Entscheidungsdatum
17.12.2019Norm
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1Spruch
W234 1310400-5/41E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 02.06.2017, Zl. XXXX zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird Folge gegeben und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig erklärt.
XXXX wird gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
II. Die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der hier alleine zu behandelnde Erstbeschwerdeführer ( XXXX ) ist der Ehemann von XXXX (geb. XXXX ). Sie sind die Eltern der minderjährigen Kinder XXXX (geb. XXXX ), XXXX (geb. XXXX ), XXXX (geb. XXXX ) und XXXX (geb. XXXX ) sowie ihres jüngsten minderjährigen Kindes XXXX (geb. XXXX ). Die Familienmitglieder sind russische Staatsangehörige und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe.
2. Sämtliche Familienmitglieder stellten am 17.02.2017 Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005. Konkret beantragten sie die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, weil sie Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllen würden.
Mit Ausnahme des zweitältesten Sohnes des Erstbeschwerdeführers, XXXX , sowie des jüngsten minderjährigen Kindes XXXX , hatten sämtliche Familienmitglieder schon damals zwei Asylverfahren durchlaufen, die für sie zweimal mit - mittlerweile rechtskräftigen - Verpflichtungen, die Republik Österreich zu verlassen, endeten (für Einzelheiten siehe sogleich die Feststellungen).
4. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) den Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 17.02.2017 gemäß § 55 AsylG 2005 ab. Unter einem wurde gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 gegen den Erstbeschwerdeführer erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise des Erstbeschwerdeführers betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Gegen die übrigen Familienmitglieder ergingen im Spruch gleichlautende Bescheide.
Diese Bescheide begründete das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass die Familienmitglieder ein Familienleben iSd Art. 8 EMRK im Bundesgebiet ausschließlich zueinander führen würden. Da sämtliche Familienmitglieder von Rückkehrentscheidungen betroffen seien, würden diese nicht in ihr Recht auf Achtung ihres Familienlebens eingreifen. Zwar würden die Rückkehrentscheidungen in das Recht auf Achtung des Privatlebens der Familienmitglieder eingreifen, doch würde dieses Recht dadurch nicht verletzt. Die beachtlichen Integrationsleistungen des Erstbeschwerdeführers und seiner Gattin in Form von Kenntnissen der deutschen Sprache und des Knüpfens freundschaftlicher Beziehungen würden dadurch relativiert, dass sie sich ihres unsicheren Aufenthaltes im Bundesgebiet hätten bewusst sein müssen, als sie diese setzten. Ferner seien der Erstbeschwerdeführer wie seine Gattin strafgerichtlich verurteilt worden. Zudem hätten sie den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht. Unter den Kindern würden vor allem die älteren infolge ihres Schul- bzw Kindergartenbesuches über ausgeprägte freundschaftliche Beziehungen verfügen. Diese könnten nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat brieflich, telefonisch, elektronisch und durch gegenseitige Besuche aufrechterhalten werden. Zudem würden die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern in den Herkunftsstaat zurückkehren und dort weitere Verwandte als soziale Anknüpfungspunkte vorfinden. Mit Blick auf diese Sachlage würde das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts der Familienmitglieder im Bundesgebiet deren Privatinteressen an einem Verbleib hier überwiegen. Daher gebiete es Art. 8 EMRK nicht, den Aufenthalt der Familienmitglieder im Bundesgebiet aufrechtzuerhalten und ihnen die begehrten Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen. Zudem seien keinerlei Gefährdungen der Familienmitglieder im Herkunftsstaat zu erwarten, welche mit Blick auf Art. 2 und 3 EMRK sowie ihrer Zusatzprotokolle Nr. 6 und 13 der Feststellung der Zulässigkeit ihre Abschiebung entgegenstehen würden. Schließlich sei eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Bescheide für die freiwillige Ausreise der Familienmitglieder festzulegen.
Die Bescheide wurden den Familienmitgliedern am 24.06.2017 zugestellt.
5. Gegen diese Bescheide richteten der Erstbeschwerdeführer (und die hier nicht zu behandelnden übrigen Familienmitglieder) gleichlautende Beschwerden, die beim Bundesamt am 10.07.2017 per Email einlangten
Darin rügt der Erstbeschwerdeführer, dass das Ermittlungsverfahren des Bundesamts mangelhaft geblieben sei, was zu unrichtigen Feststellungen geführt habe. Insbesondere habe das Bundesamt seine Integrationsleistungen nur unzureichend erhoben. Ferner würden die angefochtenen Bescheide auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhen. Insbesondere seien die Integrationsleistungen des Erstbeschwerdeführers in Österreich derart intensiv und seine Bindungen zum Herkunftsstaat so reduziert, dass ihm das Bundesamt mit Blick auf Art. 8 EMRK einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen gehabt hätte.
6. Im Beschwerdeverfahren hielt das Bundesveraltungsgericht am 09.05.2018 eine mündliche Verhandlung im Beisein des Erstbeschwerdeführers, dessen Gattin, ihrer beiden älteren Kinder und einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch und einer Zeugin ab.
7. Mit Erkenntnis vom 10.09.2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden als unbegründet ab. Die Revision wurde nicht zugelassen. Dies begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass die Beziehung der Familienmitglieder zueinander zwar als schützenswertes Familienleben in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK falle, jedoch die gesamte Familie im selben Umfang von Rückkehrentscheidungen betroffen sei. Gemeinsame Rückkehrentscheidungen einer gesamten Familie würden nicht in das Recht auf Achtung des Familienlebens eingreifen. Zur Integration der Kinder hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Aufenthaltsdauer bei der ältesten Tochter über zehn Jahre, beim ältesten Sohne etwa neun Jahre, bei der bei der zweitältesten Tochter knapp sechs Jahre und beim zweitältesten Sohn vier Jahre und sechs Monate betrage. Sämtliche Kinder würden die deutsche Sprache auf muttersprachlichem Niveau beherrschen bzw. als Muttersprache erlernen. Der älteste Sohn besuche in Österreich die Volkschule. Die älteste Tochter habe die Volksschule in Österreich gerade abgeschlossen. Die zweitälteste Tochter und der zweitälteste Sohn würden hier den Kindergarten besuchen. Die älteste Tochter und der älteste Sohn würden in der Volksschule bislang sehr gute Benotungen erzielen. Die älteste Tochter sei im Begriff, die erste Klasse einer Allgemeinbildenden Höheren Schule zu besuchen. Zudem hätten sämtliche Kinder ihre gesamte Lebenszeit in Österreich zugebracht. Dennoch sei festzuhalten, dass sich sämtliche Kinder in einem anpassungsfähigen Alter befinden würden, das in der Rechtsprechung der Höchstgerichte jedenfalls zwischen sieben und elf Jahren angenommen werde, sodass ihnen die Anpassung an die Lebensverhältnisse in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat - gemeinsam mit ihrer gesamten Kernfamilie - leichter gelingen würde. Da sie mit ihren tschetschenischen Eltern in einem Haushalt aufgewachsen seien, sei auch davon auszugehen, dass sie mit den kulturellen Gegebenheiten ihres Heimatlandes vertraut gemacht worden seien und ihnen eine Eingliederung in die tschetschenische Gesellschaft mit Hilfe ihrer Familie leichter möglich sein werde. Zudem würden die Kinder die tschetschenische Sprache auf muttersprachlichem Niveau beherrschen bzw. diese Sprache derzeit als Muttersprache erlernen. Die älteste Tochter könne zudem auf schlechtem Niveau Russisch sprechen, jedoch nicht auf Russisch schreiben.
8. In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision vom 13.12.2018 rügten die Familienmitglieder insbesondere, dass das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die Kinder zwar einen außerordentlich hohen Grad an erreichter Integration konstatiert habe, dem aber allein unter Hinweis auf das anpassungsfähige Alter, insbesondere der ältesten Tochter und des ältesten Sohnes, keine für den Verbleib der Revisionswerber in Österreich ausschlaggebende Bedeutung beigemessen habe. Darin liege eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der zufolge das anpassungsfähige Alter von Kindern nur als ein Kriterium für die nach Art. 8 EMRK erforderliche Interessenabwägung zu berücksichtigen und auch bei dessen Annahme die sonstigen Umstände des Einzelfalls einzubeziehen seien. Diesem Begründungsmangel komme Relevanz für den Verfahrensausgang zu, weil eine nähere Würdigung der Integrationsschritte der Kinder ergeben hätte, dass von einem Überwiegen der privaten Interessen am Verbleib der Revisionswerber in Österreich im Verhältnis zu einem allfälligen öffentlichen Interesse an der Beendigung ihres Aufenthalts auszugehen wäre, was für die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 gesprochen hätte.
9. Der Verwaltungsgerichtshof hob das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit Erkenntnis vom 25.04.2019 auf. Zwar spiele der Umstand der Anpassungsfähigkeit bei der Beurteilung eine Rolle, ob Minderjährige einen Eingriff in ihr Privatleben durch eine gemeinsame Ausreise mit dem Obsorgeberechtigten hinzunehmen haben, weil dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung des Obsorgeberechtigten eine überragende Bedeutung zukomme. Fallbezogen sei jedenfalls hinsichtlich der zweitrevisionswerbenden Mutter, der Drittrevisionswerberin (der ältesten Tochter) eine derartige überragende Bedeutung nicht zu ersehen. Angesichts des elfeinhalbjährigen Aufenthaltes der Mutter in Österreich sowie der zahlreichen auch vom Verwaltungsgericht anerkannten integrationsbegründenden Umstände führe ihre strafgerichtliche Verurteilung - auch unter Berücksichtigung der zweimaligen Asylantragstellung sowie des unsicheren Aufenthaltes - nicht dazu, dass dem öffentlichen Interesse an ihrer Aufenthaltsbeendigung ein derart großes Gewicht beizumessen wäre, dass die zehneinhalbjährige, seit ihrer Geburt durchgehend in Österreich aufhältige und gut integrierte älteste Tochter den durch eine gemeinsame Ausreise mit ihrer Mutter bewirkten erheblichen Eingriff in ihr Privatleben in Kauf nehmen müsste. Ausgehend davon vermochte der Verwaltungsgerichtshof das Ergebnis der Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls hinsichtlich der ältesten Tochter nicht zu teilen. Die dargestellten Erwägungen würden sich auf die im Wesentlichen vergleichbare Situation des ältesten Sohnes übertragen lassen. Die Rechtswidrigkeit der Entscheidung hinsichtlich der ältesten Tochter und des ältesten Sohnes schlage auf alle anderen Parteien durch, weil die zugrunde gelegte Prämisse, gegenüber allen Familienmitgliedern sei eine Rückkehrentscheidung erlassen worden, nicht mehr zutreffe und hinsichtlich der weiteren revisionswerbenden Parteien (den übrigen Familienmitgliedern einschließlich des Erstbeschwerdeführers) die Zulässigkeit eines Eingriffs in das Familienleben geprüft werden müsste.
10. Mit schriftlicher Stellungnahme vom 06.09.2019 aktualisierten die Familienmitglieder auf Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes die Angaben zu ihren allgemeinen Lebensumständen.
11. Mit Stellungnahme vom 20.09.2019 legten die Familienmitglieder weitere aktuelle Integrationsunterlagen vor.
12. In ihrer Stellungnahme vom 16.10.2019 brachten die Familienmitglieder vor, dass es für von Kadyrow verfolgte Personen keine innerstaatliche Fluchtalternative in der Russischen Föderation geben würde. Weiters nahmen sie Stellung zur Einschüchterung tschetschenischer Flüchtlinge durch Anhänger Kadyrows im Ausland.
13. Mit Schriftsatz vom 21.03.2019 teilte die Staatsanwaltschaft
XXXX mit, dass gegen den Erstbeschwerdeführer Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen gemäß § 83 Abs. 1 StGB erhoben worden sei.
14.1. Am 07.11.2018 stellten sämtliche Familienmitglieder einschließlich des jüngsten Kindes ( XXXX ) erneut Anträge auf internationalen Schutz.
Der Erstbeschwerdeführer begründete seinen Folgeantrag im Wesentlichen damit, dass seine Eltern und die Eltern seiner Gattin sie nicht in Ruhe gelassen hätten. Um in Ruhe leben zu können, seien sie geflohen. Er könne keine Beweise für seine Verfolgung in seinem Heimatland erbringen könne. Er sehe keinen Grund, dorthin zurückzukehren. Österreich sei seine Heimat geworden. Seine Kinder seien hier geboren und aufgewachsen.
Die Gattin des Erstbeschwerdeführers begründete ihren Folgeantrag damit, dass sie familiäre Probleme gehabt hätten. Zwischen ihrer Familie und der ihres Mannes herrsche Krieg, weil sie geheiratet hätten. Da die Familien gegen die Heirat gewesen seien, seien sie vor zwölf Jahren geflohen. Sie habe den Folgeantrag aus Angst um das Leben ihrer Kinder sowie um ihr eigenes gestellt. Sie fürchte sich vor den tschetschenischen Behörden. Sie würde vermutlich von ihren Kindern getrennt werden. Die tschetschenischen Behörden würden sie vernichten, obwohl sie nichts Gesetzwidriges getan hätte. Der zweite Grund sei, dass ihre Kinder in Österreich geboren worden seien. Für die Kinder wurden ausschließlich die Fluchtvorbringen ihrer Eltern ins Treffen geführt.
14.2. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der Familienmitglieder vom 07.11.2018 für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten (jeweils Spruchpunkt I) und subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (jeweils Spruchpunkt II) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (jeweils Spruchpunkt III) und gegen die Familienmitglieder Rückkehrentscheidungen erlassen (jeweils Spruchpunkt IV). Unter einem wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V). Gegen den Erstbeschwerdeführer wurde zudem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 9 FPG 2005 ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI). Gegen seine Gattin wurde zudem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 2 FPG 2005 ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI).
Den Beschwerden gegen die Bescheide wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VII der Bescheide von Erstbeschwerdeführer und dessen Gattin sowie Spruchpunkt VI der Bescheide der übrigen Familienmitglieder) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht bestehe (Spruchpunkt VIII der Bescheide von Erstbeschwerdeführer und dessen Gattin sowie Spruchpunkt VII der Bescheide der übrigen Familienmitglieder). Dies begründete das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass die vorgebrachten Ausführungen zu den Fluchtgründen bereits in zwei vorangegangen Asylverfahren abgehandelt worden seien. Die neuerlich vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen würden nunmehr auf die allgemeine Lage in der Teilrepublik Tschetschenien bzw. die gesamte Russische Föderation gründen. Eine Verfolgung im Falle der Rückkehr habe nicht festgestellt werden können. Zudem stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative offen.
14.3. Gegen diese Bescheide richteten die Familienmitglieder gleichlautende Beschwerden, welche beim Bundesamt am 28.12.2018 per Email einlangten und dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurden.
14.4. Mit Teilerkenntnissen vom 12.08.2019 gab das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerden teilweise Folge und hob die jeweiligen Spruchpunkte VII der an den Erstbeschwerdeführer und seine Gattin sowie den jeweiligen Spruchpunkt VI der an die Kinder adressierten Bescheide ersatzlos auf, um den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (Spruchpunkte I und II). Die Anträge der Familienmitglieder auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurden als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt III).
In der Hauptsache sind diese Beschwerden nach wie vor beim Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung anhängig.
15. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.10.2019 wurde den Beschwerden der Gattin und der vier älteren Kinder gegen Spruchpunkt I der jeweils angefochtenen Bescheide des Bundesamts zur Erledigung ihrer Anträge auf Zuerkennung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG 2005 Folge gegeben und Rückkehrentscheidungen gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig erklärt. XXXX wurde gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt. XXXX wurde gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 2, 55 Abs. 2 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
Dies begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass - wie vom Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 25.04.2019, Ra 2018/22/0251, entschieden worden war - eine Rückkehrentscheidung gegen die älteste Tochter und den ältesten Sohn wegen ihres langen Aufenthalts in Österreich von mehr als zehn Jahren und ihrer während dieser Zeit erbrachten Integrationsleistungen wegen des Schutzes ihres Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK unzulässig sei. Dass sich diese Kinder in einem anpassungsfähigen Alter befinden würden und ihr Aufenthalt auf wiederholten Asylanträgen beruhe, ändere daran nichts.
Das Aufenthaltsrecht von ältester Tochter und ältestem Sohn führe laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.04.2019, Ra 2018/22/0251, letztlich dazu, dass auch ihrer Mutter gemäß Art. 8 EMRK das Recht zukomme, in Österreich zu verbleiben. Denn angesichts ihres elfeinhalbjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sowie der zahlreichen auch für sie anerkannten integrationsbegründenden Umstände sei - trotz ihrer strafgerichtlichen Verurteilung und der wiederholten Asylantragstellung - dem öffentlichen Interesse an ihrer Aufenthaltsbeendigung kein derart großes Gewicht beizumessen, dass die älteste Tochter und der älteste Sohn den durch eine gemeinsame Ausreise mit ihrer Mutter bewirkten erheblichen Eingriff in ihr Privatleben in Kauf nehmen müssten.
Im Ergebnis gehe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis 25.04.2019, Ra 2018/22/0251, also davon aus, dass Art. 8 EMRK der Aufenthaltsbeendigung von Gattin, ältester Tochter und ältestem Sohn des Erstbeschwerdeführers auf Dauer entgegenstehe. Daher habe das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 63 Abs. 1 VwGG schon wegen der Bindungswirkung des genannten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, dass Art. 8 EMRK der Beendigung von deren Aufenthalt entgegensteht.
Ferner führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass auch die Erlassung von Rückkehrentscheidungen gegen die zweitälteste Tochter und den zweitältesten Sohn in deren Familienleben zu ihrer Mutter und ihren älteren Geschwistern massiv eingreifen würde. Art. 8 EMRK verbiete daher auch, den Aufenthalt im Bundesgebiet von zweitältester Tochter und zweitältestem Sohn des Erstbeschwerdeführers zu beenden. Folglich seien Rückkehrentscheidungen für als auf Dauer unzulässig zu erklären, weil die maßgeblichen Umstände dauerhaft vorliegen würden.
Daran anknüpfend seien auf Grund der Sprachzertifikate und des Schulbesuches XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" und XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
16. Am 05.11.2019 langte das Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 18.07.2019 zur gegen den Erstbeschwerdeführer erhobene Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen gemäß § 83 Abs. 1 StGB beim Bundesverwaltungsgericht ein. Dieses besagt, dass der Erstbeschwerdeführer gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grund der Anträge der auf internationalen Schutz, der dazu ergangenen Bescheide des Bundesasylamtes und des Bundesamtes sowie der Erkenntnisse des Asylgerichtshofes, der in diesen Verfahren vorgelegten Schriftsätze samt vorgelegter Unterlagen, der Einvernahmen der Familienmitglieder sowie auf Grund der Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 17.02.2017, der Stellungnahme der Familienmitglieder im Verfahren vor dem Bundesamt, der durch diese vorgelegten Urkunden, der angefochtenen Bescheide, der gegen diese erhobenen Beschwerden, der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.04.2019, der Stellungnahmen der Familienmitglieder im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in die Verwaltungsakte, das Zentrale Melderegister, das Fremden- und Grundversorgungs-Informationssystem und das Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zum Verfahrensgang:
1.1.1. Der Erstbeschwerdeführer und seine Gattin reisten am 20.01.2007 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag ihren jeweils ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Diesen Antrag begründete der Erstbeschwerdeführer - nach zum Teil wesentlichen Änderungen seines Vorbringens - letztlich unter anderem damit, dass für ihn im Herkunftsstaat aus religiösen Gründen Lebensgefahr bestehe, weil er seine Religion nicht so ausüben könne, wie er wolle. Denn man werde gezwungen, den Sufisten zu folgen. Der Erstbeschwerdeführer wolle aber dem "richtigen" Islam folgen, den Sunniten, den Vorschriften des Korans und des Propheten Mohammed. Deswegen würde er von der tschetschenischen Regierung verfolgt werden. Es herrsche Religionszwang; bei seiner Rückkehr müsse er sich entweder dem tschetschenischen Widerstand anschließen oder der tschetschenischen Regierung. Auch die Gattin des Erstbeschwerdeführers begründete diesen Asylantrag - ebenso nach umfangreichen Modifikationen ihres ursprünglichen Vorbringens - letztlich unter anderem damit, dass sie dem "richtigen" Islam folgen wolle, was in Tschetschenien verboten sei, weswegen sie dort Repressionen erwarte.
Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 20.02.2007 wurden die Anträge des Erstbeschwerdeführers und seiner Gattin gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung der Anträge Polen zuständig sei; unter einem wurden sie nach Polen ausgewiesen.
Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats (im Folgenden UBAS) vom 16.03.2007 wurde den Berufungen des Erstbeschwerdeführers wie der seiner Gattin Folge gegeben und die Angelegenheiten zur Durchführung des materiellen Verfahrens zurückverwiesen.
Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 12.11.2007 wurden die Anträge auf internationalen Schutz des Erstbeschwerdeführers und seiner Gattin für den Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und sie aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.
Mit Bescheiden des UBAS vom 18.02.2008 wurde den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen des Erstbeschwerdeführers wie seiner Gattin Folge gegeben, die bekämpften Bescheide aufgehoben und die Angelegenheit an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Am XXXX wurde die älteste Tochter des Erstbeschwerdeführers und seiner Gattin, XXXX im Bundesgebiet geboren. Am 12.03.2008 wurde für sie ein erster Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Für sie wurden ausschließlich die Fluchtvorbringen ihrer Eltern geltend gemacht.
Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 04.07.2008 wurden die Anträge auf internationalen Schutz des Erstbeschwerdeführers, seiner Gattin und seiner ältesten Tochter für den Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation abgewiesen und sie aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.
Am XXXX wurde der älteste Sohn des Erstbeschwerdeführers und seiner Gattin, XXXX im Bundesgebiet geboren. Am 05.10.2009 wurde für ihn ein erster Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Zur Begründung wurde auf das Fluchtvorbringen seiner Mutter sowie darauf verwiesen, dass die Säuglingssterblichkeit im Herkunftsstaat hoch sei. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamts vom 30.03.2010 für den Status des Asyl- wie des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen; unter einem wurde der älteste Sohn in die Russische Föderation ausgewiesen.
Am XXXX wurde die zweitälteste Tochter, XXXX , im Bundesgebiet geboren. Am 27.11.2012 wurde für sie ein erster Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamts vom 19.03.2010 für den Status der Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen; unter einem wurde die zweitälteste Tochter in die Russische Föderation ausgewiesen.
Sämtliche Familienmitglieder (mit Ausnahme der damals noch nicht geborenen beiden jüngeren Söhne) erhoben gegen die jeweils an sie adressierten Bescheide des Bundesasylamts, mit welchen ihnen weder der Status von Asyl- noch von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und sie in die Russische Föderation ausgewiesen worden waren, Beschwerden. Die Beschwerden des Erstbeschwerdeführers, seiner Gattin, seiner ältesten Tochter, seines ältesten Sohnes und seiner zweitältesten Tochter wurden durch den Asylgerichtshof mit Erkenntnissen vom 14.05.2013 gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 aF als unbegründet abgewiesen. Diese Erkenntnisse erwuchsen am 19.06.2013 in Rechtskraft.
1.1.2. Am 14.10.2013 stellten sämtliche Familienmitglieder ( mit Ausnahme der damals noch nicht geborenen beiden jüngeren Söhne) neuerliche Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.
Der Erstbeschwerdeführer begründete seinen Folgeantrag im Wesentlichen damit, dass er und die übrigen Familienmitglieder im Herkunftsstaat Repressionen ausgesetzt wären, weil er kein Sufist sei und deswegen nicht über einen Vermittler, sondern direkt zu Gott beten wolle. Wegen seiner religiösen Überzeugung habe er im Herkunftsstaat staatliche Repressionen, insbesondere auch seitens des Bruders seines Schwiegervaters, welcher der tschetschenischen Regierung angehöre, zu erwarten. Auch wegen der Politik und da der Erstbeschwerdeführer dort kein Recht auf eine eigene Meinung hätte, könne er nicht in die Russische Föderation zurückkehren. Auch seine Gattin behauptete im Wesentlichen, sie und ihre Familie habe Repressionen der tschetschenischen Regierung - motiviert vor allem durch ihren Onkel, der für diese tätig sei und über das Asylverfahren in Österreich und dessen Ausgang bescheid wisse - zu erwarten. Denn sie würde sich nicht zu der in Tschetschenien vorherrschenden Richtung des Islam bekennen, weil diese Heiligenverehrung einschließe; sie bekenne sich zu einer anderen Richtung des Islam. Auch dürfte sich die Gattin des Erstbeschwerdeführers im Herkunftsstaat nicht wie in Österreich verschleiern.
Für die Kinder wurden ausschließlich die Fluchtvorbringen ihrer Eltern ins Treffen geführt.
Diese Folgeanträge vom 14.10.2013 wurden mit Bescheiden des Bundesasylamts vom 09.11.2013 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Erstbeschwerdeführer, seine Gattin, die älteste Tochter, der älteste Sohn und die zweitälteste Tochter aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.
Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden des Erstbeschwerdeführers, seiner Gattin, der ältesten Tochter, des ältesten Sohnes und der zweitältesten Tochter wurden durch den Asylgerichtshof mit Erkenntnissen vom 06.12.2013 als unbegründet abgewiesen. Denn es seien keine Vorbringen erstattet worden, die neue Rechtssachen hätten entstehen lassen; über die gesamten Vorbringen zu den Anträgen auf internationalen Schutz vom 14.10.2013 sei schon zuvor mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 14.05.2013 abgesprochen worden. Ferner würden weder die Integration der Familienmitglieder in Österreich noch Rückkehrhindernisse im Herkunftsstaat ihrer Ausweisung entgegenstehen. Unter einem wurde die Durchführung der Ausweisungen der Familienmitglieder bis 07.05.2014 aufgeschoben, weil die Gattin des Erstbeschwerdeführers schwanger war und sich nach ihrer Niederkunft bis zum 07.05.2014 erholen würde müssen, um Schäden an ihrer Gesundheit durch die Abschiebung zu vermeiden. Diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.
Am XXXX wurde der zweitälteste Sohn des Erstbeschwerdeführers und dessen Gattin, XXXX , im Bundesgebiet geboren. Für ihn wurde zunächst kein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
1.1.3. Am 17.02.2017 stellten sämtliche Familienmitglieder mit Ausnahme des damals noch nicht geborenen jüngsten Kindes, XXXX , Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005. Konkret beantragten sie die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, weil sie Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllen würden.
Mit Bescheiden des Bundesamts - darunter der an den Erstbeschwerdeführer adressierte Bescheid vom 02.06.2017 - wurden diese Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen. Unter einem wurden gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 gegen die betreffenden Familienmitglieder erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
Am XXXX wurde das jüngste Kind von Erstbeschwerdeführer und dessen Gattin, XXXX , im Bundesgebiet geboren. Für dieses wurde zunächst weder ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt noch ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 beantragt. Mit von Amts wegen erlassenem Bescheid des Bundesamtes vom 26.06.2018 wurden XXXX Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt; unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Eine Frist für seine freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt; einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Erkenntnis vom 10.09.2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden gegen die Bescheide das Bundesamts zur Abweisung der Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 und Verhängung von Rückkehrentscheidungen zur Gänze als unbegründet ab. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer außerordentliche Revisionen vom 13.12.2018 und rügten insbesondere, dass das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die Kinder zwar einen außerordentlich hohen Grad an erreichter Integration konstatiert habe, dem aber allein unter Hinweis auf das anpassungsfähige Alter insbesondere der ältesten Tochter und des ältesten Sohnes keine für den Verbleib der Revisionswerber in Österreich ausschlaggebende Bedeutung beigemessen habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hob das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.09.2018 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit Erkenntnis vom 25.04.2019 auf. Denn Art. 8 EMRK gebiete es jedenfalls, den Aufenthalt der Gattin und ältesten Tochter sowie des ältesten Sohnes im Bundesgebiet aufrechtzuerhalten. Da das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung jedoch zugrunde gelegt habe, dass sämtliche Mitglieder der Familie von Rückkehrentscheidungen betroffen sein würden, habe es die Zulässigkeit eines Eingriffes in deren Familienleben Durchtrennung der Familienmitglieder nicht geprüft. Deswegen sei das Erkenntnis hinsichtlich sämtlicher Familienmitglieder aufzuheben und im fortgesetzten Verfahren zu prüfen, ob eine Trennung der Familienmitglieder einschließlich des Erstbeschwerdeführers mit Blick auf Art. 8 EMRK zulässig wäre.
1.1.4. Am 07.11.2018 stellten sämtliche Familienmitglieder einschließlich des jüngsten Kindes ( XXXX ) erneut Anträge auf internationalen Schutz.
Der Erstbeschwerdeführer begründete seinen Folgeantrag im Wesentlichen damit, dass seine Eltern und die Eltern seiner Gattin die Familie nicht in Ruhe gelassen hätten. Um in Ruhe leben zu können, seien sie geflohen. Er könne keine Beweise für seine Verfolgung in seinem Heimatland erbringen. Er sehe keinen Grund, dorthin zurückzukehren. Österreich sei seine Heimat geworden. Seine Kinder seien hier geboren und aufgewachsen.
Seine Gattin begründete ihren Folgeantrag damit, dass sie familiäre Probleme gehabt hätten. Zwischen ihrer Familie und der ihres Gatten herrsche Krieg, weil die sie geheiratet hätten. Da die Familien gegen die Heirat gewesen seien, seien sie vor zwölf Jahren geflohen. Sie habe den Folgeantrag aus Angst um das Leben ihrer Kinder sowie um ihr eigenes gestellt. Sie fürchte sich vor den tschetschenischen Behörden. Sie würde vermutlich von ihren Kindern getrennt werden. Die tschetschenischen Behörden würden sie vernichten, obwohl sie nichts Gesetzwidriges getan hätte. Der zweite Grund sei, dass ihre Kinder in Österreich geboren worden seien. Für die Kinder wurden ausschließlich die Fluchtvorbringen ihrer Eltern ins Treffen geführt.
Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der Familienmitglieder vom 07.11.2018 für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten (jeweils Spruchpunkt I) und subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (jeweils Spruchpunkt II) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (jeweils Spruchpunkt III) und gegen die Familienmitglieder Rückkehrentscheidungen erlassen (jeweils Spruchpunkt IV). Unter einem wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V). Gegen den Erstbeschwerdeführer wurde zudem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 9 FPG 2005 ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI). Gegen seine Gattin wurde zudem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 2 FPG 2005 ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI). Den Beschwerden gegen diese Bescheide wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VII der Bescheide von Erstbeschwerdeführer und Gattin sowie Spruchpunkt VI der Bescheide der Kinder) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht bestehe (Spruchpunkt VIII der Bescheide von Erstbeschwerdeführer und Gattin sowie Spruchpunkt VII der Bescheide der Kinder). Dies begründete das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass die vorgebrachten Ausführungen zu den Fluchtgründen bereits in zwei vorangegangen Asylverfahren abgehandelt worden seien. Die neuerlich vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen würden nunmehr auf die allgemeine Lage in der Teilrepublik Tschetschenien bzw. die gesamte Russische Föderation gründen. Eine Verfolgung im Falle der Rückkehr habe nicht festgestellt werden können. Zudem stünde eine innerstaatliche Fluchtalternative offen.
Gegen diese Bescheide richteten die Familienmitglieder gleichlautende Beschwerden, welche beim Bundesamt am 28.12.2018 per Email einlangten und dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurden.
Mit Erkenntnis vom 12.08.2019 gab das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerden gegen die Bescheide vom 24.11.2018 teilweise Folge und hob die jeweiligen Spruchpunkte VII der an den Erstbeschwerdeführer und seine Gattin adressierten Bescheide ersatzlos auf (Spruchpunkt I). Den Beschwerden der Kinder wurde ebenso teilweise Folge gegeben und die jeweiligen Spruchpunkte VI der an diese adressierten Bescheide ersatzlos aufgehoben (Spruchpunkt II). Sämtlichen Beschwerden wurde so aufschiebende Wirkung zuerkannt. Die Anträge der Familienmitglieder auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurden als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt III).
In der Hauptsache sind diese Beschwerden nach wie vor beim Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung anhängig.
1.1.5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.10.2019 wurde den Beschwerden der Gattin, der ältesten und zweitältesten Töchter sowie der ältesten und zweitältesten Söhne des Erstbeschwerdeführers gegen Spruchpunkt I der Bescheide des Bundesamts zur Erledigung von deren Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG 2005 Folge gegeben und Rückkehrentscheidungen gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig erklärt.
Unter einem wurde XXXX gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
XXXX wurde gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 2, 55 Abs. 2 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
Die Erledigung der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers gegen den an ihn gerichteten Bescheid des Bundesamts zur Erledigung seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wurde - da dem Bundesverwaltungsgericht damals der Abschluss des Strafverfahrens durch Freispruch des Erstbeschwerdeführers mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 18.07.2019 noch nicht bekannt war - einer gesonderten Entscheidung vorbehalten, die hiermit getroffen wird.
1.2. Zu den Beschwerdeführern:
1.2.1. Der Erstbeschwerdeführer und seine Gattin XXXX sind Eheleute und die Eltern der Minderjähren XXXX . Alle Genannten sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Im Herkunftsstaat lebten der Erstbeschwerdeführer und seine Gattin vor ihrer Ausreise zuletzt in Alchan-Jurt in Tschetschenien.
1.2.2. Der Erstbeschwerdeführer und seine Gattin halten sich seit dem 20.01.2007 durchgehend im Bundesgebiet auf; ihre Kinder wurden bereits im Bundesgebiet geboren und haben dieses noch nie verlassen.
1.2.3. Der Erstbeschwerdeführer wie seine Gattin und seine Kinder leiden nicht an lebensbedrohlichen Erkrankungen. Der Erstbeschwerdeführer und seine Gattin sind arbeitsfähig.
1.2.4. Der Erstbeschwerdeführer wie seine Gattin und seine Kinder leben in Österreich in einem Haushalt.
1.2.5. Ein Onkel des Erstbeschwerdeführers hält sich im Bundesgebiet auf. Dieser ist in Österreich asylberechtigt. Zu ihm steht der Erstbeschwerdeführer in regelmäßigem Kontakt. Auch die übrigen Familienmitglieder besucht der Onkel des Erstbeschwerdeführers öfters zu Hause. Während der Haftstrafe des Erstbeschwerdeführers unterstützte er den Erstbeschwerdeführer und seine Familie finanziell; derzeit erhalten der Erstbeschwerdeführer, seine Gattin und seine Kinder keine finanzielle Unterstützung mehr von diesem Onkel. Der Onkel lebt mit dem Erstbeschwerdeführer und dessen Familie nicht in einem Haushalt.
1.2.6. Im Herkunftsstaat halten sich nach wie vor die Eltern, ein Bruder, zwei Schwestern, sieben Tanten, ein Onkel, sowie mehrere Cousinen und Cousins des Erstbeschwerdeführers auf. Der Kontakt zwischen dem Erstbeschwerdeführer und seinen Kindern zu den Eltern des Erstbeschwerdeführers ist selten und findet über WhatsApp statt. Dabei wird Tschetschenisch gesprochen. Seltener Kontakt über WhatsApp findet auch zwischen dem Erstbeschwerdeführer und seinen Schwestern statt. Zu den Tanten, dem Onkel und den Cousinen und Cousins des Erstbeschwerdeführers besteht seit längerem kein Kontakt. Dem Erstbeschwerdeführer und dessen Kernfamilie ist auch nicht bekannt, wo sich diese derzeit aufhalten.
1.2.7. Im Herkunftsstaat hält sich ferner eine Reihe von Verwandten der Gattin des Erstbeschwerdeführers, darunter deren Mutter und Bruder, auf. Auch deren zwei Großmütter leben jeweils mit ihren Söhnen in Tschetschenien. Zur Mutter steht die Gattin des Erstbeschwerdeführers ca. einmal wöchentlich telefonisch in Kontakt über WhatsApp. Anlässlich dieser Kontaktaufnahmen Gattin des Erstbeschwerdeführers unterhalten sich auch die Kinder des Erstbeschwerdeführers mit ihrer Großmutter in tschetschenischer Sprache. Selten spricht die Gattin des Erstbeschwerdeführers auch mit ihrem Bruder oder den Großmüttern. Der Kontakt erfolgt dann über die Mutter der Gattin des Erstbeschwerdeführers. Dabei wird Tschetschenisch gesprochen. Weiters leben zwei Onkel und eine Tante mütterlicherseits mit ihren Familien in Tschetschenien. Zu diesen besteht kein Kontakt.
Die Eltern des Erstbeschwerdeführers sind Eigentümer eines Hauses. Seine Mutter ist selbstständig tätig. Die Mutter der Gattin des Erstbeschwerdeführers ist Pensionistin. Sie lebt mit dem Bruder der Gattin des Erstbeschwerdeführers und dessen Familie in einem Mietshaus. Der Bruder der Gattin des Erstbeschwerdeführers arbeitet als Kraftfahrzeugschlosser.
1.2.8. Der Erstbeschwerdeführer kann sich in der deutschen Sprache - von grammatikalischen Ungereimtheiten abgesehen - gut ausdrücken und versteht gesprochenes Deutsch ausnahmslos. Er hat auch das "B1 Zertifikat Deutsch Österreich" des ÖSD erlangt (Zertifikat vom 04.06.2014). Zudem beherrscht der Erstbeschwerdeführer die tschetschenische und die russische Sprache.
Die Gattin des Erstbeschwerdeführers beherrscht Deutsch - abgesehen von vereinzelten fehlerhaften Satzstellungen - weitgehend fehlerfrei und versteht gesprochenes Deutsch ausnahmslos. Sie hat auch das Diplom "A2 Grundstufe Deutsch 2" des ÖSD erlangt (Zertifikat vom 05.08.2014). Die Zweitbeschwerdeführerin beherrscht zudem die tschetschenische und die russische Sprache.
1.2.9. Die Kinder des Erstbeschwerdeführers beherrschen die tschetschenische und die deutsche Sprache auf muttersprachlichem Niveau bzw. erlernen sie diese Sprachen derzeit als Muttersprachen. Sie sprechen im Haushalt gemischt Deutsch und Tschetschenisch.
1.2.10. Der Erstbeschwerdeführer wie die übrigen Familienmitglieder beziehen Leistungen der Grundversorgung; sie erhalten Euro 150 pro Person und Monat und ihnen wird zusätzlich eine Unterkunft zur Verfügung gestellt. Der Erstbeschwerdeführer und seine Gattin waren und sind nicht legal erwerbstätig.
Der Erstbeschwerdeführer war bisher ohne Anmeldung erwerbstätig und verdiente damit im Durchschnitt zwischen Euro 400 und 450 pro Monat. Für den Fall, dass dies rechtlich möglich würde, wird der Erstbeschwerdeführer bei einem Unternehmen für Landschaftsgestaltung in Vollzeitbeschäftigung (40 h pro Woche) zu einem Lohn von Euro 2.100,-- brutto angestellt werden (Arbeitsvorvertrag vom 08.09.2019). Die in Aussicht genommene Anstellung des Erstbeschwerdeführers würde mit einer Sozialversicherung verbunden sein.
Die Gattin des Erstbeschwerdeführers arbeitete von 2007 bis 2009 ohne Anmeldung als Reinigungskraft. Ehrenamtlich übersetzte sie zudem in der Vergangenheit für Tschetschenen bei Krankenhaus- und Arztbesuchen sowie für einen Verein. Von 30.01.2019 bis 10.03.2019 übte die Gattin des Erstbeschwerdeführers sechs Stunden täglich eine Renumerationstätigkeit in der Erstaufnahmestelle in XXXX in der Wäscherei aus und erhielt pro Stunde Euro 1,60.
1.2.11. Die älteste Tochter des Erstbeschwerdeführers, XXXX , hat die Volksschule in Österreich besucht und abgeschlossen; sie besuchte seit Beginn des Schuljahres 2018/2019 bis 06.11.2018 die erste Klasse des XXXX (AHS), was sie danach wegen der Überstellung in ein Verteilerquartier bis September 2019 unterbrechen musste; während dieser Zeit nahm sie eingeschränkte Bildungsangebote in dem Verteilerquartier in Anspruch. Seit September 2019 geht sie wieder in die AHS und ist dort in die Schulgemeinschaft integriert.
Der älteste Sohn des Erstbeschwerdeführers, XXXX und dessen weitere Tochter XXXX besuchen in Österreich die Volkschule, wobei dieser Schulbesuch ebenso durch die Überstellung in ein Verteilerquartier von 06.11.2018 bis September 2019 unterbrochen wurde; während dieser Zeit nahmen sie Bildungsangebote in dem Verteilerquartier in Anspruch. Der weitere Sohn des Erstbeschwerdeführers, XXXX besucht den Kindergarten. Das jüngste Kind des Erstbeschwerdeführers, XXXX , besucht ebenfalls den Kindergarten. Die älteste Tochter des Erstbeschwerdeführers, XXXX , und älteste Sohn des Erstbeschwerdeführers, XXXX erzielten bislang in der Volksschule sehr gute Benotungen. Der älteste Sohn des Erstbeschwerdeführers, XXXX , ist in die Schulgemeinschaft der Volksschule intensiv integriert.
1.2.12. Der Erstbeschwerdeführer und die Angehörigen seiner Kernfamilie unterhalten intensiv und regelmäßig gepflegte freundschaftliche Beziehungen zu dauerhaft in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen, darunter auch österreichische Staatsangehörige und sonstige Unionsbürger.
1.2.13. Die Beschwerdeführer gehören keinen Vereinen oder sonstigen Organisationen in Österreich an.
1.2.14. Der Erstbeschwerdeführer weist folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:
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Urteil des LG für Strafsachen XXXX zu XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX : Sechs Monate Freiheitsstrafe bedingt als Junger Erwachsener gemäß § 83 Abs. 1 und § 84 Abs. 1 StGB (schwere Körperverletzung);
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Urteil des LG für Strafsachen XXXX XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX : ein Jahr Freiheitsstrafe als Junger Erwachsener gemäß § 142 Abs. 1 iVm § 12 3. Fall sowie § 143 2. Fall StGB (schwerer Raub);
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Urteil des LG für Strafsachen XXXX zu XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX : acht Monate Freiheitsstrafe bedingt als Junger Erwachsener gemäß § 84 Abs. 1 und § 83 Abs. 1 StGB (schwere Körperverletzung);
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Urteil des LG für Strafsachen XXXX zu XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX : drei Monate Freiheitsstrafe gemäß § 107 Abs. 1 StGB (gefährliche Drohung).
Zuletzt war der Erstbeschwerdeführer von 28.02.2017 bis 28.05.2017 in Strafhaft.
Am XXXX wurde von der Staatsanwaltschaft XXXX gegen den Erstbeschwerdeführer Anklage wegen Körperverletzung erhoben. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX wurde der Erstbeschwerdeführer gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
1.2.15. Nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat hätte der Erstbeschwerdeführer keine finanziellen Probleme zu erwarten. Denn die Mutter des Erstbeschwerdeführers ist dazu in der Lage, sie zu unterstützen. Die Mutter des Erstbeschwerdeführers lebt nach wie vor dort und ist finanziell gut situiert, weil sie einen Bekleidungshandel betreibt.
1.2.16. Der Erstbeschwerdeführer besucht derzeit im Bundesgebiet weder Kurse noch sonstige Fortbildungen.
1.3. Zur Lage in der Russischen Föderation, insbesondere in Tschetschenien, stellt das Bundesverwaltungsgericht folgende Ausführungen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 31.08.2018 in der Fassung der Kurzinformation vom 28.02.2019 als örtliche Gegebenheiten im Herkunftsstaat fest:
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 18.4 Homosexuelle).
Ende 2018 kam es in Tschetschenien wieder zur Verhaftung von Homosexuellen. Laut Angaben des russischen LGBT-Netzwerkes wurden mindestens 40 Frauen und Männer inhaftiert, mindestens zwei sollen im Zuge von Folter getötet worden sein (LGBT Netzwerk 14.1.2019, vgl. Nowaja Gaseta 18.1.2019). Laut dem Leiter des LGBT-Netzwerkes, Igor Kotschetkow, kam es nicht nur zur physischen Bedrohung bis zur Inkaufnahme des Todes der Festgehaltenen, sondern die Sicherheitskräfte sollen auch versucht haben, die Frauen und Männer daran zu hindern, aus der Teilrepublik auszureisen oder vor Gericht zu ziehen (NZZ 18.1.2019, vgl. UN News 13.2.2019). Die Kampagne, deren Muster und auch der Ort der Inhaftierung, eine Anlage in der Stadt Argun, erinnern an eine erste Welle an Verhaftungen von tschetschenischen Homosexuellen vor zwei Jahren. Nach Einschätzung von Menschenrechtsaktivisten gingen die Einschüchterungen, Festnahmen und Gewalttaten gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender weiter. Im Frühsommer 2017 hatte das Ermittlungskomitee von höchster Stelle in Moskau aus wegen starken internationalen Drucks eine Untersuchung der schwerwiegenden Vorwürfe angeordnet. Diese brachte allerdings nie konkrete Resultate (NZZ 18.1.2019, vgl. Nowaja Gaseta 18.1.2019).
Quellen:
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Russisches LGBT-Netzwerk (14.1.2019): New wave of persecution against LGBT people in Chechnya: around 40 people detained, at least two killed,
https://lgbtnet.org/en/newseng/newwave-persecution-against-lgbt-people-chechnya-around-40-people-detained-least-two-killed, Zugriff 28.2.2019
-
Nowaja Gaseta (18.1.2019):
https://www.novayagazeta.ru/articles/2019/01/16/79205-legitimnye-zhertvy, Zugriff 28.2.2019
-
NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.1.2019): In Tschetschenien hat eine neue Welle der Verfolgung Homosexueller begonnen, https://www.nzz.ch/international/in-tschetschenien-hat-eine-neue-welleder-verfolgung-homosexueller-begonnen-ld.1452401, Zugriff 28.2.2019
-
UN News (13.2.2019): LGBT community in Chechnya faces 'new wave of persecution': UN human rights experts, https://news.un.org/en/story/2019/02/1032641, Zugriff 28.2.2019
Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB RUSS übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 16.3. Zeugen Jehovas).
Änderungen seit Mai 2018:
Erstens wurde weitere, die Zeugen Jehovas betreffende Literatur in die "Föderale Liste extremistischer Materialien" des Justizministeriums der RF
(http://minjust.ru/ru/extremistmaterials?field_extremist_content_value) aufgenommen. Es handelt sich dabei um die Positionen 4471, 4472, 4485 bis 4488 und 4502, die aufgrund der Entscheidungen diverser russischer Gerichte am 5.7.2018 bzw. am 31.8.2018 in die Liste aufgenommen wurden. Zweitens wurde der Erlass N 11 "Über die gerichtliche Praxis in Strafsachen zu Verbrechen mit extremistischer Ausrichtung" des Plenums des Obersten Gerichts vom 28.6.2011 am 20.9.2018 novelliert, die Definition der Z 20 Abs. 2, was unter einer Teilnahme an einer extremistischen Organisation iSd Art. 282.2 russ. StGB zu verstehen ist, ist aber ebenso unverändert geblieben wie der Art. 282.2 russ. StGB ("Organisation der Tätigkeit einer extremistischen Organisation") selbst. Auch die Entscheidung des Obersten Gerichts der RF N AKPI 17-238 vom 20. April 2017, mit der das "Leitungszentrum der Zeugen Jehovas in Russland" als extremistische Organisation eingestuft und verboten wurde, ist unverändert gültig.
Unter dem Link http://gorod-che.ru/new/2018/10/10/58877 findet sich ein Artikel vom 10.10.2018, wonach fünf Bewohner der Kirowsker Oblast festgenommen wurden wegen des Versuches, die Tätigkeit einer religiösen Organisation, die die Glaubenslehre der Zeugen Jehovas weiterverbreitet, wieder aufzunehmen. Trotz der Verbotsentscheidung des Obersten Gerichts vom 20.4.2017 hätten die Festgenommenen laut Untersuchungskomitee - in voller Kenntnis der Gerichtsentscheidung - in der Zeit vom 16.8.2017 bis zum 29.9.2018 beschlossen, die religiöse Tätigkeit wieder aufzunehmen.
Unter Beachtung aller konspirativen Maßnahmen hätten sie jedes Mal in neuen Wohnungen Treffen von Jüngern und Teilnehmern der religiösen Vereinigung organisiert. Dort hätten sie biblische Lieder gesungen, die Fertigkeiten bei der Durchführung der missionarischen Tätigkeit vervollkommnet und in der Extremismus-Liste aufgeführte verbotene Literatur studiert (New World Translation of the Holy Scriptures, Nr. 4488 der Liste). Außerdem hätten sie eine verbotene religiöse Organisation finanziert, indem sie ca. 500.000 RUB von den Glaubensanhängern gesammelt hätten. Dieses Geld sei zwischen den Führern der Organisation für die Miete der Räumlichkeiten, für den Erwerb und die Wartung von Computern aufgewendet worden. Der Rest der Summe sei dem Leitungszentrum überwiesen worden.
Art. 282.3 des russ. StGB
(http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_10699/51346ce1f845bc43ee6f3eadfa69f651