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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1968 geborenen AV in Bratislava, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Juni 1996, Zl. 118.503/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine slowakische Staatsangehörige, beantragte mit einem am 18. Oktober 1995 bei der Aufenthaltsbehörde erster Instanz eingelangten Antrag die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszwecke gab sie den der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit als diplomierte Kinderkrankenschwester sowie den des privaten Aufenthaltes an. Hinsichtlich der in Österreich verfügbaren eigenen Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die Dauer des Aufenthaltes verwies sie auf die Verpflichtungserklärung ihres Lebensgefährten und legte dem Antrag neben der Verpflichtungserklärung vom 25. September 1995 einen Beleg (Ergebnisrechnung vom Dezember 1994) über den Gewinn bzw. den Verlust des Betriebes ihres Verpflichters vor.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 28. November 1995 den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie darauf hinwies, eine mündliche Zusage für die Stelle einer Kinderkrankenschwester bekommen zu haben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Juni 1996 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. Die belangte Behörde begründete dies damit, daß sie die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (LGAMS) ersucht habe, mitzuteilen, ob es nach Prüfung der Arbeitsmarktlage für die von der Beschwerdeführerin angestrebten Art von Beschäftigung Aussicht für die Erlangung einer Berechtigung nach dem AuslBG gebe. Die LGAMS habe mitgeteilt, daß bisher weder von einem Spital noch von einem anderen Arbeitgeber ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung bzw. Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung für die Beschwerdeführerin eingebracht worden sei und auch die Nostrifikation der Ausbildung nicht zu einer positiven Stellungnahme führen könnte. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, daß keine Chancen bestünden, daß die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Die derzeitige Arbeitsmarktlage sei von einer extrem hohen Arbeitslosigkeit gekennzeichnet, weshalb die Berufungsbehörde in dieser Situation und insbesondere angesichts der bisherigen Verfahrensergebnisse die Möglichkeit eines Fremden auf Zugang zu legaler Beschäftigung verneinen müsse. Es sei somit nicht davon auszugehen, daß der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet gesichert sei, weil sie diesen nicht aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit legal bestreiten könne. Die Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 MRK habe ergeben, daß den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen Priorität einzuräumen sei, weil der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin aufgrund des angestrebten Aufenthaltszweckes im Bundesgebiet in keiner Weise gesichert sei. Es sei davon auszugehen, daß die Unterhaltsmittel der Beschwerdeführerin nicht dazu ausreichten, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Wien feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes müßte der Sozialhilfeträger Geldmittel zuschießen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der angefochtene Bescheid vom 10. Juni 1996 wurde durch persönliche Übernahme durch die Beschwerdeführerin am 1. August 1996 erlassen. Zu diesem Zeitpunkt war § 5 Abs. 2 AufG bereits in der Fassung des Strukturverbesserungsgesetzes, BGBl. Nr. 201/1996, in Kraft (in Kraft getreten am 2. Juni 1996).
§ 5 Abs. 1 und 2 AufG lauteten im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
(2) Zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG darf eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn für den Fremden von der zuständigen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Bestätigung über die Änderung des Aufenthaltszwecks oder eine gültige Sicherungsbescheinigung oder eine gültige Beschäftigungsbewilligung ausgestellt wurde oder der Fremde eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt."
Die Beschwerdeführerin verfügte noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung, weshalb § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 im Beschwerdefall nicht zu Anwendung kommt.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid, in dem sie lediglich auf den Aufenthaltszweck der unselbständigen Erwerbstätigkeit Bezug nahm, noch von der vor dem 2. Juni 1996 gültigen Fassung des § 5 Abs. 2 AufG aus. Nach dieser Fassung war eine Bewilligung zum Zweck der Aufnahme einer derartigen Beschäftigung nur dann möglich, wenn die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage mitgeteilt hatte, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestünden. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (1. August 1996) stand jedoch § 5 Abs. 2 AufG bereits in der novellierten Fassung in Geltung. Durch die Anwendung des § 5 Abs. 2 AufG in der nicht mehr in Geltung stehenden Fassung wurde die Beschwerdeführerin aber deshalb in keinem Recht verletzt, weil die belangte Behörde bei Zugrundelegung der novellierten Fassung des § 5 Abs. 2 AufG - bezogen auf den Aufenthaltszweck der unselbständigen Erwerbstätigkeit - zu keinem anderen Ergebnis gelangen hätte können.
Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten, noch aus den Behauptungen der Beschwerdeführerin geht nämlich hervor, daß dieser eine gültige ausländerbeschäftigungsrechtliche Genehmigung ausgestellt worden sei. Auf der Grundlage der neuen Rechtslage wäre der Beschwerdeführerin somit keine Bewilligung zur Ausübung der unselbständigen Erwerbstätigkeit zu erteilen gewesen. Es kann daher im Ergebnis nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde davon ausging, daß der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet nicht aus der angestrebten unselbständigen Erwerbstätigkeit bestritten werden könnte.
Dennoch hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Die Beschwerdeführerin hatte im Antrag als weiteren Aufenthaltszweck den des privaten Aufenthaltes abgegeben, hinsichtlich ihres Lebensunterhaltes ausdrücklich auf die Verpflichtungserklärung ihres Lebensgefährten, eines Taxiunternehmers, verwiesen und einen Beleg über das Monatseinkommen im Dezember 1994 ihres Verpflichters (in der Höhe von S 28.111,62) vorgelegt. Die belangte Behörde hat dazu keinerlei Feststellungen getroffen und hat sich im angefochtenen Bescheid mit keinem Wort mit dieser Verpflichtungserklärung auseinandergesetzt. Insbesondere hat sie die vorliegende Verpflichtungserklärung weder als nicht glaubwürdig qualifziert noch Feststellungen dahin getroffen, daß die sich verpflichtende Person ihrerseits nicht in der Lage sei, aufgrund der für sie selbst zur Verfügung stehenden Mittel auch für den Lebensunterhalt der Antragstellerin aufzukommen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch die freiwillige Verpflichtung zur Gewährung von Unterhalt geeignet sein, den Lebensunterhalt im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG als gesichert erscheinen zu lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0612 u.a.).
Hätte sich die belangte Behörde mit der Verpflichtungserklärung befaßt, hätte sie zum Ergebnis gelangen können, der Lebensunterhalt der Antragstellerin im Bundesgebiet sei - selbst wenn die Beschwerdeführerin keiner unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe - gesichert. Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, wonach ihr Lebensunterhalt durch das Einkommen ihres Lebensgefährten gesichert sei, zeigt daher auf, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses ihr anzulastenden Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Wäre aber der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin im Inland gesichert, so hätte sich die belangte Behörde mit dem von der Beschwerdeführerin ebenfalls geltend gemachten Aufenthaltszweck des "privaten Aufenthaltes" auseinandersetzen müssen. Bei Vorliegen eines freien Quotenplatzes und bei Fehlen von Versagungsgründen wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, eine Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 1 AufG - sei es durch Erteilung der Bewilligung oder durch die Versagung einer solchen - zu treffen. Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an die Beschwerdeführerin zum Zweck des privaten Aufenthaltes wäre diesfalls nicht ausgeschlossen.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abzusehen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Ausmaß (Eingabegebühr für zwei Ausfertigungen der Beschwerde, Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides sowie die Gebühr für die Vorlage der Vollmacht) zuzusprechen.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996192599.X00Im RIS seit
02.05.2001