TE Bvwg Beschluss 2019/12/6 L524 2214627-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.12.2019

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

L524 2214627-1/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Dr. Claudia WOLFSGRUBER-ECKER und Andrea BLIEMSRIEDER als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch XXXX , Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg, Markus-Sittikus-Straße 10, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 03.10.2018, nach Beschwerdevorentscheidung vom 07.01.2019, Zl. LGS SBG/2/0566/2019, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben, die Beschwerdevorentscheidung

aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Arbeitsmarktservice zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) vom 03.10.2018 wurde gemäß § 38 iVm § 10 AlVG ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum 01.10.2018 bis 11.11.2018 den Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer das Arbeitsangebot der Fa. XXXX GmbH im Zuge einer Jobbörse vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass keine zumutbare Beschäftigung und auch keine Vereitelungshandlung vorlägen.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 07.01.2019, Zl. LGS SBG/2/0566/2019, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.10.2018 abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine zumutbare Beschäftigung vorliege, da die Wegzeiten im gesetzlichen Rahmen lägen. Auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers bei der Jobbörse liege eine Vereitelungshandlung vor.

4. Der Beschwerdeführer beantragte, die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

II. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat am 10.09.2018 bei einer Jobbörse teilgenommen. Das AMS stellte nicht fest, welches konkrete Verhalten der Beschwerdeführer gesetzt hat, das als Vereitelungshandlung zu werten ist.

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der Beschwerdevorentscheidung sowie dem Verwaltungsakt.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Gemäß § 38 AlVG sind die Bestimmungen über das Arbeitslosengeld auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. VwGH 16.03.2016, Ra 2015/08/0100).

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Es ist dabei nicht Voraussetzung, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Vereitelungshandlung in jedem Fall zustande gekommen wäre. Vielmehr ist Kausalität dann gegeben, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert wurden (vgl. VwGH 18.06.2014, 2012/08/0187).

Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. VwGH 19.10.2011, 2008/08/0251, uva).

Unter "Vereitelung" im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG ist ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogene Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt (vgl. VwGH 18.06.2014, 2012/08/0187).

2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 10.09.2014, Ra 2104/08/0005; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt wurde:

Das AMS stellt im angefochtenen Bescheid nicht dar, worin konkret es eine Vereitelungshandlung des Beschwerdeführers erblickt.

Das AMS führt an, dass der Beschwerdeführer "immer wieder" habe durchblicken lassen, dass er nicht die richtige Person für die Stelle sei. Es bleibt auf Grund dieser unpräzisen Formulierung aber völlig unklar, welches konkrete Verhalten der Beschwerdeführer gesetzt hat bzw. was der Beschwerdeführer konkret gesagt hat. Aus dem gesamten Verwaltungsakt ergibt sich nicht, dass das AMS dahingehende Ermittlungen getätigt hätte.

Das AMS führt weiters aus, dass der Beschwerdeführer ein (Gesprächs-)verhalten bei der Jobbörse gesetzt habe, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet sei, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen. Damit habe er den Erfolg der Teilnahme an der Jobbörse zunichte gemacht.

Im gesamten Bescheid wird aber das (Gesprächs-)verhalten des Beschwerdeführers nicht dargelegt. Es wird nicht festgestellt, mit wem der Beschwerdeführer bei der Jobbörse gesprochen hat und was der Beschwerdeführer gesagt oder getan hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das AMS Ermittlungen angestellt hätte, um konkret feststellen zu können, welches Verhalten bzw. Gesprächsverhalten der Beschwerdeführer gesetzt hat. Ob der unklaren Formulierung des AMS bleibt es letztlich im Dunkeln, ob der Beschwerdeführer nun ein Verhalten oder ein Gesprächsverhalten gesetzt hat, welches vom AMS als Vereitelungshandlung betrachtet wird.

Im angefochtenen Bescheid wird schließlich ausgeführt, dass "Verantwortliche" des Unternehmens XXXX bereits negativ auf das Verhalten des Beschwerdeführers reagiert hätten. Wie das AMS zu dieser Feststellung gelangt, ist nicht nachvollziehbar:

Aus einer Mitteilung einer bei der Jobbörse anwesenden Beraterin des AMS geht hervor, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines Auftretens bei der Jobbörse negativ aufgefallen sei. Es sei aber für sie unklar geblieben, ob der Beschwerdeführer lediglich "ungeschickt" gewesen sei oder ein Dienstverhältnis habe vereiteln wollen. Weiteres findet sich folgender Satz in der besagten Mitteilung: "Im Sinne meines Betriebes, der bereits negativ auf den Herren reagiert hatte,...". Wie das AMS angesichts dieser Formulierungen zu der Feststellung im Bescheid gelangte, dass "Verantwortliche" des Unternehmens XXXX bereits negativ auf das Verhalten des Beschwerdeführers reagiert hätten, ist - nicht zuletzt auf Grund des gänzlichen Fehlens von beweiswürdigenden Überlegungen im Bescheid - nicht im Geringesten nachvollziehbar. Das AMS hat offenkundig keine Ermittlungen angestellt. Weder ist ersichtlich, um wen es sich bei den "Verantwortlichen" des Unternehmens XXXX handeln soll, noch wodurch konkret der Beschwerdeführer "negativ" aufgefallen ist und wie die - im Bescheid angeführte - negative Reaktion der "Verantwortlichen" des Unternehmens ausgesehen hat. Das AMS hat offensichtlich nicht einmal Kontakt zu den bei der Jobbörse anwesenden Vertretern des Unternehmens XXXX aufgenommen, um deren Stellungnahme einzuholen. Das AMS hat sich bloß auf eine Mitteilung einer Beraterin des AMS gestützt, die ihre Ansicht der Wirkung des Beschwerdeführers auf den potentiellen Arbeitgeber wiedergibt.

Die Behörde hat daher erforderliche Ermittlungstätigkeiten unterlassen. Auf Grund der dargestellten Mängel ist es nicht möglich, den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen.

Im fortgesetzten Verfahren hat das AMS daher zu ermitteln, welches konkrete Verhalten der Beschwerdeführer gesetzt hat, um sodann feststellen zu können, ob darin eine Vereitelungshandlung zu erblicken ist.

In der Gesamtschau ist der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Zurückverweisung an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides im Vergleich zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aspekt der Raschheit und der Kostenersparnis der Vorzug zu geben. Das behördliche Verfahren erweist sich aus den dargelegten Gründen insgesamt als so mangelhaft, dass von dem in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumten Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung Gebrauch zu machen war (VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).

Der Bescheid war daher nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS zurückzuverweisen.

3. Hinsichtlich des zu erlassenden Bescheides wird weiters auf folgende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen:

Die Behörde hat ihre Bescheide iSd § 58 AVG zu begründen. Im Sinne des § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis E vom 20. März 2014, 2012/08/0024, und E vom 21. Dezember 2010, 2007/05/0231, beide mwH) erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (vgl. VwGH 28.11.2014, Ra 2014/01/0085).

Der Bescheid hat erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung zu bestehen (vgl. VwGH 21.11.2014, Ra 2014/02/0051).

Für eine den §§ 58, 60 AVG entsprechende Begründung eines Bescheides ist es erforderlich, jenen Sachverhalt, den die Behörde als erwiesen annimmt, unzweideutig in eigenen Worten festzustellen, und nicht bloß in Form der (indirekten wörtlichen) Wiedergabe der Aussagen der vernommenen Personen, die sich nicht in allen Details decken müssen. Welcher der Darstellungen die Behörde im Falle der Inkongruenz dieser Aussagen sodann den Vorzug gibt, ist Aufgabe der Darlegung der beweiswürdigenden Überlegungen der Behörde (vgl. VwGH 16.11.2012, 2012/02/0203).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Vereitelung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L524.2214627.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten