Entscheidungsdatum
16.12.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W152 1232300-2/5E
W152 1230032-2/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX ,
geb. XXXX , beide StA. Volksrepublik China, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom jeweils 28.02.2018, Zlen. 722187810-180057244 (ad. 1) und 721033210-180057104 (ad. 2), beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide
behoben und die jeweilige Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Text
Begründung:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden BF1) stellte am 09.08.2002 einen Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.10.2002, FZ. 02 21.878-BAS, abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.08.2009, GZ. C2 232300-0/2008/6E, rechtskräftig abgewiesen. Begründend hielt der Asylgerichtshof fest, der BF1 sei chinesischer Staatsangehöriger. Dies ergebe sich aus dem stringenten Vorbringen, Sprachkenntnissen und Wissen über den behaupteten Herkunftsstaat (vgl. Seite 6 des Erkenntnisses).
1.2. Die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden BF2) stellte am 18.04.2002 einen Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2002, FZ. 02 10.332-BAS, abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.08.2009, GZ. C2 230032-0/2008/8E, rechtskräftig abgewiesen. Begründend hielt der Asylgerichtshof fest, die BF2 sei chinesische Staatsangehörige. Dies ergebe sich aus dem stringenten Vorbringen, Sprachkenntnissen und Wissen über den behaupteten Herkunftsstaat (vgl. Seite 6 des Erkenntnisses).
1.3. Den Beschwerdeführern (im Folgenden BF) wurde mit 01.08.2014 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 erteilt.
1.4. Am 10.06.2015 stellten die BF einen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus". Diesem Antrag wurde gemäß § 41a Abs. 9 NAG stattgegeben und den BF der Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" erteilt (gültig vom 11.07.2015 bis 10.07.2016).
1.5. Am 29.06.2016 stellten die BF einen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus". Diesem Antrag wurde stattgeben und der Aufenthaltstitel bis 10.07.2017 verlängert.
1.6. Am 26.06.2017 stellten die BF einen weiteren Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus". Diesem Antrag wurde stattgeben und der besagte Aufenthaltstitel bis 10.07.2018 verlängert.
1.7. Am 16.01.2018 stellten die BF einen mit 20.12.2017 datierten Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Z 5 FPG. Dabei brachten die BF vor, in XXXX geboren und chinesische Staatsangehörige zu sein. Die BF hätten seit 4 Jahren ihren Hauptwohnsitz im Inland, bei Bestätigung eines Bundesministers oder einer Landesregierung, dass die Ausstellung im Interesse der Republik Österreich liege. Diese chinesische Botschaft habe jedoch die Ausstellung eines Reisepasses verweigert. Ohne Reisepass würde der Magistrat jedoch den Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nicht mehr verlängern.
1.8. Mit behördlichem Verbesserungsauftrag vom jeweils 17.01.2018 wurden die BF aufgefordert, die Bestätigung über das Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses nachzureichen. Diesem Verbesserungsauftrag wurde jeweils nicht entsprochen. Stattdessen stellten die BF am 13.02.2018 jeweils einen neuerlichen Antrag - offensichtlich in Abänderung des ursprünglichen Antrages - auf Ausstellung eines Fremdenpasses. Beide Beschwerdeführer seien zwar in XXXX geboren, jedoch nunmehr staatenlos. Somit sei der Tatbestand des § 88 Abs. 1 Z 1 FPG erfüllt.
1.9. Mit den im Spruch genannten Bescheiden vom jeweils 28.02.2018 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 FPG abgewiesen. Begründend hielt die belangte Behörde fest, dass die BF Staatsangehörige der Volksrepublik China seien. Der Tatbestand wegen Staatenlosigkeit gemäß § 88 Abs. 1 Z 1 FPG komme deshalb nicht zur Anwendung.
1.10. Mit Schriftsatz vom 29.03.2018 wurde jeweils fristgerecht Beschwerde gegen die Bescheide erhoben und Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Dabei wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Aufenthalt der BF wäre ua. aufgrund des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" rechtmäßig.
1.11. Trotz dreimaligen Aufsuchens der Botschaft der Volksrepublik China sei den BF ein Reisepass nicht ausgestellt worden. Eine Bestätigung über die Nichtausstellung des Reisepasses sei von der chinesischen Botschaft verweigert worden. Daraus leite sich ab, dass die BF keine chinesischen Staatsangehörige mehr seien. Die BF seien somit staatenlos. Im Ergebnis sei daher ein Fremdenpass auszustellen gewesen.
1.12. Die Beschwerdevorlagen langten am 10.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurden in Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.
1.13. Am 09.05.2018 stellten die BF einen weiteren Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus". Diesem Antrag wurde stattgeben und der besagte Aufenthaltstitel bis 10.07.2019 verlängert.
1.14. Am 13.06.2019 stellten die BF einen weiteren Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus". Diesem Antrag wurde stattgeben und der besagte Aufenthaltstitel bis 10.07.2020 verlängert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2. Feststellungen:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beschwerdeführer und schließlich durch Einholung von Auszügen aus ZMR, GVS, Fremdenregister und Strafregister.
2.1. Zum Vorverfahren auf internationalen Schutz
Die BF stellten im Jahr 2002 Asylanträge, die schließlich mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes jeweils vom 01.08.2009 rechtskräftig abgewiesen wurden. In diesen Verfahren gaben die BF kohärent an, chinesische Staatsangehörige zu sein. Außerdem seien sie sprach- und landeskundig.
2.2. Zum inländischen Aufenthalt und Aufenthaltstitel
Den BF wurde mit 01.08.2014 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 erteilt. Am 10.06.2015 stellten die BF jeweils einen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus". Diesem Antrag wurde gemäß § 41a Abs. 9 NAG stattgegeben und den BF der Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" erteilt (gültig vom 11.07.2015 bis 10.07.2016). Dieser wurde durchgehend verlängert (derzeit gültig bis 10.07.2020). Die BF waren auch im österreichischen Bundesgebiet durchgehend gemeldet.
2.3. Zum gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses
2.3.1. Am 16.01.2018 stellten die BF einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Z 5 FPG. Dabei brachten die BF vor, in der Provinz XXXX geboren und chinesische Staatsangehörige zu sein. Die BF hätten seit 4 Jahren ihren Hauptwohnsitz im Inland, bei Bestätigung des zuständigen Bundesministers bzw. der Landesregierung, dass die Ausstellung im Interesse der Republik Österreich liege. Die chinesische Botschaft habe jedoch die Ausstellung eines Reisepasses verweigert. Ohne Reisepass würde der Magistrat jedoch den Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nicht mehr verlängern.
2.3.2. Mit behördlichem Verbesserungsauftrag wurden die BF aufgefordert, die Bestätigung des Bundesministers bzw. der Landesregierung über das Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses nachzureichen. Diesem Verbesserungsauftrag wurde nicht entsprochen. Stattdessen stellten die BF jeweils am 13.02.2018 einen neuerlichen Antrag - offensichtlich in Abänderung des ursprünglichen Antrages - auf Ausstellung eines Fremdenpasses. Beide Beschwerdeführer seien zwar wieder in der Provinz XXXX geboren, jedoch nun mehr staatenlos. Somit sei der Tatbestand des § 88 Abs. 1 Z 1 FPG erfüllt.
2.3.3. Im Übrigen wird der Punkt 1. dargestellte Verfahrensgang als Sachverhalt festgestellt.
3. Beweiswürdigung:
3. Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen zum Vorverfahren auf internationalen Schutz, zum inländischen Aufenthalt und Aufenthaltstitel sowie zum gegenständlichen Antrag der Beschwerdeführer ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts.
4. Rechtliche Beurteilung:
4.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch Einzelrichter:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz; BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz; BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
4.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz; VwGVG) BGBl I Nr. 22/2013 idgF geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß Abs. 5 leg.cit. sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.
Zu A)
4.3. Zur Zurückverweisung der Angelegenheiten an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl:
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenen des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung der mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG ([vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: Tatsachenbereich], Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsverfahren, Manz, Anmerkung 2 und 11, Seiten 150 und 153f).
Gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet, welche er seitdem in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0019; VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststehe. Dies werde jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergebe.
Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen sei.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen komme daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen würden, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen habe, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Die verwaltungsgerichtliche meritorische Entscheidungszuständigkeit hält grundsätzlich hintan, dass die Erledigung eines von einer Verwaltungsbehörde eingeleiteten Verfahrens erst nach einem längeren Zeitraum hinweg in einer Art eines "Pingpongspiels" erfolgenden Wechsels zwischen verwaltungsgerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entscheidungen erfolgen kann. Zudem wird nur ein solches Verständnis der mit der Etablierung der Verwaltungsgerichte erfolgenden Zielsetzung gerecht, den Anforderungen der EMRK sowie denen des Rechts der Europäischen Union im Bereich des Verwaltungsrechtsschutzes zu entsprechen. Zum einen ist aufgrund dieser Anforderungen bei der Interpretation der sich aus § 28 Abs 3 VwGVG für die meritorische Entscheidungskompetenz ergebenden Ausnahmen ohnehin auch das grundsätzlich zu einer restriktiven Sicht dieser Ausnahmen führende Gebot einer angemessenen Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Zum anderen ist nicht zu übersehen, dass auf dem Boden der meritorischen Entscheidungskompetenz getroffene Entscheidungen der Verwaltungsgerichte grundsätzlich eine verlässliche Gewähr dafür bieten, dass den von diesen Vorgaben an die behördliche Entscheidungskompetenz gerichteten Anforderungen entsprochen wird (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründungen hinwegsetzen (vgl. VwGH 10.04.2013, 2011/08/0169).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, etwa in seinem Erkenntnis vom 07.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).
Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Pflicht zur Durchführung notwendiger Ermittlungen des Sachverhalts nicht nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aufgrund folgender Erwägungen:
Die Behörde ist verpflichtet den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt festzustellen (vgl. VwGH vom 27.05.2019, Ra 2018/03/0021). Die Frage, ob die BF noch chinesische Staatsangehörige sind, ist ausschließlich nach chinesischem Recht zu beurteilen. Dieses ist in einem amtswegigen Ermittlungsverfahren festzustellen (vgl. VwGH vom 19.10.1999, 97/18/0074). Die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer sind nach VwGH-Rechtsprechung einer Beweiswürdigung zugänglich (vgl. VwGH 14.08.2019, Ra 2019/20/0103). Zulässige Hilfsmittel sind etwa die Inanspruchnahme der Staatendokumentation oder Rechtsgutachten (vgl. VwGH vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0094).
Die BF gaben im neuerlichen Antrag vom jeweils 13.01.2019 - offensichtlich in Abänderung des ursprünglichen Antrages - an, staatenlos zu sein. Eine Einvernahme durch die belangte Behörde erfolgte dennoch nicht, obwohl die BF gemeldet sind. Vielmehr erließ die belangte Behörde die gegenständlichen Bescheide ohne sich mit dem Vorbringen auseinanderzusetzen und stellte ohne nähere Begründung lapidar fest, die BF seien chinesische Staatsangehörige (vgl. Seite 3ff der angefochtenen Bescheide). Ermittlungen zum chinesischen Staatsbürgerschaftsrecht wurden nicht einmal ansatzweise durchgeführt.
Unabhängig davon hätte die Behörde von sich aus ermitteln müssen, ob eine Ausstellung eines Reisepasses bei der chinesischen Botschaft tatsächlich verweigert werde (keine diesbezügliche Mitwirkungspflicht der BF, vgl. VwGH vom 28.08.2012, 2011/21/0209 und Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, zu § 46a FPG K9). Anzeichen für Aussichtslosigkeit, wie schriftliche von der Botschaft abgelehnte Anträge, liegen nämlich nicht vor. Behördliche Nachweise, dass die Vertretungsbehörde nicht auf aktuelle Urgenzen reagiert habe, sind ebenfalls im Akt nicht ersichtlich (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ra 2016/21/0144). Im Sinne einer Gesamtbetrachtung drängt sich der Eindruck auf, dass die belangte Behörde Ermittlungen unterließ, damit diese dann vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommen werden müssten (vgl. VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Die Behörde hat somit im konkreten Fall gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Die Behörde hat daher im ersten Schritt die Unmöglichkeit der Ausstellung eines Reisepasses mit aktuellen Ermittlungsergebnissen zu verifizieren. Anschließend chinesisches Staatsbürgerschaftsrecht zu ermitteln und die Beweisergebnisse mit den BF zu erörtern insbesondere mit Blick auf das Vorbringen der BF, die Staatsbürgerschaft durch einen Asylantrag verloren zu haben und die Verweigerung der Ausstellung eines Reisepasses als rechtlichen Entzug der Staatsbürgerschaft aufzufassen. Sollte das Bundesamt zu dem Ergebnis kommen, ein derart gestalteter Verlust der chinesischen Staatsbürgerschaft sei rechtlich nicht vorgesehen, so erscheint eine chinesische Staatsbürgerschaft mit Blick auf das kohärente Vorbringen weiterhin schlüssig. Eine Auseinandersetzung mit dem rechtmäßigem Aufenthalt - vor dem Hintergrund des § 88 Abs. 2 FPG - könnte dann unterbleiben.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Unterlassung notwendiger Ermittlungen seitens der belangten Behörde im gegenständlichen Fall noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen im vorliegenden Fall das dem Bundesverwaltungsgericht im Sinne des § 28 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben, der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (§ 28 Abs. 3, 3. Satz VwGVG; vgl. auch z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG); durch eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc, s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass die belangte Behörde das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird (vgl. BVwG 28.01.2014, W108 1433990-1/4E).
Von der in § 28 VwGVG eingeräumten Möglichkeit, die unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, war im vorliegenden Fall schon deshalb nicht Gebrauch zu machen, weil sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als Mehrparteienverfahren darstellt, sodass schon aufgrund der dadurch bedingten Erhöhung des administrativ - manipulativen Aufwandes bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine Kostenersparnis zu erzielen wäre. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen hingewiesen.
Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Bundesverwaltungsgericht im Sinne des § 28 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben.
4.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben ist.
Zu B)
4.5. Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W152.1232300.2.00Zuletzt aktualisiert am
03.03.2020