TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/12 W277 2001300-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2019
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Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

W277 2001300-3/4E

W277 2001301-3/4E

W277 2001302-3/4E

W277 2001303-3/4E

W277 2001304-3/4E

W277 2202362-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA, über die Beschwerden von 1.) von XXXX , geb. XXXX ,

2.) XXXX geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , 5.), XXXX , geb. XXXX , und 6.) XXXX , geb. XXXX , alle StA Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge: BF1) XXXX , geb. XXXX , und die Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge: BF2) XXXX , geb. XXXX , sind verheiratet und die Dritt- bis Sechsbeschwerdeführer XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX (in der Folge: BF3, BF4, BF5 und BF6) ihre minderjährigen Kinder. Gemeinsam werden sie als die Beschwerdeführer (in der Folge: die BF) bezeichnet. Das Vorbringen der BF steht in einem untrennbaren Zusammenhang, weshalb es gemeinsam abzuhandeln war.

1. BF1 und BF2 stellten am XXXX für sich und als gesetzliche Vertreter für ihre minderjährigen Kinder XXXX , die ersten Anträge auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

1.2. BF1 gab bei der Erstbefragung am selben Tag an, dass sein XXXX Widerstandskämpfer in XXXX gewesen sei und er aus diesem Grund immer wieder von XXXX bedroht worden sei. Aus Angst getötet zu werden, habe er gemeinsam mit seiner Familie das Land verlassen. BF2 bestätigte das Vorbringen; auch sie habe man zum Aufenthaltsort des XXXX befragt. Aus Angst getötet zu werden, hätten sie das Land verlassen. BF3, BF4 und BF5 hätten keine eigenen Fluchtgründe.

1.3. Am XXXX wurden BF1 und BF2 einer niederschriftlichen Einvernahme unterzogen, wobei sie ihr Fluchtvorbringen wiederholten.

1.4. Mit Bescheiden des damaligen Bundesasylamtes vom XXXX wurden die Anträge auf internationalen Schutz vom XXXX sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen werden (Spruchpunkt III.).

1.5. Dagegen erhoben die BF das Rechtsmittel der Beschwerde.

1.6. Laut Mitteilung der XXXX unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation aus.

1.7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX wurde das Verfahren betreffend die Beschwerden der BF1 bis BF5 gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom XXXX gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 als gegenstandslos abgelegt.

2. Am XXXX stellten BF1 bis BF5 einen neuerlichen, ihren zweiten, Antrag auf internationalen Schutz und wurden im Zuge dessen erstbefragt. BF1 gab zu den Fluchtgründen zu Protokoll, dass er XXXX nur nach Tschetschenien zurückgekehrt sei, weil die tschetschenischen Behörden seinen Bruder misshandelt und ihm mit dem Tod gedroht hätten, sollte BF1 nicht zurückkehren. Nach seiner Rückkehr sei er mehrere Male von maskierten Männern verhaftet und gefoltert worden. Diese Probleme würden mit seinem XXXX zusammenhängen, der XXXX von den Behörden getötet worden sei. BF2 bestätigte das Vorbringen von BF1 und gab weiters an, sie sei im XXXX Monat schwanger.

2.1. Am XXXX wurde BF6 im Bundesgebiet geboren und für diese am XXXX ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Sie habe keine eigenen Verfolgungsgründe oder Rückkehrbefürchtungen.

2.2. Mit Schreiben vom XXXX stellten die Beschwerdeführer einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe.

2.3. Am XXXX wurden BF1 und BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) einvernommen.

2.3.1. BF1 brachte im Wesentlichen als Fluchtgrund vor, dass seine Mutter für ihn um eine Amnestie angesucht habe, was aber nicht gestimmt habe - die Regierung hätte ihn einfach verhaften wollen, was ihr aber nicht gelungen sei. Im XXXX sei auch ein Terroranschlag gewesen, die Regierung habe dann entschieden, dass alle vorherigen Unterlagen von Leuten, die den Kämpfern geholfen hätten, wiederaufgenommen werden würden. Dabei sei er 12 bis 20mal verhaftet worden, alle zwei Monate ungefähr. Im XXXX habe er dann entschieden, dass er erneut ausreisen werde. Weites sei er XXXX politisch aktiv gewesen und habe demonstriert.

2.3.2. BF2 gab im Wesentlichen an, dass sie wegen ihres Mannes hier sei. Sie habe keine Probleme in XXXX .

2.4. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom XXXX wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Den BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die Behörde aus, dass die BF weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit, noch an einer schweren psychischen Störung leiden würden, welche bei einer Rückkehr in die Russische Föderation eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde. Es habe insbesondere nicht festgestellt werden können, dass BF1 sein Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe. Eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung habe von ihm nicht glaubhaft gemacht werden können, zumal die Angaben zu den Fluchtgründen widersprüchlich gewesen seien.

2.5. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte das Gericht aus, dass sich zahlreiche Widersprüche im Vorbringen vom BF1 ergeben hätten, und zwar sowohl hinsichtlich des Todes seines XXXX , als auch bezüglich der zeitlichen Abfolge in Zusammenhang mit den gegen die Person des BF1 gerichteten Verfolgungshandlungen, sowie den Modalitäten seiner Freilassungen, nach den jeweiligen Mitnahmen. Auch könne das Gericht - im Hinblick auf das Vorbringen, wonach der BF1 zwölf bis zwanzig Mal mitgenommen worden sei - nicht nachvollziehen, wieso der BF1 nicht bereits früher geflohen ist und warum er überhaupt wieder freiwillig in den Herkunftsstaat zurückgekehrt ist. Weiters spreche auch der gestellte Antrag auf erneute unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe gegen eine Verfolgung. Zudem hätten BF1 und BF2 problemlos Auslandsreisepässe bekommen. Weiters habe BF1 zunächst im Verfahren angegeben, von XXXX politisch aktiv gewesen zu sein und demonstriert zu haben, was auch in der Beschwerde angeführt worden sei. Dazu befragt in der Verhandlung, verneinte er dies zunächst und führte dann vage und ohne nähere Details aus, dass es sich dabei um eine Kundmachung gehandelt habe. In einer Gesamtbetrachtung komme daher das Bundesverwaltungsgericht angesichts der vagen Angaben, aufgezeigten Widersprüche, Unstimmigkeiten und Unplausibilitäten zu dem Schluss, dass das gesamte Vorbringen als erfundenes Konstrukt zwecks Asylerlangung zu werten sei und keine aktuelle individuelle Verfolgungsgefahr aus asylrelevanten Gründen bestehe. Schließlich hätten die BF zwar einen Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens gestellt, diesem jedoch nicht nachzugehen gewesen sei, da keine diesbezüglichen Bedenken in der mündlichen Verhandlung zu Tage gekommen seien. Auch könne das erkennende Gericht keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr der BF in ihren Herkunftsstaat erkennen, zumal der Vergleich zwischen den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen der BF in Österreich mit jenen in der Russischen Föderation aufzeige, dass die BF in ihrem Herkunftsstaat, in welchem sie über Jahrzehnte und somit den prägenden und weit überwiegenden Teil ihres Lebens verbracht haben, über eine gesicherte wirtschaftliche Existenz hatten und über weit mehr familiäre und soziale Anknüpfungspunkte verfügen, als dies in Österreich der Fall sei.

3. Am XXXX stellten die BF einen neuerlichen, dritten und gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

3.1. BF1 und BF2 wurden am XXXX vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu den Gründen der neuerlichen Stellung des Antrages niederschriftlich einvernommen.

BF1 gab hierzu an, dass der alte Fluchtgrund auch weiterhin aufrecht sei. Zusätzlich hätten in der Zwischenzeit, in der Nacht vom XXXX , bewaffnete Männer seinen Vater bedroht und geschlagen, weil er BF1 nicht habe auffordern wollen, nach Tschetschenien zurückzukehren. Aufgrund der Verletzungen habe sein Vater einen Schlaganfall und einen Herzinfarkt erlitten und sei verstorben. Für den Fall einer Rückkehr habe BF1 Angst von XXXX gefoltert zu werden

BF2 gab zur neuerlichen Asylantragsstellung ebenso an, dass die alten Gründe noch aufrecht seien und ergänzte diese mit dem Zusatz, dass ihr Schwiegervater an den Folgen der Bedrohung seiner Person im letzten Jahr erlegen sei. Für den Fall einer Rückkehr hätte BF2 Angst vor Vergewaltigung, zumal sie auch zuvor von den Männern gefoltert worden sei. Die minderjährigen BF3, BF4, BF5 und BF6 hätten keine eigenen Fluchtgründe.

3.2. Am XXXX wurden BF1 und BF2 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

BF1 gab befragt an, dass die Gründe aus dem ersten und zweiten Verfahren noch aufrecht seien. Aufgrund der Probleme sei im XXXX auch sein Vater aufgesucht und geschlagen worden. Nach etwa sechs Monaten Bettlägerigkeit sei er an den Verletzungen erlegen. Weiters legte er die Sterbeurkunde seines Vaters (in Kopie) sowie diverse Internetberichte über die Lage in Tschetschenien vor. Auch wurde BF1 zu seiner Integrationsverfestigung im Bundesgebiet befragt.

BF2 gab befragt ebenso an, dass die Fluchtgründe aus dem ersten und zweiten Asylverfahren nach wie vor aufrecht seien. Weiters legte sie ein Schreiben des Vereines Aspis- Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge und Opfer von Gewalt. Psychotherapie, Forschung, Beratung, vom XXXX , vor, in dem "alles drinnen stehe". Befragt führte sie aus, dass sie in Tschetschenien, als die Verfolger nach ihrem Mann gesucht hätten, auch einmal mitgenommen worden sei. Dabei habe man sie vergewaltigt und XXXX übergossen. Das sei am XXXX gewesen. Nun habe sie auch Angst um ihre Töchter, sie wolle nicht, dass ihnen Gleiches passiere. Zudem wurde BF2 zu ihrer Integrationsverfestigung im Bundesgebiet befragt. Die minderjährigen BF3, BF4, BF5 und BF6 hätten keine eigenen Fluchtgründe.

3.3. Das BFA veranlasste am XXXX eine Untersuchung zur Gutachterlichen Stellungnahme bei einer allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen (Ärztin für Allgemeinmedizin und XXXX mit XXXX ). Der diesbezüglich gutachterlichen Stellungnahme vom XXXX ( XXXX , AS 211 ff.), ist zu entnehmen, dass keine Posttraumatische Belastungsstörung oder dissoziative Störung vorliege. Am ehesten liege bei BF2 eine Anpassungsstörung XXXX vor, die durch das subjektiv unerwünscht verlaufende Asylverfahren entstanden sei. Die BF 2 sei allseits orientiert und bewusstseinsklar. Es befinde sich kein Hinweis auf Suizidalität. Der kurze Ausbruch der BF2 während der Befundaufnahme, in dem sie Wasser verschüttet und geschrien habe, " XXXX " zu haben, habe "gekünstelt" gewirkt. Ebenso "gekünstelt" habe die Episode gewirkt, als die BF2 während der Untersuchung plötzlich zu Boden gestarrt habe. Die BF sei in gutem Allgemeinzustand. Es seien keine therapeutischen und medizinischen Maßnahmen anzuraten.

3.4. Mit den angefochtenen Bescheiden des BFA jeweils vom XXXX , wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise. Weiters wurde den BF gemäß § 15 Abs. 1b AsylG 2005 aufgetragen, ab XXXX in einem bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen.

3.5. Gegen diesen Bescheid erhoben die BF mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertretung vom XXXX das Rechtsmittel der Beschwerde.

4. Der XXXX vom XXXX des XXXX , ist zu entnehmen, dass BF1 in der XXXX , die Hausordnung missachtete, indem er gegen XXXX verstoßen hat ( XXXX , AS 525).

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Strafregisterabfrage durch. Es scheint folgende Verurteilung auf:

BF 2 - XXXX

XXXX

§15 StGB §299 StGB

§288 (4) StGB

Freiheitsstrafe XXXX

II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer

1.1.1. Die Identitäten von BF1, BF2 und der nachgeborenen BF6 stehen fest; jene von BF3, BF4 und BF5 steht nicht fest. Die BF sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der Volksgruppe der XXXX und des muslimischen Glaubens. Sie sprechen die Sprachen Russisch und Tschetschenisch. BF1 und die BF2 waren beide bereits in der Russischen Föderation erwerbstätig und sind arbeitsfähig. Der BF1 hat im Herkunftsstaat gearbeitet und die Familie versorgt.

Im Herkunftsstaat leben die Mutter, der Bruder und die XXXX Schwestern von BF1; er hat Kontakt zu seinen Verwandten.

BF2 steht in regelmäßigem Kontakt zu ihren Geschwistern im Herkunftsstaat.

1.1.2. Die BF haben keine lebensbedrohlichen Erkrankungen vorgebracht und sind als gesund zu bezeichnen. Bei BF2 liegt am ehesten eine Anpassungsstörung XXXX vor, die durch das subjektiv unerwünscht verlaufende Asylverfahren entstanden ist, jedoch keiner medizinischen Behandlung bedarf.

1.1.3. Der BF1 ist strafgerichtlich unbescholten.

BF 2 wurde vom Landesgericht XXXX , zu einer XXXX Freiheitsstrafe von XXXX , Probezeit XXXX Jahre, wegen § 15 iVm. § 299 Abs. 1 iVm. § 288 StGB Abs. 4 verurteilt.

1.2. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 30.09.2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 03.12.2019, zitierten Länderberichten ergibt sich zur Lage in Russischen Föderation entscheidungsrelevant Folgendes:

1.2.1. Tschetschenien (Sicherheitslage)

Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat - etwa in der Ostukraine sowohl auf Seiten prorussischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, sowie in Syrien und im Irak (SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan: Russlands schwierigste Teilrepublik).

In Tschetschenien konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der "Tschetschenisierung" wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus).

Im Jahr 2018 wurden in Tschetschenien mindestens 35 Menschen Opfer des bewaffneten Konflikts, von denen mindestens 26 getötet und neun weitere verletzt wurden. Unter den Opfern befanden sich drei Zivilisten (zwei getötet, einer verletzt), elf Exekutivkräfte (drei getötet, acht verletzt) und 21 Aufständische (alle getötet). Im Vergleich zu 2017, als es 75 Opfer gab, sank die Gesamtopferzahl 2018 um 53,3%. In der ersten Hälfte des Jahres 2019 wurden in Tschetschenien zwei Personen getötet und vier verletzt (Caucasian Knot (30.8.2019): In 2018, the count of conflict victims in Northern Caucasus dropped by 38%). Seit Jahren ist im Nordkaukasus nicht mehr Tschetschenien Hauptkonfliktzone, sondern Dagestan (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation).

1.2.2. Tschetschenien (Allgemeine Menschenrechtslage)

NGOs beklagen weiterhin schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane, wie Folter, das Verschwindenlassen von Personen, Geiselnahmen, das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen und die Fälschung von Straftatbeständen. Entsprechende Vorwürfe werden kaum untersucht, die Verantwortlichen genießen zumeist Straflosigkeit. Besonders gefährdet sind Menschenrechtsaktivisten bzw. Journalisten. Die unabhängige Nowaja Gazeta berichtete im Sommer 2017 über die angebliche außergerichtliche Tötung von über zwei Dutzend Personen zu Beginn des Jahres im Zuge von Massenfestnahmen nach dem Tod eines Polizisten, die nicht im Zusammenhang mit der Verfolgung von LGBTIPersonen stehen soll. Seitens Amnesty International wurde eine umfassende Untersuchung der Vorwürfe durch die russischen Behörden gefordert. Im Herbst 2017 besuchte das Komitee gegen Folter des Europarates neuerlich Tschetschenien und konsultierte dabei auch die russische Ombudsfrau für Menschenrechte. Ihre nachfolgende Aussage gegenüber den Medien, dass das Komitee keine Bestätigung außergerichtlicher Tötungen oder Folter gefunden habe, wurde vom Komitee unter Hinweis auf die Vertraulichkeit der mit den russischen Behörden geführten Gespräche zurückgewiesen (ÖB Moskau (12.2018):

Asylländerbericht Russische Föderation).

Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist unzureichend. Recherchen oder Befragungen von Opfern vor Ort durch NGOs sind nicht möglich; Regimeopfer müssen mitsamt ihren Familien aus Tschetschenien herausgebracht werden. Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht haben in den letzten Jahren zugenommen (AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation).

Gewaltsame Angriffe, die in den vergangenen Jahren auf Menschenrechtsverteidiger in Tschetschenien verübt worden waren, blieben nach wie vor straffrei. Im Januar 2017 nutzte der Sprecher des tschetschenischen Parlaments, Magomed Daudow, seinen Instagram-Account, um unverhohlen eine Drohung gegen Grigori Schwedow, den Chefredakteur des unabhängigen Nachrichtenportals Caucasian Knot auszusprechen. Im April erhielten Journalisten von der unabhängigen Tageszeitung Nowaja Gazeta Drohungen aus Tschetschenien, nachdem sie über die dortige Kampagne gegen Schwule berichtet hatten. Auch Mitarbeiter des Radiosenders Echo Moskwy, die sich mit den Kollegen von Nowaja Gazeta solidarisch erklärten, wurden bedroht. Die Nowaja Gazeta berichtete über die rechtswidrige Inhaftierung zahlreicher Personen seit Dezember 2016 und die heimliche Hinrichtung von mindestens 27 Gefangenen durch Sicherheitskräfte am 26. Januar 2017 in Tschetschenien (AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation).

In den vergangenen Jahren häufen sich Berichte von Personen, die nicht aufgrund irgendwelcher politischer Aktivitäten, sondern aufgrund einfacher Kritik an der sozioökonomischen Lage in der Republik unter Druck geraten. So musste ein Mann, der sich im April 2016 in einem Videoaufruf an Präsident Putin über die Misswirtschaft und Korruption lokaler Beamter beschwerte, nach Dagestan flüchten, nachdem sein Haus von Unbekannten in Brand gesteckt worden war. Einen Monat später entschuldigte sich der Mann in einem regionalen Fernsehsender. Im Mai 2016 wandte sich Kadyrow in einem TV-Beitrag mit einer deutlichen Warnung vor Kritik an die in Europa lebende tschetschenische Diaspora. Diese werde für jedes ihrer Worte ihm gegenüber verantwortlich sein, man wisse, wer sie seien und wo sie leben, sie alle seien in seinen Händen, so Kadyrow. Gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax behauptete Kadyrow am 21. November 2017, dass der Terrorismus in Tschetschenien komplett besiegt sei, es gebe aber Versuche zur Rekrutierung junger Menschen, für welche er die subversive Arbeit westlicher Geheimdienste im Internet verantwortlich machte (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation).

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind. Auch in diesen Fällen kann es zu Sippenhaft von Familienangehörigen kommen. Im Fall des Menschenrechtsaktivisten und Leiter des Memorial-Büros in Tschetschenien Ojub Titijew wurde seitens Memorial bekannt, dass Familienangehörige Tschetschenien verlassen mussten (AA 13.2.2019).

1.2.3. Medizinische Versorgung in der Russischen Föderation

Medizinische Versorgung wird von staatlichen und privaten Einrichtungen zu Verfügung gestellt. StaatsbürgerInnen haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu einer kostenlosen medizinischen Versorgung (IOM 2018, vgl. ÖB Moskau 12.2018). Jede/r russische Staatsbürger/in, egal ob er einer Arbeit nachgeht oder nicht, ist von der Pflichtversicherung erfasst (ÖB Moskau 12.2018). Dies gilt somit natürlich auch für Rückkehrer, daher kann jeder russische Staatsbürger bei Vorlage eines Passes oder einer Geburtsurkunde (für Kinder bis 14) eine OMS-Karte erhalten. Diese müssen bei der nächstliegenden Krankenversicherung eingereicht werden. An staatlichen wie auch an privaten Kliniken sind medizinische Dienstleistungen verfügbar, für die man direkt bezahlen kann (im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung - Voluntary Medical Insurance DMS) (IOM 2018). Durch die Zusatzversicherung sind einige gebührenpflichtige Leistungen in einigen staatlichen Krankenhäusern abgedeckt (ÖB Moskau 12.2018).

Die kostenfreie Versorgung umfasst Notfallbehandlung, Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken, Stationäre Behandlung und teilweise kostenlose Medikamente. Behandlungen innerhalb der OMS sind kostenlos. Für die zahlungspflichtigen Angebote von öffentlichen und privaten Kliniken gibt es Preislisten auf den jeweiligen Webseiten (IOM 2018), die zum Teil auch mit OMS abrechnen (GTAI - German Trade and Invest (27.11.20186): Russlands Privatkliniken glänzen mit hohem Wachstum). Immer mehr russische Staatsbürger wenden sich an Privatkliniken (GTAI 27.11.2018, vgl. Ostexperte.de (22.9.2017): Privatkliniken in Russland immer beliebter). Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert (GIZ 8.2019c, vgl. ÖB Moskau 12.2018). Voraussetzung ist lediglich eine Registrierung des Wohnsitzes im Land. Am Meldeamt haben nur temporär registrierte Personen Zugang zu notfallmäßiger medizinischer Versorgung, während eine permanente Registrierung stationäre medizinische Versorgung, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Pensionsgelder ermöglicht. Fälle von Diskriminierung auf Grund von Religion oder ethnischer Herkunft bezüglich der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sind nicht bekannt (ÖB Moskau 12.2018).

Das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt ineffektiv. Trotz der schrittweisen Anhebung der Honorare sind die Einkommen der Ärzte und des medizinischen Personals noch immer niedrig (GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2019c): Russland, Gesellschaft). Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist (GIZ 8.2019c, vgl. AA 13.2.2019).

Das Wissen und die technischen Möglichkeiten für anspruchsvollere Behandlungen sind meistens nur in den Großstädten vorhanden. Das Hauptproblem ist jedoch weniger die fehlende technische Ausstattung, sondern ein Ärztemangel, obwohl die Zahl der Ärzte 2018 leicht gestiegen ist. Hinzu kommt, dass die Gesundheitsversorgung zu stark auf die klinische Behandlung ausgerichtet ist. Da in den letzten Jahren die Zahl der Krankenhäuser und Ärztezentren abgenommen hat, hat die Regierung darauf reagiert und 2018 beschlossen, dass bis 2024 360 neue medizinische Einrichtungen, darunter 30 onkologische Zentren, gebaut und weitere 1.200 saniert werden sollen. Zusätzlich sollen 800 mobile Einrichtungen eröffnet werden. Parallel zu diesen Beschlüssen wurden jedoch 2018 300 staatliche Krankenhäuser geschlossen. Den größten Fortschritt in der medizinischen Versorgung brachten 2018 die Einführung der Telemedizin und die digitale Erbringung der medizinischen Leistung. Patienten können seit dem 1.4.2018 einen Termin über ihr e-Konto vereinbaren oder einen digitalen Arzt in Anspruch nehmen. Diagnose und Behandlung erfolgen online. Mit der Einführung der Telemedizin haben sich die langen Wartezeiten auf eine Behandlung verkürzt (AA 13.2.2019).

Im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern sind der Botschaft keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt. Seit Jänner 2011 ist das "Föderale Gesetz Nr. 326-FZ über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation" vom November 2010 in Kraft; seit Jänner 2012 gilt das föderale Gesetz Nr. 323-FZ vom November 2011 über die "Grundlagen der medizinischen Versorgung der Bürger der Russischen Föderation". Laut Gesetz hat jeder Mensch Anrecht auf kostenlose medizinische Hilfestellung in dem gemäß "Programm der Staatsgarantien für kostenlose medizinische Hilfestellung" garantierten Umfang. Von diesem Programm sind alle Arten von medizinischer Versorgung (Notfallhilfe, ambulante Versorgung, stationäre Versorgung, spezialisierte Eingriffe) erfasst. Kostenpflichtig sind einerseits Sonderleistungen (Einzelzimmer u.Ä.), andererseits jene medizinischen Leistungen, die auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden (z.B. zusätzliche Untersuchungen, die laut behandelndem Arzt nicht indiziert sind) (ÖB Moskau 12.2018).

Personen haben das Recht auf freie Wahl der medizinischen Anstalt und des Arztes, allerdings mit Einschränkungen. Für einfache medizinische Hilfe, die in der Regel in Polikliniken erwiesen wird, haben Personen das Recht, die medizinische Anstalt nicht öfter als einmal pro Jahr, unter anderem nach dem territorialen Prinzip (d.h. am Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsort), zu wechseln. Davon ausgenommen ist ein Wechsel im Falle einer Änderung des Wohn- oder Aufenthaltsortes. Das bedeutet aber auch, dass die Inanspruchnahme einer medizinischen Standardleistung (gilt nicht für Notfälle) in einem anderen als dem "zuständigen" Krankenhaus, bzw. bei einem anderen als dem "zuständigen" Arzt, kostenpflichtig ist. In der ausgewählten Organisation können Personen ihren Allgemein- bzw. Kinderarzt nicht öfter als einmal pro Jahr wechseln. Falls eine geplante spezialisierte medizinische Behandlung im Krankenhaus nötig wird, erfolgt die Auswahl der medizinischen Anstalt durch den Patienten gemäß der Empfehlung des betreuenden Arztes oder selbstständig, falls mehrere medizinische Anstalten zur Auswahl stehen. Abgesehen von den oben stehenden Ausnahmen sind Selbstbehalte nicht vorgesehen (ÖB Moskau 12.2018).

Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos. Es wird aber berichtet, dass in der Praxis die Bezahlung von Schmiergeld zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Behandlungen teilweise erwartet wird (ÖB Moskau 12.2018). Bestimmte Medikamente werden kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes (DIS - Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014). In Notfällen sind Medikamente in Kliniken, wie auch an Ambulanzstationen, kostenfrei erhältlich. Gewöhnlich kaufen russische Staatsbürger ihre Medikamente jedoch selbst. Bürgerinnen mit speziellen Krankheiten wird Unterstützung gewährt, u.a. durch kostenfreie Medikamente, Behandlung, und Transport. Die Kosten für Medikamente variieren, feste Preise bestehen nicht (IOM 2018). Weiters wird berichtet, dass die Qualität der medizinischen Versorgung hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Ausstattung von Krankenhäusern und der Qualifizierung der Ärzte landesweit variieren kann (ÖB Moskau 12.2018). Im Zuge der Lokalisierungspolitik der Russischen Föderation sinkt der Anteil an hochwertigen ausländischen Medikamenten. Es wurde über Fälle von Medikamenten ohne oder mit schädlichen Wirkstoffen berichtet. Als Gegenmaßnahme wurde 2018 ein neues System der Etikettierung eingeführt, sodass nun nachvollzogen werden kann, wo und wie die Arzneimittel hergestellt und bearbeitet wurden. Die Medikamentenversorgung ist zumindest in den Großstädten gewährleistet und teilweise kostenfrei (AA 13.2.2019).

Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit sieben föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und zwölf Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert, sowie Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert. Seit 2002 ist die Lebenserwartung in Russland stetig gestiegen (GIZ 8.2019c).

Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land ist es für alle Bürger der Russischen Föderation möglich, bei Krankheiten, die in einzelnen Teilrepubliken nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung) (vgl. dazu die Kapitel 19. Bewegungsfreiheit und 19.1 Meldewesen) (DIS 1.2015, vgl. AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019):

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation 2019). Staatenlose, die dauerhaft in Russland leben, sind bezüglich ihres Rechts auf medizinische Hilfe russischen Staatsbürgern gleichgestellt. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gewährleistet ist (ÖB Moskau (12.2018):

Asylländerbericht Russische Föderation).

1.2.4. Frauen

Artikel 19 der russischen Verfassung garantiert die Gleichstellung von Mann und Frau (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation, vgl. GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2019c): Russland, Gesellschaft). Zudem hat die Russische Föderation mehrere internationale und regionale Konventionen ratifiziert, die diese Gleichstellung festschreiben, darunter die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und ihr Zusatzprotokoll. Grundsätzlich gibt es in der Russischen Föderation keine systematische Diskriminierung von Frauen. Im Rahmen der 62. Sitzung der CEDAW von Oktober bis November 2015 wurde der rezente Länderbericht zur Russischen Föderation diskutiert. In seinen Schlussbemerkungen begrüßte das Komitee die Fortschritte im russischen Rechtssystem zum Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen, insbesondere in den Bereichen Arbeitsrecht und Schutz für Schwangere. Folgende Empfehlungen wurden an die russische Regierung gerichtet: Verabschiedung eines umfassenden Anti-Diskriminierungsgesetzes, Verbesserungen beim Zugang von Frauen zu rechtlichen Beschwerdemechanismen, die Ausarbeitung eines nationalen Aktionsplans gegen Menschenschmuggel, die Stärkung der Teilnahme von Frauen am politischen und öffentlichen Leben (z.B. durch Einführung von Quotenregelungen für Frauen in der Staatsduma, dem Föderationsrat, den Ministerien oder dem diplomatischen Dienst), die Einführung eines alters- und genderspezifischen Sexualkundeunterrichts in Grund- und Mittelschulen, die Bekämpfung von Diskriminierung am Arbeitsplatz (z.B. durch Überarbeitung der Liste von Berufsverboten für Frauen in rund 450 Berufen) und die Verbesserung des Zugangs zu qualitativer Gesundheitsversorgung für Frauen in ländlichen Gebieten (ÖB Moskau (12.2018):

Asylländerbericht Russische Föderation).

1.2.5. Medizinische Versorgung in Tschetschenien

Wie jedes Subjekt der Russischen Föderation hat auch Tschetschenien eine eigene öffentliche Gesundheitsverwaltung, die die regionalen Gesundheitseinrichtungen wie z.B. regionale Spitäler (spezialisierte und zentrale), Tageseinrichtungen, diagnostische Zentren und spezialisierte Notfalleinrichtungen leitet. Das Krankenversicherungssystem wird vom territorialen verpflichtenden Gesundheitsfonds geführt. Schon 2013 wurde eine dreistufige Roadmap eingeführt, mit dem Ziel, die Verfügbarkeit und Qualität des tschetschenischen Gesundheitssystems zu erhöhen. In der ersten Stufe wird die primäre Gesundheitsversorgung, inklusive Notfall- und spezialisierter Gesundheitsversorgung, zur Verfügung gestellt. In der zweiten Stufe wird die multidisziplinäre spezialisierte Gesundheitsversorgung, und in der dritten Stufe die spezialisierte Gesundheitsversorgung zur Verfügung gestellt (BDA - Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI). Es sind somit in Tschetschenien sowohl primäre als auch spezialisierte Gesundheitseinrichtungen verfügbar. Die Krankenhäuser sind in einem besseren Zustand als in den Nachbarrepubliken, da viele vor nicht allzu langer Zeit erbaut wurden (DIS 1.2015).

Bestimmte Medikamente werden kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes. Auch gibt es bestimmte Personengruppen, die bestimmte Medikamente kostenfrei erhalten. Dazu gehören Kinder unter drei Jahren, Kriegsveteranen, schwangere Frauen und Onkologie- und HIV-Patienten. Verschriebene Medikamente werden in staatlich lizensierten Apotheken kostenfrei gegen Vorlage des Rezeptes abgegeben (DIS - Danish Immigration Service (1.2015):

Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false). Weitere Krankheiten, für die Medikamente kostenlos weitergegeben werden (innerhalb der obligatorischen Krankenversicherung), sind: - infektiöse und parasitäre Krankheiten - Tumore - endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten - Krankheiten des Nervensystems - Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe sowie bestimmte Störungen mit Beteiligung des Immunsystems - Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde - Krankheiten des Ohres und des Warzenfortsatzes - Krankheiten des Kreislaufsystems - Krankheiten des Atmungssystems - Krankheiten des Verdauungssystems - Krankheiten des Urogenitalsystems - Schwangerschaft, Geburt, Abort und Wochenbett - Krankheiten der Haut und der Unterhaut - Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes- Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen - Geburtsfehler und Chromosomenfehler - bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben - Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die nicht in der Kategorie der Internationalen Klassifikation von Krankheiten gelistet sind (BDA CFS 31.3.2015).

Die obligatorische Krankenversicherung deckt unter anderem auch klinische Untersuchungen von bestimmten Personengruppen, wie Minderjährigen, Studenten, Arbeitern usw., und medizinische Rehabilitation in Gesundheitseinrichtungen. Weiters werden zusätzliche Gebühren von Allgemeinmedizinern und Kinderärzten, Familienärzten, Krankenschwestern und Notfallmedizinern finanziert. Peritoneal- und Hämodialyse werden auch unterstützt (nach vorgegebenen Raten), einschließlich der Beschaffung von Materialien und Medikamenten. Die obligatorische Krankenversicherung in Tschetschenien ist von der föderalen obligatorischen Krankenversicherung subventioniert (BDA CFS 31.3.2015). Trotzdem muss angemerkt werden, dass auch hier aufgrund der niedrigen Löhne der Ärzte das System der Zuzahlung durch die Patienten existiert (BDA CFS 31.3.2015, vgl. GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2019c): Russland, Gesellschaft, AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation). Es gibt dennoch medizinische Einrichtungen, wo die Versorgung kostenfrei bereitgestellt wird, beispielsweise im Distrikt von Gudermes (von hier stammt Ramzan Kadyrow). In kleinen Dörfern sind die ärztlichen Leistungen günstiger (BDA CFS 31.3.2015).

In Tschetschenien gibt es nur einige private Gesundheitseinrichtungen, die normalerweise mit Fachärzten arbeiten, die aus den Nachbarregionen eingeladen werden. Die Preise sind hier um einiges höher als in öffentlichen Institutionen, und zwar aufgrund von komfortableren Aufenthalten, besser qualifizierten Spezialisten und modernerer medizinischer Ausstattung (BDA CFS 31.3.2015).

Wenn eine Behandlung in einer Region nicht verfügbar ist, gibt es die Möglichkeit, dass der Patient in eine andere Region, wo die Behandlung verfügbar ist, überwiesen wird (BDA CFS 31.3.2015).

1.2.6. Gesundheitseinrichtungen in Tschetschenien

Gesundheitseinrichtungen, die die ländlichen Gebiete Tschetscheniens abdecken, sind: "Achkhoy-Martan RCH" (regional central hospital), "Vedenskaya RCH", "Grozny RCH", "Staro-Yurt RH" (regional hospital), "Gudermessky RCH", "Itum-Kalynskaya RCH", "Kurchaloevskaja RCH", "Nadterechnaye RCH", "Znamenskaya RH", "Goragorsky RH", "Naurskaya RCH", "Nozhai-Yurt RCH", "Sunzhensk RCH", Urus-Martan RCH", "Sharoy RH", "Shatoïski RCH", "Shali RCH", "ChiriYurt RCH", "Shelkovskaya RCH", "Argun municipal hospital N° 1" und "Gvardeyskaya RH" (BDA CFS 31.3.2015).

Gesundheitseinrichtungen, die alle Gebiete Tschetscheniens abdecken, sind: "The Republican hospital of emergency care" (former Regional Central Clinic No. 9), "Republican Centre of prevention and fight against AIDS", "The National Centre of the Mother and Infant Aymani Kadyrova", "Republican Oncological Dispensary", "Republican Centre of blood transfusion", "National Centre for medical and psychological rehabilitation of children", "The Republican Hospital", "Republican Psychiatric Hospital", "National Drug Dispensary", "The Republican Hospital of War Veterans", "Republican TB Dispensary", "Clinic of pedodontics", "National Centre for Preventive Medicine", "Republican Centre for Infectious Diseases", "Republican Endocrinology Dispensary", "National Centre of purulent-septic surgery", "The Republican dental clinic", "Republican Dispensary of skin and venereal diseases", "Republican Association for medical diagnostics and rehabilitation", "Psychiatric Hospital 'Samashki', "Psychiatric Hospital 'Darbanhi'", "Regional Paediatric Clinic", "National Centre for Emergency Medicine", "The Republican Scientific Medical Centre", "Republican Office for forensic examination", "National Rehabilitation Centre", "Medical Centre of Research and Information", "National Centre for Family Planning", "Medical Commission for driving licenses" und "National Paediatric Sanatorium 'Chishki'" (BDA - Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI).

Städtische Gesundheitseinrichtungen in Grosny sind: "Clinical Hospital N° 1 Grozny", "Clinical Hospital for children N° 2 Grozny", "Clinical Hospital N° 3 Grozny", "Clinical Hospital N° 4 Grozny", "Hospital N° 5 Grozny", "Hospital N° 6 Grozny", "Hospital N° 7 Grozny", "Clinical Hospital N° 10 in Grozny", "Maternity N° 2 in Grozny", "Polyclinic N° 1 in Grozny", "Polyclinic N° 2 in Grozny",

"Polyclinic N° 3 in Grozny", "Polyclinic N° 4 in Grozny",

"Polyclinic N° 5 in Grozny", "Polyclinic N° 6 in Grozny",

"Polyclinic N° 7 in Grozny", "Polyclinic N° 8 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 1", "Paediatric polyclinic N° 3 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 4 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 5", "Dental complex in Grozny", "Dental Clinic N° 1 in Grozny", "Paediatric Psycho-Neurological Centre", "Dental Clinic N° 2 in Grozny" und "Paediatric Dental Clinic of Grozny" (BDA CFS 31.3.2015).

1.2.7. Rückkehrer

Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme. Der Rückübernahme geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rücknahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Person von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Wenn die zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rücknahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation mussten sich bislang alle Rückkehrer beim Föderalen Migrationsdienst (FMS) ihres beabsichtigten Wohnortes registrieren. Dies gilt generell für alle russische Staatsangehörige, wenn sie innerhalb von Russland ihren Wohnort wechseln. 2016 wurde der FMS allerdings aufgelöst und die entsprechenden Kompetenzen in das Innenministerium verlagert. Die Zusammenarbeit zwischen föderalen und regionalen Behörden bei der innerstaatlichen Migration scheint verbesserungsfähig. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Überstellung informiert und diese Person kann, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, in Untersuchungshaft genommen werden (ÖB Moskau 12.2018).

Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft vor allem die im Vergleich zum Rest Russlands großen wirtschaftlichen Probleme sowie die damit einhergehende Arbeitslosigkeit im Nordkaukasus. Hinzu kommen bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können. Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betreffen weite Teile der russischen Bevölkerung und können somit nicht als spezifisches Problem von Rückkehrern bezeichnet werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich für Frauen aus dem Nordkaukasus, zu deren Bewältigung zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützend tätig sind. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf mögliche politische Verfolgung durch die russischen bzw. die nordkaukasischen Behörden kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhängt. Aus informierten Kreisen mit direktem Praxisbezug war zu erfahren, dass Rückkehrer gewöhnlich nicht mit Diskriminierung seitens der Behörden konfrontiert sind (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation).

Es besteht keine allgemeine Gefährdung für die körperliche Unversehrtheit von Rückkehrern in den Nordkaukasus. Vereinzelt gibt es Fälle von Tschetschenen, die im Ausland einen negativen Asylbescheid erhalten haben, in ihre Heimat zurückgekehrt sind und nach ihrer Ankunft unrechtmäßig verfolgt worden sind. Das unabhängige Informationsportal Caucasian Knot schreibt in einem Bericht vom April 2016 von einigen wenigen Fällen, in denen Tschetschenen, denen im Ausland kein Asyl gewährt worden ist, nach ihrer Abschiebung drangsaliert worden wären (ÖB Moskau 12.2018). Die Stellung eines Asylantrags im Ausland führt aber nicht prinzipiell zu einer Verfolgung. Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Polizei gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation).

Rückkehrende werden grundsätzlich nicht als eigene Kategorie oder schutzbedürftige Gruppe aufgefasst. Folglich gibt es keine individuelle Unterstützung durch den russischen Staat. Rückkehrende haben aber wie alle anderen russischen Staatsbürgerinnen Anspruch auf Teilhabe am Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Rentensystem, solange sie die jeweiligen Bedingungen erfüllen. Es gibt auch finanzielle und administrative Unterstützung bei Existenzgründungen. Beispielsweise können Mikrokredite für Kleinunternehmen bei Banken beantragt werden. Einige Regionen bieten über ein Auswahlverfahren spezielle Zuschüsse zur Förderung von Unternehmensgründungen an (IOM - International Organisation of Migration (2018):

Länderinformationsblatt Russische Föderation).

1.3. Zu den Fluchtgründen

1.3.1. BF1, BF2, BF3, BF4 und BF5 stellten nach illegaler Einreise erstmals am XXXX Anträge auf internationalen Schutz, welche mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom XXXX als unbegründet abgewiesen wurden. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX als gegenstandslos abgelegt, da sie am XXXX unter Gewährung von Rückkehrhilfe in den Herkunftsstaat zurückgekehrt waren.

1.3.2. BF1, BF2, BF3, BF4 und BF5 reisten im XXXX erneut illegal in das Bundesgebiet ein und stellten ihren jeweils zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

1.3.2.1. BF6 ist am XXXX im Bundesgebiet geboren. Für diese wurde am XXXX ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.3.2.1.1. Mit Schreiben vom XXXX stellten die Beschwerdeführer einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe.

1.3.2.2. Diese Anträge der BF wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX als unbegründet abgewiesen. Trotz der aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung sind die BF ihrer Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht nachgekommen und stellten in weiterer Folge jeweils einen Folgeantrag, den dritten im Bundesgebiet, auf internationalen Schutz, die mit den angefochtenen Bescheiden des BFA wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden.

1.3.3. Es liegt keine maßgebliche Änderung der von den BF bereits im Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen vor. Eine maßgebliche Verschlechterung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat der BF seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den letzten Antrag auf internationalen Schutz der BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX ist nicht gegeben.

1.3.3.1. Den BF ist eine Rückkehr in die Russische Föderation zumutbar.

Im Falle einer Rückkehr würden sie in keine existenzgefährdende Notlage geraten bzw. es würde ihnen nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen werden.

Sie laufen folglich nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.

Im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat sind die BF nicht in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.

1.4. Zu den Privat- und Familienverhältnissen der Beschwerdeführerin in Österreich

Im Bundesgebiet lebt die Schwester von BF1 und ist als Konventionsflüchtling anerkannt. Es besteht zu dieser kein gemeinsamer Haushalt und auch kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Der BF1 hat keinen Kontakt zu seiner Schwester.

Weder BF1 noch BF2 sind im Bundesgebiet bis dato einem Erwerb nachgegangen. Sie leben von Leistungen aus der Grundversorgung. Sie haben marginale Deutschkenntnisse und haben kein Deutschzertifikat vorgelegt. Die BF haben keine Kurse oder Ausbildungen absolviert und sind keine Mitglieder in einem Verein oder Organisationen. Sie pflegen keine tiefgreifenden Freundschaften in Österreich.

Die BF3 bis BF6 sind unmündige Minderjährige. BF3, BF4 und BF5 sind schulpflichtig. BF2 kümmert sich um die XXXX BF6.

Es konnten keine weiteren maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration der BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

2.1.1. Die Identität von BF1, BF2 und BF3 wurde aufgrund von Vorlage ihrer Inlandsreisepässe bzw. Geburtsurkunde bereits in ihrem Vorverfahren und im gegenständlichen Verfahren des BFA festgestellt. Mangels Vorlage von Identitätsdokumenten steht die Identität von BF3, BF4 und BF5 hingegen nicht fest.

Es besteht kein Anlass an den Angaben des BF1, wonach die BF aktuell keinen Kontakt zu seiner im Bundesgebiet lebenden Schwester haben zu zweifeln ( XXXX , AS 191). Gleichermaßen verhält es sich zu den Angaben, dass weder ein finanzielles noch ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zu dieser besteht ( XXXX .).

Die Angaben zur Ausbildung, Arbeitserfahrung, den Familienverhältnissen der Beschwerdeführer sowie ihren Verwandten in Tschetschenien sind glaubhaft und ergeben sich aus ihren Angaben in ihren bisherigen und insbesondere dem gegenständlichen Verfahren, und zwar der Einvernahme von BF1 und BF2 vor dem BFA am XXXX (BF1, XXXX , AS 190; "Mit meiner Mutter und meiner älteren Schwester, über Whatsapp haben wir Kontakt", ebenso; BF2, XXXX , AS 195; "Ja, ich habe jeden Tag Kontakt zu meinen Geschwistern.").

Die Angabe, dass die BF nicht bei dem Bruder der BF2 im Herkunftsstaat, bei welchem sie früher selbst gewohnt habe, leben könne, weil er seine eigene Familie habe, ist nicht glaubhaft (BF2, AS 195).

2.1.2. Dass die BF gesund sind, ergibt sich ebenso aus ihren Angaben im gegenständlichen Verfahren.

Betreffend BF2 ergibt sich aus der durch das BFA in Auftrag gegebenen gutachterlichen Stellungnahme (BF2, AS 211ff.), dass keine Posttraumatische Belastungsstörung oder dissoziative Störung vorliegt. Am ehesten liegt bei BF2 eine Anpassungsstörung XXXX vor, die durch das subjektiv unerwünscht verlaufende Asylverfahren entstanden ist, jedoch keiner therapeutischen und medizinischen Maßnahmen bedürfen. Die BF 2 ist bewusstseinsklar, es befinden sich kein Hinweis auf Suizidalität und sie ist in gutem Allgemeinzustand. Die Verhaltensweisen der BF2 bei der Untersuchung haben "gekünstelt" gewirkt (BF2, AS 221). Es hat sich daher insgesamt kein Hinweis ergeben, dass die Veranlassung bestand von Amts wegen eine weitere Begutachtung des Gesundheitszustands vorzunehmen.

Es sind insgesamt bei den Beschwerdeführern keine neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, dass eine schwere Erkrankung, die in der Heimat nicht behandelbar wäre oder ein sonstiger auf die Person der BF bezogener außergewöhnlicher Umstand vorliegt. Den Länderberichten ist zudem zu entnehmen, dass jeder Staatsbürger im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung Zugang zu einer kostenlosen medizinischen Versorgung hat. Auch sind im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt.

2.1.3. Die Feststellung, dass BF 2 vom Landesgericht XXXX , zu einer XXXX Freiheitsstrafe von XXXX , Probezeit XXXX Jahre, wegen § 15 iVm. § 299 Abs. 1 iVm. § 288 StGB Abs. 4 verurteilt wurde, ergibt sich aus einem aktuellen Auszug des Strafregisters.

2.2. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den im aktuellen LIB vom 30.09.2019 wiedergegebenen und zitierten Berichten. Die konkret den Feststellungen zugrundeliegenden Quellen wurden in den angefochtenen Bescheiden und unter Punkt II.1.2. zitiert. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln.

Den Länderberichten wurde weder in der jeweiligen Einvernahme von BF1 oder BF2, noch im Beschwerdeschriftsatz substantiiert entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.

2.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Dass eine maßgebliche Änderung der von der BF bereits im vorangegangenen Verfahren vorgebrachten Fluchtgründe nicht festgestellt werden kann, ergibt sich aus den Angaben der BF im gegenständlichen Verfahren:

Sowohl BF1, als auch BF2 erklärten in ihrer Erstbefragung am XXXX , dass die Fluchtgründe aus den Vorverfahren auch weiterhin bestehen würden. Hierzu gab BF1 eindeutig zu Protokoll: "Mein ursprünglicher Fluchtgrund war, dass ich politisch verfolgt wurde bzw. werde. Dieser Fluchtgrund besteht noch immer." (BF2, XXXX , AS 8). Auch BF2 führte in diesem Zusammenhang aus: "Unsere damaligen Fluchtgründe sind noch immer aufrecht." (BF1, XXXX , AS 8).

Auch in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am XXXX bestätigten sowohl BF1 als auch BF2 an mehreren Stellen, dass ihre Fluchtgründen auch weiterhin aufrecht seien:

Befragt nach den Gründen des ersten und zweiten Asylverfahrens schilderte BF1 die Probleme rund um den XXXX , der Widerstandskämpfer gewesen sei und sich bei den BF zuhause versteckt hätte, weshalb XXXX Leute daraufhin BF1 verfolgt hätten. Konkret nach seinen aktuellen Fluchtgründen befragt, gab er zu Protokoll:

"Ich habe Angst bei einer Rückkehr dass meine Familie zu Schaden kommt, weil die ganze Folter und Gewalt ist meiner Familie schon wiederfahren, wenn wir zurückkehren werden wir sofort weg sein. Es sind die gleichen Gründe wie aus dem zweiten Asylverfahren. (BF1, AS 191-193).

Auch BF2 gab zum ursprünglichen Fluchtgrund erneut an: "Der Cousin meines Mannes, XXXX , dass er zu uns gekommen ist, wir haben ihn aufgenommen. Als der Cousin uns verließ haben die ganzen Probleme begonnen.". Nach den neuen Fluchtgründen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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