TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/2 W191 1428725-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.12.2019
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Entscheidungsdatum

02.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W191 1428725-3/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rudolf Mayer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2019, Zahl 820866904-180925246, zu Recht (Teilerkenntnis):

A)

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und V. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 10 und 57 Asylgesetz 2005, § 9 BFA-Verfahrensgesetz sowie §§ 46, 52, 53 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

In Stattgebung der Beschwerde bezüglich Spruchpunkt IV. wird festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Rückkehr gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Vorverfahren:

1.1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach irregulärer und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10.07.2012 am folgenden Tag einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.1.2. In seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.07.2012 sowie in seiner Einvernahme beim Bundesasylamt (in der Folge BAA) am 31.07.2012 brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er eine Beziehung zu einem Mädchen gehabt habe, mit der dessen Familie nicht einverstanden gewesen sei. Die Brüder hätten am 13.01.2012 das Mädchen ermordet und auch den BF mit dem Tod bedroht, weswegen er geflohen sei.

1.1.3. Das BAA wies den Antrag des BF mit Bescheid vom 01.08.2012, Zahl 12 08.669-BAT, gemäß §§ 3 und 8 AsylG ab und wies den BF gemäß § 10 AsylG nach Indien aus.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF sein Vorbringen nicht glaubhaft gemacht habe.

1.1.4. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wies der Asylgerichtshof (in der Folge AsylGH) mit Erkenntnis vom 25.04.2013 - rechtskräftig mit 15.05.2013 - als unbegründet ab.

Der BF verblieb dennoch im österreichischen Bundesgebiet.

1.1.5. Mit Strafverfügung vom 24.02.2015, Zahl VStV/915300273179/2015, erließ die Landespolizeidirektion Oberösterreich (LPD OÖ) eine Strafverfügung gegen den BF wegen seines illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet.

1.1.6. Am 09.10.2015 stellte der BF beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürger).

1.1.7. Am 24.10.2015 schloss der BF am Standesamt in Mödling (Niederösterreich) mit der slowakischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , die Ehe.

1.1.8. Am 09.11.2015 wurde dem BF vom Magistrat Linz der beantragte Aufenthaltstitel ausgestellt, gültig bis 09.11.2020.

1.2. Gegenständliches Verfahren:

1.2.1. Das Standesamt Mödling benachrichtigte am 07.02.2016 per E-Mail das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) über diese Eheschließung. Es übermittelte elektronisch auch eine beglaubigte und übersetzte Kopie der Geburtsurkunde des BF, eine Kopie des gültigen indischen Reisepasses des BF, der ihm am 03.12.2014 vom Indischen Konsulat in Athen ausgestellt worden war und den er beim Standesamt für die Eheschließung vorgelegt hatte, und eine beglaubigte und übersetzte Kopie des Ehefähigkeitszeugnisses des BF.

Dem Bundesamt hatte der BF diesen Reisepass nicht vorgelegt.

1.2.2. Mit Schreiben vom 16.03.2018 teilte die Staatsanwaltschaft Linz dem BFA mit, dass ein gegen den BF geführtes Verfahren wegen § 88 Abs. 1 StGB (Strafgesetzbuch, Fahrlässige Körperverletzung) geführtes gerichtliches Strafverfahren - offenbar aufgrund einer Verkehrsangelegenheit - eingestellt worden sei.

1.2.3. Die LPD OÖ meldete mit Schreiben vom 05.12.2018, dass der BF verdächtig sei, am 24.10.2015 am Standesamt Mödling eine Aufenthaltsehe mit der slowakischen Staatsangehörigen XXXX eingegangen zu sein (§ 117 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - in der Folge FPG)

Die LPD OÖ erstattete mit Schreiben vom 06.11.2018 an die Staatsanwaltschaft Linz einen ausführlichen Abschlussbericht, in dem über die Ermittlungen im Detail berichtet wurde. Die Ergebnisse dieser Ermittlungen (Befragung des BF und weiterer nahestehender Personen, Einsicht in Dokumente des BF und anderer ihm nahestehender Personen, Aufnahme der Einrichtung der Wohnung des BF, Sozialversicherungsanfragen, Nachfrage nach social media-Belegen) ergaben, dass es sich bei der Ehe des BF offenbar um eine Aufenthaltsehe handelte.

1.2.4. Der BF wurde beim BFA am 30.01.2019 im Beisein eines geeigneten Dolmetsch für die Sprache Hindi und eines gewillkürten Vertreters des BF niederschriftlich einvernommen, wobei er die für eine Aufenthaltsehe sprechenden Umstände nicht ausräumen konnte.

Widersprüchlich gab er an, seine Ehefrau drei Monate vor der Eheschließung kennengelernt zu haben, wohingegen die Beauftragung seines Ehefähigkeitszeugnisses schon vom Juli 2015 datiert. Mit seiner Frau sei er im Juli 2015 zusammengezogen, seit Jänner oder Februar 2018 lebe sie nicht mehr bei ihm. Sie habe zuerst Arbeit gesucht, sei dann aber arbeitslos geblieben. Zu seiner Ehefrau konnte der BF kaum nähere Angaben machen.

Er gab unter anderem an, dass er in den Jahren seines Aufenthaltes in Österreich dreimal nach Indien gereist sei. Er gab weiters an, er habe einen Deutschkurs A1 besucht und arbeite Teilzeit in einem indischen Restaurant. In Österreich habe er einige Bekanntschaften.

Der BF legte lediglich ein Hochzeitsfoto sowie ein Deutschzertifikat A1 vor.

Dem BF wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Indien übergeben und eine Frist für eine allfällige Stellungnahme eingeräumt, von der er keinen Gebrauch machte.

1.2.5. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 21.02.2019 erließ das BFA gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkte I und II.).

In Spruchpunkt III. wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und in Spruchpunkt IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt.

In Spruchpunkt V. wurde gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von "3 Jahren und 6 Monaten" [drei Jahren und sechs Monaten] befristetes Einreiseverbot erlassen.

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Indien. Der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von relevanten familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse sowie der vorliegenden Dokumente glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Indien wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Dass der BF eine Aufenthaltsehe eingegangen sei, hätten die Ergebnisse des vorgenommenen Ermittlungsverfahrens ergeben.

Die Erlassung des Einreiseverbotes stützte das BF in der Begründung insbesondere auf § 53 Abs. 2 Z 1, 3, 7 und 8 FPG.

Nach Zustellproblemen konnte der Bescheid am 25.03.2019 rechtswirksam zugestellt werden.

1.2.6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben seines damaligen anwaltlichen Vertreters vom 17.04.2019 rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

In der Beschwerdebegründung wurde knapp vorgebracht, dass der BF aufrecht verheiratet sei, derzeit allerdings unfreiwillig getrennt von seiner Ehefrau lebe. Er sei unbescholten. Das Strafverfahren wegen des Verdachts einer Scheinehe habe die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt laut Benachrichtigung vom 22.01.2019 gemäß § 190 Z 1 StPO (Strafprozessordnung) - die er der Beschwerde beilegte - eingestellt.

Der BF behauptete, es sei unrichtig, dass kein Eheleben mit seiner Frau bestanden habe und dass er seinen indischen Reisepass vorsätzlich der Erstbehörde vorenthalten habe, ohne dieses Vorbringen näher auszuführen oder zu belegen.

Beantragt wurde unter anderem, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

1.2.7. Das BFA legte mit Schreiben vom 26.04.2019, hg. eingelangt am 30.04.2019, diese Beschwerde samt Verwaltungsakten dem BVwG vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

1.2.8. Das BVwG erkannte zunächst mit Teilerkenntnis vom 02.05.2019, W191 1428725-3/3E, in teilweiser Erledigung der Beschwerde dieser gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu.

Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, das aus der dem BVwG zum damaligen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage nach Durchführung einer Grobprüfung eine Verletzung der durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierten Rechte bei einer Rückführung des BF nach Indien aufgrund der besonderen Gegebenheiten im konkreten Fall angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden konnte.

1.2.9. Das BVwG beraumte für 02.09.2019 eine mündliche Beschwerdeverhandlung an. Die damalige anwaltliche Vertreterin des BF bat aus persönlichen Gründen "im Hinblick auf die Sachlage und das besondere Vertrauensverhältnis des Einschreitens" um Verlegung des Termins.

1.2.10. Das BVwG kam dieser Bitte nach und beraumte die Verhandlung neu für 04.11.2019 an, zu der der BF jedoch (wie auch das BFA) unentschuldigt nicht erschien. Der erschienene nunmehrige Vertreter des BF gab an, dass der BF auch zur internen Vorbesprechung am 28.10.2019 nicht erschienen sei, jedoch aufgrund seiner Teilnahme an einer Vorbesprechung am 16.09.2019, bei der ihm aufgetragen worden sei, alle erforderlichen Beweismittel nachzubringen, angenommen worden sei, dass er zur heutigen Beschwerdeverhandlung erscheinen werde.

Nachdem der BF auch nach Zuwarten nicht erschienen war, wurde die Verhandlung in Abwesenheit durchgeführt. Der erkennende Richter hielt fest, dass zum Verfahren vor dem Bundesamt, zur Situation des BF in Österreich und zu einzelnen Umständen des BF im Herkunftsstaat keine Stellungnahme erfolgt sei.

Zusätzliche Bescheinigungsmittel wurden nicht vorgelegt.

Der erkennende Richter brachte unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF auf Grund der dem BVwG vorliegenden Informationen die der Niederschrift beiliegenden Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 04.02.2019, zuletzt aktualisiert am 09.08.2019) in das gegenständliche Verfahren ein und räumte dem Vertreter des BF die Möglichkeit ein, dazu sowie zum Beschwerdevorbringen eine mündliche Stellungnahme abzugeben, wovon er keinen Gebrauch machte.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in die dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakten und Vorakten des BFA, beinhaltend insbesondere die Meldungen der LPD OÖ betreffend den Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe, die vorliegenden Schriftstücke, die der BF im Zuge seiner Eheschließung vorgelegt hatte - Geburtsurkunde, Ehefähigkeitszeugnis, Reisepass -, die Einvernahme des BF am 30.01.2019 vor dem BFA, den angefochtenen Bescheid und die gegenständliche Beschwerde vom 17.04.2019

* Einsicht in die Gerichtsakten und Vorakten des AsylGH und des BVwG

* Einsicht in Erkenntnisquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA, Aktenseiten 126 bis 187)

* Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.11.2019, zu der der BF unentschuldigt nicht erschienen ist, nachdem die ursprünglich für 02.09.2019 anberaumte Verhandlung auf Ersuchen seiner damaligen Vertreterin auf diesen Tag verschoben worden war

* Einsicht in die in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 04.11.2019 in das Verfahren zusätzlich eingebrachten Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 04.02.2019, zuletzt aktualisiert am 09.08.2019)

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:

3.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist indischer Staatsangehöriger, stammt aus XXXX , Bezirk XXXX , Bundesstaat Haryana, Indien, gehört der Volksgruppe bzw. Kaste der Jat an und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft der Hindus. Seine Muttersprache ist Hindi.

In Indien leben nach seinen Angaben seine Eltern sowie ein Bruder und eine Schwester. Er hat nach seinen Angaben ca. zehn Jahre die Grundschule besucht und dann in der Landwirtschaft gearbeitet.

Der BF lebte in Indien bis zu seiner Ausreise im Sommer 2012 mit seinen Eltern zusammen in seinem Heimatdorf.

3.2. Zur Situation des BF in Österreich:

3.2.1. Der BF reiste irregulär und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 11.07.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens mit Erkenntnis des AsylGH vom 25.04.2013, rechtskräftig mit 15.05.2013, reiste der BF nicht aus dem Bundesgebiet aus.

Vom 15.05.2013 bis 09.11.2015 stand dem BF - nach rechtskräftig negativem Abschluss seines Asylverfahrens und Beendigung seines vorübergehenden Aufenthaltsrechts als Asylwerber (von Juli 2012 bis Mai 2013) - in Österreich kein Aufenthaltsrecht zu.

Mit Strafverfügung vom 24.02.2015, Zahl VStV/915300273179/2015, erließ die Landespolizeidirektion Oberösterreich (LPD OÖ) eine Strafverfügung gegen den BF wegen seines illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet.

3.2.2. Am 24.10.2015 schloss der BF am Standesamt in Mödling (Niederösterreich) mit der slowakischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , die Ehe. Ihm wurde am 09.11.2015 auf seinen schon am 09.10.2015 gestellten Antrag vom Magistrat Linz ein Aufenthaltstitel (Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürger, Dokumentation) ausgestellt, gültig bis 09.11.2020.

Der BF wohnt nicht im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau und hat mit ihr kein Eheleben geführt.

Das Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe wurde von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt laut Benachrichtigung vom 22.01.2019 gemäß § 190 Z 1 StPO (wegen Verjährung der Strafbarkeit) eingestellt.

Der BF geht in Österreich nach seinen Angaben einer Erwerbstätigkeit nach, hat die Erlaubnis hiefür aber durch die unrechtmäßige Beanspruchung eines Aufenthaltstitels (Familienangehöriger einer EU-Bürgerin) erworben.

Der BF hat dem BFA seinen gültigen indischen Reisepass vorenthalten und ist im Hinblick auf das oben dargelegte Verhalten offensichtlich nicht gewillt, sich rechtskonform zu verhalten, wenngleich er strafgerichtlich unbescholten ist (auch eine Anzeige wegen des Verdachts der Begehung des Delikts Fahrlässige Körperverletzung gemäß § 88 StGB hat zu keiner Verurteilung geführt).

Der BF stellt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich dar.

3.2.3. Der BF hat bezüglich allfälliger Deutschkenntnisse sowie Bildungs- oder Ausbildungsaktivitäten oder sozialer Engagements, bezüglich Unterkunft sowie bezüglich der allfälligen Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Österreich zwar teilweise ein Vorbringen erstattet (Deutschkenntnisse, Teilzeitbeschäftigung), aber außer einem Deutschzertifikat A1 keine Belege vorgelegt.

Nahebeziehungen im Sinne des Art. 8 EMRK (Privat- und Familienleben) liegen nicht vor.

Eine Integration des BF in Österreich in besonderem Ausmaß liegt nicht vor.

3.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 04.02.2019, zuletzt aktualisiert am 09.08.2019, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"[...] 2. Politische Lage

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 23.01.2019; vgl. AA 18.09.2018). Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Indien verfügt über 29 Bundesstaaten und sechs Unionsterritorien (AA 11.2018a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 20.04.2018). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 11.2018a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 18.09.2018, der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 11.2018a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 18.09.2018). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 3.2018a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2018a). Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 11.2018a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 20.04.2018). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 18.09.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 20.04.2018). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2017 ist Präsident Ram Nath Kovind indisches Staatsoberhaupt (AA 11.2018a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 3.2018a).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 18.09.2018). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die sogenannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht, sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 3.2018a; vgl. FAZ 16.05.2014). Abgesehen von kleineren Störungen verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 18.09.2018). Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis "National Democratic Alliance" (NDA) mit der "Bharatiya Janata Party" (BJP) als stärkste Partei (282 Sitze) die Kongress-Partei an der Regierung ab (AA 18.09.2018). Die BJP holte sie nicht nur die absolute Mehrheit, sie ließ auch den bislang regierenden Indian National Congress (INC) weit hinter sich. Der INC kam nur noch auf 46 Sitze und erlitt die schlimmste Niederlage seit der Staatsgründung 1947. Wie es mit dem INC mit oder ohne die Familie Gandhi weitergeht, wird abzuwarten sein. Die Gewinne der Wahlen im Punjab, Goa und Manipur sowie das relativ gute Abschneiden in Gujarat sind jedenfalls Hoffnungsschimmer, dass die Zeit der Kongresspartei noch nicht vorbei ist (GIZ 13.2018a). Die Anti-Korruptionspartei (AAP), die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang 2014 landesweit nur vier Sitze (GIZ 3.2018; vgl. FAZ 16.05.2014). Der BJP-Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt und steht seither einem 26-köpfigen Kabinett (mit zusätzlichen 37 Staatsministern) vor (AA 18.09.2018).

In Indien wird im Zeitraum zwischen April und Mai 2019 wiedergewählt. Der genaue Zeitplan ist jedoch noch unklar. In den Umfragen liegt der hindu-nationalistische Premier Narendra Modi mit seiner BJP vorne (DS 01.01.2019).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 3.2018b).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktive Außenpolitik. Der außenpolitische Kernansatz der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" ergänzt. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Gestaltungsmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (AA 11.2018b). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 3.2018a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten "Neuen Seidenstraße" eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im "Regional Forum" (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (AA 11.2018b).

In den Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich in den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst. Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmir-Problem (AA 11.2018b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 3.2018a).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels-und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 3.2018a).

3. Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt, und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.04.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).

Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 18.09.2018).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 898 Todesopfer durch terrorismus-relevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 803 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 wurden 935 Menschen durch Terrorakte getötet. Bis zum 13.01.2019 wurden zwölf Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.01.2019).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12/2018).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 18.09.2018).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 11.2018b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BBC 23.01.2018).

Nach dem friedlichen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft zeigte bereits die blutige Teilung Britisch-Indiens, die mit einer Massenflucht, schweren Gewaltausbrüchen und Pogromen einherging, wie schwierig es sein wird, die ethnisch, religiös, sprachlich und sozioökonomisch extrem heterogene Gesellschaft in einem Nationalstaat zusammenzuhalten. Die inter-religiöse Gewalt setzte sich auch nach der Teilung zwischen Indien und Pakistan fort (BPB 12.12.2017).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und ein terroristischer Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs im September 2016 hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Gemäß Regierungserklärung reagierte Indien auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 11.2018b).

Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist 2016 zum Stillstand gekommen. Aktuell sind die Beziehungen auf sehr niedrigem Niveau stabil (AA 11.2018b).

3.1. Jammu und Kaschmir sind weiterhin stark militarisiert und am stärksten von Terrorismus betroffen (BPB 20.11.2017; vgl. USDOS 9.2018). Separatistische und dschihadistische Kämpfer führen weiterhin eine anhaltende Erhebung gegen die Regierung aus (FH 27.01.2018. Militante Gruppen in Jammu und Kaschmir kämpfen weiterhin gegen Sicherheitskräfte, kaschmirische Einrichtungen und lokale Politiker, die sie für "Statthalter" und "Kollaborateure" der indischen Zentralregierung halten. Überläufer zur Regierungsseite und deren Familien werden besonders grausam "bestraft". Die Zahl der als terroristisch eingestuften Vorfälle in Jammu und Kaschmir hat nach einem rückläufigen Trend im Jahr 2015 in den Jahren 2016 und 2017 zugenommen (AA 18.09.2018).

In Indien bleibt das zentrale Ziel islamistischer Fundamentalisten die Abspaltung Kaschmirs. Im Einklang mit der Dschihad-Ideologie sehen sich viele islamistische Gruppierungen zudem im Krieg gegen alle Ungläubigen und streben die gewaltsame Islamisierung des gesamten Subkontinents an. Befördert wird der Konflikt durch die anhaltende wirtschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung vieler Muslime (BPB 12.12.2017).

Im Juni 2018 prangerte das UN-Menschenrechtsbüro die Situation in Kaschmir an. Durch übermäßige Gewaltanwendung der indischen Sicherheitskräfte wurden im Zeitraum zwischen Juli 2016 und April 2018 zahlreiche Zivilisten getötet. Von der indischen Regierung wurde der Bericht zurückgewiesen (ONHCR 14.06.2018; vgl. HRW 17.01.2019).

Es gab wiederholt Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen durch Regierungskräfte in Jammu und Kaschmir während der durchgeführten Sicherheitsoperationen. Im Jahr 2018 kam es zu einer Zunahme der Gewalt gegen militante Personen, welche von vielen auf politisches Versagen bei der Sicherstellung der Rechenschaftspflicht für Missbräuche zurückgeführt wurde (HRW 17.01.2019). In den ersten zehn Monaten des Jahres 2017 wurden 42 militante Angriffe im Staat Jammu und Kaschmir gemeldet, bei denen 184 Menschen getötet wurden, darunter 44 Sicherheitskräfte. Mehrere Personen wurden getötet oder verletzt, als die Regierung versuchte, gewalttätige Proteste einzudämmen (HRW 18.01.2018.

Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, verübten zahlreiche Morde und Bombenanschläge in den Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 20.04.2018). An der umstrittenen Grenze zwischen Indien und Pakistan kommt es immer wieder zu kleineren Feuergefechten mit Todesopfern unter der Zivilbevölkerung und dem Militär. Insbesondere nach dem Angriff von Uri verschärfte sich in Indien die anti-pakistanische Rhetorik (BPB 20.11.2017). Seither wird die Provinz Kaschmir von einer Spirale der Gewalt beherrscht. Die derzeitige Menschenrechtslage in Kaschmir ist alarmierend und wird zunehmend kritisch gesehen. Bewaffnete Gruppen stehen im Verdacht, Menschen in Jammu und Kaschmir getötet zu haben (GIZ 3.2018a; vgl. AI 22.02.218).

Von Pakistan aus haben aufständische Gruppierungen in Jammu und Kaschmir Entführungen, Erpressungen und andere Formen der Einschüchterung durchgeführt. Nach mehreren Jahren relativer Stabilität verschlechterte sich die Situation im Staat 2016 nach der Ermordung eines populären, militanten separatistischen Führers deutlich. Die Situation verschlimmerte sich 2017, als mehr als 300 Zivilisten, Sicherheitskräfte und Militante durch militärische Gewalt getötet wurden. Indischen Sicherheitskräften werden häufig Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, von denen nur wenige bestraft werden. Bürgerliche Freiheiten werden, insbesondere in Zeiten der Unruhe eingeschränkt (FH 04.01.2018. Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 267 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 354 Personen durch Terrorakte getötet und im Jahr 2018 sind 457 Todesopfer durch terroristische Gewalt registriert worden. Per 13.01.2019 sind insgesamt 17 Todesfälle durch terroristische Gewaltanwendungen aufgezeichnet [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.01.2019).

Im indischen Teil Kaschmirs bleibt weiterhin der Armed Forces (Special Powers) Act (AFSPA) in Kraft (USDOS 20.04.2018; vgl. BPB 20.11.2017). Unter diesem Sonderermächtigungsgesetz kam es wiederholt zu außergerichtlichen Tötungen, Vergewaltigungen und Folter durch Angehörige der Sicherheitskräfte. Bei der Unterdrückung von Protesten starben über 90 Menschen und Tausende wurden verletzt (BPB 20.11.2017). Die 1997 eingesetzte staatliche Menschenrechtskommission von Jammu und Kaschmir hat kaum Wirkungen entfaltet. Insbesondere hat sie keine Möglichkeit, Übergriffe von Armee und paramilitärischen Kräften zu untersuchen (ÖB 12.2018). Nach einer langsamen Normalisierung der Beziehungen haben sich seit 2014 die Positionen auf beiden Seiten wieder verhärtet (BPB 20.11.2017)

3.2. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2018).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne des pakistanischen Geheimdienstes, Inter-Services-Intelligence (ISI) bekannt, welcher gemeinsam mit der in Indien verbotenen Sikh-Gruppierung Babbar Khalasa International (BKI) und anderen militanten Sikh-Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2018). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse, ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 20.04.2018; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2018).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2018).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar (USDOS 20.04.2018).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 10.2017).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 10.2017).

3.3. Gewalttätige linksextremistische Gruppen (sog. "Naxaliten" oder "maoistische Guerilla") stellen weiter eine große innenpolitische Herausforderung für die indische Regierung dar. Sie operieren in weiten Teilen des östlichen Kernindiens, vor allem im ländlichen Raum (AA 18.09.2018).

Mit dem Zusammenschluss unterschiedlicher militanter Gruppen setzte 1998 erneut eine Intensivierung und Militarisierung des Konflikts ein, die ihren Höhepunkt zwischen 2005 und 2009 erreichte. Daraufhin beschloss die indische Zentralregierung einen nationalen sicherheits- und entwicklungspolitischen Aktionsplan zur Eindämmung der Gewalt. Zwar wurden die Naxaliten vielerorts zurückgedrängt und durch die Verhaftung, Tötung oder Kapitulation führender Kader erheblich geschwächt, die Ursachen des Konflikts wurden jedoch bislang nur unzureichend adressiert (BPB 12.12.2017).

Dem seit Jahrzehnten existierenden Phänomen des maoistischen (naxalitischen) Terrors wurde bislang nur mit geringem Erfolg mit polizeilichen Maßnahmen auf lokaler Ebene begegnet (ÖB 10.2017). Die Naxaliten verüben regelmäßig Anschläge auf Sicherheitskräfte, politische Gegner und die öffentliche Infrastruktur (BPB 12.12.2017; vgl. ÖB 10.2017). Sie operieren in weiten Teilen des östlichen Kernindiens, vor allem im ländlichen Raum. In Chhattisgarh, Jharkhand, Bihar, Madhya Pradesh, Westbengalen, Odisha und Andhra Pradesh ist es den Naxaliten in zahlreichen Distrikten gelungen, eigene Herrschaftsstrukturen zu errichten (AA 18.09.2018). Die maoistischen Naxaliten streben die gewaltsame Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung an. Ihre Guerillastrategie zielt auf die Kontrolle über die ländliche Bevölkerung und die Zerstörung der zentralen Institutionen des Staates (BPB 12.12.2017).

Die Naxaliten verfolgen eine Doppelstrategie: Auf der einen Seite stehen soziales Engagement, Arbeitsbeschaffung und die Verteidigung der Armen und Schwachen, auf der anderen Seite brutale Gewalt, Guerillaaktionen, Einschüchterung und Erpressung gegen echte und vermeintliche, auch zivile "Gegner". Mordkommandos gegen Polizeieinheiten sind nicht selten. Allerdings sind auch Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte in den Naxaliten-Gebieten dokumentiert. Die Zivilbevölkerung findet sich zwischen den Fronten wieder (AA 18.09.2018).

4. Rechtsschutz/Justizwesen

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft, und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig überlange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 18.09.2018). Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Vorurteile z.B. gegenüber Angehörigen niederer Kasten oder Indigenen dürften zudem eine nicht unerhebliche Rolle spielen (AA 18.09.2018).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.01.2018). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberste Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht besteht in jedem Unionsstaat. Es ist Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen und führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates aus, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und nach Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche als auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2018).

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und verfügt nicht über moderne Systeme zur Fallbearbeitung. Der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums für 2015 bis 2016 ergab eine Vakanz von 43 Prozent der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 20.04.2018). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 18.09.2018).

Insbesondere auf unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet, und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als es der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.01.2018). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70 Prozent aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 18.09.2018).

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 18.09.2018).

Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Diese Fristen werden regelmäßig überschritten.

Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit ("National Security Act", 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit ("Jammu and Kashmir Public Safety Act", 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. (AA 18.09.2018).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es gibt Fälle, in denen Häftlinge misshandelt werden. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben bspw. 80 Prozent aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein. Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des IKRK Internationales Komitee des Roten Kreuz) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir (AA 18.09.2018).

Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des "Unlawful Activities (Prevention) Amendment Bill", und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 20.04.2018). Gerichte sind verpflichtet, Urteile öffentlich zu verkünden, und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 20.04.2018).

Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§ 61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein. Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 12.2018).

Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 27.01.2018).

5. Sicherheitsbehörden

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 12.2018) und untersteht den Bundesstaaten (AA 18.09.2018). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und die Bundesstaaten übergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 12.2018).

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 12.2018). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt, was in einigen Fällen zu Korruption führt (USDOS 20.04.2018). Polizeireformen verzögerten sich 2017 erneut (HRW 18.01.2018).

Die Effektivität der Strafverfolgung und der Sicherheitskräfte ist im gesamten Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es einerseits Fälle von Polizisten/Beamten gibt, die auf allen Ebenen ungestraft handeln, so gab es andererseits auch Fälle, in denen Sicherheitsbeamte für ihre illegalen Handlungen zur Verantwortung gezogen wurden (USDOS 20.04.2018).

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 12.2018). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 18.09.2018; vgl. BICC 12.2018). Paramilitärischen Einheiten werden als Teil der Streitkräfte, vor allem bei internen Konflikten eingesetzt, so in Jammu und Kaschmir sowie in den nordöstlichen Bundesstaaten. Bei diesen Einsätzen kommt es oft zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen (BICC 12.2018).

Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) zur Aufrechterhaltung von "Recht und Ordnung" herangezogen (USDOS 20.04.2018). Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Das umstrittene Sonderermächtigungsgesetz für die Streitkräfte (AFSPA) wurde am 23.04.2018 für den Bundesstaat Meghalaya nach 27 Jahren aufgehoben und im Bundesstaat Arunachal Pradesh auf acht Polizeidistrikte beschränkt. Unverändert in Kraft ist es in folgenden als Unruhegebiete geltenden Staaten: Assam, und Nagaland sowie in Teilen von Manipur. Für Jammu und Kaschmir existiert eine eigene Fassung (AA 18.09.2018).

Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium (AA 18.09.2018). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (Nationale Sicherheitspolizei NSG), aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als "Black Cat" bekannt, die Rashtriya Rifles, eine Spezialtruppe zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) - die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze - die Border Security Force (BSF - Bundesgrenzschutz) als größte und am besten ausgestattete Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesch und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Weiters zählen die Assam Rifles - zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten - die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) als Indo-Tibetische Grenzpolizei sowie die Küstenwache, die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die Central Industrial Security Force zum Werkschutz der Staatsbetriebe dazu (ÖB 12.2018). Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 18.09.2018).

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten im Grenzgebiet zu China eingesetzt werden. Sie agieren im Rahmen der Geheimdienste, des sogenannten Aufklärungsbüros ("Intelligence Bureau" - Inlandsgeheimdienst) und dem Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst) (War Heros of India, 16.09.2018).

Das Gesetz erlaubt es den Behörden auch, Häftlinge bis zu 180 Tage lang ohne Anklage in Gerichtsgewahrsam zu nehmen (einschließlich der 30 Tage in Polizeigewahrsam). Das Gesetz zur Verhinderung ungesetzlicher Aktivitäten (UAPA) gibt den Behörden die Möglichkeit, Personen in Fällen im Zusammenhang mit Aufständen oder Terrorismus festzuhalten (USDOS 20.04.2018).

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Indien hat im Jahr 1997 das VN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet. jedoch bisher nicht ratifiziert (AA 18.09.2018). Es sind außerdem keine für die Ratifizierung notwendigen Änderungen der nationalen Gesetzgebung eingeleitet worden (BICC 12.2018). Ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Folter (Bill on the Prevention of Torture), welcher innerstaatliche Voraussetzung der Ratifizierung der VN Anti-Folterkonvention ist, wurde vom Parlament bisher nicht verabschiedet (AA 18.09.2018).

Folter ist in Indien jedoch verboten (AA 18.09.2018), und der indische Staat verfolgt Folterer grundsätzlich und veranstaltet Kampagnen zur Bewusstseinserhöhung der Sicherheitskräfte, doch bleiben Menschenrechtsve

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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