TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/13 L511 2106653-1

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Veröffentlicht am 13.12.2019
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Entscheidungsdatum

13.12.2019

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L511 2106653-1/17E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte HÜTTENEDER & HÜTTENEDER, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 11.02.2015, Zahl XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 11.02.2015, Zahl: XXXX , gemäß § 28 Abs. 2 und Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1. Verfahren vor der Salzburger Gebietskrankenkasse [SGKK]

1.1. Mit Schreiben vom 21.10.2014 teilte die SGKK dem Beschwerdeführer mit, dass auf dem Beitragskonto der Firma XXXX [im Folgenden: LTD] ein Beitragsrückstand in Höhe von insgesamt EUR 10.930,64 offen aufscheine, für die er als ständiger Vertreter hafte (Aktenzahl der vorgelegten Aktenteile [AZ] I).

1.2. Im Zuge des durchgeführten Ermittlungsverfahrens brachte der Beschwerdeführer vor, er sei zu keinem Zeitpunkt eine zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaft berufene Person gewesen und habe auch nie Vertretungsmacht für die LTD gehabt. Er sei als Hoteldirektor der LTD in XXXX angestellt gewesen, habe keine Zeichnungsberechtigungen gehabt und keine Zahlungen selbsttätig durchgeführt (AZ II). Er sei auch weder als Geschäftsführer noch als Vertreter der Gesellschaft bestellt worden. Die Alleinvertretung und Alleinzeichnungsberechtigung sei ausschließlich beim Geschäftsführer XXXX gelegen Die Auszahlung von Gehältern und die damit verbundene Möglichkeit zur Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen sei allein und unmittelbar durch den Geschäftsführer vorgenommen worden. Die aus dem Betrieb der LTD resultierenden Zahlungen (ausgenommen Lohnverrechnung) seien vom Beschwerdeführer lediglich zur Zahlung vorbereitet worden, die Überweisungen und Zahlungen seien vom Geschäftsführer abgewickelt worden (AZ V).

1.3. Mit Haftungsbescheid vom 11.02.2015, Zahl: XXXX , verpflichtete die SGKK den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 83 ASVG als verantwortliches vertretungsbefugtes Organ der LTD, die von dieser Firma zu entrichten gewesenen Beiträge samt Nebengebühren für die Zeiträume März und April 2012 in Höhe von EUR 6.696,28 binnen 14 Tagen zu bezahlen, sowie ab 01.02.2015 Verzugszinsen in der Höhe von derzeit 7,88 % p.a. von EUR 5.343,56 zu entrichten. Die Summe setze sich laut beigelegtem Rückstandsausweis vom 11.02.2015 aus "Beiträgen Rest" der Monate 03/2012 bis 04/2012 sowie Verzugszinsen und Nebengebühren zusammen (AZ VII).

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, der Beschwerdeführer sei laut Firmenbuch von 01.06.2011 bis 14.05.2012 ständiger Vertreter der LTD gewesen. Auf dem Beitragskonto der LTD scheine per 11.02.2015 ein Gesamtrückstand in Höhe von EUR 11.125,96 ab März 2012 offen auf, wovon gegen den Beschwerdeführer die im Rückstandsausweis dargestellten Beträge geltend gemacht würden, da diese bei der Primärschuldnerin wegen Erfolglosigkeit der bisher gesetzten Eintreibungsmaßnahmen uneinbringlich seien. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Beschränkung seiner Vertretungsmacht sei Dritten gegenüber unwirksam und treffe ihn deshalb ein Verschulden an der Nichtabfuhr der Sozialversicherungsbeiträge bzw. an der Gläubigerungleich-behandlung. Der Beschwerdeführer hafte gem. § 67 Abs. 10 ASVG für die Rückstände der Gesellschaft, zumal er es unterlassen habe, Gründe zu nennen bzw. Unterlagen vorzulegen, welche eine persönliche Haftung ausschließen würden.

1.4. Mit Schreiben vom 11.03.2015 erhob der Beschwerdeführer gegen oben bezeichneten Bescheid fristgerecht Beschwerde (AZ X).

Der Beschwerdeführer führte im Wesentlichen zusammengefasst aus, die SGKK habe über einen Zeitraum von zwei Jahren keine aktiven Betreibungsschritte zur Einhebung des Rückstandes betrieben und der Beschwerdeführer werde dadurch mit Zinsen in beträchtlicher Höhe belastet. Zudem sei die Primärschuldnerin nach wie vor in Österreich tätig, wenngleich auch nicht mit dem Hotelbetrieb in XXXX und habe in der Folge auch alle Verbindlichkeiten reguliert. Auch eine Zustellung der Zahlungsaufforderung ins Ausland (Sitz der Firma) wäre zumutbar gewesen. Hinzu komme, dass die Primärschuldnerin eine außergerichtliche Abschlagsquote in Höhe von 50 % angeboten habe. Die Nichtannahme dieses Angebots habe somit zu einer eigentlich vermeidbaren Haftung gegenüber dem Beschwerdeführer geführt. Weder die ursprünglich geforderte Beitragsschuld noch die nunmehr verringerte Forderung der SGKK sei für den Beschwerdeführer überprüfbar, da weder ersichtlich sei, wann die Beitragsrückstände zur Zahlung vorgeschrieben worden seien, wann deren Fälligkeit eingetreten sei noch welche Bezüge zu den Beitragsrückständen geführt haben.

Der Beschwerdeführer sei lediglich gewerberechtlicher Geschäftsführer gewesen, habe seine Konzession zur Verfügung gestellt und sei als Hoteldirektor angestellt gewesen; er habe keine eigene Dispositionsmaxime gehabt. Sämtliche Zahlungen seien vom Dienstgeber durchgeführt worden und er habe demzufolge auch keine Unterlagen und Urkunden. Er sei aus diesem Grund auch gar nicht in der Lage gewesen, Gläubiger und die SGKK ungleich zu behandeln, zumal es ihm auch faktisch unmöglich gewesen sei, Zahlungen durchzuführen.

Zum Beweis seines Vorbringens schloss der Beschwerdeführer der Beschwerde den Beschluss des LG Salzburg vom 02.07.2013 bei, aus dem ersichtlich sei, dass der Beschwerdeführer in Zusammenhang mit der Zahlungsunfähigkeit der LTD vom Verdacht des Vergehens des schweren Betruges freigesprochen wurde, sowie seinen Dienstvertrag und eine eidesstattliche Erklärung, wonach er keinerlei Vollmachten zur Durchführung von Zahlungen gehabt habe.

2. Die SGKK übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschwerdevorlage vom 27.04.2015 die Beschwerde samt Verwaltungsakt und ergänzender Stellungnahme, worin sie ihre bisherige Rechtsansicht vertiefte.

2.1. Über Ersuchen des BVwG übermittelte der Beschwerdeführer am 09.11.2015 eine Bankbestätigung der Bank, wonach die endgültige Zahlungsfreigabe nur durch den zweiten Kollektivzeichner, den Geschäftsführer MA erfolgen konnte. Die für die LTD tätige SteuerberatungsGmbH führte über Ersuchen des BVwG aus, sie habe von der fehlenden Zeichnungsberechtigung für den Beschwerdeführer Kenntnis gehabt, da sie vom Eigentümer fallweise wegen Erläuterungen zu einzelnen Beträgen kontaktiert worden sei. An Unterlagen könne sie nur das in der Buchhaltung abgebildete Kassakonto übermitteln (OZ 2-5).

II. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Die XXXX wurde am 29.06.2011 als österreichische Zweigniederlassung der im israelischen Firmenbuch unter der Nummer XXXX registrierten LTD in das österreichische Firmenbuch eingetragen. Die LTD ist bei der Firmenbuchbehörde in Israel registriert, hat ein Personalstatut nach israelischem Recht und ihren Sitz in XXXX , Israel.

1.2. Alleiniger zur selbständigen Vertretung berechtigter Geschäftsführer der österreichischen Zweigniederlassung der LTD war (zumindest) ab 12.01.2011 XXXX [MA]. Der Beschwerdeführer wurde am 01.06.2011 zum alleinvertretungsbefugten ständigen Vertreter der LTD bestellt, und war als solcher von 12.06.2011 bis 14.05.2012 im Firmenbuch eingetragen. Mit 11.09.2014 wurde die Zweigniederlassung der LTD in Österreich aufgelöst und im Firmenbuch gelöscht (OZ 6).

1.3. Eine Bestellung des Beschwerdeführers zu einem Geschäftsführer der LTD erfolgte zu keinem Zeitpunkt.

1.4. Auf dem Dienstgeberkonto der österreichischen Zweigniederlassung waren laut Rückstandsausweis gemäß § 64 ASVG vom 11.02.2015 Beitragszahlungen samt Verzugszinsen und Nebengebühren idHv EUR 6.696,28 offen.

2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme, aus der sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt, erfolgte durch Einsicht in die im Folgenden gelisteten von den Verfahrensparteien vorgelegten oder vom BVwG erhobenen Dokumenten und Unterlagen

im nicht durchnummerierte Verfahrensakt der GKK:

* Rückstandsausweis vom 11.02.2015 (AZ VII)

* Bescheid der SGKK vom 11.02.2015 (VII)

* Stellungnahmen des Beschwerdeführers (AZ II, V)

* Beschwerde des Beschwerdeführers vom 11.03.2015 (AZ X)

im hg. Gerichtsakt:

* Vorlagebericht (OZ 1)

* Mitteilung des Beschwerdeführers vom 09.11.2015 (OZ 4)

* Mitteilung der SteuerberatungsGmbH vom 06.11.2015 (OZ 5)

* Firmenbuchauszug der GmbH (OZ 6)

2.2. Beweiswürdigung

2.2.1. Die Feststellungen zum Sitz der LTD in Israel und der Zweigniederlassung in Österreich ergeben sich ebenso wie die Bestellung des MA zum Geschäftsführer und die des Beschwerdeführers zum ständigen Vertreter der LTD aus dem österreichischen Firmenbuchauszug (OZ 6), an dessen Richtigkeit kein Grund zu zweifeln bestand und stehen auch in Einklang mit dem Beschluss zur Bestellung eines ständigen Vertreters der österreichischen Zweigniederlassung der LTD vom 01.06.2011 (OZ 6).

2.2.2. Die offenen Beitragsrückstände der österreichischen Zweigniederlassung ergeben sich aus dem Rückstandsausweis vom 11.02.2015 und sind im Verfahren unstrittig.

2.2.3. Dass der Beschwerdeführer zu einem Geschäftsführer der LTD bestellt worden wäre, lässt sich mangels diesbezüglicher Hinweise nicht feststellen (OZ 1).

3. Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 24 VwGVG) ist kein absoluter. Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung auch nach Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 GRC unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.2. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt war weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die SGKK im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.2. Zur Stattgabe der Beschwerde

4.2.1. Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Die Haftungsbestimmung des § 67 Abs 10 ASVG erfasst nur gesetzliche Vertreter juristischer Personen, also jene Personen, ohne die das vertretene Rechtssubjekt nicht handeln kann. Gesetzliche Vertreter einer GmbH sind die Geschäftsführer (VwGH 14.03.2001, 2000/08/0097 mwN).

4.2.2. Gemäß § 107 Abs. 1 GmbHG ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Sitz im Ausland liegt, durch die Geschäftsführer zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden, wenn sie eine inländische Zweigniederlassung hat. Gemäß Abs. 2 leg.cit. haben Gesellschaften, deren Personalstatut nicht das Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über die Schaffung eines Europäischen Wirtschaftsraumes, BGBl. Nr. 909/1993, ist, für den gesamten Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung mindestens eine Person zu bestellen, die zur ständigen gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft befugt ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat; eine Beschränkung des Umfangs ihrer Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber unwirksam. Die Vertretungsbefugnis kann jedoch an mehrere Personen gemeinschaftlich erteilt werden (Gesamtvertretung). Gesellschaften, deren Personalstatut das Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums ist, können einen solchen ständigen Vertreter bestellen.

4.2.3. Einer (registrierten) Zweigniederlassung kommt keine eigene Rechtspersönlichkeit zu. Sie ist daher weder rechts- noch parteifähig und stellt einen Bestandteil des Unternehmens der Gesellschaft dar. Träger von Rechten und Pflichten ist die ausländische Gesellschaft. Mangels Rechtspersönlichkeit kann eine Zweigniederlassung somit nicht Dienstgeber iSd ASVG sein (vgl. VwGH 14.12.2015, Ra2015/11/0083; 22.12.2004, 2002/08/0001 29.03.2000, 97/08/0083).

Verfahrensgegenständlich ist somit die LTD mit Sitz in Israel Primär(beitrags)schuldnerin und nicht deren österreichische Zweigniederlassung.

4.2.4. Die SGKK vertrat im Verfahren die Ansicht, dass der Beschwerdeführer durch seine Bestellung zum ständigen Vertreter der österreichischen Zweigniederlassung der LTD dem Kreis der Haftungspflichtigen im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG angehöre. Diese Ansicht wird aus den folgenden Gründen nicht geteilt:

4.2.4.1. Der Beschwerdeführer war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (nur) zum ständigen Vertreter der österreichischen Zweigniederlassung der LTD bestellt, nicht jedoch zum Geschäftsführer der israelischen LTD.

4.2.4.2. Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Stellung des ständigen Vertreters inhaltlich jener einer Filialprokura zuzüglich Liegenschaftsklausel (§ 49 UGB) entspricht, auch wenn eine solche formell nicht erteilt wurde. Die Bestellung zu einem ständigen Vertreter erfolgt durch einen Bestellungsakt der ausländischen Gesellschaft, durch den der ständige Vertreter aber nicht zum Organ der Gesellschaft wird, sondern (nur) zum rechtsgeschäftlichen Vertreter. Der rechtsgeschäftliche Vertreter ist nicht zur Vertretung nach außen berufen und haftet daher nicht wie ein organschaftlicher Vertreter (vgl. VwGH 26.04.2017, Ra2017/17/0201 mwN).

4.2.4.3. Im gegenständlichen Fall scheidet somit eine Haftung des Beschwerdeführers als ständiger Vertreter der Zweigniederlassung in Österreich (und mangels Mitgliedschaft zum Leitungsorgan der ausländischen Gesellschaft mit Sitz in Israel) für die Beitragsrückstände der Primärschuldnerin aus.

4.2.5. Gegenständlich scheidet aber auch eine Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung als "faktischer Geschäftsführer" aus.

4.2.5.1. Wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung kann unter dem Gesichtspunkt des Normzwecks auch einem "faktischen Geschäftsführer" zukommen, also jener Person, die sich als de facto Geschäftsführer geriert hat. Letzteres liegt dann vor, wenn die betreffende Person nach dem Gesamterscheinungsbild ihres Auftretens die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes Handeln im Außenverhältnis maßgeblich in die Hand genommen hat. Als Vertreter iSd § 67 Abs. 10 (iVm § 539 a) haftet daher ein faktischer Geschäftsführer, der, ohne unternehmensrechtlicher Geschäftsführer im formellen Sinn zu sein, rechtlich in einer Weise mit der Geschäftsführung betraut ist, die ihm die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten als Vertreter des Dienstgebers ermöglicht (Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 67 Rz79).

4.2.5.2. Die SGKK ging im Bescheid davon aus, dass die Befugnisse des Beschwerdeführers von Beginn an mit einer Beschränkung versehen waren, welche die Erfüllung der Verpflichtungen, insbesondere auch gegenüber der Sozialversicherung, unmöglich gemacht hätten und sich der Beschwerdeführer damit einverstanden erklärt oder diese zumindest in Kauf genommen hat. Dies deckt sich auch mit dem belegten Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er kaum Kompetenzen und Zugriffsrechte hatte und ihm ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsführung der LTD nicht eingeräumt worden war. Dies schließt eine faktische Geschäftsführung durch den Beschwerdeführer aus.

4.2.6. Da der Beschwerdeführer somit im verfahrensgegenständlichen Zeitraum weder ein organschaftlicher Vertreter der LTD, noch deren faktischer Geschäftsführer war, ist die Vertreterhaftung gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 58 Abs. 5 ASVG auszuschließen und der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben.

III. ad B) Unzulässigkeit der Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Wie sich aus der oben unter A) Punkt II.4.2. wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, besteht zu § 67 Abs. 10 eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die vorliegende Entscheidung weicht von dieser Rechtsprechung auch nicht ab, sondern stützt sich maßgeblich auf diese Judikatur. Zur Stellung des ständigen Vertreters insbesondere VwGH 16.03.2016, Ra2014/05/0002, 26.04.2017, Ra2017/17/0201.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Beitragsrückstand, Geschäftsführer, Haftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L511.2106653.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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