TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/13 W211 2216784-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.12.2019
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Entscheidungsdatum

13.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W211 2216784-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX ,

StA: Äthiopien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach der Durchführung einer mündlichen

Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Spruchpunkt III. wird ersatzlos behoben.

III. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird festgestellt, dass die Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien auf Dauer unzulässig ist, und XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt wird.

IV. Die Spruchpunkte V. und VI. werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die BF ist eine Staatsangehörige Äthiopiens. Sie stellte am XXXX .2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und gab erstbefragt durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag im Wesentlichen an, als Hausmädchen nach Österreich vermittelt worden zu sein und da für ca. vier Jahre für insgesamt ca. 800 Euro gearbeitet zu haben. Die Familie, bei der sie gearbeitet habe, habe sie dann nicht mehr brauchen können und weggebracht. Es habe dann eine Anzeige gegeben. Jene Familie sei aber in ihrer Heimat sehr mächtig; sie sei mehrmals bedroht worden.

2. Am XXXX .2018 wurde die BF durch die belangte Behörde einvernommen und gab dabei zusammengefasst an, in Äthiopien noch ihre Eltern, sechs Brüder und drei Schwestern zu haben. Sie sei schon als Mädchen in Addis Abeba als Hausmädchen vermittelt worden und habe dort gearbeitet. Sie glaube, sie sei 2010 nach Österreich gekommen, um hier bei den beiden erwachsenen Kindern ihrer Arbeitgeberin zu arbeiten. Sie habe dann ca. vier Jahre gearbeitet, bis sie von der Mutter ihrer österreichischen Arbeitgeber zum Außenministerium gebracht worden sei und dann weiter zur Organisation LEFÖ. Ihre ehemalige Arbeitgeberin sei wegen Menschenhandels angezeigt, ein Verfahren dann eingestellt worden. Ihre ehemalige Arbeitgeberin habe die BF bedroht; die BF habe im Falle einer Rückkehr Angst vor ihr.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen und ihr in Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Äthiopien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte der BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

4. Mit Schriftsatz vom XXXX .2019 brachte die BF eine Beschwerde ein.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX .2019 unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Amharisch eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der BF sowie ihre Rechtsvertretung teilnahmen. Die belangte Behörde hatte sich für die Teilnahme entschuldigt.

6. Am XXXX .2019 langte eine schriftliche Stellungnahme der Vertretung der BF zum aktuellen Länderinformationsblatt wie auch zu in der Verhandlung vorgelegten Berichten ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur BF:

Die BF ist eine äthiopische Staatsangehörige, die in XXXX , nördlich von Addis Abeba im Distrikt XXXX , geboren wurde und dort aufwuchs.

Die BF hielt sich zwischen XXXX .2015 und XXXX .2018 auf Basis von Aufenthaltstiteln nach § 57 AsylG in Österreich auf, bevor sie am XXXX .2018 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

In ihrem Heimatort in Äthiopien leben noch die Mutter sowie zehn Geschwister der BF. Ihr älterer Bruder arbeitete bei der Polizei; ihre Mutter verkauft Butter und Kleinigkeiten, indem sie von Haus zu Haus geht. Die jüngeren Geschwister leben noch bei der Mutter. Die ältere Schwester war verheiratet und hat ein Kind; möglicherweise hat sie sich von ihrem Mann getrennt und ging zurück zur Mutter. Der Vater der BF verstarb zwischenzeitlich.

Die BF gehört der Volksgruppe der XXXX an. Die BF besuchte ca. zwei Jahre die Grundschule in Äthiopien.

Die BF verließ ihre Familie bereits als sehr junges Mädchen und ging nach Addis Abeba, um dort im Haushalt bei verschiedenen Familien zu arbeiten bzw. auf die Kinder zu schauen.

Die BF ist grundsätzlich gesund; sie nimmt jedoch für ihre Schilddrüse täglich eine Vierteltablette.

Die BF besucht keine Psychotherapie. Ein psychotherapeutischer Kurzbericht vom XXXX .2019 von Hemayat führt an, dass die BF an einer mittelgradigen Depression leidet, sowie Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung vorliegen.

Die BF ist strafgerichtlich unbescholten und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.

1.2. Zum Leben in Österreich:

Die BF kam glaublich 2010 nach Österreich und arbeitete hier inoffiziell bei einer äthiopischen Familie im Haushalt.

Im Jänner 2015 entließen ihre Arbeitgeber_innen in Österreich die BF, die sich dann in die Betreuung von LEFÖ begab.

Strafgerichtliche Ermittlungen gegen die Arbeitergeber_innen der BF in XXXX wurden von der StA XXXX am XXXX .2017 eingestellt; ein Antrag auf Fortführung wurde mit Beschluss des LG für Strafsachen XXXX vom XXXX .2018 abgewiesen.

Die BF verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen.

Die BF engagiert sich im Rahmen von Praktika beim Projekt " XXXX " (Bestätigungen aus 2017 und 2018) und besucht einen Brückenlehrgang zum Erwerb von Deutsch- und Basisbildungskenntnissen XXXX (Bestätigung vom XXXX .2018). Außerdem besuchte die BF im März 2018 einen Lehrgang zur Berufserprobung als Kindergartenassistentin. Geplant war, dass die BF im Herbst 2019 in einen Kurs für einen erwachsenengerechten Pflichtschulabschluss wechseln kann. In der mündlichen Verhandlung stellte die BF ihre bereits sehr guten Deutschkenntnisse unter Beweis.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Äthiopien

Aus den ins Verfahren eingeführten Länderberichten ergibt sich Folgendes:

1) LIB Jänner 2019: Frauen sind nach der äthiopischen Verfassung gleichberechtigt. Allerdings beinhalten Gesetze diskriminierende Regelungen, wie z.B. die Anerkennung des Ehemanns als legales Familienoberhaupt und als einzigen Fürsorgeberechtigten für Kinder über 5 Jahre (AA 17.10.2018). Unter Premierminister Abiy Ahmed ist es im Bezug auf die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu ersten symbolträchtigen Veränderungen innerhalb der Regierung gekommen: Bei einer Kabinettsumformung im Oktober 2018 wurden erstmals besonders bedeutende Ministerposten an Frauen vergeben, darunter das Verteidigungsministerium sowie das neu geschaffene Friedensministerium, das u. a. den Geheimdienst kontrolliert. Das Kabinett besteht nun zur Hälfte aus Frauen. Ebenfalls Symbolwirkung hatte die Wahl von Sahle-Work Zewde zur ersten Staatspräsidentin des Landes (GIZ 9.2018c). In der gesellschaftlichen Realität haben Frauen allerdings eine schwächere Position als Männer, nur wenige Frauen haben Führungspositionen inne (AA 17.10.2018; vgl. GIZ 9.2018c). Die Situation von Frauen ist oft von körperlich sehr harter Arbeit, Benachteiligung und Bevormundung, von traditioneller Rollenzuschreibung und Gewalterfahrungen geprägt (GIZ 9.2018c).

Trotz steigender Tendenz ist die Einschulungsquote für Mädchen nach wie vor deutlich niedriger als bei Buben. Das gilt auch für den Hochschulbereich. Insbesondere auf dem Land werden Frauen diskriminiert und verfügen nur über sehr eingeschränkte Entfaltungsmöglichkeiten (AA 17.10.2018; vgl. GIZ 9.2018c). In den Städten ist die Situation der meisten Frauen deutlich besser als auf dem Land. Vor allem in der noch in der Entstehung befindlichen neuen Mittelschicht sind die Töchter mindestens genauso gut ausgebildet wie die Söhne. Berufstätige Mütter sind in Addis Abeba an der Tagesordnung. Dennoch sind auch viele urbane Frauen von Benachteiligung und Gewalt betroffen: Sie bekommen weniger Lohn für die gleiche Arbeit (GIZ 9.2018c).

Häusliche Gewalt ist ein weit verbreitetes Problem in Äthiopien (GIZ 9.2018c) und wird meist nicht gerichtlich verfolgt oder als Scheidungsgrund anerkannt. Vergewaltigung in der Ehe ist kein Strafdelikt. Traditionelle Praktiken zum Nachteil von Frauen, wie Beschneidung, Kinderehe und Brautraub mit Zwangsverheiratung stehen unter Strafe, kommen aber, insbesondere in ländlichen Gegenden, weiterhin vor (AA 17.10.2018).

Äthiopien ist bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927,4 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt (AA 3.2018; vgl. GIZ 9.2018), auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag. Ein signifikanter Teil der Bevölkerung lebt unter der absoluten Armutsgrenze, das rasche Bevölkerungswachstum trägt zum Verharren in Armut bei (AA 3.2018). Äthiopien ist strukturell von Nahrungsmittelknappheit betroffen, ebenso wie von häufigen Überschwemmungen (GIZ 9.2018; vgl. RI 14.11.2018) und die Regierung steht noch vor enormen humanitären Herausforderungen. Das Land leidet immer noch unter den Auswirkungen der Dürre 2015-16, welche durch unterdurchschnittliche Niederschläge im Jahr 2017 verstärkt wurden. Hunderttausende waren zur Flucht aus ihren Häusern gezwungen - vor allem im Süden und Südosten des Landes. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe (RI 14.11.2018).

Viele Menschen können nicht lesen oder schreiben, sind nicht in die moderne Ökonomie eingebunden und haben nur unzureichenden Zugang zu medizinischer Versorgung (GIZ 9.2018).

Staatliche soziale Sicherungssysteme sind auf die Agenda der Regierung getreten: Mit der Arbeit an einer National Social Protection Policy hat die Arbeit an Themen wie Kindergeld, Alters- und Berufsunfähigkeitsrenten begonnen (GIZ 9.2018c).

Äthiopien ist traditionell ein Land der Landwirtschaft und Viehzucht, wandelt sich durch massive Anstrengungen in den letzten Jahrzehnten aber immer mehr zu einem Land mit aufstrebenden Dienstleistungs- und Industriesektoren. Die weitreichenden Reformen unter Premierminister Abiy Ahmed beinhalten auch Pläne, staatliche Unternehmen wie Ethiopian Airlines, den bisher einzigen Telekommunikationsanbieter Ethio Telecom sowie weitere staatliche Unternehmen teilweise oder vollständig zu privatisieren. Im Index of Economic Freedom von 2017 steht Äthiopien an Stelle 142 von 169 in der Welt. Beim Ibrahim Index of African Governance, der sich u.a. mit nachhaltigen Wirtschaftschancen befasst, liegt Äthiopien aktuell auf Platz 36 von 54. Die äthiopische Wirtschaftslage entwickelt sich insgesamt gut. Im Jahr 2016 war ein Wirtschaftswachstum von etwa 8-10% (je nach Quelle) zu verzeichnen. Die Wirtschaft des Landes zählt damit zu den am schnellsten wachsenden der Welt (GIZ 9.2018b).

Die meisten Menschen in Äthiopien (ca. 80%) leben auf dem Land als sesshafte Bauern, Viehhirten oder (Halb-) Nomaden. Neben der Millionenstadt Addis Abeba gibt es 16 Großstädte mit mehr als 120.000 Einwohnern. Das Bevölkerungswachstum in den Städten ist mit fast 5% deutlich höher als das ländliche. Dieses Wachstum geht einher mit der Überforderung von Stadtverwaltungen, dem schlechten Umgang mit den kommunalen Finanzen sowie einer schwachen städtischen Infrastruktur. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (GIZ 9.2018).

Der wichtigste Erwerbszweig bleibt die Landwirtschaft mit 81% der Erwerbstätigen, die 2016 rund 40% des Bruttoinlandsprodukts erzeugten (GIZ 9.2018). Die saisonalen Niederschläge von Oktober bis Dezember 2018 waren unterdurchschnittlich und unregelmäßig, es ist zu langen Trockenperioden gekommen. Die Entwicklung nicht-saisonaler Niederschläge, insbesondere in Teilen von Tigray, Amhara, SNNPR sowie im westlichen und zentralen Oromia, hat die Ernte- und Lageraktivitäten behindert und die Ernteerträge in den betroffenen Gebieten beeinträchtigt (FEWS 31.12.2018). Von der Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Produktion hängt die Sicherheit der Lebensmittelversorgung ab. Viele Kleinbauern können sich und ihre Familien mit ihrer Ernte nicht ganzjährig ernähren. Jährlich erhalten daher rund 3 Millionen Äthiopier Nahrungsmittelhilfe zur Überbrückung ihrer Engpässe, weitere ca. 8 Millionen werden über das staatliche Productive Saftey Net Programme (PSNP, Landwirtschafts- und Sozialprogramm) 6 Monate im Jahr durch Cash-for-Work oder auch direkte Nahrungsmittelhilfe unterstützt (GIZ 9.2018). Zudem besteht ein hoher Bedarf an humanitärer Versorgung im Rahmen der Dürrehilfe mit einem Volumen von 948 Mio. USD. Darüber hinaus sind 7,9 Mio. Menschen auf ein staatliches Sozialprogramm zur Ernährungssicherung angewiesen. Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Kindergeld o. ä. werden von der äthiopischen Regierung nicht erbracht (AA 17.10.2018).

Teile der Regionalstaaten Somali, Oromia und Harar befinden sich in IPC-Phase 3 (IPC = Integrated Phase Classification der Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln; Stufe 1 - Minimal, Stufe

2 - Stressed, Stufe 3 Crisis, Stufe 4 - Emergency, Stufe 5 -

Hungersnot). Daran wird sich auch im ersten Halbjahr 2019 nichts ändern (FEWS 31.12.2018).

Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibt - soweit bekannt - ohne Konsequenzen. U.a. sind Fälle von Zwangsrückführungen aus Norwegen, Dänemark und den Niederlanden bekannt. Es sind keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier Benachteiligungen ausgesetzt waren oder diese gar festgenommen oder misshandelt worden wären. Im direkten persönlichen Umfeld wird eine Rückkehr jedoch häufig als Scheitern gewertet. Daher suchen einige der zwangsweise nach Äthiopien zurückgeführten Personen erneut den Weg nach Europa. Rückkehrer können nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Für schutzbedürftige Rückkehrer, insbesondere für unbegleitete Minderjährige, gibt es Erstaufnahmeeinrichtungen, die von IOM betrieben werden (AA 17.10.2018). Die Regierung arbeitet mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um die Bereitstellung von Schutz und Hilfe für IDPs, Flüchtlinge, rückkehrende Flüchtlinge, Asylbewerber, Staatenlose und andere betroffene Personen zu gewährleisten (USDOS 20.4.2018).

Sogenannte "Gefälligkeitsbescheinigungen" sind relativ leicht erhältlich. Gegen Zahlungen können auch Zeugen für Aussagen vor Gericht oder Behörden gekauft werden. Es kommt häufig vor, dass äthiopische Beamte - auf Bitte - Urkunden ausstellen, die gesetzlichen Bestimmungen widersprechen. Weit verbreitet sind auch falsche Bescheinigungen z.B. von privaten Arbeitgebern (z.B. über Arbeitsverhältnisse, Einkommen etc.) (AA 17.10.2018).

Komplettfälschungen von Ausweisdokumenten oder Urkunden sind in Äthiopien wegen ihrer schlechten Qualität meist als solche erkennbar. Weitaus schwerer aufzudecken, aber weit stärker verbreitet sind echte Dokumente mit falschem Inhalt - v.a. Personenstandsurkunden (Geburts- und Heiratsurkunden) und Pässe - die auf der Grundlage von unrichtigen Dokumenten und/oder von Zeugenaussagen ausgestellt wurden. Geburtsurkunden werden erst seit einigen Jahren und nicht in allen Fällen auf der Grundlage von Geburtsbescheinigungen von Krankenhäusern ausgestellt (AA 17.10.2018).

2) Von der RV vorgelegte Unterlagen - zusammengefasst:

2019 Trafficking in Persons Report: Ethiopia, 20.06.2019: (Aus dem Englischen zusammengefasst):

Die Regierung Äthiopiens hat die Minimalstandards zur Eliminierung von Menschenhandel noch nicht zur Gänze erreicht, unternimmt aber bemerkenswerte Schritte, um dies zu tun. Diese Schritte beinhalten die Unterstützung von mehr als 10.000 Personen, die vom Menschenhandel getroffen sein können, und die Verurteilung einer ansteigenden Zahl von Menschenhändlern. Die Regierung verbesserte außerdem die Kontrolle von ausländischen Bewerbungsagenturen und erhöhte das Bewusstsein in Bezug auf Menschenhandel und verwandte Verbrechen. Dennoch erreicht die Regierung relevante Minimumstandards in mehreren Schlüsselpunkten nicht: So wird seitens der Regierung innerstaatlicher Menschenhandel nicht ausreichend berücksichtigt, inklusive Kinderhandel für Zwecke der Prostitution, und fehlen Standardverfahren für Personen in Kontakt mit Menschenhandelsopfern, um proaktiv solche Opfer unter vulnerablen Migranten und Migrantinnen erkennen zu können. Die Regierung stellt außerdem nicht genügend Unterstützung für männliche Opfer zur Verfügung. Für das dritte aufeinanderfolgende Jahr wurde außerdem seitens Äthiopiens nicht gemeldet, dass budgetäre Mittel für die Implementierung eines nationalen Aktionsplans zur Verfügung gestellt worden seien.

Im Kapitel zum Profil von Opfern von Menschenhandel wird - hier zusammengefasst - ausgeführt, dass Menschenhändler_innen Äthiopier_innen, aber auch Ausländer_innen in Äthiopien, ausnützen würden, wobei schlechte wirtschaftliche Voraussetzungen bzw. Armut gepaart mit familiärem Druck tausende ermutigen würden, vor allem Richtung Saudi-Arabien und Europa, aber auch Amerika und Kanada zu reisen. Jährlich reisen ca. 100.000 Äthiopier_innen illegal nach Saudi-Arabien, um dort zu arbeiten. 80 - 90 % der äthiopischen Arbeitsmigration führt nach Saudi-Arabien. Viele Äthiopierinnen, die im mittleren Osten im Haushalt arbeiten, sind mit Misshandlungen, Gehaltsverweigerung und Konfiskation der Papiere konfrontiert.

CEDAW, Concluding Observations of the Committee on CEDAW vom 27.06.2011 - aus dem Englischen und zusammengefasst, soweit hier relevant:

Zu den Empfehlungen betreffend Menschenhandel führt der Bericht aus, dass ein nationaler Aktionsplan entwickelt werden sollte, um Menschenhandel, insbesondere Frauen- und Mädchenhandel, zu bekämpfen; dass weiterhin das Bewusstsein betreffend Menschenhandel bestärkt und Sicherheitskräfte sensibilisiert werden sollten; dass die Wurzeln von Menschenhandel dahingehend bekämpft werden sollen, als dass das wirtschaftliche Potential von Frauen verbessert sowie ihr Zugang zum Landbesitz erleichtert werden soll; dass Verfahren zur Identifizierung und Unterstützung von Opfern entwickelt und relevanten Daten zu diesem Thema gesammelt werden sollen (Seite 8 des Berichts).

Ein Artikel von Gudetu Wakgari, Causes and Consequences of Human

Trafficking in Ethiopia: The case of Women in the Middle East, ohne

Datum, führt zusammengefasst und soweit hier relevant aus:

Als Grund für Menschenhandel in Äthiopien wird Armut und das Fehlen von wirtschaftlichen Möglichkeiten angeführt (siehe S. 239 bzw. Seite 7 der Kopie). Diese sind wiederum mit der fehlenden Bildung von Frauen in Äthiopien in Verbindung zu bringen. Ein ausgedehntes Netzwerk an Menschenhändlern manipuliert Mädchen mit Ideen vom besseren Leben im Mittleren Osten. Außerdem üben Familie, Freunde und NachbarInnen Druck auf die Mädchen/Frauen aus. Unter Konsequenzen wurde angeführt, dass Opfer von Menschenhandel häufig mit "leeren Händen" zurück nach Äthiopien kommen würden, womit wirtschaftliche Hoffnungen der gehandelten Personen, aber auch ihrer Familien enttäuscht werden. Psychische Störungen können außerdem eine Folge der Misshandlungen und Probleme sein, die die Frauen in ihren Arbeitsverhältnissen erfahren (S. 240f bzw. 8f).

1.4. Die BF wurde 2009 oder 2010 von ihrer damaligen Arbeitgeberin in Addis Abeba noch als Minderjährige nach Österreich gebracht, um hier bei den erwachsenen Kindern der Arbeitgeberin, die in Österreich leben und arbeiten, inoffiziell, undokumentiert und ohne ausreichende Vergütung zu arbeiten. Die BF verrichtete typische Arbeiten der Haushaltsführung bei den Kindern ihrer Arbeitsgeberin; waschen, bügeln, putzen, zum Einkaufen begleiten, und ähnliches. Die BF befand sich in Österreich in einer Abhängigkeit zu ihren Arbeitgeber_innen, die ihr mitgaben, dass sie in Österreich ohne ihre Arbeitgeber_innen keinen Wert hätte und nichts erreichen könnte. Die BF hatte dadurch Angst, sich in Österreich frei zu bewegen.

Im Jänner 2015 wurde die BF krank und wurde deshalb von ihren Arbeitgeber_innen zum Außenministerium gebracht und dort "abgegeben".

Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien durch ihre ehemaligen Arbeitgeber_innen einer Gefährdung unterliegen würde.

Ebenfalls wird nicht festgestellt, dass die BF im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien erneut Opfer von Menschenhandel werden würde.

1.5. Zur Situation der BF im Falle einer Rückkehr

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen würde.

1.6. Zu den privaten Interessen der BF in Österreich:

Festgestellt wird jedoch, dass sich die BF seit 2009 oder 2010 unfreiwillig und seit 2015 freiwillig und selbstbestimmt in Österreich aufhält und sich hier - mit bemerkenswerter Unterstützung, aber auch mit eigenem Engagement - ein Privatleben aufgebaut hat. Ihre Stellung als ein (damals noch minderjähriges) Opfer von Menschenhandel prägen die privaten Interessen der BF in Österreich.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahme durch das BFA ( XXXX .2018) sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Beschwerdeschriftsatz, das LIB 2019 zu Äthiopien, mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, die von der RV vorgelegten Unterlagen, die Stellungnahme vom XXXX .2019 sowie der Verwaltungsakt zum Asylverfahren.

2.2. Zu folgenden Feststellungen unter oben 1. wird weiter näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Die Identität der BF konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zum Herkunftsort, zur Antragstellung, zu ihren Familienangehörigen in Äthiopien, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zur Schulbildung und Berufstätigkeit der BF in Äthiopien gründen sich auf die diesbezüglich nicht angezweifelten Angaben der BF im Laufe des Verfahrens.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen sich auf die Angaben der BF und auf den Kurzbericht von Hemayat.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit und zum Leistungsbezug aus der Grundversorgung basieren auf den diesbezüglichen Auszügen.

2.2.2. Die Feststellungen der BF zu ihrer Ankunft in Österreich und ihrer Beschäftigung in den beiden Haushalten von Landsleuten sowie zu ihrer Entlassung gründen sich auf die diesbezüglich weitgehend glaubhaften und soweit relevant gleichbleibenden Angaben der BF im Laufe des Verfahrens. Das gleiche gilt zur Feststellung über das Fehlen familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich.

Die Feststellungen zu den Aktivitäten in Österreich beruhen auf den vorgelegten Unterlagen und dem Eindruck, den die BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung hinterließ.

Dass in Bezug auf die ehemaligen Arbeitgeber_innen der BF in Österreich die strafgerichtlichen Ermittlungen eingestellt wurden, ergibt sich aus den entsprechenden Unterlagen im Verwaltungsakt.

2.2.3. Die Länderfeststellungen unter 1.3. 1) beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Äthiopien mit Stand 08.01.2019 und da wiederum auf den folgenden Einzelquellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2018): Äthiopien, Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aethiopien-node/-/209506, Zugriff 12.12.2018

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AA - Auswärtiges Amt (17.10.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452858/4598_1543583225_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aethiopien-stand-september-2018-17-10-2018.pdf, Zugriff 11.12.2018

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FEWS - Famine Early Warning System Network / World Food Programme (31.12.2018): Ethiopia Food Security Outlook, December 2018, https://reliefweb.int/report/ethiopia/ethiopia-food-security-outlook-december-2018, Zugriff 2.1.2019

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GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2018):

Äthiopien, Überblick,

https://www.liportal.de/aethiopien/ueberblick/, Zugriff 11.12.2018

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GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2018b):

Äthiopien, Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/aethiopien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 11.12.2018

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GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2018c):

Äthiopien, Gesellschaft, www.liportal.de/aethiopien/gesellschaft/, Zugriff 6.12.2018

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RI - Refugees International in Reliefweb.int (14.11.2018): The Crisis Below the Headlines: Conflict Displacement in Ethiopia, https://reliefweb.int/report/ethiopia/crisis-below-headlines-conflict-displacement-ethiopia, Zugriff 11.12.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Ethiopia, https://www.ecoi.net/en/document/1430108.html, Zugriff 21.12.2018

Die Feststellungen unter 1.3. 2) beruhen auf den Unterlagen, die die RV im Rahmen der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht hat. Diese wurden soweit hier relevant übersetzt und zusammengefasst wiedergegeben; nicht jedoch der Artikel "Trafficked into slavery", da dieser keine hier relevanten objektivierbaren Aussagen enthält.

Den eingebrachten Artikeln und Berichten ist gemein, dass sie zwar die - nicht bestrittene - Aussage tätigen, dass es insbesondere Menschenhandel zu Arbeitszwecken, so zB nach Saudi-Arabien bzw. in den Mittleren Osten, gibt, jedoch (ebenfalls) wenige Angaben zu Konsequenzen für Rückkehrer_innen vermitteln können, wie dies bereits durch die Beschwerde moniert wurde. Auch die von der RV eingebrachten Dokumente bleiben nähere Informationen zu diesem Thema weitgehend schuldig.

2.2.4. Die erkennende Richterin hat keine Schwierigkeiten damit, gegenständlich festzustellen, dass die BF als Minderjährige durch ihre damalige äthiopische Arbeitgeberin nach Wien gebracht wurde und hier mehrere Jahre inoffiziell und ohne entsprechende Absicherung und Vergütung in zwei Haushalten dieser Familie gearbeitet hat. Damit erfüllt die Situation der BF in Österreich den Begriff der Ausbeutung, wie er in der UNHCR Richtlinie betreffend Opfer von Menschenhandel, Seite 4, definiert ist. Es wird dabei nicht übersehen, dass die BF gerade im strafgerichtlichen Ermittlungsverfahren gegen ihre ehemaligen Arbeitgeber_innen teilweise widersprüchliche Angaben machte und dieses Verfahren eingestellt wurde. Dabei muss jedoch mitbetrachtet werden, dass für die Einstellung bzw. Fortführung einer strafgerichtlichen Ermittlung entscheidend ist, ob eine strafgerichtliche Verurteilung wahrscheinlich ist, was gegenständlich wegen fehlender Beweise und der widersprüchlichen Angaben der BF nicht so eingeschätzt wurde.

Im gegenständlichen Verfahren spielt jedoch auch eine Rolle, dass die BF zu den fraglichen Zeitpunkten minderjährig gewesen ist, aus ärmlichen Verhältnissen stammt und kaum Schulbildung genossen hat. Dazu befand sie sich seit frühester Jugend in schwierigen Abhängigkeitsverhältnissen. Darüber hinaus berichtet sie wesentliche Teile ihrer Schleppung und ihrer Zeit hier in Wien bei jener äthiopischen Familie auch gleichbleibend und ausreichend detailreich. Für eine Feststellung dahingehend, dass die BF nicht in zwei äthiopischen Haushalten in Wien über mehrere Jahre hinweg in inoffiziellen Zuständen ohne entsprechende Vergütung, Anmeldung und Papiere gearbeitet haben soll, reichen die Zweifel und Widersprüche nicht aus.

Dennoch ergeben sich aus den Angaben der BF, die diesbezüglich vage und oberflächlich bleiben, keine Hinweise darauf, dass sie von jener äthiopischen Familie ihrer früheren Arbeitgeber_innen im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien bedroht oder gefährdet sein würde.

Wenn die BF vorbringt, ihre ehemalige Arbeitgeberin sei eine reiche und mächtige Frau in Äthiopien, kann das als Hinweis auf eine Bedrohung durch diese nicht reichen. Schließlich muss auch mitberücksichtigt werden, dass die BF selbst vorbrachte, von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin zum Außenministerium gebracht und damit "entlassen" worden zu sein, was nicht dafür spricht, dass jene ehemalige Arbeitgeberin zukünftig für die BF eine Bedrohung darstellen würde, wenn sie selbst diese zuerst wegschickt. Wenn die BF in der mündlichen Verhandlung weiter vorbringt, ihre ehemalige Arbeitgeberin könnte in Äthiopien ihren Ruf beschmutzen, so geht auch daraus keine hier zu prüfende Gefährdung der BF durch ihre ehemalige Arbeitgeberin hervor.

Weiter bringt die BF vor, in Bezug auf eine Rückkehr nach Äthiopien nicht in ihre frühere Situation zurückkehren zu wollen, sich quasi daraus, also aus Abhängigkeiten und Misshandlungen im Zuge ihrer frühen Vermittlungen in Haushalte, emanzipiert zu haben. Während der BF zu ihren emanzipatorischen Erfolgen in Österreich seit 2015 jedenfalls zu gratulieren ist, ergibt sich aus ihren Angaben kein Hinweis darauf, dass die BF im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien einer hier zu prüfenden Bedrohung als Menschenhandelsopfer unterliegen würde. Insoferne an dieser Stelle berücksichtigt werden muss, ob ein ehemaliges Menschenhandelsopfer der entsprechend wahrscheinlichen Gefahr einer erneuten Schleppung in eine Zwangsarbeit unterliegen würde, so gehen Hinweise darauf weder aus dem Vorbringen der BF noch aus den Länderberichten hervor: die Länderberichte, auch jene Berichte, die die RV in der Verhandlung vorlegte, geben keine Auskunft darüber, wie systemisch Rückkehrerinnen nach Äthiopien einer erneuten Schleppung unterliegen würden, zB weil sie sozial derart stigmatisiert wären, als dass ihnen keine andere Wahl bliebe. Nicht nur geht eine solche Konsequenz mit der nötigen Wahrscheinlichkeit nicht aus zB dem Artikel "Causes and consequences of Human Trafficking in Ethiopia:

The case of Women in the Middle East", vgl. die S 240ff, hervor, auch kann aus den Angaben der BF Entsprechendes nicht erkannt werden und fehlen ihr dazu auch wesentliche persönliche Merkmale: So kann in ihrem Fall nicht davon ausgegangen werden, dass ihr ein ähnliches Stigma, wie zB Rückkehrerinnen, die zum Zwecke der Prostitution geschleppt wurden, und dieses Faktum auch entsprechend bekannt, weil verbreitet, wäre, anhaften würde. Und wenn die BF auch davon berichtet, dass ihre in Äthiopien befindliche Familie wirtschaftlich mehr schlecht als recht den Alltag beschreitet, darf dennoch nicht übersehen werden, dass sie diese familiären Verbindungen noch hat und auch ihr älterer Bruder bei der Polizei arbeitet. Wenn auch in der Stellungnahme vom XXXX .2019 vorgebracht wird, es bestehe ein Stigma darin, als junge Frau mit "leeren Händen" aus dem Ausland zurückzukehren, so kann gegenständlich nicht davon ausgegangen werden, dass dieses mögliche Stigma mit entsprechender Wahrscheinlichkeit zu einer erneuten Schleppung führen würde. Dass eine Rückkehr zur Familie tatsächlich ausgeschlossen sein würde, geht begründet weder aus der Stellungnahme vom XXXX .2019 noch aus der vom XXXX .2018 - und auf die BF und ihre Situation bezogen - hervor. Weshalb daher die BF als alleinstehende Frau zu qualifizieren sein soll, obwohl sie über Familienangehörige in Äthiopien verfügt, mit denen sie auch nach wie vor in Kontakt steht (vgl. Verhandlungsprotokoll vom XXXX .2019, S5f), bleibt unergründlich. Selbstverständlich kann die Möglichkeiten einer Unterstützung durch die Familie nicht überbewertet werden, wenn mitbedacht wird, dass die BF bereits sehr jung zur Arbeit vermittelt wurde. Dennoch darf in einer ganzheitlichen Betrachtung auch nicht übersehen werden, dass die BF nunmehr erwachsen und auch mit anderen Bildungsvoraussetzungen nach Äthiopien zurückkehren würde, was ihr auch weitere Möglichkeiten bei der Selbsterhaltung eröffnen würde. Eine Unterstützung durch die Familie könnte da auch auf einer sozialen Ebene, zB durch die Vermittlung von Kontakten, stattfinden.

Entsprechend begründete Hinweise darauf, dass die BF daher im Falle einer Rückkehr einem Risiko eines "Re-Trafficking" unterliegen würde (vgl. dazu UNHCR Richtlinien Opfer von Menschenhandel, S8, Pkt 17), kamen im Verfahren nicht hervor, genausowenig wie Hinweise auf ein entsprechendes soziales Stigma von Rückkehrerinnen aus dem Ausland (vgl. ebda Pkt 18).

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass bei der Anmerkung einer Emanzipation der BF auf einen ganzheitlichen Eindruck aus der Verhandlung und aus den vielen Unterlagen betreffend das Leben der BF in Österreich zurückgegriffen wurde, die von einem engagierten, interessierten Leben und auch von einer sehr erfolgreichen Entwicklung seit Ende der Zwangsarbeit in Österreich und seit Beginn der Betreuung durch Lefö und andere Organisationen berichten. Dabei wird die Einschätzung Hemayats aus dem Sommer 2019, die eine Depression diagnostizierte, nicht übersehen. Allerdings wird diese Depression nach den Angaben der BF weder medikamentös noch therapeutisch behandelt, noch scheint sie die schulischen und sonstigen Aktivitäten der BF entsprechend merkbar einzuschränken.

2.2.5. Zur Rückkehrsituation der BF: Der Umstand, dass die BF im Falle einer Rückkehr nicht in eine existenzbedrohende Lage geraten würde, ergibt sich in erster Linie aus der persönlichen Situation der BF: Die BF ist mittlerweile erwachsen, besucht schulische Ausbildungen in Österreich und ist, mit der Ausnahme einer Depression und einer Schilddrüsenerkrankung, die regelmäßig zu behandeln ist, gesund. Doch diese gesundheitlichen Einschränkungen scheinen einer grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit nicht entgegen zu stehen, da die BF sich auch in Österreich schulisch und außerschulisch beschäftigt und Praktika absolviert. Darüber hinaus befinden sich noch ihre Mutter und Geschwister in Äthiopien, wobei ihr Bruder bei der Polizei arbeitet. Mit ihren Familienmitgliedern steht die BF auch nach wie vor in Kontakt und ergaben sich im Verfahren keine Sachverhalte, die darauf hindeuten würden, dass jene Familie sie nicht zumindest auf sozialer Ebene, so vielleicht mit Zurvefügungstellung von Kontakten, unterstützen könnte.

Im Lichte der relevanten Länderinformation wird anerkannt, dass die wirtschaftliche Situation und auch die Versorgungslage in Äthiopien schwierig ist, und eine große Anzahl an Personen im Land unter der Armutsgrenze leben. Die persönlichen Umstände der BF, deren Feststellung im Wesentlichen auf ihrem eigenen Vorbringen beruht, erlauben jedoch die Annahme einer entsprechend wahrscheinlichen Existenzbedrohung im Falle einer Rückkehr, sodass die Schwelle des Art. 3 EMRK erreicht wäre, aus den oben genannten Gründen nicht.

2.2.6. Die Feststellung zu den privaten Interessen der BF in Österreich beruhen auf den bereits weiter oben begründeten Feststellungen. Diese Interessen werden gleich einer rechtlichen Beurteilung unterzogen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Asylabweisung:

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abzuweisen, wenn der Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn sie einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen einer Asylwerberin ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN, vom 30. September 2015, Ra 2015/19/0066, und vom 18. November 2015, Ra 2015/18/0220, sowie etwa VwGH vom 15. Mai 2003, 2001/01/0499, VwSlg. 16084 A/2003). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass die Beschwerdeführerin bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher die Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

Die BF, die in Österreich Opfer von Menschenhandel im Sinne von Zwangsarbeit wurde, muss im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien deswegen keine Verfolgung befürchten, da aus den sie betreffenden Umständen Hinweise darauf, dass sie entsprechend wahrscheinlich Opfer eines erneuten Menschenhandels werden würde, nicht hervorgekommen sind. So konnten auf Basis der Länderinformationen und der die BF konkret betreffenden Umstände weder ein besonderes Stigma als Rückkehrerin, noch eine Abwendung der Familie von ihr, noch drohende Vergeltungsmaßnahmen ihrer früheren Arbeitgeberin (vgl. UNHCR Richtlinie, Opfer Menschenhandel, S. 8, Pkte. 17 und 18) festgestellt werden.

Wenn auch nicht übersehen wird, dass die BF in Österreich schwerwiegende Ängste erleiden musste und sich unter Umständen daraus auch die Diagnose einer mittelgradigen Depression ergeben hat, wird gegenständlich dennoch nicht von einer Verfolgung auf Basis eines bereits erlittenen Traumas (vgl. UNHCR Richtlinie, Opfer Menschenhandel, S. 7, Pkt. 16) ausgegangen: die BF gab selbst an, keine Psychotherapie zu besuchen bzw. gab keine Auskunft über eine sonstige Behandlung ihrer Depression. Eine entsprechend tiefgreifende psychologische Beeinträchtigung, die die hier geforderte Höhe eines Eingriffs aufweist, um eine Verfolgung darzustellen, kam daher aus dem Verfahren nicht hervor.

Damit erübrigt sich gegenständlich und mit Blick auf die Situation in Äthiopien auch die Prüfung, inwieweit die BF als Opfer von Menschenhandel auch Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe wäre, und damit die Voraussetzungen der deutlich abgegrenzten Identität und der Wahrnehmung durch die Gesellschaft gegeben wären: prima facie erlauben die Länderinformationen zu Menschenhandel in Äthiopien und zur Situation von Rückkehrerinnen, auch jene, die die RV vorgelegt hat, die Annahme einer solchen abgegrenzten Identität und Wahrnehmbarkeit wohl nicht.

Sonstige asylrelevante Gründe wurden nicht vorgebracht und ergeben sich auch nicht aus der Länderinformation. Der BF ist es daher nicht gelungen, eine aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund aktuell drohende Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft zu machen, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids abzuweisen war.

3.2. Zur Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes:

Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist der Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status der Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offen steht.

Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerberinnen, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für die Betroffene im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass die Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung der Antragsstellerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht werden (vgl. EGMR vom 06.02.2001, Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0443).

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

Herrscht im Herkunftsstaat einer Asylwerberin eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit einer Asylwerberin bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch die betreffende Asylwerberin tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016 mwN, VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf Diakité und Elgafaji).

Abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung einer abgelehnten Asylwerberin dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH vom 25.05.2016, Ra 2016/19/0036; VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 - mit Verweis auf EGMR vom 5.09.2013, I. vs Schweden, Nr. 61204/09).

Aus dem Verfahren ergaben sich keine Hinweise darauf, dass der BF im Falle einer Rückkehr eine reale Gefahr einer Verletzung ihrer Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK drohen würde. Die BF ist mittlerweile erwachsen und absolvierte in Österreich schulische und außerschulische Aktivitäten; sie besucht Praktika und bereitet sich auf eine Berufsausbildung vor. Während sie an einer mittelgradigen Depression und an Schilddrüsenproblemen leidet, beeinträchtigen diese offenbar ihre genannten Aktivitäten in Österreich nicht, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass die BF grundsätzlich arbeitsfähig ist. Darüber hinaus verfügt sie in Äthiopien über ihre Mutter und Geschwister, mit denen sie in Kontakt steht. Ihr älterer Bruder arbeitet bei der Polizei. Selbst wenn die wirtschaftliche Situation der Familienangehörigen selbst angespannt sein könnte, kann davon ausgegangen werden, dass die BF auf sozialer Ebene, so vielleicht auch für die Vermittlung von Kontakten, auf die Unterstützung ihrer Familie zählen könnte. Dass sich diese Familie von ihr abgewendet haben soll, kam aus dem Verfahren nicht hervor.

Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland Äthiopien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

3.3 Zum Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG, zur Rückkehrentscheidung

3.3.1. Nach § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Fremde sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG fällt. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist weiter eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt der Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, die Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn die Drittstaatsangehörige, die im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und die Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Der Aufenthalt der BF ist nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet bzw. zur Gewährleistung einer Strafverfolgung erforderlich und wurde die BF auch nicht im Sinne dieser Bestimmung Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor und wurden auch weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet.

3.3.2. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben der Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt der Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat der Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben der Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes der Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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