Entscheidungsdatum
13.12.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
I413 2131731-2/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlichen Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 04.12.2019, Zl. XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend von XXXX (auch XXXX), vertreten durch MMag. Dr. Stefan PECHMANN, Rechtsanwalt, beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 26.09.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 15.07.2016, Zl XXXX, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG wurde ihm eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).
3. Gegen den ihm durch Hinterlegung beim Postamt mit Wirksamkeit vom 20.07.2016 zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines vormaligen Vertreters vom 28.07.2016 in vollem Umfang Beschwerde und stellte Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sowie auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen.
4. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.04.2019 wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29.08.2019, Zl XXXX, die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt A 1.) und wies die Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sowie auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen werden zurück (Spruchpunkt A 2.). Gegen dieses der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers am 29.08.2019 zugestellte Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer kein Rechtsmittel.
5. Am 23.10.2019 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag, in dem er diesen im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag wie folgt begründete (Grammatik und Orthographie wie dort): "Ich halte meine bisherigen im Asylverfahren gemachte Angaben inhaltlich aufrecht und möchte folgenden neuen Fluchtgrund angeben. Ich wurde vor einigen Tagen auf Facebook Milizen bedroht. Der Grund dieser Drohung ist, dass ich ein paar Tage zuvor in Wien bei einer Demonstration gegen die iranischen Milizen. Das Datum der Demonstration kann ich auf Nachfrage nicht genau nennen, ich glaube es war am 5. Oktober 2019. Die Demo fand vor der irakischen Botschaft statt. Anm.: Der AW legt dem Leiter der AH Fotos von der Demo und Auszüge aus dem Facebook Chat vor Auf Facebook wurde ich von "XXXX" damit bedroht, dass er meine Familie umbringt. Ich log ihn an und gab an, dass meine Familie in Europa sei. Mahdi gehört der "Ahl Alhaq" Miliz an." Weiters gab er an, alle seine Fluchtgründe genannt zu haben und im Falle der Rückkehr in den Irak befürchte, von den iranischen Milizen getötet zu werden.
6. Am 04.12.2019 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde einvernommen. Dort gab er zusammengefasst an, seit seiner Einreise am 26.09.2015 sich durchgehend in Österreich aufzuhalten. Befragt dazu, warum er erneut einen Antrag auf internationalen Schutz stelle, gab er an, er würde schon seit langer Zeit bedroht werden. Es gebe viele Leute, die auf der Flucht seien, aber ihn würden sei umbringen wollen, weil sie glaubten, dass er ein Betrüger sei. Die Milizen gehörten dem Iran, sie hätten kein Mitleid, sie würden ihn köpfen. Es sei, weil er ein Schiit sei und trotzdem gegen den Iran sei. Er glaube, sie hätten mitbekommen, dass er über die Lage im Irak rede. Er habe dieselben Fluchtgründe, es gebe keine Neuigkeiten. Sein Leben sei bedroht wegen der Milizen. Er habe kürzlich zwei Bedrohungen erhalten. Zwei seiner Freunde seien entführt und gefoltert worden. Am 06.10. habe er in Wien an einer Demonstration vor der irakischen Botschaft teilgenommen und die Fotos auf Facebook gestellt. Er habe danach Bedrohungen erhalten. Sie, die Milizen, hätten ihm geschrieben, dass sie ihn und seine Familie schlachten würden. Er habe sie angelogen und ihnen gesagt, dass die Familie in Europa sei. Hierauf hätte er ihm gesagt, dass sie sie auch in Europa erreichen könnten. An der Demonstration habe er wegen seiner Gefühle teilgenommen, auch wenn er wisse, dass es gefährlich sei, aber er habe sich nicht daran hindern können. Er fühle sich ruhig, weil seine Familie in einer anderen Stadt wohne. Es gebe für sie keine Gefahr, da seine Söhne in der Nähe arbeiteten und die Frauen zu Hause blieben. Er habe die Story gepostet und nachdem ein Freund ihm geschrieben habe, was los sei, ob er denn keine Angst mehr habe, diese sofort gelöscht. Er habe das Gefühl gehabt, sie würden ihn bedrohen, sie hätten Spione. Kurz danach habe er die Bedrohung erhalten. Sie würden ihn köpfen. Er sei nach deren Meinung ein Gegner der Milizen, weil er im Restaurant gesagt hätte, niemand müsse mit den Milizen kämpfen. Deshalb würden sie ihn umbringen. Ein Scheich habe ihn empfangen und ihm gesagt, dass er ins nördliche Gebiet gehen und dort kämpfen müsse. Das bedeute, dass er andere umbringen müsse, was er nicht wolle. Er bringe keine Unschuldigen um. Es sei in das Gebiet, wo jetzt seine Frau lebe, geflüchtet und zwei Wochen später ausgereist. Er könne sich dort nicht dauernd zu Hause aufhalten. Es sei eine Demütigung. Sie würden auch seine Kinder haben wollen. Er werde von den Milizen mit dem Tod bedroht, während seine Kinder nur zu 50 % bedroht würden. Ein Scheich habe alle jungen Menschen eingesammelt und auch seinen jüngsten Sohn. Der Scheich habe versucht, sie zu manipulieren, indem er ihnen erzählte, dass sie ins Paradies kämen, wenn sie Leute töteten, das sei gefährlich und er dulde dies nicht.
7. Mit dem im Anschluss an diese Einvernahme mündlich verkündetem Bescheid hob die belangte Behörde den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12a AsylG auf und legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 04.12.2019, eingelangt am 09.12.2019, die Akten vor. Sie beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der in Pkt. I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt.
Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen:
1.2. Der Beschwerdeführer, dessen Identität feststeht, ist irakischer Staatsangehöriger, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der schiitischen Glaubensgemeinschaft und verheiratet.
Er stammt aus der Kleinstadt Al Hamza im Landkreis Diwaniyya in der irakischen Provinz Qadisiyya, wo er zwischen 1981 und 1991 die Grund- und die Mittelschule besuchte und bei seiner Herkunftsfamilie aufwuchs.
Sein Vater betrieb in Al Hamza ein familieneigenes Restaurant, das nach seinem Tod von seinen Söhnen weitergeführt wurde. In diesem Restaurant war auch der Beschwerdeführer als Koch beschäftigt. Zwischenzeitig leistete er für drei Jahre seinen Militärdienst in der irakischen Armee als einfacher Soldat.
Die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits verstorben. Im Irak leben noch seine vier Brüder und vier Schwestern sowie seine Gattin und vier Söhne sowie zwei Töchter aus dieser Ehe im Alter von aktuell 20 bis 25 Jahren. Gattin und Kinder leben bei einer Schwester seiner Gattin in der Provinz Wasit auf einem landwirtschaftlichen Anwesen deren Familie. Er steht mit Gattin und Kinder in regelmäßigem Kontakt.
Er verließ am 17.09.2015 ausgehend von Diwaniyya über Bagdad auf dem Luftweg den Irak in die Türkei und reiste von dort schlepperunterstützt über Griechenland und den Balkan bis Österreich, wo er nach illegaler Einreise am 26.09.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither aufhält.
1.3. Der Beschwerdeführer bezieht seit der Einreise bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und bewohnt aktuell gemeinsam mit einem Mitbewohner eine gemietete private Unterkunft.
Er ging bisher in Österreich noch keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Er erhielt eine Einstellungszusage einer Reinigungsfirma für eine Beschäftigung in unbestimmtem Ausmaß für den Fall eines legalen Aufenthalts im Bundesgebiet. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Er pflegt normale soziale Kontakte.
Er leidet an keinen gravierenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankungen und ist voll erwerbsfähig.
Er spricht Arabisch auf muttersprachlichem Niveau und verfügt über Grundkenntnisse der deutschen Sprache für den Alltagsgebrauch. Er besuchte bisher keine Kurse für die deutsche Sprache, sondern betreibt seinen Spracherwerb im Selbststudium und im Rahmen von Konversationstreffen mit Freiwilligen in einem "Sprachkaffee".
Er ist bis dato in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.4. Der Beschwerdeführer stellte insgesamt zwei Anträge auf internationalen Schutz - am 26.09.2015 und den verfahrensgegenständlichen am 23.10.2019.
1.4.1. Mit Bescheid vom 15.07.2016, Zl XXXX, wies die belangte Behörde den ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 26.09.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak ab und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht als unbegründet am 29.08.2019 abgewiesen. Mangels Ergreifens eines Rechtsmittels ist das Erkenntnis formell und materiell am 29.08.2019 rechtskräftig
1.4.2. Am 23.10.2019 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am 23.10.2019 hielt der Beschwerdeführer seine bisherigen Angaben im Asylverfahren aufrecht und gab als neuen Fluchtgrund an, er sei über Facebook von Milizen bedroht worden. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 04.12.2019 gab der Beschwerdeführer an, seit langer Zeit bedroht zu werden und dass die Milizen ihn köpfen würden. Zur Frage, was genau sich an seinem Fluchtgrund geändert hätte, teilte der Beschwerdeführer mit: "Ich hab genau dieselben Gründe, es gibt keine Neuigkeiten. Mein Leben ist bedroht wegen der Milizen." Im Weiteren gab er an, er hätte am 06.10. in Wien vor der irakischen Botschaft demonstriert und die Fotos auf Faxebook gepostet. Danach habe er Bedrohungen erhalten, wonach die Milizen seine Familie schlachten würden. Zugleich gab er an, sich ruhig zu fühlen, weil seine Familie in einer anderen Stadt wohne und für sie keine Gefahr bestünde.
1.4.3. Nach dem verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.10.2019 wurde mit mündlich verkündetem Bescheid vom 04.12.2019 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.
Begründend dafür wurde im Wesentlichen angeführt, der Antrag des Beschwerdeführers sei voraussichtlich mangels entscheidungsrelevanter Sachverhaltsänderung in asyl- und refoulementrelevanter Hinsicht wegen bereits entschiedener Sache zurückzuweisen, habe der Beschwerdeführer seine bisherigen Fluchtgründe doch aufrecht gehalten bzw. ein unglaubwürdiges Fluchtvorbringen erstattet und vor dem Hintergrund der gegenüber dem Vorverfahren nicht entscheidungswesentlich geänderter allgemeinen Lage auch kein Abschiebungshindernis für den Beschwerdeführers erkannt werden können.
1.4.4. Der Folgeantrag wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
2.2. Die maßgebliche Lage im Irak hat sich seit rechtskräftig beendetem Vorverfahren nicht geändert, wie aus dem Akteninhalt hervorgeht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 12a Abs 2 AsylG, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden unter nachstehenden Voraussetzungen aufheben, wenn der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG gestellt hat und kein Fall des § 12a Abs 1 AsylG vorliegt:
1. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG,
2. der Antrag ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung würde keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten und für den Beschwerdeführer als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen.
Als Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG ist jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag zu qualifizieren. Im gegebenen Fall hat der Beschwerdeführer einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG gestellt. Als Staatsangehöriger des Iraks ist der Beschwerdeführer ein Drittstaatsangehöriger im Sinne der § 2 Abs 1 Z 20b AsylG.
Die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG liegen vor.
Das Verfahren über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 26.09.2015 ist nach rechtswirksamer Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.08.2019 unangefochten mit 29.08.2019 in Rechtskraft erwachsen.
Beim verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.10.2019 handelt es sich somit um einen (weiteren) Folgeantrag iSd § 2 Abs 1 Z 23 AsylG.
Da gemäß § 12a Abs 6 AsylG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG grundsätzlich 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht bleiben, ist die gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid des BFA vom 15.07.2016, rechtskräftig geworden am 29.08.2019, ausgesprochene Rückkehrentscheidung samt Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak weiterhin aufrecht, zumal der Beschwerdeführer das Bundesgebiet bislang nicht verlassen hat.
Eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der verfahrensgegenständliche zweite Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.10.2019 voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine entscheidungswesentliche Sachverhaltsänderung wurde weder behauptet noch ergibt sich eine solche aus der Aktenlage.
Der Beschwerdeführer verwies im gegenständlichen zweiten Verfahren auf die im ersten Asylverfahren vorgebrachten Fluchtgründe. Ein neues Fluchtvorbringen erstattete er nicht und wurden seine Angaben auch nicht für glaubwürdig gehalten.
Im Wesentlichen brachte der Beschwerdeführer vor, über Facebook bedroht worden zu sein, wobei sich diese Bedrohung gegen seine Familie richte. Im Weiteren gab er aber an, bezüglich seiner Familie "ruhig" zu sein, da die Familie in einer anderen Stadt lebe und sicher sei. Weiters gab er - widersprüchlich - an, dass er selbst als Mann bedroht werde und in dem Ort, wo seine Familie lebe, nicht vor das Haus gehen könne, was er als Demütigung empfinde. Außerdem seien er zu 100 % und seine Kinder zu 50 % bedroht. Dennoch findet der Beschwerdeführer nichts dabei, seine Familie in Gefahr zu bringen, indem er seine politischen Meinungen, die er in Österreich und somit in Sicherheit, zu äußern und im Internet zu posten angibt. Auch gibt er an, in Europa von den Milizen gefunden zu werden, während seine Familie im Irak durch bloßen Wegzug in eine andere Stadt sicher sei. Diese Angaben sind - wie die belangte Behörde nachvollziehbar angibt - nicht logisch. Es mangelt ihnen aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit eines wahren Kernes, sodass das neue Vorbringen als gänzlich unglaubhaft zu beurteilen ist. Der belangten Behörde, die diesem neuen widersprüchlichen Vorbringen keine Glaubhaftigkeit zugebilligt hatte, kann daher nicht entgegengetreten werden.
Ein auf das AsylG gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG aus:
Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände ist vor dem Hintergrund der Feststellungen jedenfalls zu verneinen.
Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).
Wie bereits im vorangegangenen Verfahren sind auch im gegenständlichen Folgeantragsverfahren keine Risiken für den Beschwerdeführer im Sinne von § 12a Abs 2 Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.
Im vorliegenden Fall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder 13 zur EMRK darstellen würde.
Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr 6 oder 13 zur EMRK wurde vom Beschwerdeführer zu keiner Zeit vorgebracht.
Im gegenständlichen Folgeantragsverfahren gibt es auch keine Anhaltspunkte für eine dem Beschwerdeführer bei einer Abschiebung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Art 2 oder Art 3 EMRK-Verletzung, zumal er laut eigenen Angaben vor belangten Behörde nicht an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet, sondern gesund und arbeitsfähig ist.
Die belangte Behörde konnte nach Wahrheitsbekundung der bisherigen Angaben durch den Beschwerdeführer in niederschriftlicher Einvernahme vor der belangten Behörde im beurkundeten mündlich verkündeten Bescheid vielmehr gegen eine dem Beschwerdeführer bei einer Abschiebung drohende menschenrechtsverletzende Situation sprechende Tatsachen feststellen - dass die Familie des Beschwerdeführer im Irak verblieben ist, dort sicher lebt und auch wirtschaftlich so gesichert ist, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Irak nicht in seiner Existenz bedroht wäre. Bis zur Bescheiderlassung hat sich auch weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit, noch eine schwere psychische Störung, die bei einer Überstellung/ Abschiebung in den Irak eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers bewirken würde, ergeben hat.
Umstände, die eine umfassende Refoulementprüfung erforderlich machen würden, sind im gegenständlichen Verfahren jedenfalls nicht bekannt worden.
Vor dem Hintergrund der gegenüber dem Vorverfahren nicht entscheidungswesentlich geänderten allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers war auch im Hinblick auf die Refoulemententscheidung keine entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung erkennbar.
Da keine weiteren familiären oder sonstigen berücksichtigungswürdigen sozialen Bindungen oder sonstigen berücksichtigungswürdigen Integrationsschritte im Bundesgebiet bekannt wurden, konnte auch keine Verletzung des Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.
Entsprechend den obigen Ausführungen stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Betroffenen in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass die mit mündlich verkündetem Bescheid vom 04.12.2019 ausgesprochene Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.
Gemäß § 22 Abs 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I413.2131731.2.00Zuletzt aktualisiert am
04.03.2020