TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/12 W252 2184514-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2019
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Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W252 2184514-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX , nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005 (AslyG), hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten für ein Jahr erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. und IV. werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 10.09.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 12.09.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er Somalia wegen der Al-Shabaab Miliz verlassen habe. Diese hätten im Juni 2012 seinen Vater getötet. Danach sei der BF nach Bosasso geflüchtet und nachdem er dort nicht habe bleiben können sei er aus Somalia geflüchtet.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 08.11.2017 gab der BF als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass die Al-Shabaab ihn in mehreren Versuchen rekrutieren habe wollen. Sein Lehrer in der Koranschule sei ebenfalls ein Anhänger der Al-Shabaab gewesen. Als er seinen Vater davon erzählt habe, sei dieser daraufhin selbst in die Koranschule gegangen und habe mit dem besagten Lehrer gesprochen. Am Nachmittag habe der BF eine Schießerei gehört und als er zurück nach Hause gegangen sei, habe er seinen Vater tot am Boden liegen gesehen. Daraufhin habe die Mutter zwei Kühe verkauft und ein Auto organisiert, damit der BF die Stadt verlassen könne. Der BF sei dann zuerst nach Kismayo und sodann weiter nach Bosasso gefahren. Dort sei er ein Jahr und sechs Monate geblieben. Er habe dort nur wenig Geld nur gelegentliches Schuhe putzen verdient. Als er schließlich Malaria bekommen habe und die Tabletten aus der Apotheke keine Besserung brachten, sei er mit einem Fahrer zurück zu seiner Mutter gefahren. Er konnte seine Familie jedoch nicht mehr antreffen, das Haus sei zugesperrt gewesen. Ein Nachbar habe ihm sodann geraten, dass es besser wäre, das Land zu verlassen und habe dem BF die Fahrt hierfür bezahlt.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter einem wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt stellte dem BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3. Mit Schriftsatz vom 13.12.2017 (am 18.12.2017 bei der belangten Behörde eingelangt) erhob der damals noch minderjährige BF durch seine gesetzliche Vertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde. Zusammengefasst wurde vorgebracht, dass der BF wegen seiner Weigerung sich der Al-Shabaab anzuschließen bei gleichzeitiger ausbleibenden Schutz der Sicherheitsbehörden Somalias, wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der mit Zwangsrekrutierung bedrohten Kindersoldaten iSd GFK verfolgt werde. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht gegeben, da durchaus denkbar sei, dass lokale Einheiten der Al-Shabaab den Aufenthalt des BF eruieren und ihn weiterhin verfolgen könnten. Neben der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge in eventu dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, in eventu das Verfahren zur Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens zurückverweisen, in eventu eine mündliche Beschwerdeverhandlung zur Ergänzung des mangelhaften Ermittlungsverfahrens anberaumen, sowie in eventu den Spruchpunkt III. dahingehend abändern, dass eine Abschiebung des BF nach Somalia unzulässig ist.

4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.04.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die somalische Sprache, im Beisein des rechtsfreundlichen Vertreters des BF, sowie drei Zeuginnen eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer u.a. ausführlich zu seinen Fluchtgründen und seiner Integration in Österreich befragt wurde. Das Bundesamt nahm ebenfalls an der Verhandlung teil. Der BF legte in der Verhandlung weitere Bescheinigungsmittel vor. Im Zuge der Verhandlung wurde dem BF das LIB Somalia 12.01.2018 (letzte KI eingefügt am 17.09.2018), der UNSOM "Countering Al-Shabaab Propaganda und Recruitment Mechanisms in South Central Somalia" Bericht vom 14.08.2017, Fact Finding Mission Report Somalia; Sicherheitslage in Somalia, Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM vom August 2017, S. 48-55, den UN-Security Council Bericht vom 2.11.2017, S. 46, sowie den ACCORD Bericht "Herkunftsland, Humanitäre Hilfe, Arbeitsmarkt, Versorgungslage in Mogadischu" vom 11.Mai 2018 zur Stellungnahme vorgehalten und eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme vereinbart.

5. Mit Schriftsatz vom 29.04.2019 brachte der BF eine Stellungnahme zu den im Zuge der Verhandlung ausgehändigten Länderberichtsmaterial ein. Zusammengefasst wurde darauf hingewiesen, dass eine Rückkehr nach Somalia für den BF unzumutbar sei. Hinsichtlich der Lage in Mogadischu wurde unter Verweis auf die Länderberichte ausgeführt, dass es für gewisse Bevölkerungsteilte zu Versorgungsschwierigkeiten gebe. Ebenso sei der Arbeitsmarkt in Mogadischu problematisch und die Sicherheitslage instabil. Auch komme es in Kismayo immer wieder zu Attentaten. Rückkehrer würden bei einer Rückkehr nach Somalia eine prekäre Situation vorfinden. Abschiebungen aus Österreich fänden nur auf Grund freiwilliger Rückkehr statt und diese auch nur nach Somalialand. Dies vor allem aufgrund der bekannten prekären und unsicheren Situation. Somalia sei daher kein sicherer Herkunftsstaat. Aufgrund dessen werden alle Anträge aufrechtgehalten.

6. Mit Parteiengehör vom 05.08.2019 wurden dem BF und der belangten Behörde der FSNAU Bericht "Somalia, Food Security Outlook - Juni 2019 bis Jänner 2020", der FSNAU Bericht "Quarterly Brief", April 2019, sowie der Bericht von OCHA "Humanitarian Bulletin" vom Juni 2019, mit der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme binnen einer Woche, übermittelt.

7. Mit Schriftsatz vom 13.08.2019 übermittelte der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter eine Stellungnahme zu den mit Parteiengehör zugesandten Länderberichten. Zusammengefasst wurde hierbei auf die schwachen Regenfälle und den damit einhergehenden Ernteausfall hingewiesen. Zudem sei die Erreichbarkeit von Krisengebieten durch Hilfsorganisationen immer noch schwierig. Dies vor allem in Gebieten, in denen weiterhin Angriffe der Al-Shabaab stattfinden. Zukünftig werde darüber hinaus noch erwartet, dass die Nahrungsmittelsicherheitssituation in ganz Somalia noch weiter angespannt sei. Auch sei die Sicherheit in Somalia, insbesondere im Süd-Sudan, in den Regionen um Mogadishu und Bossasso, wieder gesunken. Auch in den Regionen Lower Juba und Middle und Lower Shabelle seien militärische Auseinandersetzungen und Selbstmordanschläge auf städtische und zivile Institutionen wieder gestiegen. Ergänzend wurden noch weiterer integrationsbezeugende Unterlagen vorgelegt.

8. Mit Eingabe vom 03.10.2019 legte der BF abermals ergänzende Bescheinigungsmittel vor.

9. Mit Schreiben vom 06.11.2019 wurde den Parteien das aktuelle LIB Somalia vom 17.09.2019 zur Stellungnahme übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den im Spruch geführten Namen und ist am im Spruch genannten Datum geboren. Der BF ist somalischer Staatsbürger und Angehöriger des Clans der Ashraf, XXXX an und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

Der BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 10.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF ist in der Stadt XXXX in der Provinz Lower Juba geboren und aufgewachsen und hat dort bis zu seiner Ausreise aus Somalia gelebt. Er besuchte in Somalia sechs Jahre lang die Koranschule und erlernte keinen Beruf. Der Lebensunterhalt der Familie, bestehend aus dem BF, seinen Eltern, sowie weiteren vier Geschwistern, wurde durch die Arbeit des Vaters auf einem Feld und durch den Besitz einer Kuh gesichert. Der BF verfügt über keinen Kontakt mehr zu seiner Familie.

Der BF spricht Somalisch als Muttersprache und hat keine lebensbedrohlichen Krankheiten.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

1.2.1. Dem BF droht keine konkrete und individuelle Gefahr einer zwangsweisen Rekrutierung durch die Al Shabaab in Somalia.

Der BF hat Somalia weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Im Falle der Rückkehr nach Somalia droht dem BF weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Al Shabaab oder durch andere Personen.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.09.2019:

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Die Sicherheitslage bleibt instabil und unvorhersagbar (AMISOM 7.8.2019, S.2). Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in ländlichen Gebieten zu Luftschlägen (NLMBZ 3.2019, S.17). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 13.3.2019, S.1). Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein (AA 17.9.2019). Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (BS 2018, S.31).

Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017, S.21; vgl. BMLV 3.9.2019).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017, S.21/91f; vgl. BMLV 3.9.2019).

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2019). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und - in noch stärkerem Ausmaß - in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S.6).

Süd-/Zentralsomalia

Die Sicherheitslage bleibt volatil (UNSC 15.8.2019, Abs.13; vgl. AA 17.9.2019). Al Shabaab bleibt auch weiterhin die größte Quelle von Unsicherheit in Somalia (SRSG 3.1.2019, S.3; vgl. SEMG 9.11.2018, S.4; UNSC 21.12.2018, S.3).

Al Shabaab führt nach wie vor eine effektive Rebellion (LWJ 8.1.2019). Al Shabaab hat sich ihre operative Stärke und ihre Fähigkeiten bewahrt (UNSC 21.12.2018, S.3; vgl. NLMBZ 3.2019, S.20), führt weiterhin Angriffe auf Regierungseinrichtungen, Behördenmitarbeiter, Sicherheitskräfte, internationale Partner und öffentliche Plätze - z.B. Restaurants und Hotels - durch (UNSC 15.8.2019, Abs.13; vgl. AA 17.9.2019).

Dabei hat sich die Gruppe in erster Linie auf die Durchführung von Sprengstoffanschlägen und gezielten Attentaten verlegt (SRSG 3.1.2019, S.3) und kann sowohl gegen harte (militärische) als auch weiche Ziele vorgehen (NLMBZ 3.2019, S.10). Al Shabaab bleibt zudem weiterhin in der Lage, komplexe asymmetrische Angriffe durchzuführen (SEMG 9.11.2018, S.4). Neben Angriffen auf militärische Einrichtungen und strategischen Selbstmordanschlägen auf Regierungsgebäude und städtische Gebiete wendet al Shabaab auch Mörser- und Handgranatenangriffe an, legt Hinterhalte und führt gezielte Attentate durch (NLMBZ 3.2019, S.10). Al Shabaab verfügt auch weiterhin über Kapazitäten, um konventionelle Angriffe und größere Attentate (u.a. Selbstmordanschläge, Mörserangriffe) durchzuführen (LWJ 15.10.2018). Al Shabaab ist auch in der Lage, fallweise konventionelle Angriffe gegen somalische Kräfte und AMISOM durchzuführen, z.B. am 1.4.2018 gegen sogenannte Forward Operational Bases der AMISOM in Buulo Mareer, Golweyn und Qoryooley (Lower Shabelle) (SEMG 9.11.2018, S.22). Nach anderen Angaben kann al Shabaab keine konventionellen Angriffe mehr durchführen. Die Gruppe hat sich v.a. auf Sprengstoffanschläge und gezielte Attentate verlegt (SRSG 3.1.2019, S.3).

Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg an Angriffen in Mogadischu. Es kommt weiterhin zu Anschlägen mit improvisierten Sprengsätzen, Mörserangriffen und gezielten Attentaten. Alleine im März 2019 wurden 77 Anschläge mit Sprengsätzen verzeichnet - die höchste Zahl seit 2016. Der Großteil dieser Anschläge betraf Mogadischu, Lower Shabelle, Lower Juba und Gedo (UNSC 15.5.2019, Abs.12f). Ähnliches gilt für den Monat Ramadan (5.5.-3.6.); danach ging die Zahl an Vorfällen zurück (UNSC 15.8.2019, Abs.14). Von Gewalt durch al Shabaab am meisten betroffen sind Mogadischu, Lower und Middle Shabelle; Jubaland, Bay und Hiiraan sind zu einem geringeren Ausmaß betroffen (UNSC 21.12.2018, S.4).

Al Shabaab hat auch die Angriffe mit Mörsern verstärkt. Dabei ist eine zunehmende Treffsicherheit zu verzeichnen. Außerdem führt die Gruppe weiterhin (sporadisch) komplexe Angriffe durch (UNSC 15.5.2019, Abs.14f).

Kampfhandlungen: In Teilen Süd-/Zentralsomalias (südlich von Puntland) kommt es zu örtlich begrenzten Kampfhandlungen zwischen somalischen Sicherheitskräften/Milizen bzw. AMISOM (African Union Mission in Somalia) und al Shabaab (AA 4.3.2019, S.16; vgl. AA 17.9.2019). Die Gruppe führt täglich kleinere Angriffe auf AMISOM, Armee und Regierung durch, alle paar Wochen kommt es zu einem größeren Angriff (BS 2018, S.7). Dies betrifft insbesondere die Regionen Lower Juba, Gedo, Bay, Bakool sowie Lower und Middle Shabelle. Die Region Middle Juba steht in weiten Teilen unter Kontrolle von al Shabaab (AA 4.3.2019, S.16). Zivilisten sind insbesondere in Frontbereichen, wo Gebietswechsel vollzogen werden, einem Risiko von Racheaktionen durch al Shabaab oder aber von Regierungskräften ausgesetzt (LIFOS 3.7.2019, S.22). Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind nach wie vor stark von Gewalt betroffen, das Gebiet zwischen diesen Städten liegt im Fokus von al Shabaab (ME 27.6.2019). In Süd-/Zentralsomalia bleibt al Shabaab auch für Stützpunkte von Armee und AMISOM eine Bedrohung. Sie behält die Fähigkeit, selbst in schwer befestigte Anlagen in Mogadischu einzudringen (LWJ 3.9.2018).

Ferner kommt es immer wieder auch zu Auseinandersetzungen somalischer Milizen untereinander (AA 17.9.2019). Auch somalische und regionale Sicherheitskräfte töteten Zivilisten und begingen sexuelle Gewalttaten - v.a. in und um die Region Lower Shabelle (USDOS 13.3.2019, S.11). Zusätzlich wird die Sicherheitslage durch die große Anzahl lokaler und sogar föderaler Milizen verkompliziert (BS 2018, S.8). Es gibt immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Milizen einzelner Sub-Clans bzw. religiöser Gruppierungen wie Ahlu Sunna Wal Jama'a (AA 4.3.2019, S.16; vgl. HRW 17.1.2019). Seit dem Jahr 1991 gibt es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden (AA 4.3.2019, S.16).

Bei Kampfhandlungen gegen al Shabaab, aber auch zwischen Clans oder Sicherheitskräften kommt es zur Vertreibung, Verletzung oder Tötung von Zivilisten (HRW 17.1.2019).

Gebietskontrolle: Die Gebiete Süd-/Zentralsomalias sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen. Allerdings ist die Kontrolle der somalischen Bundesregierung im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (AA 4.3.2019, S.5). Die Regierung war nicht immer in der Lage, gewonnene Gebiete abzusichern, manche wurden von al Shabaab wieder übernommen (BS 2018, S.7). Mittlerweile wird zumindest versucht, nach der Einnahme neuer Ortschaften rasch eine Zivilverwaltung einzusetzen, wie im Zuge der Operation Badbaado 2019 in Lower Shabelle zu erkennen war. Trotzdem beherrschen die neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr als die größeren Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt meist auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert. Teils kommt es zu weiteren (militärischen) Exkursionen (ME 27.6.2019). Die meisten von Regierung/AMISOM gehaltenen Städte sind aber Inseln im Gebiet der al Shabaab (LI 21.5.2019a, S.3; vgl. 8.2017, S.26). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft oder über See versorgt werden, da Überlandrouten nur eingeschränkt nutzbar sind (UNSC 21.12.2018, S.9).

In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (ME 27.6.2019). Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände von al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017, S.26; vgl. BMLV 3.9.2019). Andererseits führen ausstehende Soldzahlungen zu Meutereien bzw. zur Aufgabe gewonnener Gebiete durch Teile der Armee (z.B. in Middle Shabelle im März 2019) (BAMF 1.4.2019).

Al Shabaab kontrolliert große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia und bedroht dort die Städte (LWJ 8.1.2019). Außerdem kontrolliert al Shabaab wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Regierungskontrolle Blockaden aufrecht (HRW 17.1.2019).

AMISOM/Operationen: Die Truppensteller von AMISOM glauben nicht daran, dass Regierungskräfte über die notwendigen Kapazitäten verfügen, um wichtige Sicherheitsaufgaben zu übernehmen (HRW 17.1.2019). Die Regierung ist selbst bei der Sicherheit von Schlüssel-Einrichtungen auf AMISOM angewiesen (BS 2018, S.7). Vor desaströsen Auswirkungen eines voreiligen Abzugs von AMISOM wird gewarnt (SRSG 13.9.2018, S.5). Bereits ein Teilabzug im Rahmen einer "Rekonfiguration" könnte zur Aufgabe sogenannter Forward Operating Bases (FOBs) führen (UNSC 15.5.2019, Abs.72). Die Kräfte von AMISOM sind ohnehin überdehnt (ME 27.6.2019), und schon in den Jahren 2016 und 2017 fielen manche Städte aufgrund des Abzugs von AMISOM zurück an al Shabaab (LI 21.5.2019a, S.1). Auch im Rahmen der Truppenreduzierung im Jahr 2019 hat AMISOM FOBs räumen müssen - etwa Faafax Dhuun (Gedo); andere wurden an die somalische Armee übergeben (ME 14.3.2019).

Nach 2015 hat AMISOM keine großen Offensiven gegen die al Shabaab mehr geführt (ISS 28.2.2019; vgl. SEMG 9.11.2018, S.22), der Konflikt befindet sich in einer Art "Warteschleife" (ICG 27.6.2019, S.1). Im aktuellen Operationsplan von AMISOM sind ausschließlich kleinere offensive Operationen vorgesehen, welche insbesondere der Absicherung relevanter Versorgungsrouten dienen. Tatsächliche Vorstöße auf das Gebiet der al Shabaab sind so gut wie keine vorgesehen. Das heißt, dass AMISOM lediglich auf die Absicherung wesentlicher gesicherter Räume (v.a. Städte) und wichtiger Versorgungsrouten abzielt (ME 14.3.2019). In diesem Sinne ist auch die Operation Badbaado (Lower Shabelle) zu sehen, bei welcher v.a. somalische Truppen herangezogen wurden (ME 27.6.2019). Ein weiteres Zurückdrängen von al Shabaab durch AMISOM kann auf dieser Grundlage nicht erwartet werden (ME 14.3.2019).

Islamischer Staat (IS): Neben al Shabaab existieren in Süd-/Zentralsomalia auch kleinere Zellen des sog. IS (LWJ 16.11.2018). Deren Aktivitäten haben sich ausgedehnt, der IS verübt Mordanschläge in - v.a. - Mogadischu, Afgooye und Baidoa (SEMG 9.11.2018, S.4/28f; vgl. LWJ 4.1.2019; NLMBZ 3.2019, S.15). Dort verfügt der IS über ein Netzwerk. Unklar bleibt, ob dieses mit der IS-Fraktion in Puntland in Kontakt steht (SEMG 9.11.2018, S.4/28f; vgl. NLMBZ 3.2019, S.16). Insgesamt hat sich der IS im Zeitraum Oktober 2017 bis August 2018 zu 50 Attentaten bekannt, tatsächlich konnten nur 13 verifiziert werden (SEMG 9.11.2018, S.4/28f). Die Fähigkeiten des IS in und um Mogadischu sind auf gezielte Attentate beschränkt (UNSC 21.12.2018, S.3).

Zivile Opfer: Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur durch al Shabaab führten 2018 zu hunderten zivilen Todesopfern und Verletzten (HRW 17.1.2019). Allerdings sind Zivilisten nicht das Primärziel (NLMBZ 3.2019, S.12; vgl. LWJ 9.11.2018), wiewohl sie als Kollateralschaden in Kauf genommen werden (NLMBZ 3.2019, S.12; vgl. LI 28.6.2019, S.8). So wurde z.B. als Grund für einen Angriff auf das Sahafi Hotel in Mogadischu am 9.11.2018 von al Shabaab angegeben, dass dort Offiziere und Regierungsvertreter wohnen würden (LWJ 9.11.2018). Der Umstand, dass bei al Shabaab willkürliche Angriffe gegen Zivilisten nicht vorgesehen sind, unterscheidet die Methoden der Gruppe von jenen anderer Terroristen (z.B. Boko Haram) (NLMBZ 3.2019, S.12).

Im Zeitraum Jänner-September 2018 sind in Somalia bei Sprengstoffanschlägen mindestens 280 Menschen ums Leben gekommen, 220 wurden verletzt. 43% der Opfer waren Zivilisten; hauptsächlich betroffen waren die Regionen Lower Shabelle und Benadir/Mogadischu (USDOS 13.3.2019, S.13).

Bei durch das Clansystem hervorgerufener (teils politischer) Gewalt kommt es zu Rachemorden und Angriffen auf Zivilisten. Im Jahr 2018 kam es bei Zusammenstößen zwischen Clanmilizen sowie zwischen diesen und al Shabaab in Puntland, Galmudug, Lower und Middle Shabelle, Lower Juba, Hiiraan und Bay zu Todesopfern. Zusätzlich kommt es zu Kämpfen zwischen Clans und Sub-Clans, v.a. im Streit um Wasser und Land. Im Jahr 2018 waren davon v.a. die Regionen Hiiraan, Galmudug, Lower und Middle Shabelle betroffen (USDOS 13.3.2019, S.2/11f). Derartige Kämpfe sind üblicherweise lokal begrenzt und dauern nur kurze Zeit, können aber mit großer - generell gegen feindliche Kämpfer gerichteter - Gewalt verbunden sein (LI 28.6.2019, S.8).

Luftangriffe: Es kommt vermehrt zu US-Luftangriffen. Die Zahl stieg von 15 im Jahr 2016 auf 35 im Jahr 2017 und weiter auf 47 im Jahr 2018 (LWJ 8.1.2019). Dabei wurden 2018 von der US-Luftwaffe 326 Personen getötet. Alleine im Jänner und Feber 2019 meldete AFRICOM weitere 24 Luftschläge mit 225 Getöteten - nach Angaben von AFRICOM ausschließlich Kämpfer der al Shabaab (TNYT 10.3.2019). Danach ging die Frequenz zurück. Bis Ende April waren es 28 Luftschläge (UNSC 30.4.2019). Angriffe finden in mehreren Regionen statt, in jüngerer Zeit, z.B. am 23.2.2019 auf Stützpunkte von al Shabaab in der Ortschaft Qunyow Barrow (Middle Juba), nahe Aw Dheegle (Lower Shabelle) und in Janaale (Lower Shabelle); am 24.2.2019 nahe Belet Weyne (Hiiraan) und am 25.2.2019 nahe Shebeeley (Hiiraan) (BAMF 4.3.2019, S.6). Auch die äthiopische und die kenianische Luftwaffe führen Angriffe durch (LIFOS 3.7.2019, S.28).

Die Luftangriffe auf Ausbildungs- und Sammelpunkte von al Shabaab zielen darauf ab, Einsatzfähigkeit und Bewegungsfreiheit der Gruppe einzuschränken. Allerdings führten sie auch dazu, dass mehr al Shabaab-Kämpfer in Städte - und hier v.a. Mogadischu - drängen, wo sie kaum Luftschläge zu fürchten brauchen (UNSC 15.5.2019, Abs.16).

Bundesstaat Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba)

Nominell gehören zum Machtbereich von Jubaland die Regionen Lower und Middle Juba sowie Gedo. Die Regierung von Jubaland verfügt aber nicht über die entsprechenden Kapazitäten, um ganz Jubaland kontrollieren zu können (BFA 8.2017, S.57ff). Viele der ländlichen Teile von Jubaland werden von al Shabaab kontrolliert (NLMBZ 3.2019, S.22). Angriffe der al Shabaab richten sich vor allem gegen Regierungskräfte und deren Alliierte (LIFOS 3.7.2019, S.27).

Lower Juba: Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie die Orte Bilis Qooqaani und Kolbiyow werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert. Die Situation in Dif und Badhaade ist hingegen ungewiss (PGN 8.2019; vgl. LI 21.5.2019a, S.2). Jamaame steht unter Kontrolle von al Shabaab; dies gilt auch für den nördlichen Teil Lower Jubas (PGN 8.2019). Dhobley ist relativ frei von al Shabaab (BFA 8.2017, S.64; vgl. PGN 8.2019) und wird als sicher erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.27). Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie die Orte Bilis Qooqaani und Tabta können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019).

Die Bevölkerung von Kismayo ist in kurzer Zeit um 30% auf ca. 300.000 gewachsen. Viele der Zuzügler stammen aus dem Umland oder kamen aus Kenia oder der weltweiten Diaspora nach Kismayo zurück (FIS 5.10.2018, S.20f). Der Aufbau von Polizei und Justiz wurde und wird international unterstützt. Es gibt eine klare Trennung zwischen Polizei und anderen bewaffneten Kräften (BFA 8.2017, S.59). Das verhängte Waffentrageverbot in der Stadt wird umgesetzt, die Kriminalität ist auf niedrigem Niveau, es gibt kaum Meldungen über Morde (ME 27.6.2019). Folglich lässt sich sagen, dass die Polizei in Kismayo entsprechend gut funktioniert. Die al Shabaab ist in Kismayo nur eingeschränkt aktiv, es kommt nur selten zu Anschlägen oder Angriffen (BFA 8.2017, S.59; vgl. BMLV 3.9.2019). Die Stadt gilt als ruhig und sicher (ME 27.6.2019), auch wenn die Unsicherheit wächst (LIFOS 3.7.2019, S.27f). Zivilisten können sich in Kismayo frei und relativ sicher bewegen. Aufgrund der gegebenen Sicherheit ist Kismayo das Hauptziel für Rückkehrer aus Kenia. Der Stadt Kismayo - und damit der Regierung von Jubaland - wird ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit attestiert. Der Regierung ist es gelungen, eine Verwaltung zu etablieren (BFA 8.2017, S.58f; vgl. BMLV 3.9.2019). Regierungskräfte kontrollieren die Stadt, diese ist aber von al Shabaab umgeben (LIFOS 3.7.2019, S.27f); allerdings hat Jubaland die Front bis in das Vorfeld von Jamaame verschieben können. So ist al Shabaab zumindest nicht mehr in der Lage, entlang des Juba in Richtung Kismayo vorzustoßen. Trotzdem ist es der Gruppe möglich, punktuell auch in Kismayo Anschläge zu verüben (BMLV 3.9.2019).

Middle Juba: Die ganze Region und alle Bezirkshauptstädte (Buale, Jilib, Saakow) stehen unter Kontrolle der al Shabaab (PGN 8.2019; vgl. LI 21.5.2019a, S.2; BS 2018, S.15). Die Region gilt als Bastion der Gruppe (BFA 8.2017, S.62).

Gedo: Die Städte Baardheere, Belet Xaawo, Doolow, Luuq und Garbahaarey sowie die Orte Ceel Waaq und Buurdhuubo werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert (PGN 8.2019). Faafax Dhuun und Buusaar wurden im März 2019 von kenianischen Truppen geräumt (BMLV 3.9.2019) und von al Shabaab übernommen (PGN 8.2019). Die Städte Luuq, Garbahaarey, Doolow und Baardheere können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019).

Die Grenzstadt Doolow sowie Luuq und das direkte Grenzgebiet zu Äthiopien sind relativ frei von al Shabaab (BFA 8.2017, S.64; vgl. PGN 8.2019). Die beiden genannten Städte werden als sicher erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.27f). Bilateral eingesetzte kenianische Truppen finden sich im Bereich zur Grenze, in Gherille und Bura Hacha (BMLV 3.9.2019). Trotzdem befinden sich weite Teile von Gedo im Bereich von al Shabaab. Dabei gilt Gedo als sicherer als Lower und Middle Juba. Dies kann mitunter auf die homogenere Bevölkerung und auf die starke Präsenz von Äthiopien und Kenia zurückgeführt werden (NLMBZ 3.2019, S.22). Der Konflikt in Gedo besteht v.a. zwischen jenen Marehan, die für oder gegen al Shabaab eingestellt sind. Klare Trennlinien lassen sich hier nicht erkennen - auch nicht entlang der Clans. Dies sorgt insbesondere entlang der Grenze zu Kenia für Probleme, wo die Sicherheitslage zusätzlich durch Schmuggler verschlechtert wird (ME 27.6.2019). .

In Gedo verfügt die nominell für die Region zuständige Regierung Jubalands nur über schwachen Einfluss. Die dort stehenden Teile der somalischen Armee (teils ehemalige Kämpfer der Ahlu Sunna Wal Jama'a, teils von Marehan-Milizen rekrutiert) kooperieren aber zunehmend mit Jubaland. Luuq und Garbahaarey werden als stabil beschrieben, auch Doolow floriert. Neben Kismayo werden insbesondere Dhobley und Doolow als sicher bezeichnet (BFA 8.2017, S.63f; vgl. BMLV 3.9.2019). Die ASWJ ist in Gedo nicht mehr vorhanden (ME 27.6.2019). Im Dezember 2018 kam es im Grenzgebiet zu Kenia zu Kämpfen zwischen al Shabaab und IS (LWJ 14.1.2019).

Vorfälle: In den Regionen Lower Juba, Middle Juba und Gedo lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,36 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 41 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 24 dieser 41 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 28 derartige Vorfälle (davon 20 mit je einem Toten). Die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in den Regionen Lower Juba, Middle Juba und Gedo entwickelte sich in den vergangenen Jahren folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der ca. 50% betragenden Ungenauigkeit von ACLED nicht berücksichtigt):

Benadir / Mogadischu

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (PGN 8.2019; vgl. BMLV 3.9.2019). Die vormals für Verbesserungen in der Sicherheitslage verantwortliche Mogadishu Stabilization Mission (MSM) (UNSC 5.9.2017, Abs.11) wurde nunmehr deaktiviert. Ihre Aufgaben wurden erst an die 14th October Brigade übertragen, mittlerweile aber von der wesentlich verstärkten Polizei übernommen. Letztere wird von Armee, AMISOM und Polizeikontingenten von AMISOM unterstützt (BMLV 3.9.2019). Nach wie vor reicht die in Mogadischu gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte aber nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (BMLV 3.9.2019).

Für al Shabaab bietet die Stadt schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele (NLMBZ 3.2019, S.23). Diesbezüglich ist es der Regierung nicht gelungen, eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung von al Shabaab in der Stadt umzusetzen. Die Gruppe ist in der Lage, in weiten Teilen des Stadtgebiets Anschläge durchzuführen (LIFOS 3.7.2019, S.42).

Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurück erlangt (BMLV 3.9.2019). In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BMLV 3.9.2019; vgl. BFA 8.2017, S.51). Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab (ICG 27.6.2019, S.5).

Sprengstoffanschläge: Im September und Oktober 2018 ging die Anzahl an Anschlägen vorübergehend zurück; dahingegen nahm in diesem Zeitraum die allgemeine Kriminalität zu (UNSC 21.12.2018, S.3f). Danach hat die Zahl an größeren Anschlägen in und um Mogadischu zugenommen (UNSC 15.8.2019, Abs.16). Es kommt regelmäßig zu Sprengstoffanschlägen oder aber zu gezielten Tötungen. Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Offizielle, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und -Gebäude sowie Soldaten von Armee und AMISOM (LIFOS 3.7.2019, S.23f). Betroffen sind Regierungseinrichtungen, Restaurants und Hotels, die von nationalen und internationalen Offiziellen frequentiert werden (BS 2018, S.9; UNSC 15.5.2019, Abs.12). Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg der Aktivitäten, fast täglich war ein Anschlag mit einem improvisierten Sprengsatz zu verzeichnen (UNSC 15.5.2019, Abs.12). Vereinzelt kommt es zu großangelegten komplexen Angriffen durch al Shabaab, so etwa am 9.11.2018 auf das Sahafi Hotel (50 Tote, darunter sieben Angreifer) (UNSC 21.12.2018, S.3f). Bei einem Selbstmordanschlag im Juli 2019 kamen u.a. der Bürgermeister von Mogadischu und drei District Commissioners ums Leben (Mohamed 17.8.2019; vgl. AJ 25.7.2019).

Zivilisten: Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Andererseits fühlen sich die Menschen von der Regierung nicht adäquat geschützt (LIFOS 3.7.2019, S.25). Al Shabaab greift Zivilisten nicht spezifisch an (NLMBZ 3.2019, S.23; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.25). Diese leiden auf zwei

Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden (LIFOS 3.7.2019, S.42). Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (LIFOS 3.7.2019, S.25/42; vgl. NLMBZ 3.2019, S.23) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Auch wenn Mogadischu von Sicherheitskräften und AMISOM geschützt wird, kann al Shabaab indirekt Kontrolle ausüben. Dadurch wird die Mobilität der Stadtbewohner im Alltag eingeschränkt (LIFOS 3.7.2019, S.21).

Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017, S.35).

Geographische Situation: Al Shabaab ist im gesamten Stadtgebiet präsent, das Ausmaß ist aber sehr unterschiedlich (LIFOS 3.7.2019, S.25f). Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische (BMLV 3.9.2019). Nicht alle Teile von Mogadischu sind bezüglich Übergriffen von al Shabaab gleich unsicher. So sind z.B. jene Teile, in welche Rückkehrer siedeln (u.a. IDP-Lager) besser vor al Shabaab geschützt. IDP-Lager stellen für die Gruppe kein Ziel dar (NLMBZ 3.2019, S.24). Jedenfalls ist al Shabaab nahezu im gesamten Stadtgebiet in der Lage, verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben (BMLV 3.9.2019).

Die meisten Anschläge richten sich gegen Villa Somalia, Mukarama Road, Bakara-Markt, die Flughafenstraße und Regierungseinrichtungen. Auch Dayniile ist stärker betroffen. Gebiete, die weiter als 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegen, werden teilweise von al Shabaab kontrolliert. Vor allem Dayniile, Yaqshiid und Heliwaa werden als unsichere Gebiete erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.25f).

2018 waren die Bezirke Dayniile, Dharkenley, Hawl Wadaag und Hodan, in geringerem Ausmaß die Bezirke Heliwaa und Yaqshiid von Gewalt betroffen. Zivilisten waren 2018 v.a. in den Bezirken Dharkenley, Hawl Wadaag, Hodan, in geringerem Ausmaß in Dayniile, Heliwaa, Waaberi und Yaqshiid von gegen sie gerichteter Gewalt betroffen (ACLED - siehe Tabelle weiter unten).

Auch der sogenannte Islamische Staat (IS) hat in Mogadischu Anschläge und Attentate verübt, die eigene Präsenz ausgebaut (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Vorfälle: In Benadir/Mogadischu lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,65 Millionen Menschen (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 217 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 186 dieser 217 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine .

Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 207 derartige Vorfälle (davon 177 mit je einem Toten). Die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in der Region Benadir entwickelte sich in den vergangenen Jahren folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der ca. 50% betragenden Ungenauigkeit von ACLED nicht berücksichtigt):

Al Shabaab (AS)

Al Shabaab ist eine radikalislamistische, mit der al Kaida affiliierte Miliz (AA 4.3.2019, S.5). Ziel von al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren (EASO 2.2016, S.19).

Durch das geschaffene Klima der Angst kontrolliert al Shabaab die Bevölkerung, kann sie rekrutieren, Gebiete kontrollieren, Steuern eintreiben und ihre Gesetze durchsetzen. Damit erfüllt die Gruppe alle Rahmenbedingungen eines Staates. Gleichzeitig erlangt al Shabaab aufgrund ihres funktionierenden Justizwesens auch ein Maß an Unterstützung durch die Bevölkerung (Mohamed 17.8.2019).

Al Shabaab betreibt einen Staat im Staat (VOA 3.12.2018) und ist eine entwickelte, bürokratische Organisation (Maruf 14.11.2018). Die Menschen auf dem Gebiet von al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen (BS 2018, S.15). Die Gruppe versucht, alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren (BS 2018, S.15; vgl. Maruf 14.11.2018). Auch Namen von Nachbarn und sogar die Namen der Verwandten der Nachbarn werden in Datenbanken geführt (Maruf 14.11.2018). Die mit der Nichtbefolgung strenger Vorschriften verbundenen harten Bestrafungen haben ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2018, S.15).

Aufgrund von Kämpfen zwischen AMISOM/Armee und al Shabaab; der Behinderung humanitärer Hilfe und der Einhebung von Steuern auf Vieh durch al Shabaab; und aufgrund fehlender Sicherheit sind viele Einwohner der von al Shabaab kontrollierten Gebiete in Flüchtlingslager nach Kenia, Äthiopien und IDP-Lager in Somalia geflohen (USDOS 13.3.2019, S.16).

Kapazitäten: Im Vergleich zum Jahr 2014 sind die Kapazitäten von al Shabaab zurückgegangen. Trotzdem hat sich die Gruppe als robust und resilient erwiesen (LIFOS 3.7.2019, S.21f). Allerdings ist al Shabaab seit 2017 wieder effektiver und potenter geworden (Mohamed 17.8.2019). Die Gruppe hat taktische Flexibilität bewiesen. Sie führt Angriffe durch, unterbricht Versorgungslinien, greift militärische Konvois an, ermordet Anführer, die mit ausländischen Kräften kooperiert haben und führt nächtliche Angriffe auf Dörfer durch (ICG 27.6.2019, S.4). Trotz anhaltender Luftangriffe und obwohl die Armee und AMISOM im Umland von Mogadischu vermehrt Operationen durchführen, konnte al Shabaab die Zahl großer Anschläge steigern. Berichten zufolge sind die Luftschläge mit dafür verantwortlich, dass al Shabaab vermehrt in Städten operiert (UNSC 15.8.2019, Abs.16/20).

Al Shabaab hat zwar seit 2011 ständig Gebiete verloren, betreibt aber auch in weiten Gebieten außerhalb ihrer direkten Kontrolle eine Art von Schattenregierung, erhebt dort Steuern und bietet Dienste an (z.B. islamische Rechtsprechung) (SEMG 9.11.2018, S.26/4).

Je höher der militärische Druck auf al Shabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Al Shabaab wird bei der Anwendung dieser Taktik immer besser und stärker. Dabei ist auch al Shabaab in ihrer Entscheidungsfindung nicht völlig frei. Die Gruppe unterliegt durch die zahlreichen Verbindungen z.B. zu lokalen Clan-Ältesten auch gewissen Einschränkungen (BFA 8.2017, S.29f).

Verwaltung: Völkerrechtlich kommen al Shabaab als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihr kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu (AA 4.3.2019, S.5/16). Al Shabaab sorgt dort auch einigermaßen für Ordnung (ICG 27.6.2019, S.1). Die Gruppe verfügt über eine eigene Verwaltung und eigene Gerichte (LIFOS 9.4.2019, S.6). Die Gebiete von al Shabaab werden als relativ sicher beschrieben. Dort herrschen Frieden und eine Absenz an Clan-Konflikten (BMLV 3.9.2019). Al Shabaab duldet nicht, dass irgendeine andere Institution außer ihr selbst auf ihren Gebieten Gewalt anwendet. Jene, die dieses Gesetz brechen, werden bestraft (HI 31.5.2018, S.5). In den von ihr kontrollierten Gebieten verfügt al Shabaab über effektive Verwaltungsstrukturen, eine Art von Rechtsstaatlichkeit und eine effektive Polizei. Die Verwaltung von al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (BFA 8.2017; vgl. BMLV 3.9.2019). Die Zivilverwaltung von al Shabaab bietet u.a. Rechtsprechung durch Schariagerichte, organisiert Treffen mit Clanältesten, unterstützt Bedürftige, führt Religionsschulen und bietet Fortbildungsmöglichkeiten - auch für Frauen (NLMBZ 3.2019, S.11). Al Shabaab versucht, zu enge Bindungen an Clans zu vermeiden, unterstützt schwächere Gruppen gegen stärkere Rivalen oder vermittelt bei Streitigkeiten (ICG 27.6.2019, S.2). Gleichzeitig wird al Shabaab als Friedensbewahrer erachtet, da sie Clankonflikte derart handhabt, dass diese auf den Gebieten unter ihrer Kontrolle nur selten in Gewalt münden (HI 31.5.2018, S.5).

Stärke: Die Größe der Miliz von al Shabaab wird auf 13.000 geschätzt. Davon stellt etwa die Hälfte den militärischen Arm (jabhat), welcher an der Front gegen die somalische Regierung und AMISOM kämpft. Die andere Hälfte sind entweder Polizisten, welche Gesetze und Gerichtsurteile durchsetzen und Verhaftungen vornehmen; sowie Richter. Außerdem verfügt al Shabaab in der Regierung, in der Armee und in fast jedem Sektor der Gesellschaft über ein fortschrittliches Spionagenetzwerk (Maruf 14.11.2018). Eine andere Quelle spricht von 7.000-9.000 Fußtruppen von al Shabaab (TIND 15.1.2019), eine weitere Quelle schätzt die Zahl auf 3.000-7.000 (LI 21.5.2019a, S.3). Wieder eine andere Quelle gibt die Zahl der aktiven Kämpfer mit 2.000-3.000 an (NLMBZ 3.2019, S.10). Die Gruppe ist technisch teilweise besser ausgerüstet als die SNA und kann selbst gegen AMISOM manchmal mit schweren Waffen eine Überlegenheit herstellen. Außerdem verfügt al Shabaab mit dem Amniyad über das landesweit beste Aufklärungsnetzwerk (BFA 8.2017, S.27/31; vgl. BMLV 3.9.2019). Der Amniyad ist die wichtigste Stütze der al Shabaab (Mohamed 17.8.2019).

Gebiete: Al Shabaab kontrolliert immer noch ca. ein Fünftel Somalias, darunter v.a. ländliche Gebiete und kleinere Städte in Süd-/Zentralsomalia (ISS 28.2.2019), u.a. Gebiete im Jubatal, darunter die Regionalhauptstadt Buale (Middle Juba) sowie die Bezirkshauptstädte Saakow, Jilib (Middle Juba) und Jamaame (Lower Juba). Auch größere Küstengebiete im Bereich Xaradheere (Mudug) und Ceel Dheere (Galgaduud) sowie die genannten Städte bleiben unter direkter Kontrolle von al Shabaab (SEMG 9.11.2018, S.22). Dies gilt auch für einige ländliche Gebiete im Umland von Mogadischu (ICG 27.6.2019, S.2). Zusätzlich kontrolliert al Shabaab die Bezirkshauptstädte Kurtunwaarey (Lower Shabelle), Tayeeglow (Bakool), Ceel Buur (Galgaduud) und Adan Yabaal (Middle Shabelle). Die Situation bezüglich Sablaale (Lower Shabelle) und Badhaade (Lower Juba) ist ungewiss (PGN 8.2019). Außerdem verfügt al Shabaab in Gebieten unter der Kontrolle von Regierung und/oder AMISOM über nennenswerten Einfluss (NLMBZ 3.2019, S.53; vgl. ICG 27.6.2019, S.4).

In ihrem Gebiet hält al Shabaab vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert al Shabaab in kleinen, mobilen Gruppen und zielt damit in erster Linie auf das Einheben von Steuern ab und übt Einfluss aus (LI 21.5.2019a, S.3). Nominell ist die Reichweite der al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia damit unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuschlagen zu können (BMLV 3.9.2019), bzw. kann sie sich auch in vielen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (USDOS 13.3.2019, S.1; vgl. LI 21.5.2019a, S.3).

Steuern: Al Shabaab wendet in ganz Süd-/Zentralsomalia ein systematisches und zentralisiertes System zur Einhebung von Steuern an, das breiter aufgestellt ist, als jenes der Bundesregierung oder der Bundesstaaten (SEMG 9.11.2018, S.25f; vgl. VOA 3.12.2018). Einkünfte werden dabei aus unterschiedlichen Quellen bezogen, v.a. aber aus der Besteuerung von: durchfahrenden Fahrzeugen (gadiid); transportierten Gütern (badeeco); landwirtschaftlichen Betrieben und Erzeugnissen (dalag); und den Verkauf von Vieh (xoolo). Hinzu kommen Einnahmen von Almosen (zakat) (SEMG 9.11.2018, S.25f). Das Steuersystem von al Shabaab wird durch systematische Einschüchterung und Gewalt gestützt (SEMG 9.11.2018, S.26/97). Die Zahlung der Abgaben erfolgt in der Form von Geld, Tieren, landwirtschaftlichen Produkten oder anderen Werten. Die Höhe der Besteuerung hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen (LI 20.12.2017, S.3).

Al Shabaab erpresst Reisende entlang aller wichtigen Routen (ICG 27.6.2019, S.2). Ihre zur Steuereinnahme errichteten Straßensperren gibt es flächendeckend in ganz Süd-/Zentralsomalia. Da die Höhe der Abgaben bei al Shabaab berechenbar ist, bevorzugen kommerzielle Fahrer oftmals den Transit über von ihr kontrollierte Straßen (SEMG 9.11.2018, S.26).

(Zwangs-)Rekrutierungen

Im Jahr 2017 begann al Shabaab noch intensiver, arbeitslose junge Männer zu rekrutieren (NLMBZ 3.2019, S.11). Es gibt sehr unterschiedliche Gründe, al Shabaab beizutreten: die Aussicht auf Gehalt und Status, Abenteuerlust und Rachegefühle (Khalil 1.2019, S.33). Jugendliche selbst geben an, dass der Hauptgrund zum Beitritt zu al Shabaab oder zur Armee das Einkommen ist (DI 6.2019, S.22f). Von Deserteuren wurde der monatliche Sold für verheiratete Angehörige der Polizei und Armee von al Shabaab mit 50 US-Dollar angegeben; Unverheiratete erhielten nur Gutscheine oder wurden in Naturalien bezahlt. Jene Angehörigen der al Shabaab, welche höherbewerteten Aufgaben versehen sind (Kommandanten, Agenten, Sprengfallenhersteller, Logistiker und Journalisten) verdienen 200-300 US-Dollar pro Monat; allerdings erfolgen Auszahlungen nur inkonsequent (Khalil 1.2019, S.16).

Meist erfolgt ein Beitritt zur al Shabaab aufgrund ökonomischer, sicherheitsbedingter und psycho-sozialer Motivation. Nur wenige der befragten Deserteure gaben an, al Shabaab aufgrund einer religiösen Motivation beigetreten zu sein; dahingegen maßen mehr als die Hälfte gesellschaftlichen Erwägungen eine besondere Rolle zu, darunter Status (inkl. Eheschließung) und Macht. Auch Abenteuerlust spielt eine große Rolle. Manche versprechen sich durch ihre Mitgliedschaft bei al Shabaab die Möglichkeit einer Rache an Angehörigen anderer Clans (Khalil 1.2019, S.14f). Für Angehörige marginalisierter Gruppen bietet der Beitritt zu al Shabaab zudem die Möglichkeit, sich selbst und die eigene Familie gegen Übergriffe anderer abzusichern (FIS 5.10.2018, S.34). Die Aussicht auf eine Ehefrau wird als Rekrutierungswerkzeug verwendet (USDOS 13.3.2019, S.32). Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen oft um eine Mischung aus Druck und Anreizen (ICG 27.6.2019, S.2).

Knapp ein Drittel der in einer Studie befragten al Shabaab-Deserteure gab an, dass bei ihrer Rekrutierung Drohungen eine Rolle gespielt haben. Dies kann freilich insofern übertrieben sein, als Deserteure dazu neigen, die eigene Verantwortung für begangene Taten dadurch zu minimieren (Khalil 1.2019, S.14). Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch die al Shabaab (BMLV 16.9.2019; vgl. BFA 8.2017, S.51; DIS 3.2017, S.20f).

Verweigerung: Üblicherweise richtet die al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer (BFA 8.2017, S.52), denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit al Shabaab die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden (DIS 3.2017, S.21). Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufens. Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus der al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten (BFA 8.2017, S.54f).

Es besteht die Möglichkeit, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht (DIS 3.2017, S.21). Insgesamt finden sich allerdings keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (BFA 8.2017, S.54f). Stellt eine ganze .

Gemeinde den Rekrutierungsambitionen der al Shabaab Widerstand entgegen, kommt es mitunter zu Gewalt - so etwa geschehen in Aad (Mudug) und Bananey (Lower Shabelle) (SEMG 9.11.2018, S.39).

Minderheiten und Clans

Recht: Die somalische Verfassung bekennt sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 4.3.2019, S.9). Weder das traditionelle Recht (Xeer) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (SEM 31.5.2017, S.42). Im Xeer sind Minderheiten insofern benachteiligt, alsdass große Clans Kompensationszahlungen eher durchsetzen können (NLMBZ 3.2019, S.38). Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen einem andern Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen. Diese Resilienz-Maßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet (DI 6.2019, S.11).

Politik: Regierung und Parlament sind entlang der sogenannten 4.5-Formel organisiert. Dies bedeutet, dass die Vertreter der vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zustehen, während kleineren Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze zustehen (USDOS 13.3.2019, S.26; vgl. FH 5.6.2019b, B4). Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert (FH 5.6.2019b, B4). Aktuell sind im Parlament 31 von 275 Sitze von Minderheitsangehörigen besetzt, elf davon durch Bantu (NLMBZ 3.2019, S.42). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Dementsprechend sind politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren (ÖB 9.2016, S.4f). In politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist die Clanzugehörigkeit also weiterhin wichtig, was Minderheiten und IDPs marginalisieren kann (SEM 31.5.2017, S.35f).

Gesellschaft: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 13.3.2019, S.34; vgl. AA 4.3.2019, S.12; FH 5.6.2019b, F4; NLMBZ 3.2019, S.41). Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 4.3.2019, S.12).

Gewalt: Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans (USDOS 13.3.2019, S.34). Generell sind Angehörige von nicht dominanten Clans und Gruppen zwar potenziell gegenüber Verbrechen vulnerabler als andere; allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass sie etwa in Mogadischu systematisch Gewalt ausgesetzt wären (LI 15.5.2018, S.3).

Al Shabaab: Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014, S.91). Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab gezielt Kinder von Minderheiten entführt und zwangsrekrutiert (BS 2018, S.10). Gleichzeitig nützt al Shabaab die gesellschaftliche Nivellierung als Rekrutierungsanreiz - etwa durch die Abschaffung der Hindernisse für Mischehen zwischen "noblen" Clans und Minderheiten (ICG 27.6.2019, S.7f). Dementsprechend wird die Gruppe von Minderheitsangehörigen eher als gerecht oder sogar attraktiv erachtet (DI 6.2019, S.11).

Bevölkerungsstruktur

In weiten Teilen ist die Bevölkerung Somalias religiös, sprachlich und ethnisch weitgehend homogen (AA 4.3.2019, S.12). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85% der Bevölkerung eine ethnische Herkunft (USDOS 13.3.2019, S.33). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (GIGA 3.7.2018). Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6% bis hin zu 33%. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren (NLMBZ 3.2019, S.42; vgl. SEM, 31.5.2017, S.12). Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 4.3.2019, S.12; vgl. SEM 31.5.2017, S.5). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017, S.5).

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017, S.8). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA 5.3.2019b). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, S.8). Es gibt keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI 4.4.2016, S.9).

Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017, S.5). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, "noble" Clanfamilien sind meist Nomaden:

Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. D

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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