut hatte:

    "Ich habe Ihre Zahlungsaufforderung des

Fondsbeitragsrückstandes von 1995 ... erhalten.

    Auf Grund von Kreditrückzahlungen habe ich derzeit

monatliche Fixkosten von ca. ... bei einem Nettogrundgehalt

von ... Ab Jänner 1998 bin ich außerdem Alleinverdiener, da

meine Frau ein Kind erwartet, d.h. es besteht eine

außergewöhnliche Belastung (Nachweise werden gerne

nachgereicht).

Ich ersuche daher um Herabsetzung des Fondsbeitrages und in weiterer Folge um eine Ratenrückzahlungsmöglichkeit."

Der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds wertete dieses Schreiben als Ersuchen um Erlaß des noch offenen Fondsbeitrages und wies dieses nach Einholung ergänzender Unterlagen betreffend Kreditverbindlichkeiten und familiäre Verhältnisse des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 12. Dezember 1997 ab (wobei von dieser Abweisung ein nach der Aktenlage gar nicht gestellter Antrag betreffend den Fondsbeitrag für 1996 mitumfaßt wurde).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung, in der der Beschwerdeführer das Ersuchen "um Erlaß bzw. Herabsetzung des ausstehenden Fondsbeitrages" wiederholte, als unbegründet abgewiesen und der Erstbescheid vom 12. Dezember 1997 bestätigt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat eine Replik zur Gegenschrift eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Begründung des angefochtenen Bescheides lautet:

"Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerde, wie schon seinen Erstantrag, damit, daß ihm aufgrund verschiedener Belastungen aus dem Bereich der privaten Lebensführung außergewöhnliche Kosten entstehen.

Hiezu ist der Beschwerdeführer auf die Bestimmung des Abschnittes I Abs. 6 der Beitragsordnung zu verweisen, wonach die Berücksichtigung von Ausgaben wegen außergewöhnlicher Belastung nicht zulässig ist. Ein Eingehen auf die weiteren nicht sachbezogenen Ausführungen erscheint entbehrlich. ..."

Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, daß diese Begründung seinem Begehren in keiner Weise gerecht wird. Die herangezogene Bestimmung der Beitragsordnung regelt nicht den von ihm geltend gemachten Fall. Sie stellt eine Regelung zur Bemessung des Fondsbeitrages dar. Darum ging es im vorliegenden Fall aber überhaupt nicht. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren die Höhe des ihm vorgeschriebenen Fondsbeitrages nicht bekämpft. Er strebte seinem insofern klaren Vorbringen zufolge eine Ermäßigung (Herabsetzung, teilweiser Erlaß) des von ihm zu leistenden Fondsbeitrages an. Er ist im Recht, daß dieser Antrag - wie im übrigen schon von der Erstbehörde - an § 77 ÄrzteG in Verbindung mit § 10 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds zu messen gewesen wäre.

Daran ändert der Umstand nichts, daß der Beschwerdeführer in seinem Antrag ausdrücklich von einer "außergewöhnlichen Belastung" - welcher Begriff in Art. I Abs. 6 der Beitragsordnung, nicht aber in § 10 Abs. 3 der Satzung, Verwendung findet - spricht. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, daß die Umstände, mit denen der Beschwerdeführer sein Anbringen an den Wohlfahrtsfonds untermauerte, aktueller Natur sind und sich nicht auf das für die Bemessung des Fondsbeitrags 1995 maßgebliche Jahr 1992 beziehen.

Nach § 10 Abs. 3 der Satzung kann der Verwaltungsausschuß u. a. bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände den Fondsbeitrag jeweils bis zur Dauer eines Jahres zur Gänze erlassen. Bei der Entscheidung über einen darauf gerichteten Antrag handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. März 1998, Zl. 97/11/0366).

Die belangte Behörde hätte als Berufungsbehörde den den Fondsbeitrag 1996 betreffenden Ausspruch der Erstbehörde ersatzlos aufzuheben, im übrigen das nach § 10 Abs. 3 der Satzung eingeräumte Ermessen bei Beurteilung der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente zu üben gehabt. Die aus einer Sichtweise, die sich an einem von einem juristischen Laien gebrauchten Wort orientiert und sich über dessen klar erkennbare Absicht hinwegsetzt, erfolgte Heranziehung einer Bestimmung, die einen völlig anderen Regelungsgegenstand aufweist und kein Ermessen einräumt, belastet den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998110073.X00

Im RIS seit

22.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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