TE Bvwg Beschluss 2019/12/12 W235 2193747-1

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Veröffentlicht am 12.12.2019
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Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W235 2193747-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 23.03.2018, Zl. Damaskus-OB/KONS/0242/2018, aufgrund des Vorlageantrags von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 02.02.2018, Zl. Damaskus-ÖB/KONS/0133/2018, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.1. Unter Verwendung des vorgesehenen Befragungsformulars stellte die nunmehrige Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Syrien, am 15.07.2016 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG. Die Beschwerdeführerin brachte dazu vor, dass sie die Ehefrau des syrischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX , sei, dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2016, Zl. XXXX , der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei (= Bezugsperson).

Diesem Antrag wurden folgende verfahrensrelevante Unterlagen (in Kopie) beigelegt:

* Auszüge aus dem syrischen Reisepass der Beschwerdeführerin, ausgestellt am XXXX .2016 mit der Nummer XXXX

* Auszug aus dem Bescheid vom XXXX .2016, Zl. XXXX , mit welchem der Bezugsperson der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde;

* Auszug aus dem Zivilregister betreffend die Beschwerdeführerin (in deutscher Übersetzung), welchem der Familienstand "verheiratet" entnommen werden kann, ausgestellt am XXXX .2016 vom syrischen Innenministerium;

* Auszug aus dem Zivilregister betreffend die Bezugsperson (in deutscher Übersetzung), welchem der Familienstand "verheiratet" entnommen werden kann, ausgestellt am XXXX 2016 vom syrischen Innenministerium;

* Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin (in deutscher Übersetzung), ausgestellt am XXXX 2016 vom syrischen Innenministerium;

* Geburtsurkunde der Bezugsperson (in deutscher Übersetzung), ausgestellt am XXXX .2016 vom syrischen Innenministerium;

* Auszug aus dem Familienstandregister (in deutscher Übersetzung), welchem entnommen werden kann, dass die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson verheiratet sind, jedoch ohne Hinweis auf ein Eheschließungsdatum, ausgestellt am XXXX 2016 vom syrischen Innenministerium und

* Heiratsurkunde (in deutscher Übersetzung), welchem als "Vertragsdatum" der XXXX 2015 entnommen werden kann, ausgestellt am XXXX 2016 vom syrischen Innenministerium, Zivilamt - XXXX , Gouvernement XXXX

1.2. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG vom 11.08.2017 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Gewährung des Status einer Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe mit der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb die Beschwerdeführerin keine Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG sei.

In der beiliegenden Stellungnahme wurde nach Wiederholung des Verfahrensgangs zusammengefasst ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe angegeben, seit 2013 im Libanon zu leben, wo sie die Bezugsperson kennengelernt habe. Die Eheschließung sei ihren Angaben zufolge am XXXX 2015 erfolgt; es gebe hierfür jedoch keinerlei Nachweise. Ein Ehevertrag sei nicht vorgelegt worden. Die vorgelegte Heiratsurkunde sei am XXXX 2016 vom Amt für Zivilangelegenheiten in XXXX ausgestellt worden und bestätige eine Eheschließung am XXXX 2015. Allerdings habe sich die Bezugsperson zu diesem Zeitpunkt [gemeint: XXXX 2016] bereits in Österreich befunden. Nach Aufforderung der Behörde, der Botschaft einen Ehevertrag vorzulegen, seien eine Heiratserklärung sowie eine Heiratsurkunde aus dem Libanon samt beglaubigter Übersetzung nachgereicht worden. Unschlüssig sei, dass der Auszug aus dem Familienregister für syrische Bürger am XXXX 2016 in XXXX ausgestellt worden sei, während die Beschwerdeführerin jedoch angegeben habe, nicht mehr nach Syrien zurückgekehrt zu sein. Die Bezugsperson habe überdies auf Anfrage gegenüber der Behörde ein falsches Geburtsdatum der Beschwerdeführerin genannt. Ferner habe die Bezugsperson behauptet, die Beschwerdeführerin habe den verfahrensgegenständlichen Antrag bei der Österreichischen Botschaft Beirut gestellt. Die Behörde stelle fest, dass in Syrien zwischen der Bezugsperson und der Beschwerdeführerin kein Familienleben bestanden habe und im Zeitpunkt, als die Bezugsperson ihren Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, keine aufrechte Ehe vorgelegen sei. Die vorgelegten Dokumente seien für sich allein betrachtet nicht geeignet, den vollen Beweis über das behauptete Familienverhältnis zu erbringen, da es im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin leicht möglich sei, echte Urkunden falschen Inhalts zu erlangen.

Dies teilte die Österreichische Botschaft Damaskus der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17.08.2017 mit und forderte sie zur Abgabe einer Stellungnahme binnen einer Woche auf.

1.3. Die Beschwerdeführerin erstattete durch ihre ausgewiesene Vertretung am 28.08.2017 eine Stellungnahme und führte nach Darstellung des Sachverhalts sowie nach Zusammenfassung der Prognose des Bundesamtes begründend aus, die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson hätten am XXXX 2015 vor einem Scharia - Gericht im Libanon offiziell die Ehe geschlossen. Die Eheschließung sei am XXXX 2016 vom Standesamt registriert und mit Heiratsurkunde vom XXXX 2016 beurkundet worden. Als Beweis für das Familienverhältnis würden Fotos vorgelegt werden. Die Bezugsperson habe ihren Vater hinsichtlich der Ausstellung der syrischen Dokumente bevollmächtigt. Gemeinsam mit ihm sei die Beschwerdeführerin vor den syrischen Behörden anwesend gewesen und habe die Dokumente beantragt. Insgesamt habe sie sich ca. drei Monate in XXXX aufgehalten.

§ 35 Abs. 5 AsylG widerspreche dem Wortlaut der Familienzusammenführungsrichtlinie, wenn darin ausgeführt werde, dass das Bestehen einer Ehe im Herkunftsstaat erforderlich sei. Gemäß Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie könne die Anwendung von günstigeren Bestimmungen für Flüchtlinge auf jene Personen beschränkt werden, deren familiäre Bindungen bereits vor der Einreise bestanden hätten. Eine Beschränkung auf den Herkunftsstaat sehe die Richtlinie nicht vor. Mit geplanter Novelle des Asylgesetzes solle auch § 35 Abs. 5 AsylG angepasst werden und sei die Beschwerdeführerin sohin eine Familienangehörige im Sinne der zitierten Bestimmung.

Grundsätzlich würden die Ermittlungen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin vermissen lassen. Eine Einvernahme der Bezugsperson sei nicht durchgeführt worden. Selbst die Ausführungen der Behörde, wonach die Bezugsperson angegeben habe, die Beschwerdeführerin habe ihren Antrag bei der Österreichischen Botschaft Beirut gestellt, seien nicht geeignet um aufzuzeigen, dass das behauptete Familienverhältnis nicht vorliege. Beide Vertretungsbehörden würden derzeit und ausnahmsweise am selben Schalter Parteienverkehr haben. Somit komme es immer wieder zur Verwechslung seitens Bezugspersonen. Mit der Angabe der Bezugsperson sei der Ort Beirut und nicht die Vertretungsbehörde gemeint gewesen. Den falschen Angaben zum Geburtsdatum der Beschwerdeführerin könne ebenso wenig größere Bedeutung zugemessen werden, da es sich um einen Tippfehler handle. Über die Beziehung und das Familienleben sage dies zu wenig aus. Allen vorgelegten Dokumenten sei zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson verheiratet seien. Folglich sei der Beschwerdeführerin die Einreise zu gewähren.

2. Mit Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 02.02.2018, Zl. Damaskus-ÖB/KONS/0133/2018, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG abgewiesen.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihrer ausgewiesenen Vertretung fristgerecht am 02.03.2018 Beschwerde. Nach Darstellung des Sachverhalts wurden die wesentlichen Punkte der Stellungnahme vom 28.08.2017 wiederholt. Hinsichtlich der Fortführung des Familienlebens wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson würden mehrmals täglich telefonieren. Ferner werde die Beschwerdeführerin von der Bezugsperson auch finanziell unterstützt. Als Nachweis der intensiven Beziehung werde ein kurzer Ausschnitt der WhatsApp - Nachrichten beigelegt, aus dem die Konversationen über Alltagsleben und Gefühlszustände ersichtlich seien. Abschließend wurde moniert, dass das durchgeführte Ermittlungsverfahren den Anforderungen des Art. 17 der Familienzusammenführungsrichtlinie nicht entspreche. Die Mitgliedstaaten seien zu einer ausgewogenen und angemessenen Bewertung aller Interessen bei der Prüfung von Anträgen auf Familienzusammenführung verpflichtet. Es sei ihre Aufgabe, eine umfassende Bewertung aller relevanten Faktoren, wie z.B. die Art und die Stärke der familiären Bindungen der betroffenen Personen, durchzuführen. Dies habe die Behörde im gegenständlichen Fall verabsäumt. Im Übrigen sei sämtlichen Dokumenten zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson verheiratet sei. Folglich bestehe ein Anspruch auf Familienzusammenführung.

Der Beschwerde wurden (unter anderem) folgende verfahrensrelevante Dokumente (in Kopie und mit deutscher Übersetzung) beigelegt:

* Heiratserklärung, in welcher die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson als Ehegatten angeführt werden und welcher hinsichtlich des Datums des Ehevertrags der XXXX 2015 zu entnehmen ist, ausgestellt am XXXX 2015 vom Innenministerium der Republik Libanon und

* Heiratsurkunde, wonach die Bezugsperson und die Beschwerdeführerin am XXXX 2015 vor dem Scharia-Gericht in XXXX in Anwesenheit von zwei Trauzeugen die Ehe gemäß den religiösen und gesetzlichen Vorschriften unter Vereinbarung einer Mitgift geschlossen haben

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 23.03.2018, Zl. Damaskus-OB/KONS/0242/2018, wies die Österreichische Botschaft Damaskus die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Zur Begründung wurde nach Wiederholung des Verfahrensganges auf die Bindungswirkung der Vertretungsbehörde an die Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl verwiesen. Ergänzend wurde festgehalten, dass die tatsächliche Eheschließung zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson am XXXX 2015 im Libanon nicht erwiesen sei. Es sei lediglich eine in XXXX ausgestellte Heiratsurkunde mit Registrierungsdatum vom XXXX 2016 vorgelegt worden, welche eine traditionelle Eheschließung nach islamischen Recht am XXXX 2015 bestätige. Da die Registrierung nachträglich in Abwesenheit des Ehegatten bescheinigt worden sei, sei die Eheschließung jedoch nicht rechtsgültig. Laut Artikel 38 des syrischen Zivilrechts (Nr. 376 aus 1975) müsse jede Eheschließung behördlich registriert werden. Traditionelle Eheschließungen würden nicht anerkannt werden. Unstrittig sei, dass die behauptete Registrierung der Ehe im Nachhinein und in Abwesenheit des Ehegatten erfolgt sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes widerspreche aber eine Stellvertreter-Ehe eindeutig den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung. Aus § 6 IPRG folge, dass eine solche Stellvertreter-Ehe keinen Bestand habe. Aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 19.09.2017, Ra 2016/20/0068-12, ergebe sich ebenso, dass eine Ferntrauung in Widerspruch zu den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung stehe.

5. Am 05.04.2018 stellte die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Vertretung gemäß § 15 VwGVG einen Vorlageantrag, in welchem nach Darstellung des Sachverhalts vollinhaltlich auf die Beschwerde vom 02.03.2018 verwiesen wurde. Ergänzend wurde festgehalten, dass die Ehe der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson bereits offiziell am XXXX 2015 geschlossen worden sei. Eine Nachregistrierung der Ehe stelle keine Eheschließung dar, weshalb die Anwesenheit beider Eheleute nicht verpflichtend sei.

6. Aufgrund einer Anforderung des Bundesverwaltungsgerichtes wurden mit E-Mail vom 31.10.2019 dem Bundesverwaltungsgericht das Protokoll der Erstbefragung der Bezugsperson durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom XXXX 2015 sowie das Protokoll ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX .2016 im Verfahren zur Zl. XXXX übermittelt.

6.1. Aus dem Protokoll der Erstbefragung geht hervor, dass die Bezugsperson angab, traditionell und standesamtlich verheiratet zu sein. Als Ehefrau nannte sie die Beschwerdeführerin und gab an, diese sei 19 Jahre alt. Hinsichtlich ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat gab die Bezugsperson zu Protokoll, sie sei am XXXX 2013 mit dem Bus legal von XXXX nach Beirut gereist, wo sie sich ca. zwei Jahre und drei Monate aufgehalten habe. Dort habe sie einen Schlepper kennengelernt und sei daraufhin nach Österreich geflüchtet.

6.2. Im Zuge ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX .2016 antwortete die Bezugsperson auf die Frage, ob sie verheiratet sei, ihre Frau heiße XXXX und sei am XXXX in XXXX geboren. Am XXXX 2015 hätten sie nach islamischem Recht im Libanon geheiratet. Die Ehe sei am selben Tag beim Standesamt offiziell registriert worden. Dies sei für die Bezugsperson die erste und einzige Ehe. Im Zuge der Einvernahme brachte die Bezugsperson (unter anderem) eine Heiratsurkunde und einen Ehevertrag, beide ausgestellt am XXXX 2015, in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 9 Abs. 3 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen der Vertretungsbehörden.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.

2. Zu A)

2.1. Gesetzliche Grundlagen:

2.1.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:

§ 11 Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

(1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragsteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragsteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3 FPG, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

§ 11a Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

(1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinne des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

2.1.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-VG lauten:

§ 13. Mitwirkung eines Fremden

(1) Der Fremde hat am Verfahren vor dem Bundesamt, insbesondere an einer erkennungsdienstlichen Behandlung mitzuwirken.

[...]

(4) Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält.

(5) Im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Fremden ist auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

[...]

2.1.4. Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG lauten:

§ 75 Abs. 24 Übergangsbestimmungen

[...]§§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. [...]

Da die Antragstellung im gegenständlichen Verfahren am 15.07.2016 erfolgte und das Verfahren sohin vor dem 01.06.2016 nicht anhängig war, ist § 35 AsylG in der aktuellen Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 anzuwenden.

§ 35 Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018)

(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

2.2. § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Im vorliegenden Fall erweist sich die bekämpfte Entscheidung in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Im gegenständlichen Fall ist die Behörde davon ausgegangen, dass die Registrierung der zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson (traditionell) geschlossenen Ehe erst nach der nachweislichen Einreise der Bezugsperson in das österreichische Bundesgebiet erfolgt sei und folglich zweifelsfrei eine Stellvertreter-Ehe vorliege, welche den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung widerspreche und in Österreich sohin keinen Bestand habe.

Als Alternativbegründung wurde angeführt, die Beschwerdeführerin habe keinen Nachweis über die im Libanon geschlossene Ehe erbracht. Zudem wurde das Bestehen des behaupteten Familienverhältnisses aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson bezweifelt. Konkret habe die Beschwerdeführerin angegeben, nach ihrer Ausreise im Jahr 2013 nicht mehr nach Syrien zurückgekehrt zu sein, während die von ihr in Vorlage gebrachte Heiratsurkunde jedoch am XXXX 2016 vom Amt für Zivilangelegenheiten in XXXX ausgestellt worden sei. Ferner habe die Bezugsperson im Zuge einer Anfrage gegenüber der Behörde falsche Angaben zum Geburtsdatum der Beschwerdeführerin getätigt und behauptet, die Beschwerdeführerin habe den gegenständlichen Antrag bei der Österreichischen Botschaft Beirut gestellt.

Hinsichtlich der von der Behörde dargelegten Widersprüche ist zunächst festzuhalten, dass aus dem Akt keine Niederschriften ersichtlich sind, welchen die erwähnten Angaben der Bezugsperson und der Beschwerdeführerin entnommen werden könnten, sodass die Argumentation der Behörde nicht überprüfbar ist.

Insoweit die Behörde das Bestehen eines Naheverhältnisses aufgrund des Umstandes verneint, dass die Bezugsperson behauptet habe, die Beschwerdeführerin habe den verfahrensgegenständlichen Antrag bei der Österreichischen Botschaft Beirut gestellt, während er tatsächlich bei der Österreichischen Botschaft Damaskus eingebracht worden sei, so ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 11.08.2017 nachvollziehbar darlegte, dass es zu einem Missverständnis gekommen sei, zumal sich die Angaben der Bezugsperson nicht auf die Behörde, sondern vielmehr auf den Ort der Antragstellung bezogen haben und es im Übrigen häufig zu Verwechslungen komme, da beide Vertretungsbehörden derzeit ausnahmsweise am selben Schalter Parteienverkehr hätten.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Bezugsperson bereits im Zuge der Erstbefragung angab, mit der Beschwerdeführerin traditionell sowie standesamtlich verheiratet zu sein und in weiterer Folge das Alter der Beschwerdeführerin nennen konnte. In ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte sie zudem das korrekte Geburtsdatum der Beschwerdeführerin an und brachte laut Protokoll einen Ehevertrag (im Original), ausgestellt am XXXX 2015 vom XXXX -Gericht im Libanon, sowie eine Heiratsurkunde (in Kopie), ausgestellt am XXXX 2015 vom libanesischen Innenministerium, in Vorlage. Vor diesem Hintergrund erscheinen die von der Behörde dargelegten Widersprüche nicht ausreichend, um das Bestehen des behaupteten Familienverhältnisses verneinen zu können.

Das Argument der Behörde, wonach die Beschwerdeführerin keinen Nachweis über die Eheschließung im Libanon erbracht habe, erweist sich überdies als aktenwidrig, da das Bundesamt bereits in seiner Stellungnahme vom 11.08.2017 einräumte, dass die Beschwerdeführerin nach Aufforderung der Behörde eine im Libanon ausgestellte Heiratserklärung und Heiratsurkunde in beglaubigter Übersetzung in Vorlage brachte. Die Behörde verabsäumte es jedoch, die vorgelegten Urkunden zu würdigen und in ihre Entscheidung miteinzubeziehen. Ferner setzte sich die Behörde nicht mit der Frage auseinander, ob es sich dabei um jene Urkunden handelt, welche bereits von der Bezugsperson in deren Asylverfahren vorgelegt wurden.

Festzuhalten ist ferner, dass die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen ist; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung. Die Behörde hat jedoch keine Feststellungen dahingehend getroffen, ob die behauptete Ehe am Ort der Eheschließung oder nach dem Personalstatut der Bezugsperson und der Beschwerdeführerin Gültigkeit erlangt hat.

Die Behörde hat sich folglich mit der Frage, ob tatsächlich die von der Beschwerdeführerin behauptete Ehe - wie aus der vorgelegten Heiratsurkunde hervorgeht - am XXXX 2015 in traditionell-religiöser Form geschlossen worden und bei einem Standesamt im Libanon registriert worden ist, nicht hinreichend auseinandergesetzt. Relevant ist ferner, ob und wann nach den Formvorschriften des Personalstatuts der Ehegatten eine nachfolgende Registrierung korrekt erfolgt ist und ab wann die Ehe als gültig zu Stande gekommen anzusehen ist.

Die Behörde hat solche Feststellungen offenbar nicht als relevant angesehen, da sie keine fundierten Feststellungen über die libanesische Eherechtslage betreffend syrische Staatsangehörige und/oder über die syrische Eherechtslage hinsichtlich der Form der Eheschließung und Wirkung sowie deren Eintragung in das Personenstandsregister getroffen hat. In diesem Zusammenhang ist auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0094, zu verweisen, aus der hervorgeht, dass der bloße Umstand der Anerkennung einer traditionellen Eheschließung mit ihrer nachfolgenden staatlichen Registrierung bereits ab dem Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung im ausländischen Recht nicht gegen die Grundwerte der österreichischen Rechtsordnung im Sinne der zitierten Judikatur der Höchstgerichte verstoße.

Was die Frage der Beurteilung der Rechtsgültigkeit einer Eheschließung von Drittstaatsangehörigen im Ausland betrifft, so entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ausländisches Recht keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage darstellt, welche in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht, soweit dies erforderlich ist (vgl. z.B. VwGH vom 27.06.2017, Ra 2016/18/0277 sowie vom 19.03.2009, Zl. 2007/01/0633). Im Zusammenhang mit der Frage der Gültigkeit einer Eheschließung von [dort] somalischen Staatsangehörigen in deren Herkunftsstaat hat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 27.06.2017 Folgendes näher ausgeführt:

"Gemäß § 3 Bundesgesetz über das internationale Privatrecht, BGBl. Nr. 304/1978 idF BGBl. I Nr. 87/2015 (IPRG), ist maßgebliches fremdes Recht von Amts wegen und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden, wobei es in erster Linie auf die dort von der Rechtsprechung geprägte Anwendungspraxis ankommt (vgl. OGH RIS-Justiz, RS0113594). Nach § 4 Abs. 1 IPRG ist das fremde Recht und die Anwendungspraxis dazu (OGH RIS-Justiz RS0113594 (T2), siehe auch OGH RIS-Justiz RS0109415) von Amts wegen zu ermitteln. Zulässige Hilfsmittel hiefür sind etwa die Mitwirkung der Beteiligten, Sachverständigengutachten und die Inanspruchnahme der Staatendokumentation (§ 5 Abs. 3 BFA-G).

In Bezug auf ausländisches Recht gilt der Grundsatz "iura novit curia" nicht, sodass dieses in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht, soweit die Mitwirkung der Beteiligten erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne VwGH vom 19. März 2009, 2007/01/0633)."

2.3. Im fortgesetzten Verfahren wird daher abzuklären sein, unter welchen Voraussetzungen syrische Staatsangehörige im Libanon eine gültige Ehe schließen können und ob die im Libanon ausgestellten Urkunden geeignet sind, eine (gültige) Eheschließung nachzuweisen. Bei allfälligen Zweifeln an der Echtheit und Richtigkeit der im Libanon ausgestellten Urkunden wird ein Dokumentenberater oder ein Sachverständiger dem Verfahren beizuziehen sein. Ferner werden die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson einer näheren Befragung zu ihrer Beziehung vor dem Eingehen der (behaupteten) Ehe, zu den Modalitäten der Eheschließung sowie zur Führung ihres gemeinsamen Familienlebens im Libanon zu unterziehen sein.

Sollte sich herausstellen, dass die Eheschließung nach den Formvorschriften des Ortes der Eheschließung nicht gültig zustande gekommen ist, wird alternativ zu klären sein, ob und wann nach den Formvorschriften des Personalstatuts der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson eine nachfolgende Registrierung korrekt erfolgt ist und gegebenenfalls ab wann die Ehe als gültig zu Stande gekommen anzusehen ist. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang festzustellen, ob die Registrierung einer vormals traditionellen Ehe auch in Abwesenheit von einem der Ehepartner zulässig ist bzw. wer vor dem (Scharia)Gericht bzw. bei der Registrierung anwesend sein muss. Sollte es sich in diesem Fall um eine nach syrischem Recht gültige Ehe handeln, die bereits im Jahr 2015 wirksam geschlossen wurde, und käme damit der Ausstellung der Heiratsurkunde und Eintragung in das Register im Jahr 2016 bloß deklarativer Charakter zu, würde die Beschwerdeführerin unter den Begriff der Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG idgF fallen, weil diesfalls die Ehe zur Bezugsperson bereits vor deren Einreise nach Österreich bestanden hätte.

Insoweit Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts der in XXXX ausgestellten Urkunden bestehen, wird die Behörde im fortgesetzten Verfahren überdies eine nähere Befragung der Beschwerdeführerin zu den Modalitäten ihrer Reise nach Syrien sowie der Ausstellung der entsprechenden Dokumente durchzuführen haben.

2.4. Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die notwendigen Ermittlungen zur Angehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerin zur Bezugsperson in Österreich bzw. (gegebenenfalls) zur Art. 8 EMRK-Relevanz nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

2.5. Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W235.2193747.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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